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BGH Urteil v. - III ZR 14/25

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 4 U 24/23 evorgehend LG Coburg Az: 51 O 946/21

Tatbestand

1    Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Dienstleistungsvertrag, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, die Zahlung einer Vergütung von 305.929,25 €.

2    Die Klägerin, eine Gesellschaft mit Sitz in Malta, wird durch ihren geschäftsführenden "Managing Director" Dr. L.      , einen Kardiologen, vertreten, der auch ihr Alleingesellschafter ist. Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Vor Abschluss des vorgenannten Dienstleistungsvertrags herrschte bei der Beklagten insbesondere im Bereich der Kardiologie ein großer Ärztemangel, so dass die Gefahr bestand, dass sie ihren Versorgungsauftrag nicht oder nicht mehr vollständig würde erfüllen können. Es kam ein Kontakt zwischen der Beklagten und Dr. L.      zustande, der dem Anforderungsprofil der Beklagten vollständig entsprach, jedoch keine Anstellung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wünschte, sondern der Beklagten den Abschluss eines Dienstvertrages mit der Klägerin vorschlug. Dr. L.       wies hierbei darauf hin, dass das Konstrukt legal und einer anwaltlichen Prüfung unterzogen worden sei.

3    In dem daraufhin am geschlossenen Dienstleistungsvertrag verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der Beklagten, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Inneren Medizin im Bereich der Interventionellen Kardiologie und Angiologie durch den Einsatz von Personal zu erbringen, das sämtliche gesetzlichen und qualitativen Voraussetzungen zur Erbringung dieser Leistungen erfüllt. Die Beklagte verpflichtete sich, der Klägerin die für die Behandlung erforderliche Zahl von Krankenhausbetten zur Verfügung zu stellen, die Nutzung bestimmter technischer Anlagen und den Einsatz des Bedien- und Assistenzpersonals zu gestatten, wobei die Klägerin berechtigt sein sollte, nach Absprache mit der Beklagten bestimmtes Material zu beschaffen und der Beklagten in Rechnung zu stellen. Die Parteien vereinbarten einen Vertragsbeginn mit dem , eine unbestimmte Vertragsdauer mit dem Ausschluss einer ordentlichen Kündigung für die Dauer von einem Jahr und im Anschluss eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Monaten unter Abbedingung eines "eventuellen" Kündigungsrechts gemäß § 627 BGB. In § 5 des Vertrags ist zur Vergütung unter anderem Folgendes bestimmt:

"Der Dienstleister erhält eine Vergütung in Höhe von 180 € netto pro Stunde und somit pro Tag eine Vergütung in Höhe von 1.440 € netto. Soweit die Klinik den Dienstleister auffordert, an Wochentagen, Wochenenden und Feiertagen seine Dienstleistung zusätzlich im Rahmen des von der Klinik angebotenen Hintergrundbereitschaftsdienstes auf Abruf bereitzustellen, erhält der Dienstleister eine Vergütung in Höhe von 65 € netto pro Stunde.

Sofern aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Umsatzsteuerpflicht besteht, ist die auf die vorgenannten Beträge entfallende Umsatzsteuer in der jeweiligen Höhe zusätzlich durch die Klinik zu zahlen.

Die Vergütung ist fällig innerhalb von 7 Tagen nach Zugang der Rechnung des Dienstleisters, die Rechnungsstellung soll monatlich erfolgen. Die Zahlung erfolgt auf folgendes Konto des Dienstleisters:

Das Honorar ist gemäß § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei."

4    Nachdem Dr. L.      die im Dienstleistungsvertrag vereinbarten Tätigkeiten im Hause der Beklagten aufgenommen hatte, die auch in der Folgezeit ausschließlich durch ihn geleistet wurden, leitete die Beklagte im Einvernehmen mit der Klägerin ein sozialversicherungsrechtliches Statusfeststellungsverfahren bezüglich der Tätigkeiten des Dr. L.      im Hause der Beklagten ein. In dem daraufhin am ergangenen - nicht rechtskräftigen - Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund wurde festgestellt, dass die Tätigkeit von Dr. L.     seit Beschäftigungsbeginn im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde, in dem Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

