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BVerwG Beschluss v. - 1 WB 63.24

Konkurrentenstreit A 15-Dienstposten

Leitsatz

In einem Konkurrentenstreit kann sich der nicht ausgewählte Soldat darauf berufen, dass die dem Ausgewählten erteilte dienstliche Beurteilung rechtswidrig ist.

Tatbestand

1Der Antrag betrifft einen Konkurrentenstreit um die Besetzung des seit April 2023 nach der Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstpostens des Leiters Bereich ... des ...

2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März ... enden. Im Juni 2012 wurde er zum Oberstleutnant befördert und mit Wirkung vom in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. Zum war er auf den - damals noch mit A 13H - A 14 dotierten - streitgegenständlichen Dienstposten versetzt worden. Zum wurde er auf einen anderen, mit A 13H - A 14 bewerteten Dienstposten (...) beim ... umgesetzt.

3Am entschied der Unterabteilungsleiter III 1 des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr, den streitgegenständlichen Dienstposten mit Oberstleutnant Z. zu besetzen.

4Der ... geborene Oberstleutnant Z. ist ebenfalls Berufssoldat. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September ... enden. Er wurde im September 2018 zum Oberstleutnant befördert und mit Wirkung vom in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. Zum wurde er auf den streitgegenständlichen Dienstposten versetzt. Zum wurde er auf einen A 15-Dienstposten bei der ... nach K. versetzt.

5Der Besetzungsentscheidung liegt die Organisationsgrundentscheidung "Aufsteiger" zugrunde, da geeignete Stabsoffiziere (A 15) nicht verfügbar seien.

6Die Dokumentation der Besetzungsentscheidung referiert die Aufgabenbeschreibung des Dienstpostens.

7Im Anforderungsprofil werden als "zwingende Kriterien" genannt:

- "Kompetenzbereich Org o. Rü/NuMgmt

- Werdegang 23564, LfzTStOffz

- EinsPl SK

- Vorverwendung StffKpt LfzTStff

- Vorverwendung Ebene Kdo/Amt o. vglb., Bereich Rüstung/Beschaffung

- Ü 2 Sabotageschutz".

8Die wünschenswerten Kriterien werden wie folgt aufgezählt:

- "LfzTOffz/SB Einw Luftrecht

- Innere Führung mit EinhFhr

- Human Factors Basisschulung

- SichhIng Bw

- Einsatzerfahrung, vorzugsweise Fhr LfzTStff

- Fremdsprache (SLP) Englisch (3332)".

9Die Empfehlung zugunsten des ausgewählten Oberstleutnant Z. wird im Auswahlrational wie folgt begründet:

"Aus dem Bereich aller in Frage kommenden StOffz im Werdegang 23564 LfzT (52), die eine hinreichende Restdienstzeit haben (51), bereits im Statusamt A 14 beurteilt wurden (29) und welchen aktuell mindestens die EP 2 (A 15) attestiert wurde (25) erfüllen 22 StOffz die harten Kriterien des Dienstpostens und kommen damit für eine entsprechende Auswahl grundsätzlich in Betracht.

Oberstlt Z. hat mit der für die Auswahlentscheidung heranzuziehenden planmäßigen Beurteilung 2021 (A0/EP 3) gegenüber dem leistungsstärksten der verbliebenen Konkurrenten, Oberstlt G. (B-/EP 2) einen uneinholbaren Leistungsvorsprung (Stufe 2)."

10Nachdem der Antragsteller durch seinen Personalführer am telefonisch über die Auswahlentscheidung informiert worden war, beschwerte er sich mit Schriftsatz vom gegen sie. Dem Leistungsvergleich seien Beurteilungen von 2021 zugrunde gelegt worden. Der Ausgewählte sei zwar auf einem Dienstposten derselben Dotierungshöhe beurteilt worden. Die Beurteilungen seien aber von unterschiedlichen Erst- und Zweitbeurteilern erstellt worden. Außerdem seien er und der Ausgewählte in unterschiedlichen Vergleichsgruppen und unterschiedlichen Funktionsebenen beurteilt worden. Der ausgewählte Offizier sei als Sachbearbeiter ohne Führungsaufgaben beurteilt worden, während er selbst in einer Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion beurteilt worden sei. Bei der Erstellung der Beurteilungen seien daher nicht dieselben Maßstäbe bezüglich der Anforderungen und der Arbeitsqualität angewandt worden. Ein direkter Vergleich sei deswegen ausgeschlossen.

