Leitsatz
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Rechte der Verbraucher (ABl. L 304 vom , S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Beginnt die vierzehntägige Widerrufsfrist des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU zu laufen, wenn der Unternehmer dem Verbraucher das Muster-Widerrufsformular nicht zur Verfügung gestellt hat?
2. Ergibt sich aus Bestimmungen der Richtlinie 2011/83/EU, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie fortbesteht, obwohl sowohl er als auch der Unternehmer einen zwischen ihnen geschlossenen Fernabsatzvertrag vollständig erfüllt haben? Gilt dies gegebenenfalls jedenfalls dann, wenn der Unternehmer dem Verbraucher das Muster-Widerrufsformular nicht zur Verfügung gestellt hat?
Gesetze: Art 6 Abs 1 Buchst h EURL 83/2011, Art 9 Abs 1 EURL 83/2011
Instanzenzug: Az: 15 U 311/24vorgehend LG Mannheim Az: 8 O 13/24
Gründe
1A. Die Beklagte, eine Maklerin, bot auf einer hierfür erstellten Internetseite ein Reihenendhaus in W. zum Kauf an. Der Kläger stellte über ein dort von der Beklagten bereitgestelltes Kontaktformular Anfang Februar 2020 eine Objektanfrage. Die Beklagte übersandte ihm am eine E-Mail mit der Bitte, einen darin enthaltenen Link anzuklicken sowie die dortige Widerrufsbelehrung zu lesen und zu bestätigen, um das Exposé zu erhalten. Der Kläger klickte den Link an und wurde auf eine Webseite der Beklagten weitergeleitet, auf der sich folgende Widerrufsbelehrung fand:
Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab dem Tag des Vertragsschlusses. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns, H. I. M. GmbH, F. , M. DE, m @h -i .de, Fax: 0 - , mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post ver-sandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.
2Auf der Webseite fand sich außerdem die Erklärung, dass der Verbraucher ausdrücklich den Beginn der Ausführung der beauftragten Dienstleistung vor Ende der Widerrufsfrist verlange und Kenntnis davon habe, dass sein Widerrufsrecht vor Ablauf der Widerrufsfrist erlösche, wenn die Dienstleistung vollständig erbracht und mit ihrer Ausführung erst nach Erteilung der ausdrücklichen Zustimmung begonnen worden sei. Der Kläger bestätigte durch Anklicken eines Häkchens, die Widerrufsbelehrung gelesen und akzeptiert zu haben, und betätigte den Button "Bestätigung senden". Darauf übersandte ihm die Beklagte noch am eine E-Mail mit dem Betreff "Bestätigung der Widerrufsbelehrung", in der sich nochmals die Widerrufsbelehrung nebst Hinweis auf das beigefügte Muster-Widerrufsformular fand. Ob der EMail das Muster-Widerrufsformular als Anhang beigefügt war, steht zwischen den Parteien im Streit.
3Mit E-Mail vom übersandte die Beklagte dem Kläger das Exposé mit der Anschrift der Immobilie und verwies auf den Anfall einer Käuferprovision von 5,36 % des Kaufpreises. Auf die telefonisch oder per SMS geäußerte Bitte des Klägers organisierte sie einen Besichtigungstermin.
4Am erwarb der Kläger gemeinsam mit P. T. die Immobilie zu einem Kaufpreis von 480.000 €. Die Beklagte stellte ihm eine Provision in Höhe von 25.704 € in Rechnung, die der Kläger beglich. Mit Schreiben vom und widerrief er den Maklerauftrag.
5Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung der Maklerprovision nebst Zinsen sowie auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
6B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Bestimmungen der Richtlinie 2011/83/EU ab. Vor einer Entscheidung über die Revision ist daher das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
7I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erstattung der Maklerprovision zu, weil er den Maklervertrag nicht wirksam widerrufen habe. Hierzu hat es ausgeführt:
8Die Parteien hätten im Februar 2020 im Wege des Fernabsatzes einen Maklervertrag geschlossen. Die Beklagte habe Maklerleistungen erbracht, die einen Anspruch auf die vertragsgemäße Provision begründet hätten. Das dem Kläger grundsätzlich zustehende Widerrufsrecht sei zur Zeit seiner Widerrufserklärungen bereits erloschen gewesen. Das gelte auch dann, wenn zu seinen Gunsten unterstellt werde, dass die Beklagte ihm das Muster-Widerrufsformular nicht übermittelt und die vierzehntägige Widerrufsfrist daher nicht begonnen habe. Auch in diesem Fall sei das Widerrufsrecht des Klägers entfallen, weil beide Parteien ihre Verpflichtungen aus dem Maklervertrag vollständig erfüllt hätten. Es könne daher offenbleiben, ob der Kläger bei unterstelltem Fortbestehen des Widerrufsrechts an dessen Ausübung nach Treu und Glauben gehindert gewesen wäre, weil er den Erhalt der Widerrufsbelehrung bestätigt, die Beklagte deshalb ihre Dienstleistung im Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung begonnen und der Kläger den Widerruf erst nach kompletter Vertragsdurchführung erklärt habe, ohne dass ein relevantes Informationsdefizit ersichtlich sei.