5    Am erklärte die Beklagte die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Dienstleistungsvertrags. Mit an die Beklagte gerichtetem anwaltlichen Schreiben vom selben Tag, in dem die anwaltliche Vertretung sowohl der Klägerin als auch von Dr. L.      bekanntgegeben wurde, wurde die Kündigung zurückgewiesen und die Leistungsbereitschaft des Mandanten entsprechend dem Dienstleistungsvertrag erklärt. Der Mandant werde sich "auch morgen erneut an Ort und Stelle einfinden und seine Dienstleistung persönlich anbieten" und bekunde nochmals seine vollumfängliche Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienstleistungen. Mit Anwaltsschreiben vom verwies die Beklagte auf nicht überschaubare Haftungsrisiken gegenüber dem Sozialversicherungsträger und dem Fiskus. Sie bot Dr. L.      den Abschluss eines Chefarztvertrages an. Mit Schreiben vom bot sie darüber hinaus an, das Vertragsverhältnis als freies Mitarbeiterverhältnis weiterzuführen, wobei die Klägerin ihr Einverständnis damit erklären sollte, dass Sozialversicherungsbeiträge und Einkommenssteuer wie bei einem Arbeitsverhältnis für Dr. L.      abgeführt würden. Der Forderung der Beklagten nach Vornahme der zur ordnungsgemäßen Abrechnung erforderlichen Mitwirkungshandlungen kam die Klägerin nicht nach. In der Folgezeit erbrachten weder Dr. L.       noch anderes Personal der Klägerin Tätigkeiten bei der Beklagten.

6    Die Klägerin forderte von der Beklagten für den Zeitraum vom bis einschließlich eine Vergütung, die ihr mit Urteil des 5. Zivilsenats des Berufungsgerichts vom (5 U 397/20) in Höhe von 49.175,50 € zugesprochen wurde. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wies der Senat mit Beschluss vom (III ZR 2/22) zurück.

7    Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin - auf der Grundlage der vollen im Vertrag vom vereinbarten Stundensätze - Vergütungsansprüche für den nachfolgenden Zeitraum bis einschließlich geltend gemacht. Das Landgericht hat - unter Klageabweisung wegen der für September 2019 geltend gemachten Vergütung und ersparter Aufwendungen - die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 305.929,25 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (4. Zivilsenat) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von der Vorinstanz zugelassene Revision der Klägerin.

Gründe

8    Die zulässige Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

9    Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der im Dienstleistungsvertrag vom vereinbarten Vergütung, da im streitgegenständlichen Zeitraum durch die Klägerin keine Leistungen erbracht worden seien und auch kein Annahmeverzug der Beklagten bestanden habe. Es sei nicht gehindert, von der im Vorverfahren durch den 5. Zivilsenat des Berufungsgerichts vertretenen Auffassung abzuweichen, wonach die Voraussetzungen des Annahmeverzugs der Beklagten gegeben seien.

10    Ein Annahmeverzug setze voraus, dass der Dienstverpflichtete die Leistung erbringen dürfe und sie so, wie sie vertraglich geschuldet sei, anbiete. Die Klägerin habe sich bereits nicht wirksam verpflichten können, die von ihr geschuldeten Dienste durch den Einsatz von "Personal" (§ 2 Abs. 2 des Dienstleistungsvertrags) zu erbringen, soweit es sich bei dem "Personal" um ihre Arbeitnehmer habe handeln sollen. In diesem Fall wäre das Vertragsverhältnis als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) zu qualifizieren, wofür die Klägerin jedoch nicht über die erforderliche Erlaubnis i.S.v. §§ 1, 2 AÜG verfügt habe.

