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BSG Urteil v. - B 8 SO 2/24 R

Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - stationäre Pflege - Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung

Gesetze: § 61 S 1 SGB 12, § 63 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 12, § 65 S 1 SGB 12, § 65 S 2 SGB 12, § 64b Abs 2 SGB 12, § 75 Abs 6 SGB 12, § 76a Abs 1 SGB 12, § 77a Abs 1 S 2 SGB 12, § 43b SGB 11, § 84 Abs 8 SGB 11, § 85 SGB 11

Instanzenzug: SG Lübeck Az: S 31 SO 183/19 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Az: L 9 SO 38/20 Urteil

Tatbestand

1Im Streit ist die Frage, ob der Anspruch des Klägers auf stationäre Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) auch die Inanspruchnahme von Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung zu Lasten des Beklagten umfasst, die in der vom Kläger bewohnten Pflegeeinrichtung angeboten werden.

2Der 1948 geborene schwerbehinderte Kläger stammt aus dem Kreisgebiet des Beklagten und lebte dort bis zur erstmaligen Aufnahme in einer stationäre Einrichtung; er ist einkommens- und vermögenslos. Er ist pflegebedürftig und seit März 2017 im Pflegegrad 3 eingestuft, aber nicht in der Sozialen Pflegeversicherung pflegeversichert. Nach jahrelangen Aufenthalten in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe lebt er seit 2011 in einer nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) zugelassenen Pflegeeinrichtung der Beigeladenen, mit der er einen Pflege- und Betreuungsvertrag (vom ) geschlossen hat. Die Kosten seiner Pflege übernimmt der beklagte Sozialhilfeträger als Hilfe zur Pflege auf Grundlage der bestehenden Vergütungsvereinbarung für den Pflegesatz (Bescheid vom ). Nach dem Pflege- und Betreuungsvertrag bedarf die zusätzliche Betreuung von Menschen mit einer demenzbedingten Fähigkeitsstörung, geistiger Behinderung oder einer psychischen Erkrankung auf Grundlage von § 87b SGB XI in der bis zum geltenden Fassung einer gesonderten schriftlichen Vereinbarung; solche Leistungen sind nicht vereinbart. Der Vertrag ist in der Folge nicht angepasst worden.

3Die Beigeladene schloss nach Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften - Zweites Pflegestärkungsgesetz - (PSG II) am mit der AOK Nordwest, der Arbeitsgemeinschaft Pflegeeinrichtungen und dem Verband der Ersatzkassen eine Vereinbarung nach § 84 Abs 8 SGB XI über einen Vergütungszuschlag zur Pflegevergütung für die Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung nach § 43b SGB XI. Dieser Vereinbarung trat der Beklagte nicht bei.

4Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten nach § 43b SGB XI für seine zusätzliche pflegerische Betreuung durch die Beigeladene zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens, insbesondere bei der Bewältigung psychosozialer Problemlagen oder von Gefährdungen, bei der Orientierung, Tagesstrukturierung, Kommunikation und Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom ).

5Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege entsprechend der für die Beigeladene gültigen Vergütungsvereinbarung nach § 84 Abs 8 SGB XI für zusätzliche Betreuung und Aktivierung in Einrichtungen der vollstationären Pflege und der Kurzzeitpflege zu gewähren (Urteil vom ). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Leistungen ab dem zu gewähren sind (Urteil vom ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die beantragten Leistungen seien vom Pflegebedürftigkeitsbegriff des § 61a SGB XII erfasst. Der fehlende Verweis auf § 43b SGB XI in § 65 Satz 2 iVm § 64b Abs 2 SGB XII sei durch die unterschiedlich ausgestalteten Leistungssysteme begründet. Begreife man die Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen als Teil der Hilfe zur Pflege, gebiete die Gewährleistungsverantwortung des Beklagten die Erbringung der Leistung auch ohne gesonderte Vereinbarung. Die Vergütung für die Leistung richte sich der Höhe nach an der für die Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung zwischen der Einrichtung und den Pflegekassen vereinbarten Vergütung. Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung sei für die Zukunft auszusprechen, weil der Kläger die Leistungen bis zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht in Anspruch genommen habe.

6Mit seiner Revision rügt der Beklagte einen Verstoß gegen § 65 Satz 2 und § 64b Abs 2 SGB XII. Die zu gewährende Hilfe zur Pflege umfasse keine Betreuungs- und Aktivierungszuschläge der Pflegeversicherung nach § 43b SGB XI. Da Pflegebedürftige mit den aus § 43b SGB XI resultierenden Vergütungszuschlägen weder ganz noch teilweise belastet werden dürften, seien diese keiner Forderung der Einrichtung ausgesetzt. Damit könnten auch keine Ansprüche leistungsberechtigter Heimbewohner gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend gemacht werden. Die Anträge seien daher nach § 84 SGB XI ausschließlich an die Pflegekasse, nicht jedoch an den Sozialhilfeträger nach § 65 SGB XII zu richten. Ein ungedeckter sozialhilferechtlicher Bedarf sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Dessen Nachweis liege jedenfalls nicht in dem pauschalen Vorhalten eines entsprechenden Angebotes.

7Der Beklagte beantragt,das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.

