Suchen Barrierefrei
BAG Urteil v. - 10 AZR 170/24

Sozialkassenverfahren im Baugewerbe - Eisenschutzarbeiten - Bauwerksbezug

Instanzenzug: ArbG Wiesbaden Az: 11 Ca 561/22 SK Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 10 SLa 74/24 SK Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.

2Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft berechtigt und verpflichtet. Auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom in den für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassungen verlangt der Kläger von der Beklagten zu 1. und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, der Beklagten zu 2., zuletzt Beiträge für jeweils zwei gewerbliche Arbeitnehmer und zwei Angestellte für die Monate Mai 2019 bis März 2022 in Höhe von 60.378,00 Euro.

3§ 1 Abs. 2 VTV enthält in allen Fassungen ua. folgende Bestimmungen:

4Die maßgeblichen Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) vom (BAnz. AT B1), vom (BAnz. AT B1) und vom (BAnz. AT B1) enthalten Einschränkungen von der Allgemeinverbindlichkeit der jeweiligen VTV ua. für Betriebe, die unter den im Anhang 1 der AVE abgedruckten fachlichen Geltungsbereich der am geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fallen, sofern der Arbeitgeber unmittelbar oder mittelbar Mitglied eines im Anhang 2 der AVE genannten Arbeitgeberverbandes im Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie oder eines ihrer Mitgliedsverbände ist. Ferner erstrecken sich die jeweiligen AVE nach Absatz 4 der Einschränkungen nicht auf Betriebe mit Sitz im Inland, die von einem der Rahmentarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk in der Bundesrepublik Deutschland oder deren AVE erfasst werden und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im Anhang 3 Abschnitt I der AVE abgedruckten fachlichen Geltungsbereich des entsprechenden Rahmentarifvertrags genannt sind. Dieser erfasst ua. Handwerksbetriebe, die Entrostungs- und Eisenanstricharbeiten ausführen.

5In dem Betrieb der nicht originär tarifgebundenen Beklagten zu 1. wurden überwiegend Eisenschutzarbeiten ua. an Lüftern bzw. Ventilatoren und Schalldämpfern, Metallträgern für Brücken und Hallen, Gittermasttürmen, Geländern, Einzelteilen für Schiffe, Hydraulik- und Maschinenbauteilen erbracht. Die Bauteile wurden - je nach Größe - mit Sattelaufliegern und Staplern auf das Betriebsgelände transportiert und dort an sog. Beschichtungsplätzen und in Strahlkabinen in hohen Stückzahlen gleichförmig bearbeitet. Ein Wiederaufbau beim Kunden erfolgte nicht. Das Betriebsgrundstück hat eine Größe von 1,2 ha und verfügt über Hallen von 5.000 m², in denen sich mehrere Beschichtungsplätze und größere Strahlkabinen von zT 17,5 m Länge, 7 m Breite und 5 m Höhe befinden. Der Betrieb verfügt über einen 40 t Sattelauflieger, einen 10 t Stapler sowie über weitere Stapler, die mehrere Tonnen heben können.

6Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Betrieb sei verpflichtet, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Eisenschutzarbeiten würden allgemein von § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV erfasst, auf den Gegenstand der Korrosionsschutzarbeiten, insbesondere auf die Frage, ob die Arbeiten - wie zunächst von ihm behauptet - überwiegend an Eisenbauteilen für die Schifffahrt erbracht wurden, komme es nicht an. Es müsse sich lediglich um industriell durchgeführte Arbeiten an eisenhaltigen Werkstoffen handeln, was hier insgesamt der Fall sei.

7Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

8Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die Ansicht vertreten, der Betrieb falle nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich der VTV. Von § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV würden nicht Eisenschutzarbeiten aller Art unabhängig vom Gegenstand des Metallteils und des Bearbeitungsorts erfasst. So stelle die industrielle Beschichtung nicht für den Bau verwendeter Teile keine bauliche Tätigkeit dar. Es seien keine Arbeiten an Schiffen oder Bauwerken vorgenommen worden. Teilweise sei gar nicht bekannt, wofür die bearbeiteten Teile verwendet würden.

9Der Kläger hat die in der Revision noch streitgegenständlichen Ansprüche mit drei Mahnanträgen geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Verbindung der Verfahren abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

10Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen gerichtete Klage ist zulässig und begründet.

