Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Erdgas – Richtlinie 2009/73/EG – Art. 41 Abs. 8 – Begriff ‚angemessene Anreize‘ – Verordnung (EG) Nr. 715/2009 – Art. 13 Abs. 1 – Begriff ‚angemessene Kapitalrendite‘ – Fernleitungs- und Verteilernetze – Speicheranlage – Kriterien, die bei der Festlegung der von der nationalen Regulierungsbehörde festzulegenden Fernleitungs- und Verteilungstarife zu berücksichtigen sind – Kapitalrendite – Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung – Begründungspflicht
Leitsatz
Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005
sind dahin auszulegen, dass
die darin vorgesehenen Tarifgrundsätze nicht für Erdgasspeicheranlagen eines Mitgliedstaats gelten; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit für die nationalen Regulierungsbehörden, diese Tarifgrundsätze aus objektiv gerechtfertigten Gründen auf den Zugang zu solchen Anlagen auszudehnen.
Art. 41 Abs. 8 und 16 der Richtlinie 2009/73
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung, nach der „angemessene Anreize“ im Sinne dieses Art. 41 Abs. 8 allein dadurch sichergestellt werden, dass die von den Nutzern gezahlten Tarife die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der öffentlichen Versorgungsleistung decken und eine Rentabilität, wenngleich im Mindestmaß, gewährleisten, ohne dass die nationale Regulierungsbehörde zur Begründung der Art und Weise verpflichtet ist, in der sie „angemessene Anreize“ für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber vorsieht, entgegensteht, es sei denn, eine solche nationale Regelung kann im Einklang mit besagtem Art. 41 Abs. 8 und 16 ausgelegt werden.
Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009
sind dahin auszulegen, dass
die einer nationalen Regulierungsbehörde nach diesen Bestimmungen obliegende Verpflichtung, für die Zwecke der Festsetzung der für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber geltenden Tarife oder Berechnungsmethoden „angemessene Anreize“ bzw. eine „angemessene Kapitalrendite“ vorzusehen, nicht verlangt, dass allein auf bestimmte Berechnungsmethoden wie die im Finanzsektor angewandte Methode der gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten zurückgegriffen wird, dass die Kapitalkosten mit den Kapitalkosten nicht regulierter Gesellschaften verglichen werden und dass Anpassungen vorgenommen werden, um u.a. der Inflation und/oder der Körperschaftsteuer Rechnung zu tragen.
Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73
ist dahin auszulegen, dass
die nationale Regulierungsbehörde bei der Festlegung der „angemessenen Anreize“ im Sinne dieser Bestimmung verpflichtet ist, die individuelle Effizienz der betreffenden Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber in der Vergangenheit zu berücksichtigen.
Art. 39 Abs. 4 der Richtlinie 2009/73
ist dahin auszulegen, dass
er dem entgegensteht, dass die von der nationalen Regulierungsbehörde gemäß Art. 41 Abs. 8 dieser Richtlinie und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 vorgenommene Beurteilung der Parameter für die Berechnung der Tarife der betreffenden Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber im Fall einer Beanstandung durch diese Betreiber von der Mitwirkung eines Dritten abhängig gemacht wird, dessen Bericht ausschließlich im Auftrag eines dieser Betreiber erstellt wurde.
Gesetze: AEUV Art. 267, AEUV Art. 288, RL 2009/73/EU Art. 1, RL 2009/73/EU Art. 2, RL 2009/73/EU Art. 39, RL 2009/73/EU Art. 40, RL 2009/73/EU Art. 41 Abs. 8, VO (EG) Nr. 715/2009 Art. 1, VO (EG) Nr. 715/2009 Art. 13 Abs. 1, VO (EG) Nr. 715/2009 Art. 30
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. 2009, L 211, S. 94) und von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005 (ABl. 2009, L 211, S. 36).
2 Es ergeht im Rahmen zweier Nichtigkeitsklagen der AS „Gaso“ bzw. der AS „Conexus Baltic Grid“ gegen die Lēmums Nr. 109 „par kapitāla atdeves likmi dabasgāzes pārvades sistēmas, dabasgāzes sadales sistēmas un dabasgāzes uzglabāšanas pakalpojumu tarifu projekta aprēķināšanai“ (Beschluss Nr. 109 über die Kapitalrendite für die Berechnung des Tarifentwurfs für die Dienstleistungen des Erdgasfernleitungsnetzes, des Erdgasverteilernetzes und der Erdgasspeicherung) der Sabiedrisko pakalpojumu regulēšanas komisija (Regulierungskommission für öffentliche Versorgungsleistungen, Lettland) (im Folgenden: lettische Regulierungsbehörde) vom (im Folgenden: streitiger Beschluss).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2009/73
3 In den Erwägungsgründen 23 bis 25, 30 und 32 der Richtlinie 2009/73 wird ausgeführt:
Es sollten weitere Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Entgelte für den Zugang zu Fernleitungen transparent und nichtdiskriminierend sind. Diese Tarife sollten auf alle Benutzer in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden. Werden Speicheranlagen, Netzpufferung oder Hilfsdienste in einem bestimmten Gebiet auf einem ausreichend wettbewerbsoffenen Markt betrieben, so könnte der Zugang nach transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Verfahren zugelassen werden.
Es ist erforderlich, die Unabhängigkeit der Speicheranlagenbetreiber zu gewährleisten, damit der Zugang Dritter zu Speicheranlagen verbessert wird, die technisch und/oder wirtschaftlich notwendig sind, um einen effizienten Zugang zum System für die Versorgung der Verbraucher zu ermöglichen. … Auch ist es erforderlich, die Transparenz in Bezug auf die Dritten angebotenen Speicherkapazitäten zu verbessern, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, einen nichtdiskriminierenden, klaren Rahmen zu definieren und zu veröffentlichen, der ein geeignetes Regulierungssystem für Speicheranlagen festlegt. …
Ein nichtdiskriminierender Zugang zum Verteilernetz ist Voraussetzung für den nachgelagerten Zugang zu den Endkunden. …
…
Damit der Erdgasbinnenmarkt ordnungsgemäß funktionieren kann, müssen die Energieregulierungsbehörden Entscheidungen in allen relevanten Regulierungsangelegenheiten treffen können und völlig unabhängig von anderen öffentlichen oder privaten Interessen sein. Dies steht weder einer gerichtlichen Überprüfung … noch einer parlamentarischen Kontrolle nach dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten entgegen. …
…
Die nationalen Regulierungsbehörden sollten die Möglichkeit haben, die Tarife oder die Tarifberechnungsmethoden auf der Grundlage eines Vorschlags des Fernleitungsnetzbetreibers, des oder der Verteilernetzbetreiber oder des Betreibers einer Flüssiggas-(LNG)-Anlage oder auf der Grundlage eines zwischen diesen Betreibern und den Netzbenutzern abgestimmten Vorschlags festzusetzen oder zu genehmigen. Dabei sollten die nationalen Regulierungsbehörden sicherstellen, dass die Tarife für die Fernleitung und Verteilung nichtdiskriminierend und kostenorientiert sind[,] und die langfristig durch Nachfragesteuerung vermiedenen Netzgrenzkosten berücksichtigen.“
4 Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Mit dieser Richtlinie werden gemeinsame Vorschriften für die Fernleitung, die Verteilung, die Lieferung und die Speicherung von Erdgas erlassen. Die Richtlinie regelt die Organisation und Funktionsweise des Erdgassektors, den Marktzugang, die Kriterien und Verfahren für die Erteilung von Fernleitungs‑, Verteilungs‑, Liefer- und Speichergenehmigungen für Erdgas sowie den Betrieb der Netze.“
5 In Art. 2 der Richtlinie heißt es:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
‚Fernleitungsnetzbetreiber‘ eine natürliche oder juristische Person, die die Funktion der Fernleitung wahrnimmt und verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Fernleitungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Transport von Gas zu befriedigen;
…
‚Verteilernetzbetreiber‘ eine natürliche oder juristische Person, die die Funktion der Verteilung wahrnimmt und verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Verteilernetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Verteilung von Gas zu befriedigen;
…
‚Speicheranlage‘ eine einem Erdgasunternehmen gehörende und/oder von ihm betriebene Anlage zur Speicherung von Erdgas, einschließlich des zu Speicherzwecken genutzten Teils von LNG-Anlagen, jedoch mit Ausnahme des Teils, der für eine Gewinnungstätigkeit genutzt wird; ausgenommen sind auch Einrichtungen, die ausschließlich Fernleitungsnetzbetreibern bei der Wahrnehmung ihrer Funktionen vorbehalten sind;
‚Betreiber einer Speicheranlage‘ eine natürliche oder juristische Person, die die Funktion der Speicherung wahrnimmt und für den Betrieb einer Speicheranlage verantwortlich ist;
…“
6 Art. 39 („Benennung und Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden“) der Richtlinie 2009/73 bestimmt:
„(1) Jeder Mitgliedstaat benennt auf nationaler Ebene eine einzige nationale Regulierungsbehörde.