9II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers hat Erfolg, wenn sein Widerrufsrecht im Zeitpunkt einer seiner Widerrufserklärungen noch nicht erloschen war.
101. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Parteien hätten einen Maklervertrag gemäß § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB geschlossen und die Beklagte habe eine Maklerleistung erbracht, die einen Anspruch auf die vertragsgemäße Provision begründet habe. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Indem der Kläger die Beklagte in Kenntnis ihres Provisionsverlangens um die Organisation eines Besichtigungstermins gebeten hat, hat er zu erkennen gegeben, dass er den im Provisionsbegehren liegenden Antrag der Beklagten auf Abschluss eines Maklervertrags annehmen will (vgl. , NJW 2017, 1024 [juris Rn. 22 f.]).
112. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger ursprünglich ein Recht zum Widerruf des Maklervertrags hatte.
12a) Nach § 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. gemäß § 312c Abs. 1 BGB
13Die Bestimmungen der § 312g Abs. 1, § 312c Abs. 1 BGB dienen der Umsetzung von Art. 9 Abs. 1, Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83/EU. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU steht dem Verbraucher, sofern nicht eine der Ausnahmen gemäß Art. 16 Anwendung findet, eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen Fernabsatzvertrag widerrufen kann. Nach Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83/EU bezeichnet im Sinne dieser Richtlinie der Ausdruck "Fernabsatzvertrag" jeden Vertrag, der zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden.
14b) Die Parteien haben den Maklervertrag im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Dienstleistungssystems geschlossen (vgl. BGH, NJW 2017, 1024 [juris Rn. 47 und 51 f.]). Das von der Beklagten als Unternehmerin mit EMail vom abgegebene Vertragsangebot und die vom Kläger telefonisch oder per SMS erklärte Annahme sind - ebenso wie die von den Parteien zuvor ausgetauschten E-Mails - unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln erfolgt. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe den Maklervertrag in seiner Eigenschaft als Verbraucher abgeschlossen. Dagegen erhebt die Revisionserwiderung keine Einwendungen.
153. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei fehlender Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars sei das Widerrufsrecht des Klägers zur Zeit seiner Widerrufserklärungen nicht wegen Ablaufs der für seine Ausübung bestimmten Frist erloschen gewesen. Fraglich ist, ob diese Beurteilung zutrifft.
16a) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass auf der vom Kläger aufgerufenen Webseite der Beklagten neben der Widerrufsbelehrung auch das Muster-Widerrufsformular eingestellt war. Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Revisionsverfahren zu unterstellen, dass auch der EMail der Beklagten vom das Muster-Widerrufsformular nicht beigefügt war. Das Berufungsgericht hat angenommen, in diesem Fall habe der Kläger den Widerruf - auch wenn er mehr als vierzehn Tage nach Abschluss des Maklervertrags erfolgte - fristgerecht erklärt. Fraglich ist, ob diese Annahme der rechtlichen Nachprüfung standhält.
17b) Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Sie beginnt nach § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet hat. Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB ist der Unternehmer, wenn dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht, verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EGBGB zu informieren. Gemäß Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB muss der Unternehmer dem Verbraucher die Informationen nach § 1 vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen. Bei einem Fernabsatzvertrag muss der Unternehmer die Informationen in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise zur Verfügung stellen (Art. 246a § 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB). Das Widerrufsrecht erlischt gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
18Die Regelungen dienen der Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 und 2 Buchst. a, Art. 10 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU und sind daher richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2011/83/EU nach ihrem Erwägungsgrund 7 eine Vollharmonisierung bezweckt, so dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 der Richtlinie weder strengere noch weniger strenge Rechtsvorschriften aufrechterhalten oder einführen dürfen. Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag eine Widerrufsfrist von 14 Tagen zu. Die Widerrufsfrist endet nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie bei Dienstleistungsverträgen 14 Tage ab dem Tag des Vertragsabschlusses. Hat der Unternehmer den Verbraucher nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie über sein Widerrufsrecht belehrt, so läuft die Widerrufsfrist 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist gemäß Art. 9 Abs. 2 ab (Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU). Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU informiert der Unternehmer den Verbraucher, bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Art. 11 Abs. 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B. Bei Fernabsatzverträgen erteilt der Unternehmer gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU die Informationen dem Verbraucher in klarer und verständlicher Sprache in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise bzw. stellt diese Informationen entsprechend zur Verfügung.
19c) Das Berufungsgericht hat angenommen, gemäß § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB habe die vierzehntägige Widerrufsfrist nicht begonnen, falls die Beklagte dem Kläger das Muster-Widerrufsformular nicht übermittelt habe. Fraglich ist, ob diese Beurteilung bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschrift zutrifft.