11Nachdem über seine Beschwerde nicht entschieden worden war, legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom unter Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 WBO weitere Beschwerde ein. Unter dem stellte er Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Das Bundesministerium der Verteidigung hat diesen Antrag mit einer Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt.

12Der Antragsteller rügt formelle Fehler. So sei die zuständige Vertrauensperson nicht angehört worden. Es gebe keinen von der zuständigen Stelle unterzeichneten Planungsbogen. Es sei fraglich, ob der Unterabteilungsleiter III 1 des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr für die Entscheidung zuständig sei. Nach den vorgelegten Unterlagen sei nicht ersichtlich, wer dem Auswahlgremium angehört habe, welche Beteiligungsorgane angehört worden seien und ob Stellungnahmen eingeholt worden seien. Für die Anhörung des Beteiligungsorgans hätte zwischen Beschwerde und Antragstellung mehr als ein Jahr Zeit bestanden. Das Datum der Auswahlentscheidung sei nicht erkennbar. Die Dokumentation sei unvollständig. Die vorgelegte Organisationsgrundentscheidung sei nicht datiert und unterschrieben. Damit sei nicht dokumentiert, dass sie vor der Auswahlentscheidung getroffen sei. Dieser Mangel sei nicht heilbar. Die Entscheidung sei zudem materiell rechtswidrig. Die Beurteilungen seien trotz jeweiliger Zuordnung zu Vergleichsgruppen mit Leitungsfunktion nicht im Wesentlichen vergleichbar. Der Ausgewählte sei nur als Sachgebietsleiter beurteilt worden und habe vertretungsweise über einen unbekannten Zeitraum die Aufgaben des Dezernatsleiters wahrgenommen. Diese Führungsaufgaben seien allenfalls untergeordnet und für den Dienstposten nicht prägend. Er sei daher durch den Zweitbeurteiler mit Recht einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion zugeordnet worden. Die Bewertung von Leistungsmerkmalen sei rechtswidrig. Dagegen habe er selbst auf dem streitgegenständlichen Dienstposten Führungsverantwortung übernommen. Seine Führungserfahrung sei deutlich höher einzuschätzen als die des Ausgewählten, da er für mehr Personal und Material Verantwortung getragen habe.

13Seine Beurteilung zum Stichtag sei zudem unschlüssig. Das Gesamturteil "C+" ergebe sich nicht schlüssig aus den Einzelwertungen. Nach diesen hätte eine Bewertung im Bereich "B" erfolgen müssen. Die Binnendifferenzierung "+" sei durchaus denkbar. Eine Abweichung um drei Stufen der Binnendifferenzierung müsse als im Wesentlichen gleich betrachtet werden. Dass sein Gesamturteil nicht den Einzelwertungen entspreche und daher im Grunde rechtswidrig sei, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Er habe 2021 noch nicht vorhersehen können, dass dieses Gesamturteil 2023 für eine Auswahlentscheidung relevant würde. Da es zudem noch keine Erfahrungen mit dem neuen Beurteilungssystem gegeben habe, sei es ihm hinnehmbar erschienen, das Gesamturteil im quotierten Bereich zu akzeptieren. Dem Leistungsvergleich dürfe seine offenkundig rechtswidrige und von Amts wegen aufzuhebende Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden. Bei einem im Wesentlichen gleichen Leistungsbild komme es auf seinen unbestreitbaren Erfahrungsvorsprung an. Er habe sich auf dem streitgegenständlichen Dienstposten bewährt. Nach der Wegversetzung des Ausgewählten von dem streitgegenständlichen Dienstposten werde das Verfahren mit einem Feststellungsantrag fortgesetzt. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus seinem Schadlosstellungsanspruch.

14Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die Auswahlentscheidung vom bezüglich des Dienstpostens Ltr ... rechtswidrig war.

15Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

16Die Auswahlentscheidung sei rechtmäßig gewesen und habe den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Der Unterabteilungsleiter III 1 sei für die Entscheidung zuständig gewesen. Die Entscheidung sei ausreichend dokumentiert. Formvorschriften für Planungsbögen gebe es nicht. Eine Anhörung des zuständigen Beteiligungsorgans im Beschwerdeverfahren sei nicht mehr geboten gewesen, da der Zweck der Beteiligung nach der Stellung des Antrages auf gerichtliche Entscheidung nicht mehr zu erreichen sei.

17Alle 22 mitbetrachteten Soldaten einschließlich des Antragstellers würden die durch Kommando Heer als "harte" Kriterien festgelegten Bedarfsträgerforderungen erfüllen. Im sich anschließenden Leistungsvergleich habe sich der ausgewählte Offizier auch gegenüber dem Antragsteller aufgrund eines besseren Gesamturteils in seiner damals aktuellen Regelbeurteilung zum Stichtag durchgesetzt. Der ausgewählte Offizier sei mit "A0" bewertet worden, während der Antragsteller das Gesamturteil "C+" erhalten habe. Diese Gesamturteile befänden sich in unterschiedlich quotierten Wertungsbereichen und seien damit nicht mehr im Wesentlichen gleich. Die mitbetrachteten Kandidaten seien im gleichen Dienstgrad und derselben Besoldungsgruppe bewertet worden, so dass ein Statuszuschlag entbehrlich gewesen sei. Die Beurteilungen des Antragstellers und des Ausgewählten seien nach einheitlichen Maßstäben erstellt und damit vergleichbar. Sowohl der Antragsteller als auch der Ausgewählte seien in einer Leitungsfunktion beurteilt worden. Schon nach dem Wortlaut hätten sowohl ein Dezernats- als auch ein Sachgebietsleiter Leitungsfunktionen. Dem ausgewählten Soldaten seien als Sachgebietsleiter sechs Soldaten unterstellt gewesen. Dabei sei sein Führungsverhalten positiv bewertet worden. Gleichwohl sei er aus nicht zu klärenden Gründen in einer Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion beurteilt worden. Die Einordnung obliege dem Zweitbeurteilenden. Die Unterscheidung wirke sich allerdings nur im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Zweitbeurteilers aus. Eine organisatorisch darüber hinausreichende bundeswehrweite Differenzierung wäre weder erforderlich noch umsetzbar. Im Übrigen wären auch Gesamturteile von Soldaten vergleichbar, die in unterschiedlichen Vergleichsgruppen bezüglich der Leitungsfunktion, aber auf derselben Besoldungsebene beurteilt wurden. Auf die Vorerfahrung aus der Leitungsfunktion könne es allenfalls bei der Prüfung der Anforderungskriterien ankommen. Unerheblich sei auch, dass der Antragsteller den Dienstposten zuvor sechs Jahre innegehabt habe. Die langjährige Vorverwendung begründe keinen Anspruch, schon allein wegen des Erfahrungsvorsprunges ausgewählt zu werden.

18Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakten des Antragstellers und des ausgewählten Soldaten haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

19Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

201. Der Antrag ist zulässig.

21a) Bei der Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens handelt es sich um eine truppendienstliche Verwendungsentscheidung, für die im Streitfall der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet ist (§ 82 Abs. 1 SG, § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO). Da gegen die Auswahlentscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr der Beschwerdeweg zum Bundesministerium der Verteidigung eröffnet ist, kann der Antragsteller unmittelbar die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 WBO), nachdem über seine Beschwerde nicht binnen Monatsfrist entschieden wurde (§ 21 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO). Der von ihm geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG zählt zu den staatsbürgerlichen Rechten, auf die sich der Soldat wie jeder andere Staatsbürger berufen kann (§ 6 Satz 1 SG). Als Recht, das im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes geregelt ist, kann dessen Verletzung im Wehrbeschwerdeverfahren gerügt werden.