11I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zu den Anforderungen vgl.  - Rn. 12 ff. mwN). Der Kläger hat seine Klageforderung in den Anträgen auf Erlass von Mahnbescheiden hinreichend konkretisiert. Er hat neben der geforderten Gesamtsumme auch die Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer aufgeschlüsselt nach den einzelnen Monaten angegeben und diese Angaben auf der Rückseite des Mahnantrags durch Angabe der monatlichen „Mindestbeiträge“ für die gewerblichen Arbeitnehmer ergänzt. Anhand dieser Angaben kann nachvollzogen werden, wie sich die Beiträge auf die Kalendermonate verteilen und wie sich die Klageforderung in ihrer Gesamtsumme zusammensetzt (vgl.  - Rn. 10). Hinsichtlich der Beiträge für Angestellte ist benannt, für welche Zahl von Angestellten für welche Monate der tarifliche Festbeitrag begehrt wird ( - Rn. 15).

12II. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann von den Beklagten Sozialkassenbeiträge für die Monate Mai 2019 bis März 2022 in Höhe von 60.378,00 Euro verlangen.

131. Die Pflicht der Beklagten zu 1., Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu leisten, folgt für die Zeit vom bis zum aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 16 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV vom , für das Jahr 2021 aus den identischen Bestimmungen des VTV idF vom - ab dem ergänzt um die Vorschrift des § 17 Abs. 1 VTV gemäß AVE vom  - und für die Zeit ab Januar 2022 aus den identischen Vorschriften des VTV idF vom . Die Bindung der Beklagten zu 1. an die jeweiligen VTV beruht auf § 5 Abs. 4 TVG iVm. den AVE vom , vom und vom .

14a) Der in Schleswig-Holstein gelegene Betrieb der Beklagten zu 1. unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich der Tarifverträge (§ 1 Abs. 1 VTV). Gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte werden vom persönlichen Geltungsbereich erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 VTV).

15b) Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen wurde der Gewerbebetrieb der Beklagten zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum auch vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst. Bei den von den gewerblichen Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. überwiegend versehenen Arbeiten handelt es sich um Eisenschutzarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV.

16aa) Ein Betrieb wird vom Geltungsbereich der VTV erfasst, wenn im Kalenderjahr des Anspruchszeitraums in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der jeweiligen VTV fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinn erbracht, sind ihnen auch diejenigen Nebenarbeiten zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an. Für den Geltungsbereich der VTV reicht es aus, wenn in dem Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen ihrer Abschnitte IV oder V genannten Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Betrieb wird dann stets vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst, ohne dass die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III zusätzlich geprüft werden müssen. Nur wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten versehen werden, muss darüber hinaus festgestellt werden, ob die ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen (st. Rspr., zB  - Rn. 21 mwN).

17bb) Die im Betrieb der Beklagten zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitszeitlich überwiegend versehenen Eisenschutzarbeiten durch Entrosten und Beschichten von Bauteilen werden nach § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst. Die Tarifnorm verlangt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Eisenschutzarbeiten an herkömmlichen Bauwerken oder Schiffen, sondern erfasst auch Arbeiten an einzelnen Bauteilen von Stahlbauwerken, die auf dem Betriebsgelände ausgeführt werden. Das ergibt die Auslegung der VTV (zu den Auslegungsgrundsätzen für Tarifverträge vgl.  - Rn. 21 mwN).

18(1) § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV benennt ohne nähere Eingrenzung Bauten- und Eisenschutzarbeiten. Der Bestimmung ist keine Einschränkung dahin gehend zu entnehmen, dass nur Arbeiten an Bauwerken erfasst sein sollen. Eine solche kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Eisenschutzarbeiten neben Bautenschutzarbeiten genannt sind (vgl.  - Rn. 20, 33, BAGE 174, 35). Das Wort „Eisenschutzarbeiten“ bezieht sich in erster Linie auf den Werkstoff Eisen als Material, das zB in Form von Baustahl in Stahlbauten verwendet wird.

19(2) Aus der systematischen Auslegung folgt nichts anderes. Der betriebliche Geltungsbereich erfasst nach § 1 Abs. 2 VTV in der einleitenden Begriffsbestimmung Betriebe des Baugewerbes. Im nächsten Satz definieren die Tarifvertragsparteien als Betriebe des Baugewerbes alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen. Betriebe, die Arbeiten der in Abschnitt IV genannten Art ausführen, gehören damit, ohne dass es der Prüfung weiterer Merkmale bedarf, kraft tariflicher Definition zum Baugewerbe. Einen darüber hinausgehenden Bauwerksbezug verlangt die Systematik der Norm nicht. § 1 Abs. 2 Abschn. IV VTV unterwirft - wie die weiteren Beispiele unter den Nr. 1 und 3 zeigen - auch Tätigkeiten dem betrieblichen Geltungsbereich, die nicht zwingend Leistungen an einem Bauwerk darstellen (vgl.  - Rn. 22 ff., BAGE 174, 35).