…
(4) Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde und sorgen dafür, dass diese ihre Befugnisse unparteiisch und transparent ausübt. Hierzu stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Regulierungsbehörde bei der Wahrnehmung der ihr durch diese Richtlinie und zugehörige Rechtsvorschriften übertragenen Regulierungsaufgaben
rechtlich getrennt und funktional unabhängig von anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen ist …
und sicherstellt, dass ihr Personal und ihr Management
unabhängig von Marktinteressen handelt und
bei der Wahrnehmung der Regulierungsaufgaben keine direkten Weisungen von Regierungsstellen oder anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen einholt oder entgegennimmt. Eine etwaige enge Zusammenarbeit mit anderen zuständigen nationalen Behörden oder allgemeine politische Leitlinien der Regierung, die nicht mit den Regulierungsaufgaben und ‑befugnissen nach Artikel 41 zusammenhängen, bleiben hiervon unberührt.
…“
7 Art. 40 („Allgemeine Ziele der Regulierungsbehörde“) dieser Richtlinie sieht vor:
„Bei der Wahrnehmung der in dieser Richtlinie genannten Regulierungsaufgaben trifft die Regulierungsbehörde alle zweckdienlichen Maßnahmen zur Erreichung folgender Ziele im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse gemäß Artikel 41, gegebenenfalls in engem Benehmen mit anderen relevanten nationalen Behörden einschließlich der Wettbewerbsbehörden und unbeschadet deren Zuständigkeiten:
…
Schaffung der entsprechenden Voraussetzungen, damit für Netzbetreiber und Netznutzer kurzfristig wie langfristig angemessene Anreize bestehen, Effizienzsteigerungen bei der Netzleistung zu gewährleisten und die Marktintegration zu fördern;
…“
8 In Art. 41 („Aufgaben und Befugnisse der Regulierungsbehörde“) der Richtlinie heißt es:
„(1) Die Regulierungsbehörde hat folgende Aufgaben:
Sie ist dafür verantwortlich, anhand transparenter Kriterien die Fernleitungs- oder Verteilungstarife bzw. die entsprechenden Methoden festzulegen oder zu genehmigen.
…
Sie überwacht und überprüft die Bedingungen für den Zugang zu Speicheranlagen, Netzpufferung und anderen Hilfsdiensten gemäß Artikel 33. Wird die Regelung für den Zugang zu Speicheranlagen gemäß Artikel 33 Absatz 3 festgelegt, ist die Überprüfung der Tarife nicht Bestandteil dieser Aufgabe.
…
(6) Den Regulierungsbehörden obliegt es, zumindest die Methoden zur Berechnung oder Festlegung folgender Bedingungen mit ausreichendem Vorlauf vor deren Inkrafttreten festzulegen oder zu genehmigen:
Anschluss und Zugang zu den nationalen Netzen, einschließlich Fernleitungs- und Verteilungstarife, und Bedingungen und Tarife für den Zugang zu LNG-Anlagen. Diese Tarife oder Methoden sind so zu gestalten, dass die notwendigen Investitionen in die Netze und LNG-Anlagen so vorgenommen werden können, dass die Lebensfähigkeit der Netze und LNG-Anlagen gewährleistet ist;
…
(8) Bei der Festsetzung oder Genehmigung der Tarife oder Methoden und der Ausgleichsleistungen stellt die Regulierungsbehörde sicher, dass für die Fernleitungs- und Verteilerbetreiber angemessene Anreize geschaffen werden, sowohl kurzfristig als auch langfristig die Effizienz zu steigern, die Marktintegration und die Versorgungssicherheit zu fördern und entsprechende Forschungsarbeiten zu unterstützen.
…
(16) Die von den Regulierungsbehörden getroffenen Entscheidungen sind im Hinblick auf die gerichtliche Überprüfung in vollem Umfang zu begründen. Die Entscheidung ist [der] Öffentlichkeit unter Wahrung der Vertraulichkeit wirtschaftlich sensibler Informationen zugänglich zu machen.
…“
Verordnung Nr. 715/2009
9 In den Erwägungsgründen 7 und 8 der Verordnung Nr. 715/2009 wird ausgeführt:
Die Kriterien für die Festlegung der Tarife für den Netzzugang müssen angegeben werden, um sicherzustellen, dass sie dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung und den Erfordernissen eines gut funktionierenden Binnenmarktes vollständig entsprechen, die erforderliche Netzintegrität in vollem Umfang berücksichtigen und die Ist-Kosten widerspiegeln, soweit diese Kosten denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen, transparent sind und gleichzeitig eine angemessene Kapitalrendite umfassen, sowie gegebenenfalls die Tarifvergleiche der Regulierungsbehörden berücksichtigen.
Bei der Berechnung der Tarife für den Netzzugang müssen die Ist-Kosten, soweit diese Kosten denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen und transparent sind, sowie die Notwendigkeit, angemessene Kapitalrenditen und Anreize für den Bau neuer Infrastrukturen zu bieten, einschließlich einer besonderen Regulierung neuer Investitionen gemäß der Richtlinie [2009/73] berücksichtigt werden. In dieser Hinsicht und insbesondere, wenn ein tatsächlicher Leitungswettbewerb zwischen verschiedenen Fernleitungen gegeben ist, sind Tarifvergleiche durch die Regulierungsbehörden als relevante Methode zu berücksichtigen.“
10 Art. 1 dieser Verordnung bestimmt:
„Ziel dieser Verordnung ist
die Festlegung nichtdiskriminierender Regeln für die Bedingungen für den Zugang zu Erdgasfernleitungsnetzen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale nationaler und regionaler Märkte, um das reibungslose Funktionieren des Erdgasbinnenmarkts sicherzustellen;
die Festlegung nichtdiskriminierender Regeln für die Bedingungen für den Zugang zu LNG-Anlagen und Speicheranlagen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der nationalen und regionalen Märkte …
…
Das in Unterabsatz 1 genannte Ziel umfasst die Festlegung von harmonisierten Grundsätzen für die Tarife oder für die bei ihrer Berechnung zugrunde gelegten Methoden, für den Zugang zum Netz, jedoch nicht zu Speicheranlagen …
Diese Verordnung gilt mit Ausnahme des Artikels 19 Absatz 4 nur für Speicheranlagen, die unter Artikel 33 Absatz 3 oder Absatz 4 der Richtlinie [2009/73] fallen.
…“
11 Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 der Verordnung sieht vor:
„Die von den Regulierungsbehörden gemäß Artikel 41 Absatz 6 der Richtlinie [2009/73] genehmigten Tarife oder Methoden zu ihrer Berechnung, die die Fernleitungsnetzbetreiber anwenden, sowie die gemäß Artikel 32 Absatz 1 der genannten Richtlinie veröffentlichten Tarife müssen transparent sein, der Notwendigkeit der Netzintegrität und deren Verbesserung Rechnung tragen, die Ist-Kosten widerspiegeln, soweit diese Kosten denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen, transparent sind und gleichzeitig eine angemessene Kapitalrendite umfassen, sowie gegebenenfalls die Tarifvergleiche der Regulierungsbehörden berücksichtigen. Die Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung müssen auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden.
…
Die Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung müssen den effizienten Gashandel und Wettbewerb erleichtern, während sie gleichzeitig Quersubventionen zwischen den Netznutzern vermeiden und Anreize für Investitionen und zur Aufrechterhaltung oder Herstellung der Interoperabilität der Fernleitungsnetze bieten.“
Verordnung (EU) 2017/460
12 Die Verordnung (EU) 2017/460 der Kommission vom zur Festlegung eines Netzkodex über harmonisierte Fernleitungsentgeltstrukturen (ABl. 2017, L 72, S. 29) enthält nach ihrem Art. 1 einen Netzkodex mit Bestimmungen für harmonisierte Gas-Fernleitungsentgeltstrukturen, einschließlich der Anwendung einer Referenzpreismethode, der damit verbundenen Konsultationen und der Veröffentlichungspflichten sowie der Berechnung von Reservepreisen für Standardkapazitätsprodukte.
13 Art. 30 („Vor der Entgeltperiode zu veröffentlichende Informationen“) Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:
„Die folgenden Informationen werden im Einklang mit den Bestimmungen der Artikel 31 und 32 von der nationalen Regulierungsbehörde oder dem/den Fernleitungsnetzbetreiber(n) – je nach Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde – vor der Entgeltperiode veröffentlicht:
…
die folgenden Informationen:
die zulässigen Erlöse und/oder die Zielerlöse des Fernleitungsnetzbetreibers;
Informationen zu Änderungen der unter Ziffer i genannten Erlöse gegenüber dem vorangegangenen Jahr;
die folgenden Parameter:
Kapitalkosten und Methode zu ihrer Berechnung;
Investitionsausgaben, darunter
Betriebskosten;
Anreizmechanismen und Effizienzziele;
Inflationsindizes;
…“
Lettisches Recht
Gesetz über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen
14 Gemäß Art. 7 Abs. 2 des Likums „Par sabiedrisko pakalpojumu regulatoriem“ (Gesetz über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen) vom (Latvijas Vēstnesis, 2000, Nr. 394) ist die lettische Regulierungsbehörde eine institutionell und funktional unabhängige sowie bei der Ausführung ihres gesetzlich genehmigten Haushalts eigenständige öffentlich-rechtliche Einrichtung. Eine ihrer Aufgaben ist die Regulierung der Erbringung öffentlicher Versorgungsleistungen im Bereich der Erdgasversorgung.