20aa) Hat die Beklagte das Muster-Widerrufsformular nicht bereitgestellt, so hat sie die Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 3 Satz 1 EGBGB (Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU) nicht erfüllt. Nach diesen Bestimmungen setzt eine ordnungsgemäße Information des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht voraus, dass der Unternehmer ihm zusammen mit der Widerrufsbelehrung das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung stellt (vgl. , NJW 2019, 1363 [juris Rn. 31] - Walbusch Walter Busch; , WM 2019, 2375 [juris Rn. 39] - Werbeprospekt mit Bestellpostkarte II; Urteil vom - I ZR 169/19, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 40 und 49]; Urteil vom - VII ZR 133/24, NJW 2025, 1479 [juris Rn. 25 f.]). Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist der Bundesgerichtshof deshalb in einem Fall, in dem der Unternehmer dem Verbraucher das Muster-Widerrufsformular nicht ausgehändigt hatte und der Verbraucher es vor Vertragsschluss auch nicht einsehen konnte, vom fehlenden Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist ausgegangen (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 47 und 50]). Ebenso ist er von einem wesentlichen Informationsdefizit des Verbrauchers in einem Fall ausgegangen, in dem der Unternehmer in der Widerrufsbelehrung keinen Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular erteilt und es dem Verbraucher auch nicht ausgehändigt hatte (vgl. BGH, NJW 2025, 1479 [juris Rn. 26]).
21bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat zum Widerrufsrecht des Verbrauchers nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge entschieden, dass eine unvollständige oder fehlerhafte Information zu einer Pflichtangabe nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie nur dann als fehlerhafte Belehrung anzusehen ist, wenn der Verbraucher durch sie in Bezug auf seine Rechte und Pflichten irregeführt und somit zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wird, den er möglicherweise nicht geschlossen hätte, wenn er über vollständige und inhaltlich zutreffende Informationen verfügt hätte (, C-47/21 und C-232/21, NJW 2024, 809 [juris Rn. 253 und 264] - BMW Bank u. a.). Von einer Irreführung in diesem Sinne kann nicht ausgegangen werden, wenn der Vertrag andere Elemente enthält, die es dem Verbraucher ermöglichen, die noch fehlenden Informationen leicht zu ermitteln (vgl. EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 254 und 256] - BMW Bank u. a.). Erweist sich eine dem Verbraucher gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG erteilte Information als unvollständig oder fehlerhaft, beginnt die vierzehntägige Widerrufsfrist nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48/EG mithin nur zu laufen, wenn die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit dieser Information nicht geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner Rechte und Pflichten aus der Richtlinie einzuschätzen, oder auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie denen auszuüben, die vorgelegen hätten, sofern die Information vollständig und zutreffend erteilt worden wäre (EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 265 und 267] - BMW Bank u. a.). Es ist Sache der nationalen Gerichte, dies zu prüfen (vgl. EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 265] - BMW Bank u. a.).
22cc) Im Anschluss daran hat der Bundesgerichtshof für das Widerrufsrecht eines Darlehensnehmers bei einem Verbraucherdarlehensvertrag (§ 495 Abs. 1 BGB) angenommen, dass das Fehlen der nach § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB vorgeschriebenen Angaben zu dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung dem Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist nicht entgegensteht, weil ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher solchen Angaben wegen der beabsichtigten ordnungsgemäßen und damit einen Verzugseintritt ausschließenden Vertragsdurchführung keine für den Vertragsschluss maßgebliche Bedeutung beimisst (, BGHZ 239, 337 [juris Rn. 32 und 35]; Urteil vom - XI ZR 40/22, juris Rn. 25 f.). Ebenso hat er angenommen, dass eine Widerrufsinformation, die entgegen § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB nicht selbst sämtliche für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblichen Pflichtangaben nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB auflistet, das Anlaufen der Widerrufsfrist trotz ihrer Fehlerhaftigkeit nicht hindert, wenn sie den Darlehensnehmer unmissverständlich darüber aufklärt, dass ihm ein Widerrufsrecht zusteht, wie es auszuüben ist und dass ihm jedenfalls eine vierzehntägige Widerrufsfrist zusteht, und dem Darlehensnehmer anhand der in der Widerrufsinformation mitgeteilten Vorschrift die Ermittlung der noch fehlenden Pflichtangaben über das Internet unschwer möglich ist. In diesem Fall ist die Unvollständigkeit der Widerrufsinformation nicht geeignet, sich auf die Befähigung des Darlehensnehmers auszuwirken, den Umfang seines Widerrufsrechts einzuschätzen (, BGHZ 242, 70 [juris Rn. 24 bis 26]).
23dd) Fraglich ist, ob die Voraussetzungen für den Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist bei einer unzureichenden Information über die nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG vorgeschriebenen Angaben gleichermaßen gelten, wenn die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU vorgeschriebene Information über das Muster-Widerrufsformular unzureichend ist. Dieser Klärung dient die Vorlagefrage 1.
