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EuGH Urteil v. - C-38/24

Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Art. 2, 5 und 7 – Art. 21, 24 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Art. 1 – Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b – Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung – Mittelbare Diskriminierung – Unterschiedliche Behandlung eines Arbeitnehmers, der selbst nicht behindert ist, sich aber um sein behindertes Kind kümmert – Art. 5 – Verpflichtung des Arbeitgebers, angemessene Vorkehrungen zu treffen

Leitsatz

  1. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, insbesondere ihr Art. 1 sowie ihr Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b, ist im Licht der Art. 21, 24 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Art. 2, 5 und 7 des am in New York geschlossenen und mit dem Beschluss 2010/48/EG des Rates vom im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

    dahin auszulegen, dass

    das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung für einen Arbeitnehmer gilt, der nicht selbst behindert ist, sondern wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert.

  2. Die Richtlinie 2000/78, insbesondere ihr Art. 5, ist im Licht der Art. 24 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie von Art. 2 und Art. 7 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

    dahin auszulegen, dass

    ein Arbeitgeber, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und des in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Verbots der mittelbaren Diskriminierung zu gewährleisten, verpflichtet ist, angemessene Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie gegenüber einem Arbeitnehmer zu treffen, der, ohne selbst behindert zu sein, seinem behinderten Kind die Unterstützung zukommen lässt, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert, sofern diese Vorkehrungen den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten.

Gesetze: EUGrdRCh Art. 21, EUGrdRCh Art. 24, EUGrdRCh Art. 26, UN-BRK Art. 2, UN-BRK Art. 5, UN-BRK Art. 7, RL 2000/78/EG Art. 1, RL 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1, RL 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. b

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) im Licht des am in New York geschlossenen und mit dem Beschluss 2010/48/EG des Rates vom (ABl. 2010, L 23, S. 35) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (im Folgenden: VN-Übereinkommen).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den G. L. gegen die AB SpA angestrengt hat, weil diese es abgelehnt hatte, ihre Arbeitsbedingungen derart umzugestalten, dass sie sich um ihren behinderten Sohn kümmern kann.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

3 In Buchst. x der Präambel des VN-Übereinkommens heißt es:

„in der Überzeugung, dass die Familie die natürliche Kernzelle der Gesellschaft ist und Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat und dass Menschen mit Behinderungen und ihre Familienangehörigen den erforderlichen Schutz und die notwendige Unterstützung erhalten sollen, um es den Familien zu ermöglichen, zum vollen und gleichberechtigten Genuss der Rechte der Menschen mit Behinderungen beizutragen“.

4 Art. 1 („Zweck“) des VN-Übereinkommens lautet:

„Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“

5 In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 3 und 4 des VN-Übereinkommens heißt es:

„Im Sinne dieses Übereinkommens

bedeutet ‚Diskriminierung aufgrund von Behinderung‘ jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass das auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennen, Genießen oder Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird. Sie umfasst alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen;

bedeutet ‚angemessene Vorkehrungen‘ notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können“.

6 Art. 5 („Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung“) des VN-Übereinkommens lautet:

„(1)  Die Vertragsstaaten anerkennen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, vom Gesetz gleich zu behandeln sind und ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben.

(2)  Die Vertragsstaaten verbieten jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung und garantieren Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen.

(3)  Zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierung unternehmen die Vertragsstaaten alle geeigneten Schritte, um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten.

(4)  Besondere Maßnahmen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens.“

7 Art. 7 („Kinder mit Behinderungen“) Abs. 1 und 2 des VN-Übereinkommens lautet:

„(1)  Die Vertragsstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können.

(2)  Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“

8 Nach Art. 34 Abs. 1 des VN-Übereinkommens wird ein Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen eingesetzt.

Unionsrecht

Richtlinie 2000/43/EG

9 Art. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. 2000, L 180, S. 22) lautet:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

10 Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/43 lautet:

„(1)  Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geben darf.