15 Nach Art. 9 Abs. 1 Nr. 2 dieses Gesetzes legt die lettische Regulierungsbehörde die Methoden zur Berechnung und Festsetzung der Tarife oder Tarifobergrenzen sowie die Anwendungsmodalitäten für die Tarife oder Tarifobergrenzen fest, sofern in sektorspezifischen Rechtsvorschriften keine anderen Tarifgrundsätze vorgesehen sind.
16 Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes sieht vor:
„Im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlässt die Regulierungsbehörde eigenständig Beschlüsse und Verwaltungsakte, die für die Anbieter und Nutzer der betreffenden öffentlichen Versorgungsleistungen bindend sind.“
17 Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen lautet:
„Die Tarife werden der Höhe nach so festgesetzt, dass ihre Entrichtung durch die Nutzer die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der öffentlichen Versorgungsleistung deckt und ihre Rentabilität sicherstellt, sofern in sektorspezifischen Rechtsvorschriften keine anderen Tarifgrundsätze vorgesehen sind. Ändern sich tarifrelevante Faktoren wie die Rentabilität, kann die Regulierungsbehörde eine Tarifüberprüfung veranlassen und den Anbieter der öffentlichen Versorgungsleistung auffordern, innerhalb einer bestimmten Frist einen Tarifentwurf zusammen mit einer Begründung der den Tarifen zugrunde liegenden Kosten vorzulegen.“
Beschluss über die Methode
18 Mit der Sabiedrisko pakalpojumu regulēšanas komisijas padomes lēmums Nr. 1/23 kapitāla atdeves likmes aprēķināšanas metodika (Beschluss Nr. 1/23 des Rates der Regulierungsbehörde über die Methode zur Berechnung der Kapitalrendite) vom (im Folgenden: Beschluss über die Methode) wurden die Modalitäten für die Berechnung und Anwendung der Kapitalrendite bei der Erstellung von Tarifentwürfen für regulierte Dienste, einschließlich Verteilernetzdienstleistungen für Erdgas, festgelegt. In diesem Beschluss wird insbesondere die Formel für die Berechnung des gewichteten durchschnittlichen Satzes der effektiven Kapitalrendite festgelegt.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
19 In Anwendung des Beschlusses über die Methode erließ der Rat der lettischen Regulierungsbehörde den streitigen Beschluss, in dem er feststellte, dass der Erdgasfernleitungsnetzbetreiber, der Erdgasverteilernetzbetreiber und der Erdgasspeicheranlagenbetreiber den gewichteten durchschnittlichen Satz der effektiven Kapitalrendite anzuwenden haben.
20 Unter Berücksichtigung der jeweils gemäß dem Beschluss über die Methode berechneten Eigenkapitalrendite und Fremdkapitalrendite sowie des Körperschaftsteuersatzes und des Durchschnitts der jährlichen Verbraucherpreisveränderungen in den vorangegangenen fünf Kalenderjahren bestimmte die lettische Regulierungsbehörde, dass für einen Betreiber, der nach den Daten des letzten verfügbaren Jahresberichts in die Kategorie der mittleren oder großen Unternehmen fällt, die Kapitalrendite auf 2,65 % festzusetzen ist, während sie für einen Betreiber der Kategorie der Kleinst- oder Kleinunternehmen auf 4,37 % festzusetzen ist.
21 Laut dem streitigen Beschluss entspricht die Rendite von 2,65 % der Lage auf den Finanzmärkten und ist das Ergebnis einer angemessenen Bewertung der mit der Kapitalbeschaffung verbundenen Risiken. Damit werde für den Erdgasfernleitungsnetzbetreiber, den Erdgasverteilernetzbetreiber und den Erdgasspeicheranlagenbetreiber die Möglichkeit sichergestellt, Kredite zu finanzieren, in die Erneuerung und den Ausbau der Netze zu investieren und eine angemessene Rendite zu erzielen, während zugleich gewährleistet sei, dass die Nutzer kontinuierliche, sichere und hochwertige öffentliche Versorgungsleistungen in Anspruch nehmen könnten, deren Tarife (Preise) wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten entsprächen.
22 Gaso, die Betreiberin des Erdgasverteilernetzes in Lettland, und Conexus Baltic Grid, die das Fernleitungsnetz und die Speicheranlage für Erdgas in Lettland betreibt, erhoben jeweils Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses bei der Administratīvā apgabaltiesa (Regionalverwaltungsgericht, Lettland), dem vorlegenden Gericht.
23 Sie stützen ihre Klagen darauf, dass die lettische Regulierungsbehörde mit der Festsetzung der Kapitalrendite auf einem ungewöhnlich niedrigen Niveau ihre Befugnisse überschritten, schwere Verfahrens- und Sachfehler bei der Festlegung der Kriterien und bei der Berechnung der Kapitalrendite begangen und ihre Begründungspflicht verletzt habe. Insbesondere verstoße der streitige Beschluss gegen die Richtlinie 2009/73, nach der die nationalen Regulierungsbehörden u.a. die Entwicklung und das Funktionieren des Erdgasmarkts zu fördern hätten, indem sie Investoren angemessene Anreize böten, die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen. Ebenso verstoße der Beschluss gegen die Verordnung Nr. 715/2009, die die nationalen Regulierungsbehörden verpflichte, bei der Festsetzung der Tarife eine angemessene Rendite des investierten Kapitals zu berücksichtigen.
24 In diesem Zusammenhang stellt das vorlegende Gericht erstens fest, dass es für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auf Art. 40 Buchst. f und Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 sowie Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 7 und 8 der Verordnung Nr. 715/2009 ankomme.
25 Zweitens weist es darauf hin, dass die in der vorstehenden Randnummer genannten Vorschriften, auch wenn aus ihnen hervorgehe, dass die Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Tarife für den Zugang zu den Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzen eine „angemessene Kapitalrendite“ vorsehen müssten, keinen Hinweis darauf gäben, was unter diesem Begriff zu verstehen sei, zu dem es auch noch keine Rechtsprechung des Gerichtshofs gebe. Daher verfüge es über keine klare Maßgabe für die Beurteilung, ob die Methode der lettischen Regulierungsbehörde zur Festsetzung der Kapitalrendite, die in der bei ihm anhängigen Rechtssache zur Anwendung gekommen sei, mit dem Unionsrecht vereinbar sei.
26 Drittens sehe das Gesetz über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen einen Regelungsrahmen vor, in dem es keine Bestimmung gebe, die den Art. 40 und 41 der Richtlinie 2009/73 über die allgemeinen Ziele der nationalen Regulierungsbehörden sowie deren Aufgaben und Befugnisse entspreche. Insoweit decke Art. 20 Abs. 1 dieses Gesetzes, auf dessen Grundlage die lettische Regulierungsbehörde den streitigen Beschluss erlassen habe, höchstwahrscheinlich nicht alle Ziele ab, die mit den oben in Rn. 24 angeführten Bestimmungen dieser Richtlinie verfolgt würden, insbesondere, was das Recht eines Anbieters einer regulierten öffentlichen Versorgungsleistung betreffe, kurzfristig wie langfristig in den Genuss angemessener Anreize zu kommen. Daher stelle sich die Frage, ob die Bestimmungen der Richtlinie ordnungsgemäß in lettisches Recht umgesetzt worden seien.
27 Viertens schließlich sieht sich das vorlegende Gericht angesichts der Bestimmungen der Richtlinie 2009/73 und der Verordnung Nr. 715/2009 vor die Frage gestellt, ob Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung auf die Festsetzung des Tarifs für den Zugang zu den im vorliegenden Fall von Conexus Baltic Grid betriebenen Erdgasspeicheranlagen anwendbar ist. Unter Berufung auf den fakultativen Charakter der in Art. 33 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2009/73 vorgesehenen Verfahren geht es nämlich davon aus, dass Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009, der die Bedingungen festlege, denen die von den Fernleitungsnetzbetreibern erhobenen und von den Regulierungsbehörden gemäß Art. 41 Abs. 6 der Richtlinie 2009/73 genehmigten Tarife sowie die gemäß Art. 32 Abs. 1 dieser Richtlinie veröffentlichten Tarife genügen müssten, nur auf die Tarife für die Leistungen des Erdgasfernleitungsnetzes anwendbar sei und sich nicht auf die Festsetzung der Tarife für den Zugang zu den Erdgasspeicheranlagen erstrecke.