24(1) Der Senat neigt dazu, dass die Maßstäbe für den Beginn der Widerrufsfrist bei der Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Information nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG ebenso bei der Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU zu erteilenden Information über das Muster-Widerrufsformular anwendbar sind.
25(a) Die Pflichtangaben nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU zum Widerrufsrecht des Verbrauchers sollen - ebenso wie diejenigen nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48/EG - sicherstellen, dass der Verbraucher vor Abschluss eines Vertrags die Informationen über die Vertragsbedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob er sich vertraglich an einen Unternehmer binden möchte, sowie die Informationen erhält, die zur Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich sind (vgl. EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 169 und 288] - BMW Bank u. a.; zur Richtlinie 2008/48/EG vgl. C33/20, C-155/20 und C-187/20, NJW 2022, 40 [juris Rn. 124] - Volkswagen Bank u. a.; zur Richtlinie 2011/83/EU vgl. C179/21, NJW 2022, 1871 [juris Rn. 26] - Victorinox). Das spricht dafür, für den (fehlenden) Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist bei einer den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU nicht genügenden Information ebenfalls darauf abzustellen, ob eine unvollständige oder fehlerhafte Information geeignet ist, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seines Widerrufsrechts einzuschätzen oder sich auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit zu nehmen, sein Widerrufsrecht unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei der Erteilung vollständiger und zutreffender Informationen auszuüben (so auch , NJW 2025, 1268 [juris Rn. 25]; Beschluss vom - VIII ZR 5/25, ZIP 2025, 1932 [juris Rn. 12]).
26(b) Fraglich ist allerdings, ob die vorgenannten Grundsätze auch dann gelten, wenn der Unternehmer den Verbraucher entgegen Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU allein unzureichend über das Muster-Widerrufsformular informiert hat.
27Für den Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist in einem solchen Fall könnte sprechen, dass der Verbraucher durch die ihm zur Verfügung gestellte Widerrufsbelehrung Kenntnis von den Bedingungen, den Fristen und dem Verfahren für die Ausübung seines Widerrufsrechts erlangt sowie in die Lage versetzt wird zu entscheiden, ob er den Fernabsatzvertrag mit dem Unternehmer abschließen möchte oder nicht. Die Überlassung des Muster-Widerrufsformulars ist demgegenüber nicht geeignet, die Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen, den Fernabsatzvertrag zu schließen oder nicht (EuGH, NJW 2019, 1363 [juris Rn. 46] - Walbusch Walter Busch). Der Verbraucher ist auch nicht gezwungen, zur Ausübung seines Widerrufsrechts auf das Muster-Widerrufsformular zurückgreifen, sondern kann - wie vorliegend geschehen - den Widerruf in anderer Form erklären. Im Streitfall enthielt die Widerrufsbelehrung der Beklagten zudem - anders als in dem der Entscheidung des (NJW 2025, 1479 [juris Rn. 3 und 26]) zugrundeliegenden Fall - einen Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular. Dem Verbraucher wurde dadurch die erforderliche Kenntnis vermittelt, um sich das Muster-Widerrufsformular - falls er darauf zurückzugreifen beabsichtigte - selbst zu beschaffen.
28Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Unionsgesetzgeber die Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars vorgesehen hat, um das Verfahren zur Ausübung des Widerrufsrechts zu vereinfachen (vgl. Erwägungsgrund 44 Satz 2 der Richtlinie 2011/83/EU). Bei fehlender Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars wird der Verbraucher daran gehindert, sein Widerrufsrecht unter denselben (erleichterten) Bedingungen auszuüben, wie wenn der Unternehmer ihm das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung gestellt hätte (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 64 und 67]; NJW 2025, 1479 [juris Rn. 25 f.]). Außerdem hat der Unionsgesetzgeber in Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU die Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars ausdrücklich zusätzlich zu der Erteilung der Widerrufsbelehrung vorgeschrieben. Die unterbliebene Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars führt daher zum vollständigen Fehlen einer gesetzlichen Pflichtinformation. Dies könnte dafür sprechen, dass die Überlassung des Muster-Widerrufsformulars kraft Gesetzes eine wesentliche Information darstellt (vgl. BGH, NJW 2025, 1479 [juris Rn. 25 f.]), deren Vorenthaltung den Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist hindert. Dabei könnte zu berücksichtigen sein, dass der Verstoß des Unternehmers gegen seine gesetzliche Pflicht, das Muster-Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen, andernfalls sanktionslos bliebe (zur Richtlinie 2008/48/EG vgl. EuGH, NJW 2022, 40 [juris Rn. 125] - Volkswagen Bank u. a.).