(2)  Im Sinne von Absatz 1

a)

liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)

liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer Rasse oder ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.“

Richtlinie 2000/78

11 In den Erwägungsgründen 6, 12, 20, 21 und 37 der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„(6)

In der [auf der Tagung des Europäischen Rates vom in Straßburg angenommenen] Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer wird anerkannt, wie wichtig die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung älterer Menschen und von Menschen mit Behinderung sind.

(12)

Daher sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. …

(20)

Es sollten geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, d.h. wirksame und praktikable Maßnahmen, um den Arbeitsplatz der Behinderung entsprechend einzurichten, z.B. durch eine entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten oder eine Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, der Aufgabenverteilung oder des Angebots an Ausbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen.

(21)

Bei der Prüfung der Frage, ob diese Maßnahmen zu übermäßigen Belastungen führen, sollten insbesondere der mit ihnen verbundene finanzielle und sonstige Aufwand sowie die Größe, die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz der Organisation oder des Unternehmens und die Verfügbarkeit von öffentlichen Mitteln oder anderen Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.

(37)

Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 5 des EG-Vertrags kann das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen in der Gemeinschaft bezüglich der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden und kann daher wegen des Umfangs und der Wirkung der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden. …“

12 „Zweck“ der Richtlinie 2000/78 ist nach ihrem Art. 1 „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

13 Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

„(1)  Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)  Im Sinne des Absatzes 1

a)

liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)

liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)

diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, oder

ii)

der Arbeitgeber oder jede Person oder Organisation, auf die diese Richtlinie Anwendung findet, ist im Falle von Personen mit einer bestimmten Behinderung aufgrund des einzelstaatlichen Rechts verpflichtet, geeignete Maßnahmen entsprechend den in Artikel 5 enthaltenen Grundsätzen vorzusehen, um die sich durch diese Vorschrift, dieses Kriterium oder dieses Verfahren ergebenden Nachteile zu beseitigen.“

14 Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

a)

die Bedingungen … für den Zugang zu … Erwerbstätigkeit …;

c)

die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen …“

15 Art. 5 („Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung“) der Richtlinie 2000/78 lautet:

„Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind angemessene Vorkehrungen zu treffen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Belastung ist nicht unverhältnismäßig, wenn sie durch geltende Maßnahmen im Rahmen der Behindertenpolitik des Mitgliedstaates ausreichend kompensiert wird.“

Italienisches Recht

16 Art. 2 Abs. 1 des Decreto legislativo n. 216 – Attuazione della direttiva 2000/78/CE per la parità di trattamento in materia di occupazione e di condizioni di lavoro (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 216 zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf) vom (GURI Nr. 187 vom ) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:

„Für die Zwecke des vorliegenden Decreto legislativo … umfasst der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung geben darf. Dieser Grundsatz setzt voraus, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung erfolgt, wie diese nachstehend definiert sind:

a)

eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person wegen der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)

eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien, Verfahren, Handlungen, Vereinbarungen oder Verhaltensweisen Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können.“

17 Art. 3 Abs. 3bis dieses Decreto legislativo bestimmt:

„Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, sind öffentliche und private Arbeitgeber verpflichtet, angemessene Vorkehrungen im Sinne des [VN‑]Übereinkommens, das durch das Gesetz Nr. 18 vom ratifiziert wurde, am Arbeitsplatz zu treffen, um die volle Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung mit anderen Arbeitnehmern zu gewährleisten. Die öffentlichen Arbeitgeber stellen sicher, dass dieser Absatz ohne neue oder gesteigerte Belastungen für die öffentlichen Finanzen und mit den nach den geltenden Rechtsvorschriften verfügbaren personellen, finanziellen und materiellen Mitteln umgesetzt wird.“

18 Art. 25 Abs. 2bis des Decreto legislativo n. 198 – Codice delle pari opportunità tra uomo e donna, a norma dell’articolo 6 della legge 28 novembre 2005, n. 246 (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 198 – Gesetzbuch über die Chancengleichheit von Männern und Frauen gemäß Art. 6 des Gesetzes Nr. 246 vom ) vom (GURI Nr. 125 vom , Supplemento ordinario Nr. 133), das nach den Ereignissen des Ausgangsrechtsstreits in Kraft getreten ist, sieht vor:

„Eine Diskriminierung im Sinne des vorliegenden Titels stellt dar: jede Behandlung oder Änderung der Vorkehrungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen oder der Arbeitszeit, die aufgrund des Geschlechts, des Alters, der persönlichen oder familiären Pflegebedürfnisse, der Schwangerschaft, der Mutterschaft oder der Vaterschaft, einschließlich der Adoption, oder aufgrund der Inhaberschaft und der Ausübung der damit verbundenen Rechte den Arbeitnehmer in mindestens eine der folgenden Situationen versetzt oder versetzen kann: a) eine Benachteiligung im Vergleich zu allen anderen Arbeitnehmern; b) eine Einschränkung der Möglichkeiten der Teilhabe am Leben oder an Entscheidungen des Unternehmens; c) eine Einschränkung des Zugangs zu den Mechanismen des beruflichen Aufstiegs und der Laufbahnentwicklung.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

19 G. L. arbeitete für die in Italien ansässige Gesellschaft AB als „Stationsaufsicht“. In dieser Eigenschaft war sie für die Überwachung und Kontrolle einer U-Bahn-Station zuständig.

20 G. L. forderte die Gesellschaft AB wiederholt auf, sie dauerhaft an einem Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten einzusetzen, der gegebenenfalls eine geringere Qualifikation erfordere und es ihr ermögliche, sich um ihren schwerbehinderten, vollinvaliden minderjährigen Sohn zu kümmern, der bei ihr lebe und nachmittags zu festen Zeiten an einem Behandlungsprogramm teilnehmen müsse.

21 Die Gesellschaft AB kam diesen Anträgen nicht nach, gewährte G. L. aber dennoch vorläufig bestimmte Anpassungen der Arbeitsbedingungen, nämlich die Bestimmung eines festen Arbeitsorts und die Gewährung einer Arbeitszeitregelung, die günstiger als die der übrigen Stationsaufsichten war, die zu wechselnden Arbeitszeiten und im Schichtbetrieb arbeiten mussten.

22 Am erhob G. L. beim Tribunale di Roma (Gericht Rom, Italien) Klage gegen die Gesellschaft AB auf Feststellung, dass es diskriminierend ist, dass ihr Arbeitgeber ihrem Antrag auf dauerhafte Umgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen nicht entspricht.

23 Mit ihrer Klage beantragte G. L., die Gesellschaft AB möge sie dauerhaft an einem Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten am Morgen (von 8.30 bis 15.00 Uhr) einsetzen, einen Plan zur Beseitigung der von ihr erlittenen Diskriminierung aufstellen und ihren Schaden ersetzen.

24 Das Tribunale di Roma (Gericht Rom) wies die Klage von G. L. ab, die gegen diese Entscheidung bei der Corte d’appello di Roma (Berufungsgericht Rom, Italien) Berufung einlegte. Auch dieses Gericht wies die Klage in der Sache mit der Begründung ab, dass das behauptete diskriminierende Verhalten nicht nachgewiesen worden sei und dass die Gesellschaft AB jedenfalls „angemessene Vorkehrungen“ getroffen habe, um den Sachzwängen von G. L. Rechnung zu tragen, auch wenn es sich um vorläufige Maßnahmen gehandelt habe.

25 G. L. legte Kassationsbeschwerde bei der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien), dem vorlegenden Gericht, ein.

26 Im Oktober 2022 wurde G. L. von der Gesellschaft AB entlassen.

27 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts wirft das Ausgangsverfahren die Frage auf, ob sich ein Arbeitnehmer, der sich um sein behindertes minderjähriges Kind kümmere, unter Berücksichtigung der Grundsätze, die sich aus dem Urteil vom , Coleman (C‑303/06, EU:C:2008:415), ergäben, vor Gericht auf den Schutz vor mittelbarer Diskriminierung wegen einer Behinderung berufen könne, den die behinderte Person selbst genieße.