9Er hält die Entscheidungen des SG und LSG in der Sache für zutreffend. Eine Vereinbarung über die Erbringung der Leistungen habe er bislang wegen der ungeklärten Kostenfrage nicht abgeschlossen und die Leistungen deshalb auch tatsächlich nicht in Anspruch genommen.

10Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.

Gründe

11Der Senat konnte aufgrund mündlicher Verhandlung in Abwesenheit des Klägers entscheiden, nachdem dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach Aktenlage (§ 126 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) hingewiesen worden war.

12Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). In der Sache zutreffend hat das LSG entschieden, dass vom bindend zuerkannten Anspruch auf stationäre Hilfe zur Pflege die in der Einrichtung der Beigeladenen angebotenen Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung umfasst sind.

13Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte die Übernahme der Kosten für zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsleistungen abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger letztlich mit dem Ziel, im Rahmen der stationären Hilfe zur Pflege diese Leistungen, die die Beigeladene anbietet, zu Lasten der Beklagten in Anspruch nehmen zu können.

14Dieses Begehren verfolgt der Kläger neben der Anfechtung der ablehnenden Bescheide richtigerweise mit einer Feststellungsklage (vgl § 55 Abs 1 Nr 1 SGG). Soweit er die Anfechtungsklage ursprünglich mit einer Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) bzw (ab dem ) mit einer Leistungsklage verbunden hatte (§ 54 Abs 4 SGG), hat er daran im Revisionsverfahren nicht festgehalten, weil er vertragliche Vereinbarungen mit der Beigeladenen über die Erbringung der Leistungen nicht abgeschlossen hat und Kosten bislang nicht angefallen sind (im Einzelnen sogleich). Eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung liegt darin nicht; sein Klagebegehren (§ 123 SGG) war von Anfang an dahin auszulegen, dass er die Feststellung begehrt, dass die zusätzlichen Betreuungs- und Aktivierungsleistungen von seinem vom Beklagten bestandskräftig bewilligten Anspruch auf Hilfe zur Pflege (bereits) erfasst sind. Da die Umstellung des Klageantrags nicht als eine Klageänderung anzusehen ist (vgl § 99 Abs 3 Nr 2 SGG; dazu nur Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 99 RdNr 4 mwN) und zum Klagegrund keine neuen Tatsachen in das Verfahren einzuführen sind, war der Übergang zur Feststellungsklage ohne Verstoß gegen § 168 Satz 1 SGG auch noch in der Revisionsinstanz zulässig (vgl Bundessozialgericht <BSG> vom - B 8 SO 2/16 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 20 RdNr 11 mwN). Dem trägt der geänderte Tenor Rechnung.

15Der Kläger hat vorliegend wegen der offenen Kostenfrage die streitigen Leistungen hier weder in Anspruch genommen noch eine entsprechende vertragliche Vereinbarung mit der Beigeladenen geschlossen. Nach dem im Revisionsverfahren vorgelegten Pflege- und Betreuungsvertrag vom , den der Senat zur Prüfung der Zulässigkeit der Leistungs- bzw Verpflichtungsklage beiziehen durfte (vgl - BSGE 127, 147 = SozR 4-2600 § 6 Nr 18, RdNr 28; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 163 RdNr 5b), hätte die zusätzliche Betreuung auf Grundlage von § 87b SGB XI (in der Fassung <idF> des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung <Pflege-Weiterentwicklungsgesetz> vom , BGBl I 874; im Folgenden alte Fassung <aF>) einer gesonderten schriftlichen Vereinbarung bedurft. Solche Leistungen sind hier aber weder ausdrücklich vereinbart noch sind zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsleistungen durch eine (konkludente) Vertragsanpassung nach Rechtsänderung im SGB XI zum Gegenstand des Vertrags geworden (dazu im Einzelnen später). Mithin war bei Klageerhebung keine Zahlungsverpflichtung des Klägers entstanden und also keine wesentliche Änderung gegenüber der ursprünglichen Bewilligung (vgl § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>) eingetreten, die der Beklagte mit einer erweiterten Kostenübernahme hätte abdecken müssen. Eine mit der Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage auf Erstattung von Kosten ebenso wie eine kombinierte Leistungs- und Verpflichtungsklage gerichtet auf einen Schuldbeitritt (vgl dazu grundlegend - BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 22 ff), ging damit von vornherein ins Leere (vgl Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 75 RdNr 193, Stand ). Der Sache nach hat der Kläger bei zutreffender Auslegung seines Vortrags von Beginn an allein die Klärung der Reichweite seines bereits bestandskräftig bewilligten Rechts auf Hilfe zur Pflege im Verhältnis zum Beklagten für die Zukunft verfolgt.