29(2) Die Vorlagefrage 1 ist entscheidungserheblich. Ist eine fehlende Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars geeignet, ein relevantes Informationsdefizit des Verbrauchers zu begründen, hat die vierzehntägige Widerrufsfrist nicht begonnen, selbst wenn der Kläger im konkreten Fall an der rechtzeitigen Ausübung seines Widerrufsrechts nicht gehindert gewesen sein mag. Der Kläger hat den Widerruf dann fristgerecht erklärt. Die Höchstfrist des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB von zwölf Monaten und 14 Tagen war zur Zeit der Widerrufserklärungen noch nicht abgelaufen. Hat die vierzehntägige Widerrufsfrist dagegen trotz der möglicherweise fehlenden Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars begonnen, war das Widerrufsrecht des Klägers bereits im Zeitpunkt seiner ersten, mehr als zwei Monate nach Abschluss des Maklervertrags abgegebenen Widerrufserklärung erloschen.
304. Das Berufungsgericht hat angenommen, ungeachtet der möglicherweise unterbliebenen Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars und deshalb noch laufenden Widerrufsfrist sei das Widerrufsrecht des Klägers im Zeitpunkt der Widerrufserklärungen bei richtlinienkonformer Auslegung des § 356 BGB erloschen gewesen, weil die Beklagte die geschuldete Maklerleistung erbracht und der Kläger die dafür geschuldete Provision entrichtet habe und der Vertrag daher von beiden Parteien vollständig erfüllt gewesen sei. Fraglich ist, ob diese Annahme im Lichte der Bestimmungen der Richtlinie 2011/83/EU zutrifft.
31a) Der Bundesgerichtshof hat das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Abs. 1 BGB bei einer den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 EGBGB nicht genügenden Widerrufsbelehrung in Fällen, in denen der Verbraucher der Erbringung der Maklerleistung nicht ausdrücklich zugestimmt hatte, die Parteien jedoch ihre vertraglichen Hauptleistungspflichten vollständig erfüllt hatten, nicht für erloschen erachtet (, NJW 2023, 1964 [juris Rn. 16 f.]; zu § 312d BGB aF vgl. , WM 2019, 1985 [juris Rn. 8, 24 f., 27 und 32]).
32b) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei einem Verbraucherkreditvertrag nach Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG mangels einschlägiger spezieller Bestimmungen in der Richtlinie erlischt, wenn die Parteien den Kreditvertrag vollständig erfüllt haben und die gegenseitigen Verpflichtungen aus diesem Vertrag somit beendet sind (EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 274 und 279] - BMW Bank u. a.). Das gilt auch dann, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG genannten Pflichtangaben in einem Kreditvertrag fehlt oder dort unvollständig oder fehlerhaft wiedergegeben wird (vgl. EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 273] - BMW Bank u. a.).
33Zur Begründung hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, aus Erwägungsgrund 34 der Richtlinie 2008/48/EG gehe hervor, dass sie ein Widerrufsrecht unter Bedingungen vorsehe, die den in der Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen für Verbraucher vorgesehenen Bedingungen entsprächen. Mit der Bestimmung in Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65/EG, dass das Widerrufsrecht bei Verträgen ausgeschlossen ist, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bringe die Richtlinie 2002/65/EG den - auch für die Richtlinie 2008/48/EG geltenden - Grundsatz zum Ausdruck, dass das Widerrufsrecht unter allen Umständen bei vollständiger Erfüllung des Vertrags nicht geltend gemacht werden könne (EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 276] - BMW Bank u. a.). Bei vollständiger Erfüllung des Kreditvertrags mit der Verpflichtung zur Erteilung der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48/EG vorgesehenen Informationen könne das damit verfolgte Ziel, es dem Verbraucher zu ermöglichen, alle für die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags und insbesondere auch für die Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlichen Informationen zu erhalten, damit er den Umfang seiner Rechte und Pflichten zur Kenntnis nehmen kann, grundsätzlich nicht mehr erreicht werden. Diese Verpflichtungen wiesen nicht mehr den gleichen Grad an Nützlichkeit auf, wenn der Vertrag vollständig erfüllt sei (EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 277] - BMW Bank u. a.). Nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts könne das Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt werden, wenn keinerlei Verpflichtungen aus dem betreffenden Vertrag mehr bestünden (EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 278] - BMW Bank u. a.; zu Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vgl. , Slg. 2008, 2383 = NJW 2008, 1865 [juris Rn. 42] - Hamilton). Unter diesen Umständen sei, da die Erfüllung eines Vertrags die natürliche Form des Erlöschens vertraglicher Verpflichtungen darstelle, davon auszugehen, dass sich ein Verbraucher mangels einschlägiger spezieller Bestimmungen nicht mehr auf das ihm nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG zustehende Widerrufsrecht berufen könne, sobald der Kreditvertrag von den Parteien vollständig erfüllt worden sei und die gegenseitigen Verpflichtungen aus diesem Vertrag somit beendet seien (EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 279] - BMW Bank u. a.).