28 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen hat die Administratīvā apgabaltiesa (Regionalverwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Steht Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 einer nationalen Regelung entgegen, die die Regulierungsbehörde nicht verpflichtet, bei der Berechnung der Tarife oder der Festlegung der Methoden zu begründen, wie für die Betreiber von Fernleitungs- und Verteilernetzen sowohl kurzfristig als auch langfristig angemessene Anreize zur Steigerung der Effizienz, zur Förderung der Marktintegration und der Versorgungssicherheit sowie zur Unterstützung entsprechender Forschungsarbeiten gewährleistet werden?
Ist es mit Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 vereinbar, eine nationale Regelung dahin auszulegen, dass sie sowohl kurzfristig als auch langfristig angemessene Anreize zur Steigerung der Effizienz, zur Förderung der Marktintegration und der Versorgungssicherheit sowie zur Unterstützung entsprechender Forschungsarbeiten sicherstellt, wenn die von den Nutzern zu zahlenden Tarife nur die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der öffentlichen Versorgungsleistung decken und die Rentabilität zumindest in einem Mindestmaß gewährleistet ist?
Ist mit den in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 festgelegten Zielen eine nationale Regelung vereinbar, die bei der Schaffung von „kurzfristig wie langfristig angemessene[n] Anreize[n]“ und von Anreizen, „die Marktintegration und die Versorgungssicherheit zu fördern und Forschungsarbeiten zu unterstützen“, nicht vorsieht, dass für die Bestimmung der gewichteten durchschnittlichen Kapitalrendite im Finanzsektor anerkannte Grundsätze zu berücksichtigen sind, die vergleichbare, auf dem freien Markt tätige Unternehmen heranziehen?
Hat sich die Regulierungsbehörde bei der Auslegung der Begriffe „angemessene Kapitalrendite“ im Sinne von Art. 13 der Verordnung Nr. 715/2009 und „Investitionsanreize“ im Sinne von Art. 41 der Richtlinie 2009/73 an dem im Finanzsektor anerkannten Konzept der durchschnittlichen Kapitalrendite (Weighted Average Cost of Capital, WACC) und der zu ihrer Bestimmung verwendeten Methode zu orientieren?
Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Ist die Regulierungsbehörde befugt, von der im Finanzsektor angewandten Methode zur Bestimmung der durchschnittlichen Kapitalrendite abzuweichen und nach ihrem Ermessen Anpassungen vorzunehmen?
Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Ist die Regulierungsbehörde befugt, die durchschnittliche Kapitalrendite so anzupassen, dass bei deren Berechnung ein Größenzuschlag berücksichtigt wird, der auf den Fremdkapitalkosten anderer Unternehmen in der Wirtschaft des Mitgliedstaats beruht?
Falls die vierte Frage bejaht wird: Ist die Regulierungsbehörde befugt, die durchschnittliche Kapitalrendite in der Weise anzupassen, dass sie dem Erdgasfernleitungsnetz- oder Erdgasspeicherbetreiber keinen Ausgleich für den Anstieg der Inflation im vorangegangenen Tarifzeitraum gewähren muss?
Falls die fünfte Frage bejaht wird und der Netzbetreiber mit der Höhe der von der Regulierungsbehörde vorgeschlagenen durchschnittlichen Kapitalrendite oder den Elementen, auf denen diese beruht, nicht einverstanden ist: Müsste die Regulierungsbehörde bei der Festlegung der durchschnittlichen Kapitalrendite (WACC) einen unabhängigen Dritten mit der Beurteilung der angemessenen Renditehöhe beauftragen?
Verstößt gegen die in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 festgelegten Ziele ein Tariffestsetzungsverfahren, bei dem die durchschnittliche Kapitalrendite von der Regulierungsbehörde festgelegt wird und bei dem der Erdgasfernleitungsnetz- oder Erdgasspeicherbetreiber nicht berechtigt ist, diese Berechnung nach Maßgabe individueller Indikatoren des netzbetreibenden Unternehmens anzupassen?
Ist Art. 1 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2009 dahin auszulegen, dass die Erwägungsgründe 7 und 8 sowie Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung auf Erdgasspeicheranlagen und die von der Regulierungsbehörde festgesetzten Tarife anwendbar sind, wenn der Zugang zu Flüssiggasspeicheranlagen reguliert ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
29 Die lettische Regulierungsbehörde hält die Fragen des vorlegenden Gerichts für unzulässig.
30 Als Erstes ist sie der Ansicht, die erste Frage sei hypothetisch und betreffe nicht die Auslegung des Unionsrechts, sondern des nationalen Rechts. Die Frage beruhe auf der falschen Annahme, dass die Regulierungsbehörde weder die Methode zur Berechnung der Kapitalrendite noch die Renditehöhe an sich begründen müsse. Aus den nationalen Rechtsvorschriften, insbesondere aus Art. 67 Abs. 2 des Administratīvā procesa likums (Verwaltungsverfahrensgesetz), ergebe sich aber, dass sie zur Begründung ihrer Entscheidungen verpflichtet sei, und sie habe auch im vorliegenden Fall die anwendbaren Rechtsvorschriften, namentlich Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und die Verordnung Nr. 715/2009, berücksichtigt.
31 Als Zweites äußert die lettische Regulierungsbehörde die Auffassung, dass die Fragen 2 bis 6 zu allgemein formuliert seien und sich nicht auf die Auslegung des Unionsrechts, sondern auf dessen Anwendung bezögen. Überdies erlaubten die darin verwendeten Begriffe und Ausdrücke aufgrund ihrer Allgemeinheit dem Gerichtshof keine genaue Antwort auf diese Fragen. Schließlich gäben sowohl Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 als auch Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 den nationalen Regulierungsbehörden nur das zu erreichende Ziel vor, überließen ihnen aber die Wahl der Mittel oder Methoden, um dahin zu gelangen. Die Wahl dieser Mittel oder Methoden, die das vorlegende Gericht vor Fragen stelle, sei aber keine Frage der Auslegung des Unionsrechts, die dem Gerichtshof zukomme, sondern der Anwendung dieses Rechts, die in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte falle.
32 Als Drittes macht die lettische Regulierungsbehörde geltend, die zweite, die achte und die neunte Frage beträfen die Auslegung nicht des Unionsrechts, sondern des nationalen Rechts. Was insbesondere die zweite Frage betreffe, werde der Begriff „Rentabilität“ nicht im einschlägigen Unionsrecht, sondern in Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen verwendet.
33 Als Viertes stehen die Fragen 4 bis 8 nach Ansicht der lettischen Regulierungsbehörde in keinem Zusammenhang mit der das Ausgangsverfahren kennzeichnenden Sach- und Rechtslage und entsprächen keiner objektiven Notwendigkeit für die Entscheidung im Ausgangsverfahren, da Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 weder auf die vorliegend von Conexus Baltic Grid betriebenen Erdgasspeicheranlagen noch auf das Erdgasverteilernetz anwendbar sei, mit dessen Betrieb in Lettland Gaso betraut sei.
34 Nach ständiger Rechtsprechung ist es insoweit im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Folglich gilt für Fragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit, und wenn die gestellten Fragen die Auslegung des Unionsrechts betreffen, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über sie zu befinden. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts daher nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom , Sąd Rejonowy w Białymstoku und Adoreikė, C‑146/23 und C‑374/23, EU:C:2025:109, Rn. 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Da die Vorlageentscheidung als Grundlage des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV dient, ist es im Übrigen unerlässlich, dass das nationale Gericht darin den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits darlegt und ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Vorschriften des Unionsrechts, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Vorschriften und der nationalen Regelung herstellt, die auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anzuwenden ist. Diese kumulativen Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens werden in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ausdrücklich genannt (Urteil vom , Slovenské elektrárne, C‑376/18, EU:C:2019:1068, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Im vorliegenden Fall geht zunächst aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2009/73 und der Verordnung Nr. 715/2009 in einem offensichtlichen Zusammenhang mit dem Ausgangsrechtsstreit stehen, der die Festsetzung einer Kapitalrendite betrifft, die von einer Regulierungsbehörde für den Erdgasmarkt namentlich den Erdgasnetzbetreibern eines Mitgliedstaats vorgegeben wird und sich auf die von diesen Betreibern angewandten Tarife auswirken kann.
37 Sodann ist zu der Anforderung in Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung in Bezug zum einen auf die Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung der Richtlinie 2009/73 und der Verordnung Nr. 715/2009 hat, sowie zum anderen auf den Zusammenhang, den es zwischen diesen beiden Unionsrechtsakten und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt, festzustellen, dass das vorlegende Gericht ausführt, wie es die Fragen beurteilt, die sich ihm hinsichtlich der Auslegung dieser Rechtsakte, insbesondere von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009, stellen, und welchen Zusammenhang es zwischen diesen Bestimmungen und der betreffenden nationalen Regelung herstellt, namentlich in Bezug auf die Anforderungen, die von der lettischen Regulierungsbehörde bei der Festsetzung der Tarife für die Fernleitung und Verteilung von Erdgas zu berücksichtigen sind.