16Auch die Rechtsänderung zum führt im vorliegenden Fall zu keiner veränderten prozessualen Konstellation nach Klageerhebung. Zum ist an die Stelle des privatrechtlichen Anspruchs des Leistungserbringers aus einem vom Leistungsträger mit Verwaltungsakt erklärten Schuldbeitritt ein unmittelbarer öffentlich-rechtlicher Vergütungsanspruch getreten (§ 75 Abs 6 SGB XII idF des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen - Bundesteilhabegesetz - <BTHG> vom , BGBl I 3234), der in Entstehung, Bestand und Höhe in vollem Umfang abhängig ist von der Leistungsbewilligung des Leistungsträgers gegenüber der leistungsberechtigten Person (§ 77a Abs 1 Satz 2 SGB XII). Es braucht nicht abschließend entschieden werden, ob insoweit nun von einem durch Gesetz angeordneten Schuldbeitritt auszugehen ist (so Eicher in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, Anh § 19 RdNr 37, Stand ; Siefert in BeckOGK, SGB XII, § 75 RdNr 95 ff, Stand ; von Boetticher in LPK-SGB XII, 13. Aufl 2024, § 75 RdNr 44) oder ob der unmittelbare Zahlungsanspruch den Schuldbeitritt ersetzt (so Lange in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 75 RdNr 115, Stand ; Streichsbier in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl 2024, § 75 RdNr 45).

17In prozessualer Hinsicht bedarf es seit dem (in beiden Fällen) zwar keiner Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erklärung eines weitergehenden Beitritts zur Schuld durch Verwaltungsakt mehr. Es ist aber weiterhin Voraussetzung für die in § 77a Abs 1 Satz 2 SGB XII in Bezug genommene Leistungsbewilligung, die der Leistungsberechtigte im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage durchsetzen kann, dass er entsprechende vertragliche Bindungen gegenüber dem Leistungserbringer eingegangen ist; die Sachleistungsverschaffung erfolgt nach wie vor durch Übernahme der Vergütung, die der Leistungsberechtigte dem Leistungserbringer aus dem im Erfüllungsverhältnis mit diesem geschlossenen zivilrechtlichen Vertrag schuldet (anders nur Schweigler, SGb 2024, 65; wie hier Lange in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 75 RdNr 37, Stand ; Eicher, SGb 2023, 147; Krohn in Hauck/Noftz, SGB XII, § 75 RdNr 69, 75 f, Stand 11/2020). Der Gesetzgeber hat zur Begründung von § 75 Abs 6 SGB XII ausdrücklich an das sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis mit den dabei bestehenden Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsberechtigten, Leistungserbringern und Leistungsträgern angeknüpft (BT-Drucks 18/9522 S 340). Ohne eine wirksame zivilrechtliche Zahlungsverpflichtung besteht nach dieser Konstruktion aber schon kein sozialhilferechtlich zu deckender Bedarf (vgl zum bisherigen Recht nur - BSGE 127, 92 = SozR 4-3500 § 75 Nr 13, RdNr 35). Inwieweit diese Konstellation bei Ablehnung einer Leistungspflicht durch die Behörde regelmäßig mit einer Klage auf Erlass eines Grundlagenbescheids abgebildet werden kann (vgl dazu - BSGE 122, 154 = SozR 4-3500 § 53 Nr 5, RdNr 15 f), braucht nicht abschließend entschieden zu werden, weil vorliegend (ausnahmsweise) der Erlass eines weiteren Bewilligungsbescheids nicht in Streit steht.

18In einem solchen Fall, in dem über Inhalt und Ausmaß gesetzlich normierter Verpflichtungen bzw über die Reichweite von Leistungsansprüchen und die Leistungspflicht dem Grunde nach gestritten wird, ist eine Feststellungsklage zulässig (vgl - SozR 4-1500 § 55 Nr 20 RdNr 13; vgl bereits 12/8 REh 1/75 - BSGE 43, 148, 150 = SozR 2200 § 1385 Nr 3 S 3 f, juris RdNr 13). Nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn konkrete Rechte in Anspruch genommen bzw vom beklagten Träger bestritten werden. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger hat auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zumindest seit 2017 und absehbar auch weiterhin einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung. Dabei macht er vorliegend geltend, es bestehe aus diesem Rechtsverhältnis eine einzelne Verpflichtung des Beklagten, die dieser bestreitet.

19Das für eine Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse für das Rechtsschutzziel des Klägers, vorab Klarheit darüber zu erhalten, ob sein Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII auch die begehrten Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung umfasst, ist zu bejahen. Der Kläger kann hier insbesondere nicht darauf verwiesen werden, diese Leistungen zunächst in Anspruch zu nehmen und sodann erst eine Klärung ggf im Wege der Kostenerstattung zu erlangen. Sollte die Beigeladene nur bereit sein, solche Leistungen nach Abschluss eines ergänzenden Vertrags zu erbringen, kann dem Kläger schon nicht angesonnen werden, einen solchen Vertrag abzuschließen, aus dem vertragliche Verpflichtungen erwachsen, die er wegen seiner Bedürftigkeit aber nicht erfüllen kann (vgl - SozR 4-1500 § 55 Nr 20, RdNr 13; - SozR 4-3300 § 40 Nr 2 RdNr 12). Aber auch sofern - wovon das LSG wohl ausgeht - eine Vertragsanpassung nicht notwendig wäre, stünde das der Zulässigkeit einer Feststellungsklage nicht entgegen; denn der Beklagte bestreitet auch für eine solche Konstellation seine Leistungspflicht, weil er den Vereinbarungen nach dem SGB XI nicht beigetreten ist. Von einem Kostenrisiko ist der Kläger im Verhältnis zur Beigeladenen nur befreit, wenn er - wie dies vorliegend geschehen ist - Leistungen nicht in Anspruch nimmt. Schließlich ist mit der Entscheidung über die Feststellungsklage die abschließende Klärung der zwischen den Hauptbeteiligten streitigen Berechtigung zu erwarten.

