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BGH Urteil v. - VIa ZR 535/22

Instanzenzug: Az: I-3 U 11/21vorgehend LG Paderborn Az: 2 O 251/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im März 2017 von einem Dritten - teilweise darlehensfinanziert - einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz C 220d, der mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet ist.

2Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von auf den Kaufpreis geleisteter Zahlungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu verurteilen. Er hat ferner die Freistellung von den Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung des Annahmeverzugs und der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Schäden begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt er seine Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision des Klägers hat Erfolg.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Die unstreitige Verwendung eines Thermofensters und einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung im klägerischen Fahrzeug könnten den Vorwurf eines sittenwidrigen Handelns der Beklagten jeweils nicht begründen, da diese Funktionen auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb grundsätzlich in gleicher Weise arbeiteten. Der Kläger habe auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Verwendung dieser Funktionen in dem Bewusstsein gehandelt hätten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen hätten. Gleiches gelte hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Dosierstrategien bei der AdBlue-Einspritzung. Einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV stehe der fehlende Schutzgesetzcharakter dieser Vorschriften entgegen.

II.

6Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die von der Revision dagegen erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11.

C. Fischer                                Möhring                                Messing

                       F. Schmidt                                  Pastohr

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:091225UVIAZR535.22.0

Fundstelle(n):
XAAAK-06867