Leitsatz
1. Zu den Anforderungen an die Beschwer bei einer Rechtsbeschwerde in einem Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz.
2. Zu dem Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz.
Gesetze: § 20 Abs 1 S 1 KapMuG, § 20 Abs 1 S 4 KapMuG, § 20 Abs 2 S 1 KapMuG
Instanzenzug: Az: XI ZB 15/22 Beschlussvorgehend Hanseatisches Az: 13 Kap 3/19vorgehend Az: 322 OH 1/18 Vorlagebeschluss
Gründe
A.
1Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in der bis zum geltenden Fassung (nachfolgend für alle zitierten Vorschriften: KapMuG aF) über die Fehlerhaftigkeit des am aufgestellten Prospekts (nachfolgend: Prospekt) zu dem Fonds H. S. S. (im Folgenden: Fonds).
2Gegenstand des Fonds ist eine Beteiligung an fünf Schiffsgesellschaften in Form von Kommanditgesellschaften, die ein Containerschiff (MS "B. Ma. "), ein Mehrzweckfrachtschiff (MS "E. C"), zwei Massengutschiffe (MS "L. C. " und MS "S. ") und einen Doppelhüllen-Rohöltanker (MS "H. T. ") erwerben und betreiben.
3Gegen die Musterbeklagten haben einige Anleger Klagen erhoben. Zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids hat das dem Oberlandesgericht Feststellungsziele vorgelegt. Mit diesen wird geltend gemacht, dass der Verkaufsprospekt unrichtig, irreführend und/oder unvollständig sei, weil nicht über das laut Prospekt relevante Marktumfeld und dessen Entwicklung aufgeklärt werde. Dabei würden hinsichtlich des Containermarkts die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis seien und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt werde (Feststellungsziel A I 1 a). Es werde nicht auf das bevorstehende Überangebot an Transportkapazität für Containerschiffe und damit auf eine negative Marktentwicklung hingewiesen, obwohl hierfür bei Prospekterstellung bereits deutliche Hinweise vorgelegen hätten (Feststellungsziel A I 1 b). Es würden falsche Angaben zur tatsächlichen Flottenentwicklung gemacht, indem ein Flottenwachstum von 5,3% p.a. im Prospekt angegeben werde, obwohl dieses weitaus höher sei (Feststellungsziel A I 1 c).
4Der Prospekt kläre nicht darüber auf, dass das MS "B. Mo. " aufgrund der geringen Größe und Ausstattung ohne Bordkräne einen erheblichen Wettbewerbsnachteil habe (Feststellungsziel A I 2).
5Hinsichtlich des Markts für Stückgut würden die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis seien und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt werde (Feststellungsziel A I 3 a). Es werde von einem "langfristigen moderaten Wachstum" gesprochen, obwohl der Markt in der Vergangenheit gerade nicht durch ein solches Wachstum gekennzeichnet gewesen sei (Feststellungsziel A I 3 b). Der Prospekt gebe an, die Anleger investierten in einen ausgeglichenen Markt, obwohl die Beklagten um die vollen Orderbücher gewusst hätten oder hätten wissen müssen und bei der Prognose von einer zu hohen Verschrottungsquote ausgegangen wären, und suggeriere somit, in einen stabilen Markt zu investieren (Feststellungsziel A I 3 c). Die Angaben zu den historischen Zeitcharterraten würden nicht, wie im Prospekt angegeben, bis November 2005, sondern nur bis Anfang 2005 dargestellt werden und die dazugehörigen Angaben im Text des Prospekts würden von der Graphik abweichen, so dass den Anlegern der starke Einbruch des Ratenniveaus ab Mitte 2005 verschwiegen und das durchschnittliche Ratenniveau somit verfälscht dargestellt werde (Feststellungsziel A I 3 d). Der Prospekt gebe an, der Markt für Mehrzweckfrachtschiffe unterliege eigenen Marktzyklen und sei damit nicht vom Markt für Containerschiffe abhängig, obwohl auch Mehrzweckfrachtschiffe Container transportierten und damit in direkter Konkurrenz zu Containerschiffen stünden (Feststellungsziel A I 3 e).