20Richtiger Beklagter für dieses Begehren ist der Landrat des Kreises Steinburg. Der Kreis ist Träger der Sozialhilfe und der Landrat ist für die Leistungen nach dem SGB XII sachlich zuständig, die der Kreis als Selbstverwaltungsaufgabe durchführt (§ 97 Abs 1 SGB XII iVm § 1 Abs 1 Satz 1 und 2, § 2 Abs 1 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch <AG-SGB XII SH> idF vom mit Wirkung vom <mWv> , GVOBl 702). Der für den Kläger zuständige Landesgesetzgeber in Schleswig-Holstein hat durch § 62 Landesjustizgesetz (<LJG>; vom , GVOBl 231) eine anderweitige Regelung iS des § 70 Nr 3 SGG getroffen, weshalb der Landrat zuständiges Organ des Kreises (§ 7 Kreisordnung <KrO> vom , GVOBl 94) ist, ohne dass es auf (weitere) Einzelheiten der Behördenbezeichnung ankommt. Er ist für die Erbringung von stationärer Hilfe zur Pflege auch örtlich zuständig (vgl § 98 Abs 2 SGB XII).

21Weitere von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernisse bestehen nicht.

22Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 19 Abs 3 SGB XII (idF des BTHG) iVm § 61 Satz 1, § 65 Satz 2 und § 64b Abs 2 SGB XII (jeweils idF des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften - Drittes Pflegestärkungsgesetz <PSG III> vom , BGBl I 3191). Danach haben Personen, die pflegebedürftig iS des § 61a SGB XII sind, Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Hiervon ist ua auch stationäre Pflege umfasst (§ 63 Abs 1 Satz 1 Nr 5, § 65 SGB XII). Der alleinstehende Kläger ist auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG leistungsberechtigt dem Grunde nach. Er ist pflegebedürftig nach Pflegegrad 3 (§ 15 Abs 3 Satz 4 Nr 3 SGB XI) und bedarf deshalb dauerhaft der Hilfe zur stationären Pflege, die in einer nach dem SGB XI zugelassenen Einrichtung der Beigeladenen erbracht wird. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen ergibt sich zudem, dass er nicht mit eigenem Einkommen und Vermögen für seine Pflege aufkommen kann. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte als sachlich und örtlich zuständiger Träger im Jahr 2011 Hilfe zur stationären Pflege (unbefristet) bewilligt.

23Zutreffend ist das LSG in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass von dem Anspruch des Leistungsberechtigten dem Grunde nach auch zusätzliche pflegerische Betreuungsmaßnahmen zur Betreuung und Aktivierung iS des § 43b SGB XI idF des PSG II (vom - BGBl I 2424) umfasst sind (offengelassen bei - SozR 4-3500 § 90 Nr 12 RdNr 18). Voraussetzung für ihre Inanspruchnahme ist lediglich, dass die Pflegeeinrichtung entsprechende Leistungen anbietet und der Leistungsberechtigte insoweit vertraglich zur Tragung der Kosten aus dem Heimvertrag verpflichtet ist. Die Vergütungsregelungen nach dem SGB XI sichern dabei ausreichend ab, dass Mehrkosten nur entstehen, wenn der Leistungsberechtigte die zusätzlichen Leistungen tatsächlich in Anspruch nehmen kann. Der Beklagte kann vorliegend dem nicht pflegeversicherten Kläger nicht entgegenhalten, dass er der Vergütungsvereinbarung zwischen der Einrichtung und den Pflegekassen nicht beigetreten ist (dazu später).