38 Was schließlich die Vorlagefragen anbelangt, die die Auslegung der beiden in der vorstehenden Randnummer genannten Unionsrechtsakte und deren Einschlägigkeit für den Zugang zu den von Conexus Baltic Grid betriebenen Erdgasanlagen betreffen, genügt der Hinweis, dass der Einwand der Unanwendbarkeit einer Bestimmung des Unionsrechts auf das Ausgangsverfahren nicht die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens, sondern den Inhalt der Fragen betrifft, wenn nicht offensichtlich ist, dass die Auslegung dieser Bestimmung in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Slovenské elektrárne, C‑376/18, EU:C:2019:1068, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.
Zur Beantwortung der Vorlagefragen
Vorbemerkungen
40 Mit seinen zehn Fragen wirft das vorlegende Gericht im Wesentlichen Fragen zu drei rechtlichen Aspekten auf. Dabei geht es erstens um den Anwendungsbereich der in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 vorgesehenen Tarifgrundsätze (siebte, neunte und zehnte Frage), zweitens um die Umsetzung des Konzepts der angemessenen Anreize im Sinne von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 in nationales Recht und die der nationalen Regulierungsbehörde obliegende Begründungspflicht (erste und zweite Frage) und drittens darum, wie diese Behörde bei der Berechnung und Festsetzung der Tarife sicherstellen muss, dass die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber in den Genuss solcher angemessenen Anreize und/oder einer „angemessenen Kapitalrendite“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 kommen (Fragen 3 bis 9).
41 Diese drei Aspekte sind in der vorstehend genannten Reihenfolge zu prüfen.
Zur siebten, zur neunten und zur zehnten Frage: Anwendungsbereich der in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 vorgesehenen Tarifgrundsätze
42 Mit seiner siebten, seiner neunten und seiner zehnten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 dahin auszulegen sind, dass die darin vorgesehenen Tarifgrundsätze nicht nur für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber, sondern auch für die Erdgasspeicheranlagen gelten.
43 Diese Frage geht auf den streitigen Beschluss zurück, mit dem die lettische Regulierungsbehörde für Gaso als Betreiberin des Erdgasverteilernetzes in Lettland und für Conexus Baltic Grid als Betreiberin des dortigen Erdgasfernleitungsnetzes und der dortigen Erdgasspeicheranlagen eine identische Kapitalrendite festlegte. Insoweit ist klarzustellen, dass die Antwort des Gerichtshofs auf die siebte, die neunte und die zehnte Frage darauf zu beschränken ist, ob die in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 vorgesehenen Tarifregeln auf Erdgasspeicheranlagen anwendbar sind, da allein in der zehnten Frage am Ende auch von Flüssiggasspeicheranlagen die Rede ist, ohne dass im Vorabentscheidungsersuchen die Gründe dargelegt werden, aus denen solche Anlagen Gegenstand dieser Frage sind.
44 Nach dieser Klarstellung ist daran zu erinnern, dass mit der Richtlinie 2009/73 das Ziel eines vollständig und tatsächlich offenen und wettbewerbsbestimmten Erdgasbinnenmarkts verwirklicht werden soll, indem mit ihr, wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 ergibt, gemeinsame Vorschriften für die Fernleitung, die Verteilung, die Lieferung und die Speicherung von Erdgas erlassen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , GRDF, C‑236/18, EU:C:2019:1120, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45 In diesem Zusammenhang wird in Art. 2 Nrn. 4, 6, 9 und 10 dieser Richtlinie definiert und abgegrenzt, was in Bezug auf Erdgas ein „Fernleitungsnetzbetreiber“, ein „Verteilernetzbetreiber“, eine „Speicheranlage“ und ein „Betreiber einer Speicheranlage“ sind.
46 Im Übrigen soll mit der Richtlinie 2009/73, wie in ihren Erwägungsgründen 23, 25 und 32 hervorgehoben wird, ein nicht diskriminierender Zugang zu den Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzen gewährleistet werden, indem den nationalen Regulierungsbehörden mit Art. 41 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie insbesondere die Aufgabe übertragen wird, „anhand transparenter Kriterien die Fernleitungs- oder Verteilungstarife bzw. die entsprechenden Methoden festzulegen oder zu genehmigen“.
47 Gemäß Art. 41 Abs. 6 Buchst. a der Richtlinie 2009/73 obliegt es den nationalen Regulierungsbehörden, zumindest die Methoden zur Berechnung oder Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu den nationalen Netzen, einschließlich Fernleitungs- und Verteilungstarife, festzulegen oder zu genehmigen.
48 Darüber hinaus bestimmt Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie, dass „[b]ei der Festsetzung oder Genehmigung der Tarife oder Methoden … die Regulierungsbehörde sicher[stellt], dass für die Fernleitungs- und Verteiler[netz]betreiber angemessene Anreize geschaffen werden, … die Effizienz zu steigern, die Marktintegration und die Versorgungssicherheit zu fördern und entsprechende Forschungsarbeiten zu unterstützen“.
49 Daraus folgt, dass die namentlich in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 vorgesehenen Tarifierungsregeln nur auf die Betreiber der „Netze“ für die Fernleitung und Verteilung von Erdgas im Sinne von Art. 2 Nrn. 4 und 6 dieser Richtlinie und nicht auf „Speicheranlagen“ für Erdgas und deren Betreiber im Sinne von Art. 2 Nrn. 9 und 10 der Richtlinie anwendbar sind.
50 Dieser Ausschluss der Erdgasspeicheranlagen findet sich auch in den Bestimmungen der Verordnung Nr. 715/2009 wieder, die nach ihrem Titel die „Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen“ regelt.
51 Zum einen umfassen nämlich nach Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung die mit der Verordnung verfolgten Ziele die Festlegung von harmonisierten Grundsätzen für die Tarife oder für die bei ihrer Berechnung zugrunde gelegten Methoden nur für den Zugang zum Netz, nicht jedoch für den Zugang zu Speicheranlagen. Zum anderen ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009, dass nur die Erdgasfernleitungsnetzbetreiber den Tarifmaßnahmen und den Verpflichtungen, insbesondere zu tariflicher Transparenz und Nichtdiskriminierung, unterliegen, die in dieser Bestimmung festgelegt werden.
52 Der grundsätzliche Unterschied zwischen den für „Netze“ und den für Erdgasspeicheranlagen geltenden Regeln in der Tarifregulierung erklärt sich, wie die Europäische Kommission zu Recht hervorgehoben hat, damit, dass diese Anlagen im Gegensatz zu „Netzen“ im Allgemeinen nicht als natürliche Monopole angesehen werden und daher mit anderen Anlagen in Wettbewerb treten können. Aus diesem Grund errichtet die Richtlinie 2009/73 entsprechend ihren Erwägungsgründen 23 und 24 eine spezielle Regelung für Erdgasspeicheranlagen in ihrem Art. 33, der besondere Regeln für den Zugang zu diesen Anlagen vorsieht, entweder in einem vertragsbasierten Rahmen gemäß Abs. 3 dieses Artikels oder in einem regelungsbasierten Rahmen gemäß Abs. 4 dieses Artikels, jedoch unter bestimmten Bedingungen.
53 Gleichwohl verbieten, wie der Generalanwalt in Nr. 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, weder diese Richtlinie noch die Verordnung Nr. 715/2009 den nationalen Regulierungsbehörden eine Ausweitung der Tarifgrundsätze von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie bzw. von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung, in denen die Erdgas-„Netze“ geregelt werden, auf den Zugang zu Erdgasspeicheranlagen.
54 Wie nämlich von der Kommission im Wesentlichen angemerkt, lässt sich nicht ausschließen, dass objektive Gründe wie spezifische technische Merkmale oder die Bedeutung der Speicheranlagen für die Energieversorgungssicherheit im Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten es rechtfertigen können, dass eine nationale Regulierungsbehörde die von ihr auf die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetze angewandten Tarifgrundsätze auf den Zugang zu diesen Speicheranlagen ausdehnt.
55 Demnach ist auf die siebte, die neunte und die zehnte Frage zu antworten, dass Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 dahin auszulegen sind, dass die darin vorgesehenen Tarifgrundsätze nicht für Erdgasspeicheranlagen eines Mitgliedstaats gelten; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit für die nationalen Regulierungsbehörden, diese Tarifgrundsätze aus objektiv gerechtfertigten Gründen auf den Zugang zu solchen Anlagen auszudehnen.
Zur ersten und zur zweiten Frage: Umsetzung des Konzepts der angemessenen Anreize im Sinne von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 in nationales Recht und Begründungspflicht der nationalen Regulierungsbehörde
56 Mit seinen gemeinsam zu prüfenden ersten beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 41 Abs. 8 und 16 der Richtlinie 2009/73 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der „angemessene Anreize“ im Sinne dieses Art. 41 Abs. 8 allein dadurch sichergestellt werden, dass die von den Nutzern gezahlten Tarife die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der öffentlichen Versorgungsleistung decken und eine Rentabilität, wenngleich im Mindestmaß, gewährleisten, ohne dass die nationale Regulierungsbehörde zur Begründung der Art und Weise verpflichtet ist, in der sie „angemessene Anreize“ für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber vorsieht.
