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BGH Urteil v. - 6 StR 72/25

Instanzenzug: LG Stade Az: 100 Ks 3/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit versuchtem Mord und mit versuchtem Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Es hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, eine Adhäsionsentscheidung und eine Entscheidung zur Anrechnung der erlittenen Auslieferungshaft getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel gegen den Strafausspruch. Während das Rechtsmittel des Angeklagten erfolglos bleibt, hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg.

I.

21. Nach den Feststellungen fasste der Angeklagte am Nachmittag des spontan den Entschluss, seinen ehemaligen Arbeitskollegen V.      noch am selben Tag in dessen einsam gelegenem Haus zu überfallen und dort Wertgegenstände zu erbeuten. Er besorgte sich ein Reizsprühgerät, Gesichtsmasken sowie eine Taschenlampe und fuhr zum Tatort. Bereits seit dem Morgen hatte der Angeklagte stündlich Amphetamin konsumiert, unmittelbar vor der Tatbegehung nahm er in zwei Dosen insgesamt sechs weitere Gramm zu sich. Gegen 18.15 Uhr klopfte der nunmehr maskierte Angeklagte an die Eingangstür und sprühte V.      nach dem Öffnen ohne Vorwarnung Reizgas ins Gesicht. Sodann schlug er V.      mit der Faust und trat, nachdem dieser zu Boden gegangen war, mehrfach heftig gegen dessen Kopf. Als V.      sich nicht mehr bewegte, durchsuchte der Angeklagte das Haus erfolglos nach Wertgegenständen, entdeckte aber im Obergeschoss einen verschlossenen Tresor. Er kehrte zu dem immer noch am Boden liegenden V.      zurück und fragte ihn nach Geld, Waffen und Schlüsseln, wobei er ihn abermals trat. V.      zeigte ihm ein Geldversteck im Wohnzimmer, aus dem der Angeklagte 180 Euro entnahm und einsteckte. Erneut schlug der Angeklagte V.    mit der Faust ins Gesicht, trat ihn und fragte wiederum nach Geld, Waffen und Schlüsseln, woraufhin dieser auf einen an einem Schlüsselbrett hängenden Tresorschlüssel zeigte. Nunmehr schleifte der Angeklagte V.     , der infolge der erlittenen Verletzungen nicht mehr gehen konnte, am Kragen hinter sich die Treppe nach oben, ließ ihn fallen, trat ihm auf den Kopf und zwang ihn, den Tresor zu öffnen, in dem sich nur ein Metallkoffer und alte Munition befanden. Nachdem V.      den Angeklagten bei einem weiteren Schlag ins Gesicht in den Finger gebissen hatte, beschloss er, V.      so schwer zu verletzen, dass dieser ihn nicht mehr an der weiteren Suche nach Wertgegenständen und an der Flucht mit der Tatbeute würde hindern können. Zu diesem Zweck schlug der Angeklagte dem bereits erheblich verletzten V.      den Metallkoffer auf den Kopf, stieg mit seinem gesamten Körpergewicht auf dessen linken Unterarm und trat ihm mehrmals mit der Hacke auf den Kopf, wobei er den Tod seines Opfers billigend in Kauf nahm. Der Geschädigte blieb nach einiger Zeit mit geschlossenen Augen, blutüberströmt und regungslos liegen. Der Angeklagte hielt es für naheliegend, dass V.      schon tot war oder an den Verletzungen zeitnah versterben würde. Bei einer erneuten Durchsuchung der Räume nahm er einen Akkuschrauber, eine Taschenlampe und weiteres Bargeld an sich, kehrte in das Zimmer zurück, in dem V.      noch immer regungslos lag, verstaute seine Beute in dem mitgeführten Rucksack und verließ das Haus. Das Schicksal seines Opfers war ihm gleichgültig.

3V.     erlitt mehrere Brüche im Gesicht, Riss- und Platzwunden an Kopf und Arm, zudem war sein linker Ohrknorpel eingerissen. Er musste mehrmals operiert werden und leidet neben anhaltenden Schmerzen seit dem Überfall an Angstzuständen und Schlafstörungen.

42. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als besonders schweren Raub in Tateinheit mit versuchtem Mord und versuchtem Raub mit Todesfolge nach §§ 211, 251, 22, 23 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1, 3a und b StGB gewertet. Es hat die Mordmerkmale der Habgier und Ermöglichungsabsicht bejaht. Sachverständig beraten hat es angenommen, dass der Angeklagte an einem Abhängigkeitssyndrom von Amphetamin leide und seine Steuerungsfähigkeit aufgrund eines akuten Amphetaminrausches zum Tatzeitpunkt nicht ausschließbar erheblich vermindert im Sinne von § 21 StGB gewesen sei.