24Welche Leistungen inhaltlich als Leistungen der Hilfe zur stationärer Pflege in Betracht kommen, definiert § 65 SGB XII selbst nicht; sie richten sich vielmehr nach § 43 Abs 1 SGB XI, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Gesetzestext zum Ausdruck kommt. Mit der Umgestaltung des Siebten Kapitels des SGB XII mit dem PSG III sind die Fortentwicklungen im Leistungsrecht des SGB XI auch für das SGB XII im Grundsatz nachvollzogen worden. Sowohl rechtssystematisch als auch im Sinne der Pflegebedürftigen erschien dem Gesetzgeber eine (weitgehende) Identität der Pflegebedürftigkeitsbegriffe unabdingbar (vgl BT-Drucks 18/9518 S 43; vgl Meßling/Weiß in jurisPK-SGB XI, 4. Aufl 2024, § 14 RdNr 33, Stand ; Kuhn-Zuber in Deinert/Welti/Luik/Brockmann, Stichwortkommentar Behindertenrecht, 3. Aufl 2022, Stichwort Pflegebedürftigkeit RdNr 22). Die Leistungsinhalte des Siebten Kapitels korrespondieren deshalb mit dem erweiterten Verständnis von Pflegebedürftigkeit, wie es im PSG II zum Ausdruck kommt (vgl BT-Drucks 18/9518 S 83 f, 98; zum Ganzen Schmidt, NZS 2017, 207 <209>; Greiner in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, 9. Aufl 2025, SGB XII, §§ 61-66a RdNr 9; Schellhorn in Fasselt/Schellhorn/Homann/Schwengers, Handbuch Sozialrechtsberatung, 7. Aufl, Edition 2 2025, § 24 RdNr 3, 48). Damit entspricht auch der Anspruch auf stationäre Pflege iS von § 65 SGB XII dem Inhalt des Anspruchs auf stationäre Pflege nach § 43 Abs 1 SGB XI (vgl BT-Drucks 18/9518 S 98; ebenso Meßling/Coseriu in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 65 RdNr 22, Stand ; Klie in Hauck/Noftz, SGB XII, § 65 RdNr 3, Stand 3/2025; Palsherm in LPK-SGB XII, 13. Aufl 2024, § 65 RdNr 15; Kaiser in BeckOK SozR, SGB XII, § 65 RdNr 2, Stand ; Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, Stand 7/2018, § 65 RdNr 3; Schweigler, SozSich 2018, 376 <381>). Es werden im Rahmen der Hilfe zur Pflege unter Geltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs auch besondere Betreuungsleistungen erbracht, die zuvor nur versicherten Pflegebedürftigen erbracht wurden (vgl BT-Drucks 18/9518 S 83).

25Der Anspruch auf Hilfe zur Pflege erfasst ausdrücklich auch im stationären Bereich Betreuungsmaßnahmen. Insoweit nimmt § 65 Satz 2 SGB XII auf die in § 64b Abs 2 SGB XII geregelten Unterstützungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld Bezug, die insbesondere bei der Bewältigung psychosozialer Problemlagen oder von Gefährdungen, bei der Orientierung, bei der Tagesstrukturierung, bei der Kommunikation, bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und bei bedürfnisgerechten Beschäftigungen im Alltag sowie durch Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung zu gewähren sind (§ 64b Abs 2 SGB XII; vgl § 36 Abs 2 Satz 3 SGB XI). Diese Regelung hat klarstellenden Charakter (Meßling/Coseriu in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 65 RdNr 24, Stand ); ihr Regelungsgehalt folgt unmittelbar schon aus dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff des § 14 SGB XI, der psychische und kognitive Einschränkungen in gleicher Weise wie somatische Beeinträchtigungen erfasst (Meßling/Weiß in jurisPK-SGB XI, 4. Aufl 2024, § 14 RdNr 33, 106, 123, Stand ; Luthe in Hauck/Noftz, SGB XI, § 14 RdNr 2 ff, 25 ff, Stand 6/2024; Udsching, jurisPR-SozR 6/2016 Anm 1; zu § 61 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis gültigen Fassung vgl bereits - BSGE 123, 171 = SozR 4-3500 § 66 Nr 1, RdNr 24; Meßling in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 61 RdNr 88, Stand ).

26Um solche Betreuungsmaßnahmen, die § 64b Abs 2 SGB XII ohnehin nicht abschließend aufzählt ("insbesondere"), handelt es sich auch bei den Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung nach § 43b SGB XI in stationären Pflegeeinrichtungen (Kaiser in BeckOK SozR, SGB XII, § 65 RdNr 2, Stand ; Klie in Hauck/Noftz, SGB XII, § 65 RdNr 9, Stand 3/2025; Palsherm in LPK-SGB XII, 13. Aufl 2024, § 65 RdNr 16). Zwar werden sie - wie Leistungen auf Grundlage von § 43 SGB XI auch - nicht ausdrücklich in Bezug genommen (ablehnend deshalb Rabe in Mergler/Zink, SGB XII, Einleitung Kapitel 7 RdNr 24, Stand 2/2021; Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider/Busse, SGB XII, 21. Aufl 2023, § 65 RdNr 11; Weber in BeckOGK, SGB XI, § 84 RdNr 44, Stand ). Es handelt sich aber um Leistungen, die in gleicher Weise der umfassenden Betreuung im Sinne des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs dienen, was sich aus gesetzeshistorischen und systematischen Erwägungen ergibt.

27§ 43b SGB XI schließt an die zusätzlichen Leistungen auf Grundlage von § 87b SGB XI aF an. Mit dieser Vorschrift, die mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom (BGBl I 874) mWv eingeführt worden ist, ist (lediglich) ein Anspruch der vollstationären Einrichtungen auf Finanzierung zusätzlichen Betreuungspersonals für Heimbewohner mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf durch die gesetzlichen und privaten Pflegekassen geschaffen worden mit dem Ziel, die Betreuung demenziell erkrankter Pflegeheimbewohner zu verbessern (BT-Drucks 16/8525 S 100). Mit der Vereinbarung des Vergütungszuschlags zwischen Einrichtung und Pflegekasse ist der Anspruch des Pflegebedürftigen auf die entsprechende Betreuung entstanden.