57 Vorab ist festzustellen, dass diese Fragen ihren Ursprung in den allgemeinen Zweifeln haben, die das vorlegende Gericht an der ordnungsgemäßen Umsetzung von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 in der lettischen Rechtsordnung hegt. Das vorlegende Gericht hält nämlich die Ziele dieser Bestimmung bei der Festsetzung der Tarife für weiter als die Ziele, die im lettischen Recht vorgesehen sind, namentlich in Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen, nach dem die lettische Regulierungsbehörde dafür sorgen muss, dass die Tarife so festgesetzt werden, dass sie die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der öffentlichen Versorgungsleistung decken und eine Rentabilität sicherstellen.
58 Was die Bestimmungen der Richtlinie 2009/73 über die Verpflichtungen der nationalen Regulierungsbehörden in Bezug auf die Tarife der Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber betrifft, ergibt sich aus Art. 41 Abs. 6 Buchst. a dieser Richtlinie, dass es diesen Behörden obliegt, die Methoden zur Berechnung oder Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu den nationalen Erdgasnetzen, einschließlich der Tarife für die Fernleitung und Verteilung von Erdgas, festzulegen oder zu genehmigen. Nach dieser Bestimmung sind diese Tarife so zu gestalten, dass die notwendigen Investitionen in die Netze so vorgenommen werden können, dass die Lebensfähigkeit der Netze gewährleistet ist.
59 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 bei der Festsetzung oder Genehmigung der Tarife oder Methoden sicherstellen müssen, „dass für die Fernleitungs- und Verteiler[netz]betreiber angemessene Anreize geschaffen werden, sowohl kurzfristig als auch langfristig die Effizienz zu steigern, die Marktintegration und die Versorgungssicherheit zu fördern und entsprechende Forschungsarbeiten zu unterstützen“.
60 Darüber hinaus sind gemäß Art. 41 Abs. 16 dieser Richtlinie die von den nationalen Regulierungsbehörden getroffenen Entscheidungen im Hinblick auf die gerichtliche Überprüfung in vollem Umfang zu begründen.
61 Somit schreibt Art. 41 Abs. 6 Buchst. a, Abs. 8 und 16 der Richtlinie 2009/73 im Licht deren 32. Erwägungsgrundes den nationalen Regulierungsbehörden vor, entweder zum Zeitpunkt der Annahme der Methode zur Berechnung der Tarife für die Fernleitung und Verteilung von Erdgas oder bei der konkreten Festsetzung dieser Tarife zusätzlich zur Deckung der den Fernleitungs- und Verteilernetzbetreibern für die Gewährleistung des Netzzugangs entstehenden tatsächlichen Kosten zum einen die Deckung der für die Lebensfähigkeit dieser Netze notwendigen Investitionen sowie zum anderen „angemessene Anreize“, kurz- und langfristig, vorzusehen, die es diesen Betreibern ermöglichen, die Verfolgung der in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 aufgeführten Ziele und die Unterstützung der darin genannten Arbeiten zu gewährleisten; gleichzeitig werden die nationalen Regulierungsbehörden verpflichtet, ihre Entscheidungen zwecks Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfung in vollem Umfang zu begründen.
62 Was die Umsetzung von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie in lettisches Recht anbelangt, geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte nicht hervor, dass das Gesetz über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen ausdrücklich die Verpflichtung für die lettische Regulierungsbehörde aufgreift, entweder zum Zeitpunkt der Annahme der Methode zur Berechnung der Tarife für die Fernleitung und Verteilung von Erdgas oder bei der konkreten Festsetzung dieser Tarife die in Art. 41 Abs. 8 angesprochenen „angemessenen Anreize“ vorzusehen. Insbesondere beschränkt sich, wie oben in Rn. 57 hervorgehoben, Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen, bei dem es sich um die einzige vom vorlegenden Gericht angeführte einschlägige Bestimmung dieses Gesetzes handelt, auf die Vorgabe für die lettische Regulierungsbehörde, sicherzustellen, dass die von den Nutzern gezahlten Tarife die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der öffentlichen Versorgungsleistung decken und eine Rentabilität gewährleisten.
63 Insoweit scheint es, dass der Begriff „Rentabilität“ in diesem Gesetz auf den Gedanken verweist, dass die Betreiber der Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetze eine angemessene Gewinnspanne erzielen können sollen, ohne jedoch zu präzisieren, welchen Zwecken diese – zumindest teilweise – zugeführt werden sollte. Dieser Begriff scheint daher eine allgemeinere Bedeutung zu haben und weniger auf die Verwirklichung von Zielen und Tätigkeiten, die das Funktionieren des Erdgasmarkts betreffen, ausgerichtet zu sein als der Begriff „angemessene Anreize“ in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73.
64 Allerdings ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der betreffenden Richtlinie auslegen müssen, um das mit dieser angestrebte Ergebnis zu erreichen und damit Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen. Diese Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem System des AEU-Vertrags immanent, da sie es den nationalen Gerichten ermöglicht, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (Urteile vom , OPR-Finance, C‑679/18, EU:C:2020:167, Rn. 41, und vom , Makeleio und Zougla, C‑555/23 und C‑556/23, EU:C:2025:484, Rn. 85).
65 Außerdem verlangt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht (Urteile vom , OPR-Finance, C‑679/18, EU:C:2020:167, Rn. 42, und vom , Makeleio und Zougla, C‑555/23 und C‑556/23, EU:C:2025:484, Rn. 86).
66 Daher obliegt dem vorlegenden Gericht die Prüfung, ob das lettische Recht, insbesondere Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen, im Rahmen des Möglichen im Einklang mit Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 ausgelegt werden kann, so dass die für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber sicherzustellende Rentabilität auch umfasst, dass diese dabei in den Genuss „angemessener Anreize“ im Sinne von Art. 41 Abs. 8 kommen. Die Sicherstellung einer bestimmten Rentabilitätsrate kann sich nämlich als angemessener Anreiz für die betreffenden Netzbetreiber eignen, die Ziele zu verfolgen und die Arbeiten zu unterstützen, die in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 aufgeführt sind.
67 Für den Fall jedoch, dass das vorlegende Gericht befinden sollte, dass sich eine solche unionsrechtskonforme Auslegung als unmöglich erweist, wäre zu prüfen, ob die in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 vorgesehene Verpflichtung hinreichend genau und unbedingt ist, damit ihr unmittelbare Wirkung zugesprochen werden kann und sich Einzelne wie Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber gegenüber der Entscheidung einer Behörde wie der lettischen Regulierungsbehörde auf sie berufen können; dann könnte dieses Gericht Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen unangewendet lassen.
68 Insoweit kann sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (Urteil vom , Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld [Unmittelbare Wirkung], C‑205/20, EU:C:2022:168, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 Der Gerichtshof hat klargestellt, dass eine Unionsvorschrift zum einen unbedingt ist, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf, und sie zum anderen hinreichend genau ist, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom Gericht angewandt zu werden, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt. Außerdem kann eine Bestimmung einer Richtlinie auch dann, wenn sie den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum beim Erlass der Einzelheiten zu ihrer Umsetzung lässt, als unbedingt und genau angesehen werden, wenn sie den Mitgliedstaaten unmissverständlich eine Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses auferlegt, die im Hinblick auf die Anwendung der dort aufgestellten Regel durch keinerlei Bedingungen eingeschränkt ist (Urteil vom , Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld [Unmittelbare Wirkung], C‑205/20, EU:C:2022:168, Rn. 18 und 19, sowie vom , Global NRG, C‑277/22, EU:C:2024:78, Rn. 28).
70 Im vorliegenden Fall ergibt sich, wie oben in Rn. 59 festgestellt, aus Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73, dass die nationalen Regulierungsbehörden im Rahmen der ihnen von den Mitgliedstaaten zu übertragenden Aufgabe, die Tarife für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetze festzusetzen oder zu genehmigen, bei dieser Festsetzung oder Genehmigung sicherstellen müssen, dass für die Erdgasfernleitungs- und Verteilernetzbetreiber angemessene Anreize geschaffen werden, sowohl kurzfristig als auch langfristig die Effizienz zu steigern, die Marktintegration und die Versorgungssicherheit zu fördern und entsprechende Forschungsarbeiten zu unterstützen.
71 Auch wenn Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 den nationalen Regulierungsbehörden einen gewissen Gestaltungsspielraum bei seiner Umsetzung lässt, erlegt er doch dadurch, dass er ihnen vorschreibt, solche angemessenen Anreize für die Betreiber der betreffenden Netze zu schaffen, die Ziele zu verfolgen und die Arbeiten zu unterstützen, die in ihm ausführlich und erschöpfend aufgeführt sind, jedem Mitgliedstaat unmissverständlich eine hinreichend genaue Verpflichtung auf, die an keine Bedingung geknüpft ist (vgl. entsprechend Urteil vom , TMobile Czech Republic und Vodafone Czech Republic, C‑508/14, EU:C:2015:657, Rn. 53).
72 Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 normiert somit unbedingt und hinreichend genau die Verpflichtung, für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber sicherzustellen, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Festsetzung oder Genehmigung der Fernleitungs- und Verteilungstarife die angemessenen Anreize im Sinne dieser Bestimmung schaffen.