28 In diesem Urteil habe der Gerichtshof entschieden, dass sich der persönliche Anwendungsbereich des in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzes vor unmittelbarer Diskriminierung wegen einer Behinderung auf einen Arbeitnehmer erstrecke, der nicht selbst behindert sei, sondern sich um ein behindertes Kind kümmere, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringe, die sein Zustand erfordere.

29 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass G. L. als „familiäre Betreuungsperson“ im Sinne des nationalen Rechts anzusehen sei und daher in den Genuss der im italienischen Recht vorgesehenen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen kommen könne, wie z.B. das Recht, soweit möglich, den ihrer Wohnung am nächsten gelegenen Arbeitsort zu wählen. Es gebe jedoch keine Bestimmung des italienischen Rechts, nach der die Betreuungsperson zu der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit Schutz vor einer Diskriminierung am Arbeitsplatz genossen hätte, die sich aus der ihrem behinderten Kind zu leistenden Unterstützung ergebe.

30 Aus diesem Grund habe das im ersten Rechtszug angerufene Gericht die Klage von G. L. mit der Begründung abgewiesen, G. L. habe keine Befugnis zur Erhebung einer Klage gegen die von ihr geltend gemachte Diskriminierung. Das mit der Berufung befasste Gericht vertrat seinerseits auf der Grundlage der sich aus dem Urteil vom , Coleman (C‑303/06, EU:C:2008:415), ergebenden Grundsätze die Auffassung, dass sich eine familiäre Betreuungsperson wie G. L. auf die nationalen Vorschriften zum Schutz von Menschen mit Behinderung vor Diskriminierung am Arbeitsplatz berufen könne.

31 Das vorlegende Gericht vertritt jedoch die Ansicht, dass aus diesem Urteil nicht klar hervorgehe, dass die sich daraus ergebenden Grundsätze auf eine Situation angewandt werden könnten, in der eine mittelbare Diskriminierung eines Arbeitnehmers vorliege, der als „familiäre Betreuungsperson“ im Sinne des nationalen Rechts angesehen werde.

32 Unter diesen Umständen hat die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist das Unionsrecht, gegebenenfalls auch auf der Grundlage des VN-Übereinkommens, dahin auszulegen, dass die familiäre Betreuungsperson eines schwerbehinderten Minderjährigen, die behauptet, infolge der von ihr geleisteten Betreuungstätigkeit am Arbeitsplatz mittelbar diskriminiert worden zu sein, berechtigt ist, sich auf den Schutz vor Diskriminierung zu berufen, der diesem Menschen mit Behinderung nach der Richtlinie 2000/78 gewährt würde, wenn dieser der Arbeitnehmer wäre?

2.

Falls Frage 1 bejaht wird: Ist das Unionsrecht, gegebenenfalls auch auf der Grundlage des VN-Übereinkommens, dahin auszulegen, dass es dem Arbeitgeber der zuvor genannten Betreuungsperson obliegt, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch zugunsten dieser Betreuungsperson gegenüber anderen Arbeitnehmern zu gewährleisten, so wie es in Art. 5 der Richtlinie 2000/78 vorgesehen ist?

3.

Falls Frage 1 und/oder Frage 2 bejaht wird/werden: Ist das Unionsrecht, gegebenenfalls auch auf der Grundlage des VN-Übereinkommens, dahin auszulegen, dass für die Anwendung der Richtlinie 2000/78 unter Betreuungsperson jede Person zu verstehen ist, die zum Familienkreis gehört oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist und die in einem häuslichen Umfeld, auch informell, unentgeltlich, in bedeutendem Umfang, ausschließlich, anhaltend und langfristig eine Person pflegt, die aufgrund ihrer Schwerbehinderung die Verrichtungen des täglichen Lebens absolut nicht selbständig ausüben kann, oder ist das Unionsrecht dahin auszulegen, dass die fragliche Definition des Begriffs der Betreuungsperson weiter oder sogar noch enger ist als die oben genannte?

Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

33 Mit Schriftsatz, der am eingegangen ist, hat G. L. gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt.

34 G. L. macht geltend, es müssten zusätzlich zu den vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zwei in ihren schriftlichen Erklärungen angeführte Fragen geprüft werden, da dies in den Schlussanträgen des Generalanwalts unterblieben sei.