34c) Im Anschluss daran hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass einem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 BGB nach vollständiger Erfüllung des Darlehensvertrags nicht mehr zusteht (, NJW 2025, 894 [juris Rn. 12]).
35d) Fraglich ist, ob die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (NJW 2024, 809 - BMW Bank u. a.) auch mit Blick auf die Richtlinie 2011/83/EU die Annahme gebietet, dass das dem Verbraucher nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie zustehende Widerrufsrecht bei beiderseitiger vollständiger Vertragserfüllung erlischt, und zwar auch dann, wenn ihm das nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie bereitzustellende Muster-Widerrufsformular nicht zur Verfügung gestellt worden ist.
36aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union sei verallgemeinerungsfähig, weil die Begründung für das Erlöschen des Widerrufsrechts bei vollständiger Erfüllung eines Verbraucherkreditvertrags in entsprechender Weise für das Widerrufsrecht bei einem Fernabsatzvertrag über andere Dienstleistungen als Finanzdienstleistungen gelte. Zwischen der Richtlinie 2008/48/EG und der Richtlinie 2011/83/EU bestehe ebenfalls eine enge Verbindung. Der Erwägungsgrund 32 Satz 3 der Richtlinie 2011/83/EU zeige, dass ein Gleichlauf des nach beiden Richtlinien zu gewährleistenden Verbraucherschutzes erwünscht sei. Die Erwägungen des Gerichtshofs beruhten nicht auf der speziellen Vertragsform des Verbraucherkreditvertrags oder der Ausgestaltung des Widerrufsrechts in Art. 14 der Richtlinie 2008/48/EG, sondern stützten sich auf einen der Richtlinie 2002/65/EG entnommenen Grundsatz und auf allgemeine Grundsätze des Zivilrechts, die für alle erfüllten Verträge gleichermaßen gälten. Hierfür sprächen auch die Motive des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU, der davon ausgegangen sei, dass die Voraussetzungen für ein Erlöschen des Widerrufsrechts bei Verträgen über Fernabsatzfinanzdienstleistungen strenger als bei Verträgen über sonstige Fernabsatzdienstleistungen seien. Für letztere müsse die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union daher erst recht gelten.
37bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts trifft nicht zu, wenn die Richtlinie 2011/83/EU - anders als die Richtlinie 2008/48/EG - spezielle Regelungen enthält, aus denen sich ergibt, dass bei beiderseitiger vollständiger Vertragserfüllung das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht stets und insbesondere dann nicht erlischt, wenn der Unternehmer das bereitzustellende Muster-Widerrufsformular nicht zur Verfügung gestellt hat. In diesem Fall kommt der vom Gerichtshof der Europäischen Union angeführte allgemeine Grundsatz des Zivilrechts, dass ein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch beide Parteien nicht mehr ausgeübt werden kann, nicht zum Tragen. Dieser Klärung dient die Vorlagefrage 2.
38Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Frage durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-97/22, NJW 2023, 2171 - DC [Widerruf nach Vertragserfüllung]) nicht geklärt ist. Soweit der Gerichtshof davon ausgegangen ist, dass der Verbraucher bei fehlender Bereitstellung der in Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU genannten Informationen sein Widerrufsrecht auch noch nach Erfüllung des Vertrags wirksam ausüben kann (vgl. EuGH, NJW 2023, 2171 [juris Rn. 34] - DC [Widerruf nach Vertragserfüllung]), betraf dies einen Sachverhalt, in dem nur der Unternehmer seine Dienstleistungspflicht erfüllt hatte (vgl. EuGH, NJW 2023, 2171 [juris Rn. 14 und 20] - DC [Widerruf nach Vertragserfüllung]). Der Senat neigt zu der Annahme, dass sich aus den - von den Regelungen der Richtlinie 2008/48/EG abweichenden - Bestimmungen der Richtlinie 2011/83/EU ergibt, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers jedenfalls bei einer unzureichenden Information über das Muster-Widerrufsformular nicht schon wegen der vollständigen Erfüllung des Vertrags durch beide Parteien erlischt.
39(1) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gibt der Erwägungsgrund 32 Satz 3 der Richtlinie 2011/83/EU für die Beurteilung der Vorlagefrage 2 nichts her. Ihm lässt sich nicht entnehmen, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers - ebenso wie dasjenige nach der Richtlinie 2008/48/EG und der Richtlinie 2002/65/EG - bei beiderseitiger vollständiger Erfüllung eines Fernabsatzvertrags erlischt. Der vom Unionsgesetzgeber angeregte Gleichlauf der nationalen Rechtsvorschriften mit den bestehenden unionsrechtlichen Bestimmungen betrifft unionsrechtlich nicht geregelte Finanzdienstleistungen, die von der Richtlinie 2011/83/EU nicht erfasst sind.