20(3) Entscheidend für das Begriffsverständnis ist vielmehr, dass die Tarifvertragsparteien dem auch in einem weiteren Tarifvertrag verwendeten Begriffspaar „Bauten- und Eisenschutz“ ein einheitliches inhaltliches Verständnis zugrunde legen wollten. So haben dieselben Tarifvertragsparteien auch den Tarifvertrag zur Regelung der Löhne im Bauten- und Eisenschutzgewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin vom (TV Lohn Bauten- und Eisenschutz/West) geschlossen. Dort haben sie nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Betriebe dem Geltungsbereich unterworfen, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung neben Oberflächenschutzarbeiten auf Beton Entrostungs- und Eisenanstricharbeiten an Stahlbauwerken ausführen. Genannt sind in einer beispielhaften und somit nicht abschließenden Aufzählung Brücken, Hallen, Aufbereitungsanlagen, Dach- und Turmkonstruktionen, Wasser-, Gas- und Ölgroßbehälter, Kräne, Fördertürme, Transportanlagen, Industrierohrleitungen, Umspannanlagen, Stahlwasserbauten, Silos und Schiffsrümpfe (vgl. auch den insoweit identischen Geltungsbereich des Tarifvertrags zur Regelung der Löhne im Bauten- und Eisenschutzgewerbe im Gebiet des Landes Berlin vom ). Vor diesem Hintergrund hat der Senat in den vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Entscheidungen ausgeführt, dass die Tarifvertragsparteien ein kohärentes Gesamtsystem schaffen und dafür die Begriffe einheitlich verstanden wissen wollten ( - Rn. 32, BAGE 174, 35; - 10 AZR 384/18 - Rn. 32). Auch Entrostungs- und Oberflächenbeschichtungsarbeiten an Industrieanlagen wie Kraftwerken und an Windkrafträdern hat der Senat deshalb den Eisenschutzarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV zugeordnet ( - Rn. 44). An diesem Begriffsverständnis hält der Senat fest. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV bezieht sich somit auf Schutzarbeiten auf Beton und an Stahlbauwerken der in § 1 Abs. 2 TV Lohn Bauten- und Eisenschutz/West genannten oder vergleichbaren Art.

21(4) Entgegen der Auffassung der Beklagten verlangt die Tarifnorm auch nicht, dass die Eisenschutzarbeiten an (Stahl-)Bauwerken auf einer Baustelle verrichtet werden. Eine dahin gehende Einschränkung enthält § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV nicht. Ausreichend ist vielmehr, dass sich die entsprechenden Arbeiten auf Teile von Stahlbauwerken beziehen. Insoweit kann es keinen Unterschied machen, ob die Arbeiten an einem größeren Objekt auf einer Baustelle ausgeführt werden oder ob eine Stahlkonstruktion zuvor zerlegt und die Einzelteile auf dem für die Durchführung von Eisenschutzarbeiten unterhaltenen Betriebsgelände entrostet und/oder beschichtet werden. Dass Korrosionsschutzarbeiten im Baugewerbe auch einzelne Bauteile von Stahlbauten erfassen können, wird auch mit Blick auf die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) deutlich, die für den Korrosionsschutz von Bauteilen aus Stahl und von Stahlbaukonstruktionen, die einer statischen Berechnung oder Zulassung bedürfen, gelten. So sind zB in den ATV DIN 18364 „Korrosionsschutzarbeiten an Stahlbauten“ Angaben zur Ausführung der Arbeiten nach Anzahl, Art, Lage, Maßen und Ausbildung der Bauteile und Bauten zu machen. Als Abrechnungseinheiten sind beispielhaft neben Behältern, Abdeckblechen, Rosten, Gittern und Geländern auch Befestigungen wie Konsolen, Rohrschellen, Abhängungen, Verbindungselemente, Flansche und Armaturen aufgeführt.

22cc) Die im Betrieb der Beklagten zu 1. durchgeführten Tätigkeiten stellen Bauten- und Eisenschutzarbeiten im tariflichen Sinn dar. Die durchgeführten Arbeiten bezogen sich im streitgegenständlichen Zeitraum nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers überwiegend auf Bauteile von Stahlbauwerken. Dass der Kläger dabei ursprünglich von arbeitszeitlich überwiegenden Entrostungs- und Eisenanstricharbeiten in Form von (Oberflächen-)Beschichtungsarbeiten an Bauteilen der Schifffahrt ausgegangen war, ist unschädlich.