28Mit § 43b SGB XI ist diese Betreuung als Individualanspruch im SGB XI ausgestaltet worden. In der Gesetzesbegründung wird dabei darauf verwiesen, dass unter Geltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs grundsätzlich kein Anlass bestünde, das Angebot auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung aufrechtzuerhalten; folgerichtig wären - worauf der Expertenbeirat hingewiesen habe -, die Leistungsvolumina des § 87b SGB XI aF in die Leistungsbeträge nach § 43 SGB XI zu integrieren. Durch die Normierung in § 43b SGB XI solle lediglich sichergestellt werden, dass die zusätzliche Betreuung und Aktivierung auch in Zukunft tatsächlich stattfinde (BT-Drucks 18/5926 S 128). Das macht deutlich, dass es sich um eine Pflegeleistung handelt, die der umfassenden Umsetzung der Anforderungen dient, die sich im Hinblick auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff stellen. Der Norm kommt nur klarstellende Funktion zu (Giesbert in BeckOK SozR, SGB XI, § 43b RdNr 4, Stand ). Der Anspruch auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung nach dem SGB XI besteht indes nicht uneingeschränkt, sondern nur nach Maßgabe von § 84 Abs 8 SGB XI und § 85 Abs 8 SGB XI und wird also ausdrücklich mit der Frage der Finanzierung der zusätzlichen Leistungen verknüpft. So soll sichergestellt werden, dass weiterhin Strukturen erhalten (und ausgebaut) werden, die den Einsatz von zusätzlichen Betreuungskräften erfordern. Andererseits hat das zur Folge, dass die Verwirklichung des individuellen Leistungsanspruchs davon abhängt, dass es der jeweiligen Pflegeeinrichtung gelingt, das zusätzliche Personal auch tatsächlich zu gewinnen, um die Leistungen anbieten zu können (vgl Marwedel in jurisPK-SGB XI, 4. Aufl, § 43b RdNr 26, Stand ; Giesbert in BeckOK SozR, SGB XI, § 43b RdNr 4, Stand ; Rasch in Udsching/Schütze, SGB XI, 6. Aufl 2024, § 43b RdNr 3).

29Der Gesetzgeber strebt damit eine Versorgung durch verstärkte ("zusätzliche") Betreuung und Begleitung von Alltagsaktivitäten in den Pflegeheimen und die Aktivierung der kognitiven Fähigkeit der Bewohner an, nimmt aber andererseits auf die tatsächlichen Verhältnisse insoweit Rücksicht, als die Ansprüche nur dort bestehen, wo die Einrichtung auch in der Lage ist, eine entsprechende Betreuung anzubieten. Die zusätzliche Betreuung und Aktivierung darf somit nicht regelhaft zu Lasten der körperbezogenen Pflegemaßnahmen oder der hauswirtschaftlichen Tätigkeiten erfolgen, sondern muss von diesen möglichst weitgehend getrennt organisiert sein (vgl dazu auch § 2 Abs 4 Betreuungskräfte-RL vom zuletzt geändert durch Beschluss vom , zuletzt genehmigt durch das Bundesministerium für Gesundheit <BMG> am ).

30Zugleich weist die Gesetzesbegründung zwar darauf hin, dass zusätzliche Kostenbelastungen anderer Kostenträger, insbesondere der Sozialhilfeträger, trotz der Gestaltung als Individualanspruch ausgeschlossen seien. Dies ist in der Binnensystematik des SGB XI auch folgerichtig; denn die Finanzierung der Vergütungszuschläge nach § 84 Abs 8 SGB XI und § 85 Abs 8 SGB XI sichert ab, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB XI die Leistungen in jedem Fall von der Pflegekasse erhalten und die Leistungen - unabhängig von ihrem Einkommen und Vermögen - weder selbst zahlen müssen noch der Sozialhilfeträger für einen pflegeversicherten Sozialhilfeberechtigten die Kosten für diese pflegebedingten Aufwendungen (aufstockend) zu zahlen hat. Dies schließt es aber nicht aus, dass unter Geltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ausnahmsweise der Sozialhilfeträger Kostenträger dort ist, wo eine Pflegeversicherung nicht besteht und also das SGB XI für den Sozialhilfeberechtigten keine Anwendung findet.

31Aus dem Gleichlauf des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im SGB XI und im SGB XII folgt, dass auch Leistungsempfänger nach dem Siebten Kapitel des SGB XII dann einen Anspruch auf die zusätzlichen Betreuungs- und Aktivierungsleistungen haben, wenn die Pflegeeinrichtung sie anbietet. Auch wenn eine pflegerische Versorgung in einer Einrichtung, die solche Leistungen nicht anbietet, nicht zu einer "Unterversorgung" des Leistungsberechtigten führt, ist der Wunsch des Leistungsberechtigten, eine Pflegeeinrichtung zu wählen, die zusätzlichen Betreuungs- und Aktivierungsleistungen anbietet, deshalb grundsätzlich angemessen (vgl - SozR 4-3500 § 65 Nr 5 RdNr 17). Das sozialhilferechtliche Wunsch- und Wahlrecht einer leistungsberechtigten Person ist vor allem nicht durch den sogenannten Mehrkostenvorbehalt (§ 9 Abs 2 Satz 3 SGB XII) beschränkt, wenn sie eine Einrichtung wählt, mit der Pflegesatz- bzw Vergütungsvereinbarungen bestehen (vgl - BSGE 126, 166 = SozR 4-3500 § 9 Nr 1, RdNr 20; im Einzelnen später). Die Vergütungsregelungen sichern dabei ausreichend ab, dass Mehrkosten dadurch nur entstehen, wenn der Leistungsberechtigte die zusätzlichen Leistungen tatsächlich in Anspruch nehmen kann.