22b) Der Rechtsstreit hat sich zwar nicht dadurch erledigt, dass der strittige Dienstposten mit dem ausgewählten Stabsoffizier besetzt worden war. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (stRspr, vgl. z. B. 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 39 m. w. N.). Erledigung ist allerdings eingetreten, als der ausgewählte Konkurrent auf einen anderen Dienstposten weiterversetzt wurde. Seitdem hat die angefochtene Auswahlentscheidung keine für den Antragsteller nachteiligen Rechtswirkungen mehr und ihre Aufhebung kann seine Rechtsposition nicht verbessern (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 9.16 - juris Rn. 21 und vom - 1 WB 75.19 - juris Rn. 15).

23c) Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, oder die Ablehnung einer solchen Maßnahme vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO), ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO verlangt zwar nicht mehr die Stellung eines förmlichen Feststellungsantrags; der Antragsteller muss aber das Feststellungsinteresse substantiiert geltend machen (stRspr, z. B. BVerwG 1 WB 42.09 - NZWehrr 2010, 161 <161 f.> m. w. N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich das berechtigte Interesse an der Feststellung aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint; ein Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 26 und vom - 1 WB 6.13 - juris Rn. 24). Wird das Feststellungsinteresse auf die Absicht, einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen, gestützt, so gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; nur in einem solchen Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich anhängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme fortzusetzen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnisse für das nachfolgende Schadenersatzverfahren zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 13.11 - Rn. 21 und vom - 1 WB 54.13 - juris Rn. 19, jeweils m. w. N.). Dieser Fall liegt vor, da hier die Erledigung erst nach der Rechtshängigkeit des Antrages durch dessen Vorlage beim Senat eingetreten ist.

242. Der Antrag ist auch begründet. Die Entscheidung des Unterabteilungsleiters III 1 des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom , den streitgegenständlichen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen, ist rechtswidrig und verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG), weil dem Leistungsvergleich mit dem ausgewählten Bewerber eine rechtswidrige Beurteilung zugrunde gelegt wurde.

25a) Nach der Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Bewerbungsverfahrensanspruch, der Bewerbern um ein öffentliches Amt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung in die Bewerberauswahl gibt; die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl. 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102>). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen hinaus auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb einen dem Beamtenrecht entsprechenden Bewerbungsverfahrensanspruch auch für soldatenrechtliche Konkurrenzverhältnisse anerkannt (vgl. z. B. 1 WB 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 40 m. w. N.). Allerdings beschränkt sich die Geltung des Grundsatzes der Bestenauslese im Bereich der Verwendungsentscheidungen auf Entscheidungen über höherwertige, die Beförderung in einen höheren Dienstgrad oder die Einweisung in die Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe vorprägende Verwendungen (vgl. klarstellend 1 WB 1.13 - juris Rn. 32).

26Aus Art. 33 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt ferner die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (vgl. - NVwZ 2007, 1178 <1179>). Dem folgend hat der Senat eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Verwendung betreffen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 50, vom - 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 36).

27b) Diesen Anforderungen wird die Auswahlentscheidung nicht vollumfänglich gerecht.

28aa) Die Auswahlentscheidung beruht nicht auf Verfahrensfehlern.

29(1) Ob eine Entscheidung durch einen innerhalb des Bundesamtes unzuständigen Amtsträger einen die Auswahlentscheidung rechtswidrig machenden Verfahrensfehler begründet, kann dahinstehen. Zweifel daran, dass der Unterabteilungsleiter des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr für die Entscheidung zuständig gewesen ist, bestehen nämlich nicht. Dienstposten unterhalb der Dotierung A 16 sind nicht durch die ZDv A-1340/46 dem Präsidenten oder der Präsidentin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr oder dem Bundesministerium der Verteidigung selbst vorbehalten. Das Bundesministerium der Verteidigung hat auf die Rüge des Antragstellers hin mit Schriftsatz vom nachvollziehbar dargetan, dass nach Maßgabe der internen Geschäftsordnung und des Handbuches BAPersBw 53-01-00 die Unterabteilung III 1 im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr als personalbearbeitende Stelle über den A 15-Dienstposten des Uniformträgerbereichs Heer entschieden hat. Dies entspricht der senatsbekannten Praxis. Die Mitwirkung eines Beratungsgremiums sehen Nr. 205, Nr. 206 ZDv A-1340/46 nur für Dienstposten der Dotierung ab A 16 vor. Ein solcher steht hier nicht in Rede.