11    Aber auch durch ihren "Managing Director" Dr. L.    , bei dem es sich nicht um einen Arbeitnehmer der Klägerin i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG handele und auf dessen "Überlassung" an die Klägerin (gemeint wohl: an die Beklagte) die Regelungen des AÜG nicht anwendbar seien, habe die Klägerin die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht mit Annahmeverzug auslösender Wirkung anbieten können. Wie bereits im Hinweisbeschluss vom ausgeführt, seien die von Dr. L.      erbrachten und nach dem Vertrag zu erbringenden Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Ausführungen unter "c) bb)" - wie auch im Statusfeststellungsverfahren festgestellt - als abhängige Beschäftigung im Sinne der sozialrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren. In der Folge habe die Klägerin ihre Tätigkeiten durch Dr. L.      nicht erbringen können, ohne dass gleichzeitig die Beklagte mit entsprechenden Sozialbeiträgen auf Grundlage der zwischen den Parteien vereinbarten Vergütung belastet werde. Das Gericht folge nicht der Auffassung des 5. Zivilsenats des Berufungsgerichts, wonach es sich hierbei um originäre Verpflichtungen der Beklagten als Dienstgeberin gehandelt habe, die unabhängig von Wunsch und Wille des Dr. L.       oder der Klägerin bestanden und daher einer vertraglichen Leistungserbringung durch die Klägerin nicht entgegengestanden hätten. Vielmehr habe deren Verpflichtung darin bestanden, ihre Leistungen zu den vertraglich vereinbarten Konditionen anzubieten. Dies habe sie jedoch aufgrund des gesetzlichen Verbots ohne eine Genehmigung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz weder durch eigene Arbeitnehmer noch durch Dr. L.      zu leisten vermocht, da letzteres zu einer über die vereinbarte Vergütung hinausgehenden, nicht vereinbarten und nach dem Vertragszweck von beiden Seiten auch nicht gewünschten zusätzlichen finanziellen Belastung der Beklagten durch die gesetzlichen Sozialbeiträge, "die im Ergebnis ihrem Geschäftsführer Dr. L.      zugute geführt hätte".

II.

12    Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

13    Die Vorinstanzen sind von der Unwirksamkeit der von der Beklagten am ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung (§ 313 Abs. 3, § 626 Abs. 1 und § 627 Abs. 1 BGB) ausgegangen. Dies wird von der Beklagten hingenommen und ist auch rechtlich nicht zu beanstanden. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien bestand mithin nach dem fort. Einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der im Vertrag vom vereinbarten Vergütung hat das Berufungsgericht allein deshalb verneint, weil die Klägerin in dem Zeitraum, für den sie Zahlung verlangt, keine Leistungen erbracht hat - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - und kein Annahmeverzug der Beklagten bestand.

141.    Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Aufhebung des Berufungsurteils nicht schon gemäß § 547 Nr. 6 ZPO angezeigt, weil es im Hinblick auf den von der Vorinstanz verneinten Annahmeverzug der Beklagten entgegen § 313 Abs. 1 Nr. 6 iVm § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht mit Gründen versehen ist. Zwar weist das Urteil einen formal fehlerhaften Verweis, einen unvollständigen Satz und eine Parteiverwechslung auf. Es bleibt indes aus den betroffenen Textzusammenhängen erkennbar, welche Überlegungen des Berufungsgerichts jeweils maßgebend waren (vgl. , NJW-RR 2025, 484 Rn. 15 mwN zum Tatbestand des § 547 Nr. 6 ZPO bei unverständlichen Entscheidungsgründen). So ergibt sich, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, aus dem Textzusammenhang auf Seite 9 Absatz 2 des Berufungsurteils (zur abhängigen Beschäftigung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften) noch hinreichend, dass mit dem dortigen Verweis auf den - nicht existenten - Gliederungspunkt "c) bb)" die vorangehenden Ausführungen unter aa) bbb) zur Einordnung des von der Klägerin eingesetzten Personals als Arbeitnehmer berücksichtigt werden sollen. Der in demselben Absatz auf Seite 9 des Berufungsurteils zu findende unvollständige und zudem durch eine Parteiverwechslung auffallende Satzteil "… finanzielle Belastung der Beklagten durch die gesetzlichen Sozialbeiträge, die im Ergebnis ihrem Geschäftsführer Dr. L.      zugute geführt hätte" kann aus dem Textzusammenhang heraus nach dem Wort "zugute" zwanglos durch die Worte "gekommen wäre," ergänzt werden. Dass Dr. L.      nicht der Geschäftsführer der Beklagten, sondern der Klägerin ist, ergibt sich aus zahlreichen vorangehenden Textstellen des Berufungsurteils, unter anderem aus dem der Parteiverwechslung unmittelbar vorangehenden Satzteil.