40(2) Die Regelung in Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU könnte allerdings auf den Wegfall des Widerrufsrechts bei beiderseitiger vollständiger Vertragserfüllung hindeuten. Nach dieser Vorschrift enden mit der Ausübung des Widerrufsrechts die Verpflichtungen der Vertragsparteien zur Erfüllung des Fernabsatzvertrags. Das könnte darauf hindeuten, dass im Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch nicht erfüllte Pflichten aus dem widerrufenen Vertrag bestehen müssen (vgl. EuGH, NJW 2024, 809 [juris Rn. 278] - BMW Bank u. a.; zu Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/577/EWG vgl. EuGH, NJW 2008, 1865 [juris Rn. 41 f.] - Hamilton).
41(3) Aus den Regelungen der Art. 13 und 14 der Richtlinie 2011/83/EU könnte sich demgegenüber ergeben, dass bei beiderseitiger vollständiger Erfüllung eines Fernabsatzvertrags, anders als bei derjenigen eines Verbraucherkreditvertrags, weiterhin aus dem Vertrag resultierende Verpflichtungen entstehen können und der Verbraucher deshalb auch dann - insbesondere bei einem wesentlichen Informationsdefizit betreffend sein Widerrufsrecht - den Fernabsatzvertrag widerrufen kann.
42Widerruft der Verbraucher einen Verbraucherkreditvertrag, so zahlt er nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. b Satz 1 der Richtlinie 2008/48/EG dem Kreditgeber das Darlehen einschließlich der aufgelaufenen Zinsen zurück. Ist der Verbraucherkreditvertrag bereits vollständig erfüllt, treffen die Parteien daher im Anschluss an den Widerruf keine Verpflichtungen mehr. Widerruft der Verbraucher dagegen einen im Fernabsatz geschlossenen Kaufvertrag, so hat der Unternehmer nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU alle vom Verbraucher erhaltenen Zahlungen zurückzuzahlen und der Verbraucher nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie die erhaltenen Waren zurückzusenden. Die Parteien treffen daher auch bei der Rückabwicklung eines vollständig erfüllten Kaufvertrags von ihnen zu erfüllende Verpflichtungen.
43Bei einem im Fernabsatzvertrag geschlossenen Dienstleistungsvertrag hat der Verbraucher gemäß Art. 14 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU für eine vom Unternehmer während der Widerrufsfrist ganz oder teilweise erbrachte Dienstleistung nicht aufzukommen, wenn der Unternehmer die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. h gebotenen Informationen nicht bereitgestellt (Ziff. i) oder der Verbraucher die Erbringung der Dienstleistung des Unternehmers während der Widerrufsfrist nicht ausdrücklich verlangt (Ziff. ii) hat. Danach hat der Verbraucher auch die vom Unternehmer vollständig erbrachte Dienstleistung nicht stets abzugelten und trifft den Unternehmer gegebenenfalls die Verpflichtung, bereits erhaltene Zahlungen zu erstatten. Dabei muss der Verbraucher für eine Dienstleistung insbesondere dann nicht aufkommen, wenn ihm die Informationen zu den Bedingungen, den Fristen und das Verfahren für die Ausübung seines Widerrufsrechts nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Diese Regelung würde konterkariert, wenn der Verbraucher die gezahlte Vergütung nicht erstattet verlangen könnte, weil er die vom Unternehmer vollständig erbrachte Dienstleistung bereits vor seiner Widerrufserklärung vollumfänglich entlohnt hat.
44(4) Gegen den Verlust des Widerrufsrechts bei beiderseitiger vollständiger Erfüllung eines Fernabsatzvertrags könnte weiter sprechen, dass sich in der Richtlinie 2011/83/EU eine Regelung wie in Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der in Erwägungsgrund 34 der Richtlinie 2008/48/EG in Bezug genommenen Richtlinie 2002/65/EG nicht findet.
45Nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU sehen die Mitgliedstaaten bei Fernabsatzverträgen kein Widerrufsrecht nach den Art. 9 bis 15 vor, wenn bei Dienstleistungsverträgen die Dienstleistung vollständig erbracht worden ist, sofern der Vertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, nur wenn der Unternehmer die Erbringung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung und Bestätigung des Verbrauchers, dass er zur Kenntnis genommen hat, dass er sein Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, begonnen hatte. Die Vorschrift des Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU sieht - anders als Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65/EG - einen Ausschluss des Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung durch beide Parteien nicht vor. Der Wegfall des Widerrufsrechts setzt stattdessen voraus, dass der Unternehmer die ihm obliegende Dienstleistung vollständig erbracht hat.