73 Daher ist Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 unmittelbare Wirkung zuzuerkennen, so dass das vorlegende Gericht das mit dieser Bestimmung unvereinbare nationale Recht unangewendet lassen müssen wird, falls es nicht im Einklang mit Art. 41 Abs. 8 ausgelegt werden können sollte.
74 Zum Begriff „angemessene Anreize“ enthält die Richtlinie 2009/73 außer dem Kontext, in dem diese Anreize von den einzelnen nationalen Regulierungsbehörden vorzusehen sind – nämlich bei der Festlegung oder Genehmigung der Methoden zur Festsetzung der Erdgasfernleitungs- und ‑verteilungstarife oder bei der Festsetzung dieser Tarife –, sowie den Zielen und Arbeiten, die mit den Anreizen gewährleistet werden sollen, weder eine Begriffsbestimmung noch Näheres zu der Form, in der die nationalen Regulierungsbehörden solche Anreize schaffen. Somit räumt die Richtlinie diesen Behörden einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Form dieser Anreize, aber auch hinsichtlich der Beurteilung und Feststellung ihrer Angemessenheit ein, wobei insbesondere die in Art. 40 der Richtlinie genannten Ziele, die für jede nationale Regulierungsbehörde verbindlich sind, die Begründungspflicht nach Art. 41 Abs. 16 der Richtlinie und die besonderen Merkmale des nationalen Erdgasmarkts zu beachten sind.
75 In diesem Zusammenhang geht, wie vom Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt, aus der Richtlinie 2009/73 nicht hervor, dass die angemessenen Anreize zugunsten der Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber im Hinblick auf die Verfolgung der Ziele und die Unterstützung der Arbeiten, die in Art. 41 Abs. 8 dieser Richtlinie genannt sind, allein auf der Grundlage einer Kapitalrendite wie der gewichteten durchschnittlichen Kapitalrendite, die in dem streitigen Beschluss gemäß dem Beschluss über die Methode festgelegt wurde, zu beurteilen und festzulegen wären.
76 Da feststeht, dass eine solche Kapitalrendite nur einer der Punkte ist, die bei der Festsetzung der Tarifhöhe berücksichtigt werden, bedeutet somit und in Anbetracht der Aktenlage vor dem Gerichtshof der Umstand, dass in dem streitigen Beschluss keine spezielle Begründung zu der Art und Weise ersichtlich ist, in der diese Rendite die betreffenden Netzbetreiber dazu anhalten soll, die Ziele zu verfolgen und die Arbeiten zu unterstützen, die in Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 aufgeführt sind, nicht, dass die lettische Regulierungsbehörde nicht, wie von ihr vor dem Gerichtshof geltend gemacht, über ihre Vorgaben nach Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Regulierungsbehörden für öffentliche Versorgungsleistungen hinaus die Berücksichtigung angemessener Anreize im Sinne der besagten Bestimmung im allgemeineren Rahmen der Methode oder der Festsetzung der Tarife für die Fernleitung und Verteilung von Erdgas in Lettland sichergestellt hätte.
77 Aus Art. 41 Abs. 8 und 16 der Richtlinie 2009/73 ergibt sich jedoch, dass die nationale Regulierungsbehörde, damit die Betroffenen die Gründe für ihre Entscheidung kennen können und eine wirksame gerichtliche Überprüfung gewährleistet ist, entweder im Rahmen der Methode zur Berechnung der Erdgasfernleitungs- und ‑verteilungstarife oder spätestens bei deren Festsetzung oder Genehmigung klar, unmissverständlich und hinreichend genau darlegen muss, wie ihrer Auffassung nach mit diesen Tarifen sichergestellt werden soll, dass den Betreibern der entsprechenden Netze ein Anreiz geboten wird, sowohl kurzfristig als auch langfristig, die Ziele zu verfolgen und die Arbeiten zu unterstützen, die in Art. 41 Abs. 8 dieser Richtlinie aufgeführt sind.
78 Daher wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die lettische Regulierungsbehörde der in der vorstehenden Randnummer angesprochenen Begründungspflicht nachgekommen ist, gegebenenfalls auch außerhalb des engen Rahmens des streitigen Beschlusses.
79 Demnach ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 41 Abs. 8 und 16 der Richtlinie 2009/73 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, nach der „angemessene Anreize“ im Sinne dieses Art. 41 Abs. 8 allein dadurch sichergestellt werden, dass die von den Nutzern gezahlten Tarife die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der öffentlichen Versorgungsleistung decken und eine Rentabilität, wenngleich im Mindestmaß, gewährleisten, ohne dass die nationale Regulierungsbehörde zur Begründung der Art und Weise verpflichtet ist, in der sie „angemessene Anreize“ für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber vorsieht, entgegensteht, es sei denn, eine solche nationale Regelung kann im Einklang mit besagtem Art. 41 Abs. 8 und 16 ausgelegt werden.
Zu den Fragen 3 bis 9: Art und Weise, in der die nationale Regulierungsbehörde vorsehen muss, dass die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber in den Genuss angemessener Anreize und/oder einer angemessenen Kapitalrendite kommen
80 Mit seinen Fragen 3 bis 9, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 dahin auszulegen sind, dass die einer nationalen Regulierungsbehörde nach diesen Bestimmungen obliegende Verpflichtung, für die Zwecke der Festsetzung der für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber geltenden Tarife oder Berechnungsmethoden „angemessene Anreize“ bzw. eine „angemessene Kapitalrendite“ vorzusehen, verlangt, dass auf bestimmte Berechnungsmethoden wie die im Finanzsektor angewandte WACC‑Methode zurückgegriffen wird, dass die Kapitalkosten mit den Kapitalkosten nicht regulierter Gesellschaften verglichen werden, dass Anpassungen vorgenommen werden, um u.a. der Inflation und/oder der Körperschaftsteuer Rechnung zu tragen, dass die Berücksichtigung individueller Indikatoren des betreffenden Netzbetreibers ausgeschlossen wird und dass im Fall einer Beanstandung durch die betroffenen Unternehmen ein Dritter eingeschaltet wird.
81 Mit anderen Worten sieht sich das vorlegende Gericht vor die Frage gestellt, ob der Gestaltungsspielraum, über den die nationalen Regulierungsbehörden verfügen, wenn es um die Wahl der Methoden, die bei der Berechnung der Kapitalrendite zur Anwendung kommen, und um die Parameter, die bei der Festsetzung der Erdgasfernleitungs- und ‑verteilungstarife in diese Berechnung einfließen, geht, dadurch eingegrenzt oder gar eingeschränkt wird, dass diese Behörden „angemessene Anreize“ im Sinne von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und/oder „eine angemessene Kapitalrendite“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber vorsehen müssen, und welche Bedingungen gegebenenfalls hinsichtlich einer solchen Eingrenzung oder Einschränkung gelten.
82 Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 41 Abs. 8 und 16 der Richtlinie 2009/73 den nationalen Regulierungsbehörden zwar die Aufgabe überträgt, die Tarife für die Fernleitung und Verteilung von Erdgas unter Angabe von Gründen und unter Beachtung der Ziele der Transparenz und der Nichtdiskriminierung festzusetzen oder zu genehmigen, aber nicht näher regelt, nach welcher Methode die Tariffestsetzung zu erfolgen hat. Erst recht enthält die Richtlinie 2009/73 keinen Hinweis auf die Methode oder die Modalitäten der Berechnung der Kapitalrendite für die Zwecke der Festsetzung dieser Tarife.
83 Gleiches gilt zum anderen für Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009, der lediglich vorsieht, dass die vom Fernleitungsnetzbetreiber angewandten und von den Regulierungsbehörden gemäß Art. 41 Abs. 6 der Richtlinie 2009/73 genehmigten Tarife oder Methoden zu ihrer Berechnung transparent sein müssen, die Ist-Kosten bei gleichzeitiger Umfassung einer angemessenen Kapitalrendite widerspiegeln müssen und auf nicht diskriminierende Weise angewandt werden müssen.
84 Zwar sieht die Verordnung 2017/460, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnung Nr. 715/2009 erlassen wurde und von ihr in ihren schriftlichen Erklärungen angesprochen worden ist, in Art. 30 Abs. 1 mit dem Ziel einer größeren Transparenz der Entgeltstruktur des Erdgasfernleitungsnetzbetreibers eine Reihe von Informationen vor, die vor jeder Entgeltperiode zu veröffentlichen sind und zu denen insbesondere die Posten „Kapitalkosten und Methode zu ihrer Berechnung“, „Anreizmechanismen und Effizienzziele“ sowie „Inflationsindizes“ zählen.
85 Die Verordnung 2017/460 enthält jedoch weder eine inhaltliche Erläuterung dieser Begriffe noch insbesondere eine Erläuterung, nach welchen Methoden oder Modalitäten die Kapitalkosten oder die genannten Anreizmechanismen berechnet werden müssen oder können.