152.    Das Berufungsurteil ist jedoch deshalb aufzuheben, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht seine Annahme tragen, ein Annahmeverzug der Beklagten liege nicht vor.

16    Allerdings zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist es davon ausgegangen, dass es nicht durch das rechtskräftige, den Zahlungszeitraum bis zum betreffende Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom gehindert ist, von der dort vertretenen Auffassung abzuweichen, aufgrund des Leistungsangebots der Klägerin vom sei die Beklagte in Annahmeverzug geraten (zum Umfang der Rechtskraft bei einem einer Leistungsklage stattgebenden Urteil vgl. BeckOK ZPO/Gruber, § 322 [] Rn. 41 mwN, zur Teilklage vgl. auch Rn. 24).

17    Das Berufungsgericht hat hingegen einen Annahmeverzug der Beklagten rechtsfehlerhaft verneint. Zwar hat es ebenfalls zutreffend als Voraussetzungen des Annahmeverzugs angenommen, dass der Dienstverpflichtete die Leistung erbringen darf und sie so, wie sie geschuldet ist, uneingeschränkt anbietet (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 293 Rn. 8, § 294 Rn. 2 mwN). Es hat aber bei der Auslegung des Vertrags vom , der für die Frage, wie die Leistung seitens der Klägerin anzubieten war, von entscheidender Bedeutung ist, wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen.

18    a) In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die Klägerin die von ihr geschuldeten Dienste durch anderes Personal als durch Dr. L.      erbringen durfte, was das Berufungsgericht vor dem Hintergrund des von ihm für diesen Fall als einschlägig erachteten Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes verneint hat. Denn mit ihrem Schreiben vom haben die sowohl von der Klägerin als auch von Dr. L.       mandatierten Rechtsanwälte eine Erbringung der geschuldeten Dienste nicht durch anderes Personal der Klägerin, sondern konkret durch Dr. L.       ("unser Mandant") angeboten, der gegenüber der Beklagten "persönlich" erklärt habe, dass "er" vollumfänglich entsprechend dem Dienstleistungsvertrag leistungsbereit sei und sich auch am Folgetag erneut an Ort und Stelle einfinden und seine Dienstleistung "persönlich" anbieten werde. Auf eine Erbringung der von der Klägerin angebotenen Dienste durch ihren "Managing Director" Dr. L.       ist aber, wie das Berufungsgericht selbst erkennt, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht anwendbar. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass, soweit die Beklagte erstmals in der mündlichen Revisionsverhandlung eine Unwirksamkeit des Vertrags vom nach § 9 AÜG geltend macht, hierzu jegliche tatrichterlichen Feststellungen fehlen.

19    b) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung, ob die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom die Leistung so, wie sie von ihr vertraglich geschuldet war, uneingeschränkt angeboten hat, entscheidungsrelevante Umstände außer Acht gelassen.

20    Mit dem vorgenannten Schreiben (S. 2) hat Dr. L.      ("unser Mandant", s.o.) "nochmals" seine "vollumfängliche Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienstleistung" angeboten. Da es sich bei ihm um den - an anderer Stelle im Berufungsurteil auch als "Geschäftsführer" der Klägerin bezeichneten - "Managing Director" der Klägerin handelt, kann dies nicht anders verstanden werden als ein Angebot der Klägerin zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienstleistung durch die Person des Dr. L.      .