31(2) Die Auswahlentscheidung verletzt Rechte des Antragstellers nicht wegen einer Missachtung der Dokumentationspflicht.

32Die vorliegenden Unterlagen aus dem Auswahlverfahren weisen die Organisationsgrundentscheidung "Aufsteiger", also die Auswahl unter Kandidaten für einen förderlichen Dienstposten, aus. Sie dokumentieren neben den Hauptaufgaben des in Rede stehenden Dienstpostens die zwingenden und die wünschenswerten Kriterien des Anforderungsprofils. Dokumentiert sind darüber hinaus das in die Betrachtung einbezogene Kandidatenfeld und die Erwägungen, nach denen die Entscheidung zugunsten von Oberstleutnant Z. gefallen ist. Damit ist den sich aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch ergebenden Erfordernissen Rechnung getragen. Die Nutzung bestimmter Formulare ist für die Erfüllung des Dokumentationszweckes nicht erforderlich.

33Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass Paraphierung und Datierung durch den Unterabteilungsleiter auf dem ihm übersandten Exemplar kaum erkennbar sind. Dies liegt aber allein an der schlechten Qualität des Scans. Bei den dem Senat vorgelegten Unterlagen befindet sich ein besser lesbarer Ausdruck, auf dem die handschriftlichen Eintragungen erkennbar sind. Hiernach bestehen keine Zweifel am Datum und am Urheber der Entscheidung.

34Etwaige Fehler in der Dokumentation der Organisationsgrundentscheidung sind nicht kausal für den Ausschluss des Antragstellers aus dem Leistungsvergleich.

35(3) Die Beteiligung der Vertrauensperson war hier nicht nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 SBG erforderlich, weil der Antragsteller seine Versetzung auf den Dienstposten nicht formell beantragt hatte, vielmehr von Amts wegen auf sein evident bestehendes Interesse hin mitbetrachtet wurde.

36Die Beteiligung war auch nicht nach § 24 Abs. 4 Satz 1 SBG geboten (vgl. 1 WB 3.23 - Rn. 34 ff.). Denn der Anwendungsbereich der Norm ist auf solche Verfahren beschränkt, in denen eine Auswahl allein unter Soldatinnen und Soldaten erfolgt, die die zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils erfüllen und die zum Wahlbereich einer Vertrauensperson gehören. Dass dies hier für die 22 mitbetrachteten Stabsoffiziere der Fall gewesen sein könnte, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.

37Zwar hatte der Antragsteller hier nach § 31 Abs. 2 SBG die Anhörung des zuständigen Beteiligungsorgans im Beschwerdeverfahren beantragt. Hierzu ist es allerdings nicht mehr gekommen, nachdem der Antragsteller Untätigkeitsantrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hatte. Damit ist die Sachentscheidungskompetenz auf den Senat übergegangen, die Anhörung des Beteiligungsorgans gegenstandslos und damit entbehrlich geworden. Ihr Zweck ist nicht mehr zu erreichen. Entgegen der Einschätzung des Antragstellers ändert hieran auch der Umstand nichts, dass eine frühere Nachholung möglich gewesen wäre.

38bb) Die Auswahlentscheidung war allerdings materiell rechtswidrig. Zwar begegnet das vom Dienstherrn aufgestellte Anforderungsprofil für den Dienstposten des Leiters Bereich ... keinen rechtlichen Bedenken. Der vorgenommene Leistungsvergleich war jedoch rechtsfehlerhaft.

39(1) Werden - wie hier - mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht, so haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 Rn. 55 und vom - 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 Rn. 42; für das Beamtenrecht Urteil vom - 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61>). Zur Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. 1 WB 59.10 - juris Rn. 31 m. w. N.).

40(2) Hiernach war nicht zu beanstanden, dass die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuelle Regelbeurteilung zum Stichtag zugrunde gelegt worden war. Der Leistungsvergleich durfte auch von einem Vergleich der jeweiligen Gesamturteile ausgehen. Soweit in den dokumentierten Auswahlerwägungen auf Teile der mangels einer zum damaligen Zeitpunkt fehlenden Rechtsgrundlage rechtswidrigen Personalentwicklungsbewertung ( 1 WB 64.22 - BVerwGE 180, 140 Rn. 31 ff.) hingewiesen wurde, ist dies unschädlich, weil diesem Umstand im Vergleich von Antragsteller und ausgewähltem Offizier keine maßgebliche Bedeutung zukam.