35 Dazu ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass der Gerichtshof gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen, auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens anordnen kann, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht (Urteil vom , Accor, C‑310/09, EU:C:2011:581, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36 Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch andere dem Gerichtshof von den Parteien des Ausgangsverfahrens vorgelegte Fragen als diejenigen, die Gegenstand der Vorlageentscheidung des nationalen Gerichts sind, nicht zu prüfen (Urteil vom , A2A, C‑89/14, EU:C:2015:537, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37 Da das vorlegende Gericht dem Gerichtshof die beiden Fragen, auf die G. L. in ihrem Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens Bezug nimmt, nicht gestellt hat, stellen die in diesem Antrag vorgebrachten Argumente zur Notwendigkeit, diese beiden Fragen zu prüfen, folglich keinen Grund für die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nach Art. 83 der Verfahrensordnung dar.

38 Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts zu der Auffassung gelangt, dass er über alle erforderlichen Angaben verfügt, um die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen beantworten zu können, und dass zwischen den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten alle Argumente erörtert worden sind, die für die Entscheidung der Rechtssache erforderlich sind.

39 Der Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens ist daher zurückzuweisen.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

40 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2000/78, insbesondere ihr Art. 1 sowie ihr Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b, im Licht der Art. 21, 24 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie der Art. 2, 5 und 7 des VN-Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung für einen Arbeitnehmer gilt, der nicht selbst behindert ist, sondern wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert.

41 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass sich sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78 ergibt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe bietet, zu denen die Behinderung zählt (Urteil vom , Komisia za zashtita ot diskriminatsia, C‑824/19, EU:C:2021:862, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42 Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2000/78 gilt diese im Rahmen der auf die Europäische Union übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, u.a. in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit sowie die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (Urteil vom , Komisia za zashtita ot diskriminatsia, C‑824/19, EU:C:2021:862, Rn. 36).

43 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die von G. L. behauptete mittelbare Diskriminierung darauf beruht, dass ihre Arbeitsbedingungen, d.h. im Wesentlichen ihre Arbeitszeiten, die unter die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 fallen, nicht angepasst wurden.

44 Daher kann eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen.

45 Zur Beantwortung der ersten Frage ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2000/78 in dem von ihr erfassten Bereich das allgemeine Diskriminierungsverbot konkretisiert, das in Art. 21 der Charta verankert ist, der jede Diskriminierung u.a. wegen einer Behinderung verbietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Komisia za zashtita ot diskriminatsia, C‑824/19, EU:C:2021:862, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). In Bezug auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation sind im Rahmen der Prüfung der ersten Frage auch die in den Art. 24 bzw. 26 der Charta verankerten Rechte des Kindes und der Behinderten zu berücksichtigen.

46 Außerdem hat die Union das VN-Übereinkommen genehmigt, dessen Bestimmungen daher seit seinem Inkrafttreten integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung sind. Daraus folgt, dass diese Bestimmungen ebenso wie die Bestimmungen der Charta zur Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2000/78 herangezogen werden können und dass diese Richtlinie so weit wie möglich in Einklang mit diesem Übereinkommen auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 30 bis 32, sowie vom , Ca Na Negreta, C‑631/22, EU:C:2024:53, Rn. 41).

47 Wie sich oben aus den Rn. 27 bis 31 ergibt, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2000/78 im Licht der Art. 21, 24 und 26 der Charta sowie der Art. 2 und 5 des VN-Übereinkommens auch anwendbar ist, wenn ein Arbeitnehmer, der sein behindertes Kind unterstützt, wegen der Behinderung mittelbar „mitdiskriminiert“ wird.

48 Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass eine unmittelbare „Mitdiskriminierung“ wegen einer Behinderung nach der Richtlinie 2000/78 verboten ist. Das in Art. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 vorgesehene Verbot der unmittelbaren Diskriminierung ist nämlich nicht auf Personen beschränkt, die selbst behindert sind. Erfährt ein Arbeitnehmer, der selbst nicht behindert ist, durch einen Arbeitgeber eine weniger günstige Behandlung, als sie ein anderer Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, und ist nachgewiesen, dass die Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der Behinderung seines Kindes erfolgt ist, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt eine solche Behandlung gegen das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 56).