6Hinsichtlich des Tankermarkts würden die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis seien und die Anleger leicht dem Irrtum hätten unterliegen können, es handele sich um aussagefähige Daten zum Verhältnis, wobei sie in diesem Fall ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt bekommen hätten, und es werde die reale Chance eines Flottenschwundes durch das sogenannte Phase-out von Einhüllentankern suggeriert, obwohl den Beklagten bekannt gewesen sei oder hätte bekannt gewesen sein müssen, dass es in den ersten vier Fondsjahren nicht zu einer nennenswerten Reduzierung der Einhüllentankerkapazität durch Verschrottung habe kommen können (Feststellungsziel A I 4 a). Es werde das durchschnittliche Ratenniveau mit 32.450 USD/Tag angegeben, obwohl es tatsächlich nur bei 25.500 USD/Tag gelegen habe, so dass ein verfälschtes Bild von den historischen Charterraten aufgezeigt werde (Feststellungsziel A I 4 b). Der Prospekt kläre nicht über die durchschnittliche und historisch belegte Festcharterrate auf, obwohl diese den Beklagten bekannt gewesen sei bzw. hätte bekannt gewesen sein müssen (Feststellungsziel A I 4 c), und verschweige, dass der Kaufpreis für das MS "H. T. " weit über dem langjährigen Durchschnitt für vergleichbare zehn Jahre alte Schiffe liege (Feststellungsziel A I 4 d).
7Es werde eine falsche Einnahmeprognose und damit auch die gesamte Liquiditätsprognose fehlerhaft dargestellt, indem in die Charterratenkalkulation für das MS "B. Ma. ", das MS "E. C", das MS "L. C. " und das MS "H. T. " das historische Hoch des Zeitchartermarkts vor der Herausgabe des Prospekts in die Berechnung des langjährigen Durchschnitts eingeflossen sei (Feststellungsziel A II 1 a), in den Marktdarstellungen für das MS "B. Ma. " und das MS "E. C" lediglich die historisch belegten Bruttocharterraten dargestellt würden, die langfristig kalkulierten Einnahmen der beiden Schiffe jedoch in Nettocharterraten ausgewiesen würden und somit keine Vergleichbarkeit gegeben sei (Feststellungsziel A II 1 b), für das MS "B. Ma. " von einem steigenden bzw. zumindest stagnierenden Markt ausgegangen worden sei, obwohl es Anzeichen für ein Abschwächen des Markts gegeben habe (Feststellungsziel A II 1 c), für das MS "B. Ma. " kein Abschlag für die fehlenden Kräne eingeflossen sei (Feststellungsziel A II 1 d) und nicht dargestellt werde, dass das MS "H. T. " bei Ablauf der Festcharter mit 16 Jahren ein Alter erreiche, in welchem eine Weiterbeschäftigung fraglich sei (Feststellungsziel A II 1 e). Die in der Liquiditätsplanung berechneten Einnahmen stimmten nicht mit den im Prospekt zu findenden Angaben überein (Feststellungsziel A II 2). Die Schiffsbetriebskosten in Spalte b der Liquiditätsprognose seien zu niedrig kalkuliert (Feststellungsziel A II 3) und der Zwischengewinn der Verkäufergesellschaft für das Fondsschiff "B. Ma. " werde nicht angegeben (Feststellungsziel A II 4).
8Der Prospekt mache fehlerhafte und unvollständige Angaben zur Firma S. in ihrer Funktion als Verkäufer und in ihrer Funktion als Charterer (Feststellungsziel A III).