21    Soweit das Berufungsgericht ausführt, die Klägerin habe es nicht vermocht, ihre Leistungen zu den vertraglich vereinbarten Konditionen anzubieten, wird dies von den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht getragen. Seine Auffassung begründet das Berufungsgericht allein damit, eine Leistung der Klägerin durch ihren Geschäftsführer Dr. L.       hätte zu einer über die vereinbarte Vergütung hinausgehenden, nicht vereinbarten und nach dem Vertragszweck von beiden Seiten auch nicht gewünschten zusätzlichen finanziellen Belastung der Beklagten durch die gesetzlichen Sozialbeiträge geführt. Daran ist richtig, dass die Beklagte, sollte die für sie erbrachte Tätigkeit von Dr. L.      - entsprechend dem im Statusfeststellungsverfahren ergangenen Bescheid - sozialversicherungspflichtig sein, über die in dem Vertrag vom vereinbarte Vergütung hinausgehend finanziell belastet würde. Indes bedarf eine solche Belastung des Dienst- beziehungsweise Arbeitgebers mit gesetzlichen Sozialbeiträgen keiner gesonderten Vereinbarung in dem Vertrag, in dessen Erfüllung die sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeführt wird. Vielmehr folgen die Sozialversicherungspflicht und die für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltende Zahlungspflicht des Arbeitgebers unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV zur Zahlungspflicht des Arbeitgebers und zB § 1 SGB VI zur Rentenversicherungspflicht).

22    Soweit das Berufungsgericht meint, eine zusätzliche Belastung der Beklagten mit gesetzlichen Sozialbeiträgen sei nach dem Vertragszweck von beiden Seiten "nicht gewünscht", hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar kann die tatrichterliche Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Individualvertrages vom revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Urteil vom - III ZR 40/24, NJW 2025, 1407 Rn. 21 mwN).

23    Das ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, eine zusätzliche Belastung der Beklagten mit gesetzlichen Sozialbeiträgen sei nach dem - von ihm indes nicht benannten - Vertragszweck von beiden Seiten "nicht gewünscht", nicht näher begründet und in Bezug auf den Vertrag vom wesentliche Umstände nicht gewürdigt, die zu einer abweichenden Bewertung des Inhalts dieses Vertrags führen können. Zudem ist unklar, wie seine Auffassung vertragsrechtlich einzuordnen ist. Die Formulierung, die Klägerin habe ihre Leistungen zu den vertraglich vereinbarten Konditionen durch ihren Geschäftsführer Dr. L.       wegen der dadurch entstehenden zusätzlichen finanziellen Belastung der Beklagten nicht anzubieten vermocht, könnte darauf hindeuten, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts zu den vertraglich vereinbarten Konditionen eine mangelnde Belastung der Beklagten mit Sozialversicherungsbeiträgen gehören sollte. Gründe für eine solche - ergänzende - Auslegung des Vertrags vom , der für den Fall der Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit des von der Klägerin eingesetzten Personals keine ausdrückliche Regelung enthält, gibt das Berufungsgericht indes nicht an.

24    Bei einer ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB; zu deren Voraussetzungen vgl. nur Senat, Urteil vom - III ZR 299/13, NJW-RR 2015, 183 Rn. 13) ist darauf abzustellen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten (Senat, Urteil vom aaO). Letztlich geht es dabei vorliegend um die Frage, wessen Risikobereich die Parteien die Feststellung der Sozialversicherungspflicht zugeordnet hätten, wäre ihnen letztere bekannt gewesen (für die Zuordnung der Sozialversicherungspflicht zum Risikobereich der Beklagten: OLG Bamberg - 5. Zivilsenat, Urteil vom , S. 5). Aus der - wesentliche Umstände außer Acht lassenden - tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts des von ihm festgestellten Sachverhalts ergeben sich indes keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine solche Risikozuordnung und mithin dafür, welche Regelung die Parteien getroffen hätten, wäre ihnen im Hinblick auf die Tätigkeit von Dr. L.       für die Beklagte die gesetzliche Sozialversicherungspflicht und die daraus folgende Pflicht zur Zahlung der entsprechenden Beiträge bekannt gewesen.

25    aa) Für diesen Fall wäre zwar denkbar, dass die Parteien - zu Lasten der Klägerin - eine Regelung getroffen hätten, nach der die Beiträge ganz oder in Teilen, etwa in Höhe der Arbeitnehmeranteile, von der in § 5 des Vertrags vereinbarten Vergütung in Abzug zu bringen sind.