49 Aus der Tatsache, dass die Richtlinie 2000/78 Bestimmungen enthält, mit denen speziell den Bedürfnissen behinderter Menschen Rechnung getragen werden soll, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der dort verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz restriktiv auszulegen ist, d.h. in dem Sinn, dass er nur unmittelbare Diskriminierungen wegen der Behinderung verbietet und ausschließlich Menschen mit Behinderung selbst betrifft. Zudem bezieht sich der sechste Erwägungsgrund dieser Richtlinie, indem er auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer hinweist, sowohl auf die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung als auch auf die Notwendigkeit, geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung zu treffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 43).

50 Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, dass die mit der Richtlinie 2000/78 verfolgten Ziele, nämlich das Ziel der Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf wegen eines der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe, zu denen die Behinderung zählt, und das im 37. Erwägungsgrund der Richtlinie genannte Ziel der Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen bezüglich der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, sowie die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie gefährdet würden, wenn das in ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a vorgesehene Verbot der unmittelbaren Diskriminierung auf Personen beschränkt wäre, die selbst behindert sind, und nicht auf einen Fall anwendbar wäre, in dem ein Arbeitnehmer, der selbst nicht behindert ist, dennoch wegen der Behinderung seines Kindes unmittelbar diskriminiert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 47 und 48).

51 Eine Auslegung der Richtlinie 2000/78, nach der ihre Anwendung auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind, könnte dieser Richtlinie nämlich einen großen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit nehmen und den Schutz, den sie gewährleisten soll, mindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 50 und 51).

52 Was als Zweites die Frage betrifft, ob nach der Richtlinie 2000/78 auch eine mittelbare „Mitdiskriminierung“ wegen einer Behinderung verboten ist, ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe geben darf.

53 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Zweck der Richtlinie 2000/78 darin besteht, in Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu bekämpfen. Der für diesen Bereich in dieser Richtlinie verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nämlich nicht für eine bestimmte Kategorie von Personen, sondern in Bezug auf die in ihrem Art. 1 genannten Gründe. Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Art. 13 EG untermauert, der die Rechtsgrundlage der Richtlinie 2000/78 ist und in dem – wie in dem ihn ersetzenden Art. 19 AEUV – der Union die Zuständigkeit übertragen wurde, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen u.a. aus Gründen einer Behinderung zu bekämpfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Coleman, C‑303/06, EU:C:2008:415, Rn. 38). Zudem heißt es im zwölften Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass „jede“ unmittelbare oder mittelbare „Diskriminierung“ wegen einer Behinderung unionsweit untersagt werden sollte.

54 Im Übrigen stellt sich die Frage der Anerkennung einer „Mitdiskriminierung“ wegen einer Behinderung in gleicher Weise, unabhängig davon, ob es sich um eine unmittelbare oder eine mittelbare Diskriminierung handelt. Insbesondere hat der Umstand, dass der Begriff der mittelbaren Diskriminierung in der in der Richtlinie 2000/78 vorgesehenen Regelung im Unterschied zum Begriff der unmittelbaren Diskriminierung die Möglichkeit einer Rechtfertigung einschließt, keine Auswirkung auf die etwaige Einstufung einer Handlung als „Mitdiskriminierung“ im Sinne dieser Richtlinie.

55 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass sowohl der Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 als auch das dieser Richtlinie zugrunde liegende Ziel für das Verbot nicht nur unmittelbarer „Mitdiskriminierungen“, sondern auch mittelbarer „Mitdiskriminierungen“ sprechen.