41Für den Antragsteller durfte im Leistungsvergleich ein Gesamturteil von "C+" zugrunde gelegt werden. Soweit er Einwendungen gegen die Schlüssigkeit seiner Beurteilungen erhebt, dringt er damit nicht durch, weil er gegen seine Beurteilung nicht rechtzeitig Beschwerde eingelegt hat ( 1 WB 36.09 - BVerwGE 136, 119 Rn. 49). Gegen den Eintritt der Bestandskraft kann er sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er die für ihn nachteiligen Folgen in einem späteren Konkurrentenstreit nicht vorhersehen konnte. Denn er musste damit rechnen, dass die von ihm nicht beanstandete Beurteilung Entscheidungsgrundlage in einem Auswahlverfahren werden würde.

42Der Antragsteller konnte auch nicht bereits deswegen als besser geeignet bewertet werden, weil er den streitgegenständlichen Dienstposten vor dessen Höherbewertung mehrere Jahre innegehabt hatte. Es gibt keinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Inhaber eines Dienstpostens, dessen Dotierung angehoben wird, bei der Besetzung des nun höher dotierten Dienstpostens schon allein wegen seiner langjährigen Vorverwendung auf diesem Dienstposten auszuwählen und allen anderen Bewerbern vorzuziehen wäre. Die höhere Dotierung kann nicht "ersessen", sondern nur im Wege einer Auswahlentscheidung nach dem Leistungsprinzip bzw. dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) erlangt werden ( 1 WB 33.22 und 1 WB 34.22 - juris Rn. 53). Wie ausgeführt erfolgt der Leistungsvergleich auf der Grundlage aktueller Beurteilungen.

43Der Vergleichbarkeit der Beurteilungen steht nicht entgegen, dass sie durch unterschiedliche Beurteiler für Leistungen auf Dienstposten mit unterschiedlichen Aufgaben erstellt wurden. Liegen zwei auf den gleichen Beurteilungsrichtlinien basierende rechtmäßige Beurteilungen für Soldaten derselben Laufbahn und desselben Statusamtes vor, sind sie auch grundsätzlich vergleichbar. Denn der Zweck der Beurteilung besteht gerade darin, einen Vergleich mehrerer an unterschiedlichen Dienststellen eingesetzten Bewerber zu ermöglichen, um eine dem Gebot der Bestenauslese entsprechende Auswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG zu ermöglichen. Das geltende Beurteilungssystem sieht darum keine Abstufung oder unterschiedliche "Wertigkeit" von Beurteilungen je nach der militärischen Ebene, auf der der Soldat beurteilt wird (Ministerium/nachgeordneter Bereich), oder im Hinblick auf eine angenommene besondere Leistungsstärke der beurteilten Vergleichsgruppe (z. B. in einem Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst National) vor ( 1 WB 71.19 - juris Rn. 50). Hiernach ist es grundsätzlich unerheblich, welche konkreten Aufgaben auf dem der Beurteilung zugrunde liegenden Dienstposten zu erledigen waren. Die Bewertungen der einzelnen Leistungskriterien sind in Abschnitt VIII der Anlage 15.3 zur AR A-1340/50 abstrakt definiert und auf unterschiedliche Aufgaben anwendbar. Damit gewährleisten sie und die auf ihrer Grundlage erstellte Gesamtnote eine Vergleichbarkeit von Beurteilungen unabhängig vom konkreten Aufgabenspektrum des einzelnen Dienstpostens.

44(3) Zu beanstanden ist aber, dass die dienstliche Beurteilung des ausgewählten Offiziers mit dem Gesamturteil "A0" rechtswidrig zustande kam und dem Leistungsvergleich zugrunde gelegt wurde.

45Der Antragsteller ist mit diesem Einwand nicht ausgeschlossen, weil er die Beurteilung seines Konkurrenten nicht mit der Beschwerde anfechten konnte und die Beurteilung deshalb ihm gegenüber nicht in Bestandskraft erwuchs. Er kann daher eine inzidente Überprüfung der Beurteilung des ausgewählten Soldaten verlangen ( 1 WB 3.18 - NVwZ-RR 2019, 58 Rn. 44).