9Risiken würden verschwiegen oder unzureichend dargestellt, indem im Prospekt nur unzureichend über die Haftung der Schiffsgesellschaft für Verbindlichkeiten des Charterers und des Subcharterers gegen Dritte mit dem Fondsschiff informiert werde (Feststellungsziel A IV 1), bei der Darstellung der Langfristcharter nicht darauf hingewiesen werde, dass die Möglichkeit der einseitigen Verringerung der Charterraten bestehe, was ein Risiko für die Anlage darstelle, und dass Marktchancen nicht genutzt werden könnten (Feststellungsziel A IV 2), nicht über das Kostenrisiko der erforderlichen Ausflaggung aufgeklärt werde (Feststellungsziel A IV 3), nicht über die von der Platzierungsgarantin (der H. C. AG) bereits eingegangenen Verbindlichkeiten aufgeklärt und somit über die Werthaltigkeit der Platzierungsgarantie getäuscht werde (Feststellungsziel A IV 4), behauptet werde, es bestehe das Risiko, dass bei Fehlschlagen der Vollplatzierung nicht alle Anleger ihr eingesetztes Kapital zurückerhielten, obwohl dies eine Tatsache und kein Risiko sei (Feststellungsziel A IV 5), und nur unzureichend darüber aufgeklärt werde, dass die Möglichkeit bestehe, dass die Anleger den Gesellschaftsgläubigern mit ihrem Privatvermögen hafteten (Feststellungsziel A IV 6).
10Es werde über die gesamte Fondslaufzeit eine Liquiditätsreserve in Millionenhöhe vorgehalten und somit sei eine Manipulation der Anlegerrendite möglich (Feststellungsziel A V).
11Weitere Feststellungsziele befassen sich mit der Haftung der Musterbeklagten zu 1, 2 und 3 aus "Prospekthaftung im weiteren Sinne" und der Schadenshöhe.
12In mehreren Ausgangsverfahren - darunter auch die Ausgangsverfahren des Musterklägers und der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 3 - beantragten die Beklagten im Sommer 2021 beim Prozessgericht, das jeweilige Verfahren unter Aufhebung der Aussetzung gemäß § 150 ZPO fortzuführen und Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Begründet wurde dies damit, dass die Entscheidung nicht von den geltend gemachten Feststellungszielen nach § 8 Abs. 1 KapMuG abhänge (ein Anspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB sei aus Rechtsgründen ausgeschlossen, ein Anspruch aus § 13 ProspG, §§ 44 ff. BörsG wäre verjährt) und die Aussetzung des Verfahrens fehlerhaft sei.
13Mit Beschluss vom wies das Prozessgericht den Antrag auf Wiederaufnahme der Sache jeweils zurück. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hob der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamburg mit Beschlüssen vom Dezember 2021 jeweils den Beschluss des Prozessgerichts vom auf und führte in den Gründen aus, dass das Verfahren gemäß § 150 ZPO fortzuführen sei.
14Das Prozessgericht fragte daraufhin bei den Klageparteien an, ob die Klage zurückgenommen werde, und erhielt die Mitteilung, dass die Parteien in Vergleichsverhandlungen seien. In den Ausgangsverfahren des Musterklägers und der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 3 erfolgte kein Vergleichsabschluss.
15Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im KapMuG-Verfahren am vor dem 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamburg war in sämtlichen Ausgangsverfahren entweder die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet oder ein Vergleich durch die Parteien geschlossen worden. Gemäß Protokoll hat der Musterkläger darauf hingewiesen, dass "hier ein Spannungsverhältnis besteht soweit im Beschwerdewege angeordnet worden sei, das Einzelverfahren fortzusetzen seien, da insofern dann praktisch das Rechtsmittel im vorliegenden Verfahren für die Musterklägerseite ausgeschlossen oder entwertet würde".
16Das Oberlandesgericht hat mit dem Musterentscheid Anträge auf Konkretisierung und Erweiterung des Vorlagebeschlusses zurückgewiesen, die Feststellungsziele hinsichtlich der Haftung der Musterbeklagten zu 1, 2 und 3 als unbegründet zurückgewiesen und den Vorlagebeschluss hinsichtlich der Feststellungsziele im Übrigen für gegenstandslos erklärt.