56 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof unter Bezugnahme auf das Urteil vom , Coleman (C‑303/06, EU:C:2008:415), zum Geltungsbereich der Richtlinie 2000/43, deren Art. 1 und 2 den Art. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78 ähnlich formuliert sind, bereits entschieden hat, dass dieser Geltungsbereich nicht eng definiert werden darf und dass der Gleichbehandlungsgrundsatz, den diese Richtlinie zum Gegenstand hat, nicht für eine bestimmte Kategorie von Personen, sondern nach Maßgabe der in ihrem Art. 1 genannten Gründe anwendbar ist, so dass er auch für Personen zu gelten hat, die zwar nicht selbst der betreffenden Rasse oder Ethnie angehören, aber gleichwohl aus einem dieser Gründe weniger günstig behandelt werden oder in besonderer Weise benachteiligt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , CHEZ Razpredelenie Bulgaria, C‑83/14, EU:C:2015:480, Rn. 56). Daher hat der Gerichtshof, wie der Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, ausdrücklich festgestellt, dass eine mittelbare „Mitdiskriminierung“ nach der Richtlinie 2000/43 verboten ist.

57 Drittens ist im Hinblick auf eine mit der Charta vereinbare Auslegung des Diskriminierungsverbots festzustellen, dass nach dem allgemeinen Diskriminierungsverbot nach Art. 21 Abs. 1 der Charta ausweislich dessen Wortlauts „Diskriminierungen“ insbesondere wegen einer Behinderung untersagt sind, was eine weite Anwendung dieser grundlegenden Garantie gewährleistet.

58 Auch das Diskriminierungsverbot nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 ist im Licht von Art. 24 und Art. 26 der Charta auszulegen. Art. 24 („Rechte des Kindes“) sieht in Abs. 1 vor, dass Kinder Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge haben, die für ihr Wohlergehen notwendig sind, und in Abs. 2, dass bei Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss. Zudem sieht Art. 26 der Charta vor, dass die Union den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft anerkennt und achtet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Ca Na Negreta, C‑631/22, EU:C:2024:53, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59 Außerdem enthält Art. 21 Abs. 1 der Charta zumindest die gleichen Garantien wie Art. 14 der am in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der in Verbindung mit den durch diese Konvention garantierten Rechten und Freiheiten anwendbar ist, die gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta als Mindestschutzstandard zu berücksichtigen sind (vgl. entsprechend Urteil vom , Alchaster II, C‑743/24, EU:C:2025:230, Rn. 24).

60 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits entschieden, dass die diskriminierende Behandlung einer Person wegen der Behinderung ihres Kindes, zu dem sie enge persönliche Bindungen unterhält und das sie pflegt, eine Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung darstellt, die unter Art. 14 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten fällt (vgl. in diesem Sinne EGMR, , Guberina/Kroatien, CE:ECHR:2016:0322JUD002368213, § 79), ohne danach zu unterscheiden, ob es sich um eine unmittelbare oder eine mittelbare Diskriminierung handelt.

61 Viertens ist zu den Bestimmungen des VN-Übereinkommens, die für die Auslegung der Richtlinie 2000/78 maßgebend sein können, darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 3 dieses Übereinkommens „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ „jede“ Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung bedeutet, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass das auf die Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennen, Genießen oder Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird, und dass dieser Begriff „alle Formen der Diskriminierung“, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen, umfasst.

62 Nach Art. 5 Abs. 2 des VN-Übereinkommens verbieten die Vertragsstaaten des Übereinkommens „jede Diskriminierung“ aufgrund von Behinderung und garantieren Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor „Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen“.

63 Nach Art. 7 Abs. 1 des VN-Übereinkommens treffen die Vertragsstaaten des Übereinkommens alle erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern „alle“ Menschenrechte und Grundfreiheiten „genießen“ können. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.

64 Außerdem vertritt, wie der Generalanwalt in den Nrn. 38 und 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der durch Art. 34 des VN-Übereinkommens eingesetzte Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen u.a. im Rahmen der ihm durch das Fakultativprotokoll zu diesem Übereinkommen vom übertragenen Zuständigkeiten die Auffassung, dass sich die in Art. 5 Abs. 2 des VN-Übereinkommens vorgesehene Verpflichtung zum Verbot jeder Diskriminierung aufgrund von Behinderung auf Menschen mit Behinderungen und ihre Bezugspersonen, z.B. die Eltern von Kindern mit Behinderungen, erstrecke und sich ausdrücklich auf „Mitdiskriminierung“ beziehe, ohne diese auf die unmittelbare Diskriminierung zu beschränken.