II.

5Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.

61. Das Rechtsmittel ist auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt und die Sachrüge ausdrücklich ohne Einschränkungen erhoben. Jedoch ergibt sich aus dem für die Ermittlung des Angriffsziels maßgeblichen Inhalt der Revisionsbegründung (vgl. ; Beschluss vom – 6 StR 355/24), dass die Staatsanwaltschaft ausschließlich den Strafausspruch beanstandet. Diese Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Eine Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten ist sicher auszuschließen, so dass der Beschränkung keine untrennbare Verknüpfung der Erörterungen zum Schuld- und Strafausspruch entgegensteht, die eine getrennte Prüfung nicht erlauben würde (vgl. , BGHR StPO, § 302 Abs. 2 Beschränkung 3).

72. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil die Strafzumessung Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten aufweist. Das Landgericht hat die Strafe aus dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB verschobenen Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB zugemessen. Die Annahme, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei wegen eines akuten Amphetaminrausches nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen, erweist sich indes als rechtsfehlerhaft.

8a) Das Landgericht hat – gestützt ausschließlich auf die Einlassung des Angeklagten – festgestellt, dass der Angeklagte unmittelbar vor der Tatbegehung am Tatort in zwei Portionen insgesamt sechs Gramm Amphetamin zu sich nahm und daraufhin starkes Herzklopfen, zitternde Beine und ein Kribbeln unter der Haut spürte. Es hat sich der Wertung des Sachverständigen angeschlossen, dass aufgrund dieses übermäßigen Amphetaminkonsums und der typischerweise damit verbundenen „überschießenden Aggression“ die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht ausschließbar erheblich eingeschränkt gewesen sei.

9b) Die Beweiswürdigung zu den Anknüpfungstatsachen, insbesondere zum Konsum von sechs Gramm Amphetamin unmittelbar vor Begehung der Tat, begegnet auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. , Rn. 8) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

10aa) Die Beweiserwägungen sind lückenhaft, weil die Strafkammer den möglicherweise geringeren Beweiswert der Einlassung des Angeklagten zu seinem Amphetaminkonsum unmittelbar vor der Tat nicht erwogen hat. Hierzu hätte Veranlassung bestanden, weil er nach vorhergehender umfangreicher Einlassung erstmals kurz vor Schluss der Beweisaufnahme angab, unmittelbar vor der Tat Amphetamine konsumiert zu haben (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 139/22, Rn. 16; vom – 5 StR 411/20; Urteil vom – 2 StR 110/17, Rn. 9).

11bb) Ferner versteht sich die als Indiz für eine rauschbedingte Beeinflussung herangezogene tatgerichtliche Erwägung, die Tat und deren konkrete Umsetzung seien persönlichkeitsfremd, nicht von selbst und hätte daher näherer Erörterung bedurft. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen, dem sich das Landgericht auch insoweit angeschlossen hat, zeige der bislang nicht straffällig gewordene und die Tat weitgehend einräumende Angeklagte bis heute keine Bestürzung über sein Verhalten und lasse keine Empathie mit dem Opfer erkennen.

12cc) Im Übrigen gibt die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe Anlass zu der Besorgnis, dass das Tatgericht entgegen § 261 StPO die allein ihm obliegende Aufgabe, die Beweise zu würdigen, in unzulässiger Weise auf den Sachverständigen delegiert hat. Denn es hat sich den „die erhobenen Beweise zutreffend würdigenden Ausführungen des forensisch erfahrenen Sachverständigen“, wenn auch nach eigener kritischer Würdigung, angeschlossen. Der Sachverständige ist jedoch weder berufen noch in der Lage, dem Tatgericht die Verantwortung für die Feststellungen abzunehmen, die dem Urteil zugrunde gelegt werden (vgl. ; vom – 5 StR 49/55, BGHSt 7, 238, 239).

13c) Hierauf beruht der Strafausspruch. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Prüfung die Voraussetzungen der §§ 21, 49 Abs.1 StGB verneint hätte und zu einer höheren Strafe gelangt wäre. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

III.

14Die Revision des Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Weder Schuld- und Strafausspruch noch die sonstigen Entscheidungen weisen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:161025U6STR72.25.0

Fundstelle(n):
AAAAK-07303