23(1) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt dem Kläger. Sein Sachvortrag ist schlüssig, wenn er Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen. Ist entsprechender Tatsachenvortrag gehalten, hat sich der Arbeitgeber hierzu nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Das substantiierte Bestreiten kann sich auf die Art und/oder den Umfang der verrichteten Arbeiten beziehen. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber im Rahmen des substantiierten Bestreitens entsprechende Tatsachen vortragen. Dazu gehört auch die Darlegung der zeitlichen Anteile der verschiedenen Tätigkeiten (st. Rspr., zB  - Rn. 24 mwN, BAGE 176, 360).

24(2) Die Beklagten haben den schlüssigen Vortrag des Klägers zur Erfassung des Betriebs vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV mit ihrem Gegenvortrag nicht entkräftet. Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die maßgeblich auch auf dem eigenen Vorbringen der Beklagten beruhen, das sich der Kläger zu eigen gemacht hat, wurden im Betrieb der Beklagten zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum „ganz überwiegend“ Eisenschutzarbeiten an Bauteilen und Werkstücken wie Lüftern, Metallträgern für Brücken und Hallen, Gittermasttürmen, Geländern, Einzelteilen für Schiffe, Hydraulikteilen und Maschinenbauteilen erbracht. Soweit sich die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts allgemein auf „Lüfter“ beziehen, handelt es sich nach den eigenen Angaben der Beklagten um Ventilatoren und Schalldämpfer für Tunnel und Kraftwerke. Auch diese stellen Stahlkonstruktionen im Sinn eines einheitlichen Begriffsverständnisses der von § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV erfassten Eisenschutzarbeiten dar. Sie sind mit den in § 1 Abs. 2 Nr. 1 TV Lohn Bauten- und Eisenschutz/West genannten Stahlbauwerken vergleichbar, wie die beispielhafte Aufzählung der Stahlobjekte in der Tarifnorm zeigt, die neben klassischen Stahlbauten auch Anlagen des Ingenieurbaus und Industrierohrleitungen erfasst. Dies entspricht auch der Definition des Stahlbaus in der Bauwirtschaft. Unter Stahlbau im herkömmlichen Sinn wird die Zusammenfassung der Bauweise für Strukturen des Ingenieur-, Industrie- und Hochbaus, deren Bestandteile ausschließlich oder überwiegend aus Stahl und den daraus hergestellten Profilen wie Formstahl, Stabstahl, Breitflach- und Bandstahl sowie Blechen und Rohren bestehen, verstanden. Dazu gehören nicht nur der Stahlhochbau (Wohnhäuser, Hochhäuser, Industriegebäude aus Stahlfachwerken), sondern auch der Stahlwasserbau (Schotts und andere Sperrbauwerke, Hebewerke), Stahlbrückenbau (Straßen- und Eisenbahnbrücken, Überführungen) sowie Stahltragwerke verschiedenster Art wie Masten, Kräne und Türme (Grütze Bau-Lexikon Stichwort „Stahlbau“). Erst recht stellen die behandelten Metallträger für Brücken und Hallen, Gittermasttürme, Geländer und Einzelteile von Schiffen entweder Teile von Stahlbauwerken oder eigenständige Stahlbauten dar. Lediglich bei den bearbeiteten Hydraulik- und Maschinenbauteilen ist nicht eindeutig, ob es sich hierbei um Bauteile von Stahlbauwerken, Schiffsbauwerken oder um Teile von Anlagen der in § 1 Abs. 2 Nr. 1 TV Lohn Bauten- und Eisenschutz/West genannten oder damit vergleichbaren Art handelt. Soweit die Beklagten behaupten, ihnen sei teilweise gar nicht bekannt, wofür die zu bearbeitenden Teile später verwendet würden, entbindet sie das nicht von einer näheren Beschreibung der Bauteile, die der Beklagten zu 1. als Auftragnehmerin der Eisenschutzarbeiten auch zumutbar ist. Im Übrigen haben die Beklagten nicht behauptet, dass Maschinenbau- und Hydraulikteile, die weder dem Industrie- noch dem Ingenieurbau zuzuordnen sind, oder weitere nicht in einem Stahlbauwerk Verwendung findende Teile im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitszeitlich überwiegend bearbeitet wurden. Damit sind sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen.

25c) Der Betrieb der Beklagten zu 1. fällt nicht unter die Einschränkungen der AVE vom , vom und vom .