32Dem Kläger steht es damit im Rahmen seines Wunsch- und Wahlrechts frei, die von der Beigeladenen angebotenen zusätzlichen Betreuungs- und Aktivierungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Leistungen sind dem Grunde nach von seinem Anspruch auf Hilfe zur stationären Pflege erfasst. Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung sind - anders als es das LSG meint - nicht infolge des geänderten Pflegebedürftigkeitsbegriffs ohne ausdrückliche Vertragsanpassung Vertragsinhalt geworden. Auch zu Lasten des Beklagten kann der Kläger die Leistungen - wie oben dargestellt - damit erst nach einer Erweiterung des Vertrags um diese Inhalte in Anspruch nehmen.

33Der vorgelegte Pflege- und Betreuungsvertrag aus dem Jahr 2011, den auszulegen der Senat wegen seines Charakters als Formularvertrag berechtigt ist (vgl - SozR 4-3500 § 53 Nr 4 RdNr 17 mwN), enthält keine Vereinbarung über Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung. Der Vertrag enthält zwar eine Regelung, in der darauf verwiesen wird, dass sich der Vertragsinhalt ua aufgrund der Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern kann und in diesen Fällen beide Vertragspartner berechtigt sind, eine Anpassung des Vertrags zu verlangen. Allerdings sind bei Vertragsschluss "zusätzliche Betreuungsleistungen für Menschen mit Demenz, geistiger Behinderung oder einer psychischen Erkrankung" nicht vereinbart worden. In der Anlage 9, auf die der Vertrag insoweit verweist, werden solche Leistungen (die sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Planung befanden) unter Bezugnahme auf § 87b SGB XI aF beschrieben; es wird aber zugleich ausgeführt, dass nur pflegeversicherte Klienten einen Leistungsanspruch haben können. Entsprechend ist in § 3 ("Entgelte") des Pflege- und Betreuungsvertrags der Verweis auf die bezeichnete Anlage 9 in Ziff 15 nicht angekreuzt. Da die Leistungen der zusätzlichen Betreuung nicht vereinbart waren, unterliegt der Vertrag insoweit keiner Änderung der "gesetzlichen Rahmenbedingungen" durch Wegfall des § 87b SGB XI aF und Inkrafttreten des § 43b SGB XI mit dem PSG II.

34Eine Anpassung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Begriff der stationären Pflegebedürftigkeit nunmehr Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung erfasst. Zwar ist die vollstationäre Pflege Vertragsgegenstand und in § 1 Nr 4 des Vertrags wird ausgeführt, dass Änderungen der zugrunde liegenden Bestimmungen (ua) das SGB XI und des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen - Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (<WBVG>, vom , BGBl I 2319) sich unmittelbar auf den Inhalt des Vertrags auswirken, soweit keine zusätzlichen Voraussetzungen gesetzlich vorgeschrieben sind. Insoweit bestimmte § 92f Abs 3 Satz 1 SGB XI idF des PSG II in Abweichung von § 9 Abs 2 WBVG als Übergangsvorschrift (lediglich), dass die Heimbewohner vom Pflegeheim spätestens bis zum über die übergangsweise geltenden, pauschal umgewerteten Pflegesätze nach § 92e SGB XI (und den von ihnen zu tragenden Eigenanteil) schriftlich zu informieren waren. Die Änderungen in Bezug auf § 43b SGB XI sind hiervon nicht erfasst, schon weil nach § 84 Abs 8 Satz 4 SGB XI pflegeversicherte Pflegebedürftige mit den von den Pflegekassen zu tragenden Vergütungszuschlägen für die zusätzlichen Leistungen der Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen (§ 84 Abs 8 Satz 2 und 3 SGB XI) weder ganz noch teilweise belastet werden dürfen.

35Dies gilt indes für nicht pflegeversicherte Heimbewohner, die Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII erhalten, nicht in gleicher Weise. Auf sie findet das SGB XI von vornherein keine Anwendung, auch wenn die Vereinbarungen zwischen dem Leistungsempfänger und der Einrichtung den aufgrund des Zehnten Kapitels des SGB XII und damit mittelbar (über § 76a Abs 1 Nr 3 SGB XII) auch den nach dem SGB XI getroffenen Regelungen entsprechen müssen (§ 15 Abs 2 WBVG und dazu - BSGE 127, 92 = SozR 4-3500 § 75 Nr 13, RdNr 40). Für Leistungsberechtigte nach dem Siebten Kapitel des SGB XII, die nicht pflegeversichert sind, trägt der Sozialhilfeträger zwar die vertraglich vereinbarten Kosten (in Abhängigkeit von der Bedürftigkeit) insgesamt (vgl bereits Meßling in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 61 RdNr 96, 152, Stand ). Erhalten nicht pflegeversicherte Heimbewohner seit dem Leistungen nach § 43b SGB XI, müssen die Verträge aber angepasst werden, weil die Leistungsberechtigten auch in diesem Fall privatvertraglich zunächst mit den vereinbarten Vergütungszuschlägen belastet werden. Dabei muss der Heimvertrag die neu zu erbringenden Leistungen und ihre gesonderte Vergütung nach § 84 Abs 8 SGB XI ausweisen; dies folgt aus § 6 Abs 3 WBVG. Eine Bezugnahme im Heimvertrag auf die pflegebedingten Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege nach § 43 SGB XI (wie sie der vorliegende Vertrag enthält) genügt nicht, weil - wie dargestellt - die Leistungen nach § 43b SGB XI und vor allem ihre Vergütung nach der Systematik des SGB XI unabhängig von dieser Versorgung erfolgen.