86 Daraus folgt, dass die nationalen Regulierungsbehörden, um solchen komplexen wirtschaftlichen und technischen Faktoren Rechnung zu tragen, auch in Abhängigkeit von den auf dem nationalen Erdgasmarkt geltenden besonderen Bedingungen und den betreffenden Betreibern bei der Festsetzung der Tarife für die Fernleitung oder Verteilung von Erdgas und insbesondere gegebenenfalls bei der Festlegung einer Kapitalrendite für diese Betreiber über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen müssen. Insoweit können diese Behörden hinsichtlich der Notwendigkeit, „angemessene Anreize“ im Sinne von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und – in Bezug auf die Erdgasfernleitungstarife – „eine angemessene Kapitalrendite“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 vorzusehen, nicht gezwungen sein, eine besondere Methode wie die auf dem WACC beruhende anzuwenden oder die Kapitalkosten mit den Kapitalkosten von nicht regulierten Gesellschaften oder Unternehmen zu vergleichen. In diesem Zusammenhang müssen die Regulierungsbehörden die Methode zur Festsetzung der genannten Tarife und ihre Berechnungen nach Maßgabe verschiedener Parameter anpassen können, ohne dass darüber hinaus eine Verpflichtung besteht, bei diesen Berechnungen die Inflation und/oder die Körperschaftsteuer zu berücksichtigen.
87 Vorausgesetzt, dass die Berücksichtigung der Kapitalrendite einem „angemessenen Anreiz“ im Sinne von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 entspricht, kann dagegen das Vorbringen der lettischen Regulierungsbehörde nicht durchgreifen, wonach eine nationale Regelung, die es einer nationalen Regulierungsbehörde verbiete, die Berechnung der Kapitalrendite nach Maßgabe der individuellen Indikatoren der einzelnen Betreiber anzupassen, mit den Zielen der genannten Bestimmung vereinbar sei.
88 Abgesehen davon, dass eine solche Auslegung dem weiten Gestaltungsspielraum widerspräche, über den die nationalen Regulierungsbehörden bei der Prüfung komplexer wirtschaftlicher und technischer Faktoren verfügen müssen, müssen nämlich die „angemessenen Anreize“ im Sinne von Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 u.a. eine Steigerung der Effizienz der Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber ermöglichen und bedürfen daher der Möglichkeit einer Ausrichtung an der Effizienz dieser Betreiber in der Vergangenheit oder einer Anpassung an sie. Eine solche Anpassung kann nicht von vornherein gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, da sie durch objektive Erwägungen gerechtfertigt sein kann oder durch die fehlende Vergleichbarkeit der Situationen der verschiedenen Netzbetreiber, die gerade darauf zurückgeht, dass es objektiv dokumentierte Unterschiede in ihrer jeweiligen Effizienz in der Vergangenheit gibt.
89 In Anbetracht der Fragen des vorlegenden Gerichts ist hinzuzufügen, dass die von den nationalen Regulierungsbehörden gemäß Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 vorgenommene Beurteilung der verschiedenen Tarifberechnungsparameter im Fall einer Beanstandung durch die Unternehmen, für die diese Tarife gelten, nicht von der Mitwirkung eines Dritten – wie etwa einer Beratungsfirma – abhängig gemacht werden kann, dessen Bericht ausschließlich im Auftrag eines dieser Unternehmen erstellt wurde.
90 Insoweit genügt der Hinweis, dass Art. 39 Abs. 4 der Richtlinie 2009/73 im Licht deren 30. Erwägungsgrundes vorsieht, dass diese Behörden ihre Befugnisse unabhängig von jeder öffentlichen oder privaten Einrichtung ausüben müssen, indem sie sicherstellen, dass sie ihre Entscheidungen eigenständig und ausschließlich auf der Grundlage des öffentlichen Interesses treffen, ohne externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Einrichtungen unterworfen zu sein (vgl. entsprechend Urteil vom , Kommission/Deutschland [Umsetzung der Richtlinien 2009/72 und 2009/73], C‑718/18, EU:C:2021:662, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, lässt die Wahrung der Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse jedoch die den betroffenen Netzbetreibern gegebenenfalls zustehende Möglichkeit unberührt, sich für ihre Anträge bei der Regulierungsbehörde oder, falls sie den Rechtsweg beschreiten, bei den zuständigen nationalen Gerichten auf Berichte von sachverständigen Dritten zu berufen, soweit dies nach nationalem Recht zulässig ist, und zwar unter Beachtung insbesondere des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens. Im Übrigen bleibt es der nationalen Regulierungsbehörde oder, im Fall eines gerichtlichen Rechtsbehelfs, dem zuständigen nationalen Gericht gleichermaßen unbenommen, einen oder mehrere unabhängige Sachverständige beizuziehen, damit diese sie bei ihren Aufgaben unterstützen.
91 Demnach sind Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 dahin auszulegen, dass die einer nationalen Regulierungsbehörde nach diesen Bestimmungen obliegende Verpflichtung, für die Zwecke der Festsetzung der für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber geltenden Tarife oder Berechnungsmethoden „angemessene Anreize“ bzw. eine „angemessene Kapitalrendite“ vorzusehen, nicht verlangt, dass allein auf bestimmte Berechnungsmethoden wie die im Finanzsektor angewandte WACC‑Methode zurückgegriffen wird, dass die Kapitalkosten mit den Kapitalkosten nicht regulierter Gesellschaften verglichen werden und dass Anpassungen vorgenommen werden, um u.a. der Inflation und/oder der Körperschaftsteuer Rechnung zu tragen.
92 Demgegenüber ist Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 dahin auszulegen, dass die nationale Regulierungsbehörde bei der Festlegung der „angemessenen Anreize“ im Sinne dieser Bestimmung verpflichtet ist, die individuelle Effizienz der betreffenden Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber in der Vergangenheit zu berücksichtigen.
93 Außerdem ist Art. 39 Abs. 4 der Richtlinie 2009/73 dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass die von der nationalen Regulierungsbehörde gemäß Art. 41 Abs. 8 dieser Richtlinie und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 vorgenommene Beurteilung der Parameter für die Berechnung der Tarife der betreffenden Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber im Fall einer Beanstandung durch diese Betreiber von der Mitwirkung eines Dritten abhängig gemacht wird, dessen Bericht ausschließlich im Auftrag eines dieser Betreiber erstellt wurde.
Kosten
94 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005
sind dahin auszulegen, dass
die darin vorgesehenen Tarifgrundsätze nicht für Erdgasspeicheranlagen eines Mitgliedstaats gelten; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit für die nationalen Regulierungsbehörden, diese Tarifgrundsätze aus objektiv gerechtfertigten Gründen auf den Zugang zu solchen Anlagen auszudehnen.
Art. 41 Abs. 8 und 16 der Richtlinie 2009/73
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung, nach der „angemessene Anreize“ im Sinne dieses Art. 41 Abs. 8 allein dadurch sichergestellt werden, dass die von den Nutzern gezahlten Tarife die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der öffentlichen Versorgungsleistung decken und eine Rentabilität, wenngleich im Mindestmaß, gewährleisten, ohne dass die nationale Regulierungsbehörde zur Begründung der Art und Weise verpflichtet ist, in der sie „angemessene Anreize“ für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber vorsieht, entgegensteht, es sei denn, eine solche nationale Regelung kann im Einklang mit besagtem Art. 41 Abs. 8 und 16 ausgelegt werden.
Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73 und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009
sind dahin auszulegen, dass
die einer nationalen Regulierungsbehörde nach diesen Bestimmungen obliegende Verpflichtung, für die Zwecke der Festsetzung der für die Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber geltenden Tarife oder Berechnungsmethoden „angemessene Anreize“ bzw. eine „angemessene Kapitalrendite“ vorzusehen, nicht verlangt, dass allein auf bestimmte Berechnungsmethoden wie die im Finanzsektor angewandte Methode der gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten zurückgegriffen wird, dass die Kapitalkosten mit den Kapitalkosten nicht regulierter Gesellschaften verglichen werden und dass Anpassungen vorgenommen werden, um u.a. der Inflation und/oder der Körperschaftsteuer Rechnung zu tragen.
Art. 41 Abs. 8 der Richtlinie 2009/73
ist dahin auszulegen, dass
die nationale Regulierungsbehörde bei der Festlegung der „angemessenen Anreize“ im Sinne dieser Bestimmung verpflichtet ist, die individuelle Effizienz der betreffenden Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber in der Vergangenheit zu berücksichtigen.
Art. 39 Abs. 4 der Richtlinie 2009/73
ist dahin auszulegen, dass
er dem entgegensteht, dass die von der nationalen Regulierungsbehörde gemäß Art. 41 Abs. 8 dieser Richtlinie und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 715/2009 vorgenommene Beurteilung der Parameter für die Berechnung der Tarife der betreffenden Erdgasfernleitungs- und ‑verteilernetzbetreiber im Fall einer Beanstandung durch diese Betreiber von der Mitwirkung eines Dritten abhängig gemacht wird, dessen Bericht ausschließlich im Auftrag eines dieser Betreiber erstellt wurde.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:826
Fundstelle(n):
YAAAK-04113