17Gegen den Musterentscheid haben der Musterkläger und die Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 3 Rechtsbeschwerden eingelegt, mit denen sie sämtliche Feststellungsziele weiterverfolgen.
18Mit Beschluss vom hat der Senat die Musterbeklagte zu 2 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt. Die Musterbeklagten zu 1, 3 und 5 sind dem Rechtsbeschwerdeverfahren auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 1 KapMuG aF beigetreten.
B.
19Die Rechtsbeschwerden der Rechtsbeschwerdeführer zu 1, 2 und 3 sind unzulässig. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist im Wesentlichen zulässig und führt zur Aufhebung des Musterentscheids. Da kein Rechtsschutzinteresse mehr für die Durchführung des Musterverfahrens besteht, ist das Musterverfahren beendet.
20I. Die Rechtsbeschwerden der Rechtsbeschwerdeführer zu 1, 2 und 3 sind unzulässig, da die Rechtsbeschwerdeführer durch den Musterentscheid nicht beschwert sind. Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 KapMuG aF verlangt als weitere ungeschriebene Voraussetzung, dass der Rechtsbeschwerdeführer im Zeitpunkt der Einlegung der Rechtsbeschwerde, spätestens aber mit Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist, beschwert ist (Senatsbeschluss vom - XI ZB 13/21, WM 2023, 1370 Rn. 19 mwN). Die Rechtsbeschwerdeführer müssen durch die angegriffene Entscheidung nachteilig betroffen und somit im konkreten Fall beschwerdeberechtigt sein (vgl. Senatsbeschluss, aaO). Legt ein Beigeladener Rechtsbeschwerde ein, können Beschwerdeberechtigung und Beschwer anhand des Aussetzungsbeschlusses und des Entscheidungsinhalts des Musterentscheids überprüft werden (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 12/12, WM 2012, 2092 Rn. 15).
21Die Rechtsbeschwerdeführer zu 1, 2 und 3 sind durch den Musterentscheid, in dessen Rubrum sie nicht aufgeführt werden, nicht beschwert. Dieser entfaltet in ihren Ausgangsverfahren keine Bindungswirkung.
22Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF bindet der Musterentscheid die Prozessgerichte in allen nach § 8 Abs. 1 KapMuG aF ausgesetzten Verfahren. Auf diese Verfahren ist die Bindungswirkung beschränkt. Ein bloßes Abwarten des Landgerichts oder eine auf einer anderen Vorschrift beruhende Aussetzung führt nicht zu einer Bindungswirkung des Musterentscheids für diese Verfahren (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 22/22, WM 2025, 157 Rn. 70). In Übereinstimmung damit regelt § 9 KapMuG aF, dass Beteiligte des Musterverfahrens nur Parteien der Verfahren sind, die gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG aF ausgesetzt worden sind.
23Zwar sind die jeweiligen Ausgangsverfahren der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 3 zunächst gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF ausgesetzt worden. Durch Beschlüsse des (im Verfahren 322 O 517/16 des Landgerichts Hamburg) und vom (in den Verfahren 322 O 516/16 und 322 O 521/16 des Landgerichts Hamburg) ist jedoch in den Gründen jeweils die Fortführung des Verfahrens angeordnet worden. Dem ist das Landgericht nachgekommen.
24II. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers ist unstatthaft, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Konkretisierungs- und Erweiterungsanträge des Musterklägers aus den Schriftsätzen vom und richtet (vgl. ausführlich Senatsbeschluss vom - XI ZB 33/19, WM 2022, 1633 Rn. 35).
25Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde des Musterklägers zulässig. Zwar hat das auch die Fortsetzung des den Musterkläger betreffenden Ausgangsverfahrens (Verfahren 322 O 515/16 des Landgerichts Hamburg) angeordnet. Allerdings hat es ihn trotzdem weiter als Musterkläger angesehen, ihn im Rubrum aufgeführt und gegen ihn den angefochtenen Musterentscheid erlassen, so dass er dadurch beschwert ist.