26    Hierfür könnte sprechen, dass Dr. L.      vor Vertragsschluss darauf hingewiesen hatte, dass das Konstrukt eines Dienstvertrages legal und einer anwaltlichen Prüfung unterzogen worden sei. Allerdings ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, dass die von Dr. L.       versicherte "anwaltliche Prüfung" das Ergebnis einer mangelnden Sozialversicherungspflicht hatte. Soweit die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang behauptet, der formale Abschluss des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten sei allein dem Umstand geschuldet gewesen, dass Dr. L.      dieses Vertragskonstrukt aus steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gründen der Vertragsbeziehung habe zugrunde legen wollen, wird dies von den Feststellungen des angefochtenen Urteils ebenfalls nicht getragen. Zudem erschließt sich für den Fall, dass die vorgenannte Behauptung zutrifft, nicht zwingend, was daraus für die Auslegung des Vertrags vom folgen soll. Auch wenn die Parteien mit der von ihnen gewählten vertraglichen Konstruktion eine Sozialversicherungspflicht und die Abführung der entsprechenden Beiträge vermeiden wollten, ergibt sich daraus - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - nicht ohne weiteres, was sie für den Fall einer dennoch bestehenden Sozialversicherungspflicht vereinbart hätten, wenngleich die Versicherung der Legalität und der anwaltlichen Prüfung seitens der Klägerin auch als Indiz für eine (teilweise) Übernahme des Risikos der wirtschaftlichen Folgen der Sozialversicherungspflicht durch sie gedeutet werden könnte. Das gilt jedenfalls, wenn sich diese Versicherung aus Empfängersicht auch auf die Frage der Sozialversicherungspflicht erstreckte. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beklagte nach dem Ergebnis des Statusfeststellungsverfahrens Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten hat. Auch hieraus lässt sich kein sicherer Rückschluss darauf ziehen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die Sozialversicherungspflicht gekannt hätten.

27    Jedoch könnte der Umstand, dass die Klägerin in Bezug auf das von der Beklagten - wenn auch nach Vertragsschluss - bezüglich der Tätigkeiten des Dr. L.      in ihrem Haus eingeleitete Statusfeststellungsverfahren (vgl. § 7a SGB IV) ihr Einvernehmen erklärt hatte, darauf hindeuten, dass sie die wirtschaftlichen Folgen einer sich aus diesem Verfahren ergebenden Sozialversicherungspflicht zu tragen bereit war und bereits der Vertrag vom dementsprechend ergänzend auszulegen ist. Hierfür könnte auch die - freilich von der Beklagten (als ihr vermeintlich ungünstig) bestrittene - Behauptung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts sprechen, sie habe von Anfang an deutlich gemacht, sie werde die wirtschaftlichen Folgen einer Sozialversicherungspflicht der von ihr geschuldeten Tätigkeit tragen (S. 9 unten/10 oben des Berufungsurteils). Dann wäre indes die mit Anwaltsschreiben vom erklärte vollumfängliche Bereitschaft der Klägerin zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Dienstleistungen möglicherweise ebenfalls vor dem Hintergrund dieser Erklärung der Klägerin auszulegen.

28    bb) Ebenso denkbar wäre aber, dass die Parteien ein Nettoarbeitsentgelt i.S.v. § 14 Abs. 2 SGB IV in Höhe der vertraglich bestimmten Vergütung vereinbart hätten, bei dem dem Beschäftigten ein Arbeitsentgelt zugewandt wird, das frei von gesetzlichen Abzügen und Belastungen ist, die sämtlich vom Arbeitgeber freiwillig übernommen werden (vgl. dazu BeckOGK/Zieglmeier, § 14 SGB IV [] Rn. 170 mwN).

29    Hierauf könnte hinweisen, dass - vom Berufungsgericht indes außer Acht gelassen - die Parteien dies ähnlich in § 5 des Vertrags für den Fall vereinbart haben, dass - entgegen ihrer Annahme - eine Umsatzsteuerpflicht besteht. Dann sollte die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer zusätzlich durch die Beklagte gezahlt werden.

30    Auch die ausdrückliche - vom Berufungsgericht ebenfalls außer Acht gelassene - Bezeichnung der Vergütungsbestandteile in § 5 des Vertrags als Netto-Beträge könnte dafür sprechen, dass diese Beträge ohne Abzug an die Klägerin ausgezahlt werden sollten und für den Fall, dass auf die Vergütung gesetzliche Abgaben anfallen, diese zusätzlich von der Beklagten zu tragen sind.