46Hierbei ist festzuhalten, dass dessen Beurteilung rechtsfehlerhaft zustande kam. Der ausgewählte Offizier ist - wie das Bundesministerium der Verteidigung im Schriftsatz vom eingeräumt hat - für die Bildung der Gesamtnote in eine Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion eingeordnet worden, obwohl er im Beurteilungszeitraum in erheblichem Umfange Leitungsfunktionen wahrgenommen hatte und deshalb rechtmäßig in eine Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion einzugruppieren gewesen wäre.

47Für die - hier in Rede stehende - Vergleichsgruppenbildung nach der Funktionsebene kommt es gemäß § 3 Abs. 2 SLV nur darauf an, ob der Soldat die Funktionsebene erreicht hat. Dies ist der Fall, wenn er in beurteilungsrelevantem Umfang Leitungsfunktionen faktisch wahrgenommen hat ( 1 WB 27.24 - juris Rn. 41). In zeitlicher Hinsicht ist die Wahrnehmung der Leitungsfunktion beurteilungsrelevant, wenn sie ca. sechs Monate wahrgenommen wurde, wobei unerheblich ist, ob dies nur vertretungsweise erfolgte und am Beurteilungsstichtag noch der Fall war ( 1 WB 21.24 - NZWehrr 2025, 264 Rn. 54).

48Dass der ausgewählte Offizier im fraglichen Beurteilungszeitraum in hinreichendem zeitlichem Umfang Leitungsfunktionen wahrgenommen hatte, ergibt sich aus der Leistungsbewertung seines Erstbeurteilers. Denn in dieser sind die Punkte 1.13 bis 1.15 - und damit das Führungsverhalten, die Motivation und Förderung von Mitarbeitern sowie die Dienstaufsicht und Kontrolle von Arbeitsergebnissen - jeweils bewertet worden. Schon dadurch ist das Innehaben einer Leitungsfunktion indiziert (vgl. 1 WB 1.25 - juris Rn. 31). Die Beschreibung der wahrgenommenen Aufgaben verweist neben der Sachgebietsleitung auch auf die fallweise Vertretung des Dezernatsleiters. Die ergänzende Bewertung zur Leistungsbeurteilung spricht nicht nur eine fachliche Führungsposition an, sondern stellt gerade die Fähigkeit heraus, zugeordnete Soldaten zu motivieren und zu besonderen Leistungen anzuleiten. Bereits hiernach ist von einem beurteilungsrelevanten Umfang der wahrgenommenen Führungsaufgaben auszugehen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat mit Schriftsatz vom erläutert, dass dem ausgewählten Soldaten in dessen Funktion als Sachgebietsleiter sechs Soldaten, ein Offizier und fünf Feldwebel, unterstellt waren. Damit kamen ihm Führungsaufgaben im beurteilten Umfange zu und er hatte die entsprechende Funktionsebene objektiv erreicht. Ob der Antragsteller in noch größerem Umfange Führungsaufgaben wahrgenommen hatte, ist unerheblich.

49Hiernach sind die in Rede stehenden Regelbeurteilungen nicht vergleichbar, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Zuordnung des ausgewählten Soldaten in die für ihn rechtmäßige Vergleichsgruppe mit Leitungsfunktion zu einer anderen Gesamtnote geführt hätte. Es ist ohne Weiteres denkbar, dass der ausgewählte Offizier in der für ihn vorgesehenen Vergleichsgruppe der Offiziere mit Leitungsfunktion nicht die Bestnote "A", sondern eine schlechtere Gesamtnote als der Antragsteller erreicht hätte. Eine Behebung dieses Mangels durch Erstellung einer neuen rechtsfehlerfreien Beurteilung für den ausgewählten Offizier ist vor der Erledigung des Rechtsstreits nicht erfolgt. Daher ist festzustellen, dass die Auswahlentscheidung auf einer fehlerhaften Vergleichsgrundlage beruht.

503. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:131125B1WB63.24.0

Fundstelle(n):
LAAAK-06884