26III. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers hat nur insoweit Erfolg, als der Musterentscheid aufzuheben und das Musterverfahren für beendet zu erklären ist. Bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestand kein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Musterverfahrens mehr.
27Das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses stellt einen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangel dar und führt zur Unzulässigkeit des verfahrenseinleitenden Antrags (vgl. , juris Rn. 13). Das Rechtsschutzinteresse für ein Kapitalanleger-Musterverfahren fehlt (erst) dann, wenn die Feststellungsziele bereits anderweitig verbindlich geklärt worden sind oder wenn sämtliche gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF erlassenen Aussetzungsbeschlüsse - gegebenenfalls im Beschwerdewege - aufgehoben worden sind, weil sich dort ergeben hat, dass die Entscheidung der jeweiligen (Ausgangs-)Verfahren von den Feststellungszielen nicht (mehr) abhängt (vgl. BGH, aaO Rn. 17). Einer ausdrücklichen Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses steht die Anordnung der Fortführung des Verfahrens gleich, da auch damit zum Ausdruck gebracht wird, dass der Aussetzungsbeschluss keine Wirksamkeit mehr beanspruchen soll.
28Hinsichtlich der gegen die Musterbeklagte zu 5 gerichteten Verfahren ergibt sich das fehlende Rechtsschutzbedürfnis bereits daraus, dass alle Ausgangsverfahren, an denen diese Musterbeklagte beteiligt war, durch Vergleich beendet sind. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht waren die Vergleiche durch Beschluss des Landgerichts jeweils festgestellt; in einem Verfahren lag ein solcher Beschluss noch nicht vor, aber die Parteivertreter hatten mit Schriftsätzen vom und mitgeteilt, dass eine Einigung erfolgt sei.
29Hinsichtlich der übrigen Musterbeklagten waren zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht die Verfahren entweder verglichen oder es war die Fortführung des Verfahrens angeordnet worden.
30Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht gab es somit kein Verfahren mehr, das gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF ausgesetzt war und von der Bindungswirkung eines Musterentscheids hätte umfasst werden können (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 1/22, BKR 2024, 1116 Rn. 6). Dass nach diesem Zeitpunkt ein Verfahren (erneut) gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF ausgesetzt worden wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Wie bereits unter B I ausgeführt, führt ein bloßes Warten auf die Entscheidung im Musterverfahren nicht zu einer Bindungswirkung des Musterentscheids.
C.
31Im Hinblick auf noch in der ersten Instanz anhängige, aber nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG aF ausgesetzte Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin. Die Rechtsbeschwerde des Musterklägers hätte auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Der Prospekt weist nach Prüfung des Senats die mit den Feststellungszielen A geltend gemachten Prospektfehler nicht auf.
D.
32Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 26 Abs. 3 KapMuG aF, § 92 Abs. 1 ZPO.
33Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG in der bis zum geltenden Fassung. Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend 380.825 €. Einzuberechnen sind dabei auch die Verfahren des Musterklägers und der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 3. Zwar hat das Oberlandesgericht die Fortsetzung der Ausgangsverfahren angeordnet, allerdings haben der Musterkläger und die Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 3 durch die Einlegung der Rechtsbeschwerden die Frage zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, ob ihre Verfahren noch zu den ausgesetzten Ausgangsverfahren zählen. Nicht einzurechnen sind hingegen die Verfahren 322 O 501/16 und 322 O 519/16 des Landgerichts Hamburg, da bei ihnen vom Oberlandesgericht die Fortsetzung des Ausgangsverfahrens angeordnet wurde und die Kläger dieser Verfahren sich nicht am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt haben.
34Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten des Musterrechtsbeschwerdeführers und der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 bis 3 auf 72.500 € und für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der Musterbeklagten zu 1, 3 und 5 auf 380.825 € festzusetzen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:041125BXIZB15.22.0
Fundstelle(n):
OAAAK-06870