26aa) Nach Absatz 4 der Einschränkungen erstrecken sich die jeweiligen AVE nicht auf Betriebe mit Sitz im Inland, die von einem der Rahmentarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk in der Bundesrepublik Deutschland oder deren AVE erfasst werden und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich des entsprechenden Rahmentarifvertrags genannt sind. Der im Anhang 3 Abschnitt I der AVE abgedruckte fachliche Geltungsbereich erfasst Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks, die Entrostungs- und Eisenanstricharbeiten ausführen. Dazu gehört der Betrieb der Beklagten zu 1. nicht, denn die im Betrieb verrichteten Eisenschutzarbeiten wurden auf Grundlage der nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht handwerklich, sondern industriell ausgeführt.

27(1) Ob es sich im Einzelfall um eine handwerkliche oder eine industrielle Herstellung handelt, lässt sich nur im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände ermitteln. Den Tatsacheninstanzen kommt ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (vgl.  - Rn. 35 mwN, BAGE 171, 247).

28(2) Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Einordnung des Betriebs als Industriebetrieb stand. Das Landesarbeitsgericht hat die richtigen Maßstäbe zugrunde gelegt und die Umstände des Einzelfalls in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt. Es hat betont, dass es sich um gleichförmige und wiederkehrende Arbeiten gehandelt habe, für die eine besondere Ausbildung der Arbeitnehmer nicht erforderlich und auch nicht behauptet worden sei. Der Betrieb, für den die Beklagte zu 1. ein großes Industriegelände unterhalte, sei zudem durch den Einsatz von Maschinen gekennzeichnet. Zwar seien die Beschichtungs- und Korrosionsschutzarbeiten auch „per Hand“ erfolgt, allerdings unter Einsatz von Spritzpistolen. Auch unter Berücksichtigung der geringen Arbeitnehmeranzahl gehe die Gesamtabwägung angesichts der vorgenannten Indizien zu Gunsten der Annahme eines Industriebetriebs aus. Diese von den Beklagten nur im Hinblick auf die geringe Arbeitnehmeranzahl infrage gestellte Würdigung der insoweit unstreitigen Tatsachen lässt keine revisionsrechtlich relevanten Fehler erkennen.

29bb) Die weiteren Einschränkungen der AVE für Betriebe, die unter den im Anhang 1 der AVE abgedruckten fachlichen Geltungsbereich der am geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fallen, greifen nicht. Insoweit kann dahinstehen, ob die von den Arbeitnehmern der Beklagten zu 1. erbrachten Eisenschutzarbeiten zu einem der Fachzweige der Metall- und Elektroindustrie gehören, die in dem im Anhang 1 der AVE abgedruckten einschlägigen fachlichen Geltungsbereich genannt sind. Denn die Einschränkungen gelten nur, sofern der Arbeitgeber unmittelbar oder mittelbar Mitglied eines im Anhang 2 der AVE genannten Arbeitgeberverbandes im Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie oder eines ihrer Mitgliedsverbände ist. Eine entsprechende Mitgliedschaft haben die hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht behauptet.

302. Die der Höhe nach unstreitigen Beitragsansprüche sind nicht verfallen. Sie wurden rechtzeitig innerhalb der maßgeblichen Ausschlussfrist von drei Jahren für Ansprüche, die ab dem fällig geworden sind, geltend gemacht (§ 21 Abs. 1 VTV). Die ältesten Beitragsansprüche für Mai 2019 waren nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2018 zum 20. Kalendertag des Folgemonats fällig. Ein Verfall der Ansprüche für Mai 2019 konnte nach § 21 Abs. 1 Satz 3 VTV 2018 iVm. § 199 Abs. 1, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB frühestens zum eintreten. Mit dem noch im Jahr 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Mahnantrag vom hat der Kläger diese Beitragsansprüche fristwahrend anhängig gemacht. Die beiden weiteren Mahnanträge, die die Ansprüche für die Monate Januar 2020 bis Dezember 2020 sowie Januar 2021 bis März 2022 zum Gegenstand haben, sind im Jahr 2022 bzw. 2023 und damit ebenfalls fristwahrend eingereicht worden.

313. Die Haftung der Beklagten zu 2. für die Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1. folgt aus § 161 Abs. 2 iVm. § 126 Satz 1 HGB. Die zu 1. beklagte Kommanditgesellschaft und deren Komplementärin, die Beklagte zu 2., haften nach § 128 HGB jeweils in vollem Umfang für die gesamte Beitragsschuld. Sie sind zwar keine Gesamtschuldner, haften aber wie solche ( - Rn. 52;  - zu B der Gründe, BGHZ 146, 341).

32III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:270825.U.10AZR170.24.0

Fundstelle(n):
OAAAK-05684