31    Schließlich ist bei der Frage, wem die Parteien, wäre ihnen die Sozialversicherungspflicht der vereinbarten Tätigkeit bekannt gewesen, die hieraus folgende wirtschaftliche Belastung aufgebürdet hätten, zu bedenken, dass sich die Beklagte vor dem Vertragsschluss in einer Notlage befand, da die Gefahr bestand, dass sie ihren Versorgungsauftrag im Bereich der Kardiologie wegen des dort bestehenden großen Ärztemangels nicht oder nicht mehr vollständig würde erfüllen können.

32    cc) Eine abschließende tatrichterliche Würdigung der vorgenannten Umstände im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung ist dem Senat als Revisionsgericht versagt. Sie bleibt dem Berufungsgericht in dem neuen Berufungsverfahren vorbehalten.

33    c) Ein Annahmeverzug der Beklagten ist entgegen ihrer Auffassung auch nicht deshalb zu verneinen, weil sich die Klägerin so verhalten hat, dass die Beklagte nach Treu und Glauben und der Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Leistung zu Recht abgelehnt hat. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn bei Annahme der angebotenen Dienste strafrechtlich geschützte Interessen des Arbeitgebers, seiner Angehörigen oder anderer Betriebsangehöriger unmittelbar und nachhaltig so gefährdet werden, dass die Abwehr dieser Gefährdung Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes haben muss (vgl. BAG, NZA 2014, 1082 Rn. 17). Von solchen Umständen, insbesondere von der unmittelbaren und nachhaltigen Gefährdung strafrechtlich geschützter Interessen der Beklagten, kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen (S. 11 Abs. 1 iVm S. 8 f des erstinstanzlichen Urteils; inhaltsgleich OLG Bamberg, 5. Zivilsenat, Urteil vom , S. 7 Abs. 3 iVm S. 5 f), die von der Beklagten in der Berufungsinstanz nicht angegriffen worden sind.

III.

34    Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es sich mit den aufgezeigten Aspekten auseinandersetzen und diese in einer Gesamtschau würdigen kann. In dem neuen Berufungsverfahren wird das Oberlandesgericht gegebenenfalls auch Gelegenheit haben, sich mit dem weiteren Vorbringen der Parteien zu befassen. Dies betrifft insbesondere die Auslegung des Anwaltsschreibens der Klägerin vom im Sinne eines uneingeschränkten Angebots der vertraglich geschuldeten Leistung und die Anrechnung ersparter Aufwendungen der Klägerin und desjenigen, was sie durch anderweitige Verwendung ihrer Dienste erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat (§ 615 Satz 2 BGB). Der Senat merkt hierzu an, dass die Klägerin insoweit sekundär darlegungsbelastet ist (vgl. Senat, Urteile vom - III ZR 126/15, BGHZ 209, 52 Rn. 42 und vom - III ZR 187/13, NJW 2014, 1955 Rn. 27).

35    Der Senat hat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht. Die Zurückverweisung an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts erscheint unzweckmäßig, weil die Klägerin unter Berücksichtigung der besonderen Umstände die nicht gänzlich unbegründete Sorge haben könnte, dieser Senat werde die nachzuholende tatrichterliche Würdigung nicht völlig unvoreingenommen vornehmen. Die ansonsten übliche Rückverweisung an einen anderen Senat, ohne diesen zu bestimmen, scheidet aus, da dies zur Folge hätte, dass gemäß Nummer VIII. 6 des Geschäftsverteilungsplans des Berufungsgerichts dessen 5. Zivilsenat zur neuen Verhandlung und Entscheidung der Sache berufen wäre. In diesem Fall könnte mit Blick auf dessen Urteil vom die gleiche Besorgnis umgekehrt für die Beklagte entstehen. Deshalb ist das Ermessen dahin auszuüben, dass an den in der Zahlenfolge nächsten Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen wird.

Herrmann                                Remmert                              Arend

                           Böttcher                                  Kessen

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:041225UIIIZR14.25.0

Fundstelle(n):
CAAAK-06874