46Insoweit stellt Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU an den Verlust des Widerrufsrechts zwar geringere Anforderungen als Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65/EG, weil der Verbraucher die für die Dienstleistung geschuldete Zahlung noch nicht vollständig geleistet haben muss (zu § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB aF vgl. BGH, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 62]). Dies lässt nach Ansicht des Senats jedoch nicht den Schluss zu, dass das Widerrufsrecht erst recht entfällt, wenn beide Parteien ihre vertraglichen Pflichten erfüllt haben. Die Vorschrift des Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU sieht einen Wegfall des Widerrufsrechts nur unter der weiteren Voraussetzung vor, dass der Verbraucher vor dem Beginn der Dienstleistung des Unternehmers seine Kenntnis vom Verlust seines Widerrufsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer ausdrücklich bestätigt hat. Insoweit stellt die Bestimmung höhere Anforderungen an den Wegfall des Widerrufsrechts als Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/65/EG (zu § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB aF vgl. BGH, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 62]). Mit Blick darauf ist die Bestimmung des Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU nicht Ausdruck des Rechtsgrundsatzes, dass ein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung entfällt, sondern Ausdruck des allgemeinen Verbots widersprüchlichen Verhaltens eines Verbrauchers, der der Erbringung der Dienstleistung in Kenntnis des Verlusts des Widerrufsrechts zustimmt, aber nach der Erbringung der Dienstleistung gleichwohl den Widerruf erklärt und die Rückabwicklung des Vertrags verlangt (zu § 312d BGB aF vgl. BGH, WM 2019, 1985 [juris Rn. 36]).
47(5) Für den Fortbestand des Widerrufsrechts bei beiderseitiger Erfüllung eines Fernabsatzvertrags jedenfalls bei einer insoweit unzureichenden Information des Verbrauchers durch den Unternehmer könnte auch die Regelung in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU sprechen. Danach besteht für die Ausübung des Widerrufsrechts - anders als nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG (vgl. EuGH, NJW 2022, 40 [juris Rn. 117] - Volkswagen Bank u. a.) - eine zeitliche Höchstgrenze von 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83/EU über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Diese Bestimmung liefe weitgehend leer, wenn das Widerrufsrecht des Verbrauchers bereits mit der - häufig vor Ablauf von 12 Monaten und 14 Tagen erfolgenden - beiderseitigen Erfüllung eines Fernabsatzvertrags endete. Durch die zeitliche Höchstfrist des Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU werden die Interessen des Unternehmers hinreichend gewahrt, weil dadurch ein "ewiges" Widerrufsrecht des Verbrauchers - anders als nach den Regelungen der Richtlinie 2008/48/EG - ausgeschlossen ist.
48cc) Die Vorlagefrage 2 ist entscheidungserheblich. Liegt im Fall der fehlenden Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars ein wesentliches, den Beginn der vierzehntägigen Widerrufsfrist hinderndes Informationsdefizit des Klägers vor und ist sein Widerrufsrecht nicht dadurch entfallen, dass beide Parteien den Maklervertrag vollständig erfüllt haben, so ist es auch nicht nach § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bei Abschluss des Maklervertrags geltenden Fassung erloschen.
49(1) Nach der - der Umsetzung von Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU dienenden - Vorschrift des § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum geltenden Fassung (aF) erlischt das Widerrufsrecht bei einem Fernabsatzvertrag zur Erbringung von Dienstleistungen auch dann, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert.
50(2) Die Erklärung des Verbrauchers, er habe Kenntnis davon, dass sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragsdurchführung durch den Unternehmer erlischt, setzt seine Kenntnis vom Widerrufsrecht voraus (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 63]; zu § 312d Abs. 3 BGB aF vgl. BGH, WM 2019, 1985 [juris Rn. 32 und 35]). Hierfür ist erforderlich, dass der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren zur Ausübung seines Widerrufsrechts belehrt und ihm die erforderliche Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular zur Verfügung gestellt hat, damit dieser sein Widerrufsrecht ungehindert ausüben kann (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 67]). Hat die Beklagte das Muster-Widerrufsformular nicht bereitgestellt und dem Kläger dadurch relevante Informationen vorenthalten, so hatte dieser keine Kenntnis von seinem Widerrufsrecht und dessen Verlust, die er hätte bestätigen können.
515. Sollte im Fall der fehlenden Bereitstellung des Muster-Widerrufsformulars das Widerrufsrecht des Klägers im Zeitpunkt einer seiner Widerrufserklärungen noch nicht erloschen gewesen sein, wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die Beklagte dem Kläger das Muster-Widerrufsformular als Anhang zu der Widerrufsbelehrung in ihrer E-Mail vom übermittelt hat. Seine Entscheidung, einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der gezahlten Maklerprovision abzulehnen, stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Mit den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen kann die Ausübung des Widerrufsrechts nicht als nach § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung des Klägers angesehen werden. Im Fall des wirksamen Widerrufs steht der Beklagten die vereinnahmte Maklerprovision auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Wertersatzanspruchs aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB aF zu, weil ein solcher Anspruch bei einem wesentlichen Informationsdefizit des Klägers gemäß § 357 Abs. 8 Satz 2 BGB aF ausgeschlossen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 72]).
Koch Schwonke Pohl
Schmaltz Wille
ECLI Nummer: 
ECLI:DE:BGH:2025:221025BIZR192.24.0
Fundstelle(n):
  PAAAK-03131