36Sofern die Vertragsinhalte eines abzuschließenden Vertrags zwischen dem Kläger und der Beigeladenen über Leistungen nach § 43b SGB XI den Regelungen des Achten Kapitels des SGB XI entsprechen (vgl zu dieser Vorgabe erneut § 15 WBVG), kann der Beklagte seiner Leistungspflicht vorliegend nicht entgegenhalten, dass er der Vergütungsvereinbarung zwischen der Beigeladenen und den Pflegekassen über den Vergütungszuschlag nach § 84 Abs 8 SGB XI nicht beigetreten ist. Bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen iS des § 72 SGB XI richten sich Art, Inhalt, Umfang und Vergütung der vom Sozialhilfeträger zu erbringenden Leistungen ua der vollstationären Pflegeleistungen nach dem Achten Kapitel des SGB XI, soweit diese Vereinbarungen im Einvernehmen mit dem Träger der Sozialhilfe getroffen worden sind und nicht nach dem Siebten Kapitel des SGB XII weitergehende Leistungen zu erbringen sind (vgl § 76a Abs 1 Nr 3 SGB XII idF des BTHG). Es besteht also grundsätzlich eine Bindung an die nach den Vorgaben der §§ 85 ff SGB XI geschlossene Pflegesatzvereinbarung. Es soll durch die Einheitlichkeit der Vergütung im Pflegesektor gerade in dem typischen "Überschneidungsbereich" zwischen den nach dem SGB XI betragsmäßig begrenzten Pflegeleistungen und den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII eine einheitliche Vergütung in beiden Systemen sichergestellt werden (vgl zu § 75 Abs 5 Satz 1 SGB XII aF nur - BSGE 126, 166 = SozR 4-3500 § 9 Nr 1, RdNr 18; - SozR 4-3500 § 65 Nr 5 RdNr 17, jeweils mwN).

37Der Beklagte ist zwar der Vereinbarung nicht beigetreten. Sein Einvernehmen wird aber im Verhältnis zum Leistungsberechtigten fingiert. Wie der Senat zu § 75 Abs 5 Satz 1 SGB XII aF bereits entschieden hat, kommt die Rückausnahme nach Sinn und Zweck der Regelung nicht zur Anwendung, wenn der Sozialhilfeträger tatsächlich an den Verhandlungen beteiligt war und nur sein Einvernehmen zu der getroffenen Vereinbarung nicht erteilt hat (vgl nur - BSGE 126, 166 = SozR 4-3500 § 9 Nr 1, RdNr 19 mwN).

38In welchem Umfang der Beklagte hier an den Verhandlungen um die Folgevereinbarung(en) ab dem zwischen den Pflegekassen und der Beigeladenen einbezogen war, steht zwar nicht fest. Das LSG hat festgestellt, dass er der Vereinbarung über einen Vergütungszuschlag zur Pflegevergütung für die Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung nach § 43b SGB XI vom nicht beigetreten ist. Es hat aber Bezug genommen auf Empfehlungen des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Schleswig-Holstein zur Umsetzung der Pflegestärkungsgesetze, das bereits 2017 (und in einem weiteren Rundschreiben 2019) gegenüber den Sozialhilfeträgern im Land Schleswig-Holstein angeregt hat, sich an solchen Verhandlungen zu beteiligen (vgl auch Konferenz der Obersten Landessozialbehörden <KOLS>, KOLS-Handlungsempfehlungen - Auswirkungen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs/ des PSG II und PSG III auf die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII, vom 21./, Anlage 1). Macht der Sozialhilfeträger von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, muss er die ohne sein Einvernehmen zustande gekommene Vereinbarung im Grundsatz gegen sich gelten lassen (sogenanntes fingiertes Einvernehmen, vgl nur - BSGE 126, 166 = SozR 4-3500 § 9 Nr 1, RdNr 19 mwN; O'Sullivan in jurisPK-SGB XI, 4. Aufl 2024, § 85 RdNr 50, Stand ). Ist der Sozialhilfeträger - wie hier - der Auffassung, Leistungen nach § 43b SGB XI von vornherein nicht erbringen zu müssen, braucht deshalb nicht entschieden zu werden, wie sich seine Beteiligungsrechte bei der Vereinbarung über den Vergütungszuschlag nach § 84 Abs 8 SGB XI im Einzelnen darstellen (vgl dazu Schubert/Schaumberg, SGb 2024, 632).

39Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:280525UB8SO224R0

Fundstelle(n):
KAAAK-06050