65 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich daher, dass das in Art. 21 Abs. 1 der Charta verankerte und durch die Richtlinie 2000/78 konkretisierte Diskriminierungsverbot auch die mittelbare „Mitdiskriminierung“ wegen einer Behinderung erfasst.

66 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2000/78, insbesondere ihr Art. 1 sowie ihr Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b, im Licht der Art. 21, 24 und 26 der Charta sowie der Art. 2, 5 und 7 des VN-Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung für einen Arbeitnehmer gilt, der nicht selbst behindert ist, sondern wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert.

Zur zweiten Frage

67 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird, im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2000/78, insbesondere ihr Art. 5, im Licht der Art. 24 und 26 der Charta sowie der Art. 2 und 7 des VN-Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass ein Arbeitgeber, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und des in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Verbots der mittelbaren Diskriminierung zu gewährleisten, verpflichtet ist, angemessene Vorkehrungen im Sinne dieses Art. 5 gegenüber einem Arbeitnehmer zu treffen, der, ohne selbst behindert zu sein, seinem behinderten Kind die Unterstützung zukommen lässt, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert.

68 Nach Art. 5 der Richtlinie 2000/78 sind, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, angemessene Vorkehrungen zu treffen, was bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Belastung ist nicht unverhältnismäßig, wenn sie durch geltende Maßnahmen im Rahmen der Behindertenpolitik des Mitgliedstaats ausreichend kompensiert wird.

69 Zu der Frage, ob Art. 5 der Richtlinie 2000/78 auf einen Arbeitnehmer anwendbar ist, der, ohne selbst behindert zu sein, seinem behinderten Kind die Unterstützung zukommen lässt, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert, ist zwar darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den Rn. 39 und 42 des Urteils vom , Coleman (C‑303/06, EU:C:2008:415), entschieden hat, dass die Richtlinie 2000/78 eine Reihe von Bestimmungen, u.a. ihren Art. 5, enthält, die nur für Behinderte gelten.

70 In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, betraf das Vorabentscheidungsersuchen jedoch weder den Anwendungsbereich dieses Artikels noch die Frage, ob – wie in der vorliegenden Rechtssache – gegenüber einem Arbeitnehmer, der nicht selbst behindert ist, sondern sich um sein behindertes Kind kümmert, angemessene Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie getroffen werden müssen, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und des in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Verbots der mittelbaren Diskriminierung zu gewährleisten. Im Übrigen waren die Charta und das VN-Übereinkommen, in deren Licht die Richtlinie 2000/78 auszulegen ist, zum Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils nicht in Kraft getreten bzw. nicht von der Gemeinschaft genehmigt.

71 So ist im Hinblick auf eine mit der Charta vereinbare Auslegung von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 zunächst darauf hinzuweisen, dass die Art. 24 und 26 der Charta, wie oben in Rn. 58 ausgeführt, u.a. vorsehen, dass Kinder Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge haben, die für ihr Wohlergehen notwendig sind, bzw. dass die Union das Recht von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft anerkennt und achtet.

72 Das VN-Übereinkommen sieht in seinem Art. 2 Abs. 3 ausdrücklich vor, dass der Begriff der Diskriminierung aufgrund von Behinderung alle Formen der Diskriminierung umfasst, „einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen“. Nach Art. 2 Abs. 4 dieses Übereinkommens bedeutet „angemessene Vorkehrungen“ „notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können“. Wie der Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind die angemessenen Vorkehrungen, wie sie in diesem Art. 2 definiert sind, nicht auf die Bedürfnisse von Behinderten am Arbeitsplatz beschränkt. Solche Vorkehrungen müssen daher gegebenenfalls auch einem Arbeitnehmer gewährt werden, der einem Behinderten die Unterstützung zukommen lässt, durch die dieser im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert.

73 Nach Art. 7 Abs. 1 des VN-Übereinkommens treffen die Vertragsstaaten des Übereinkommens alle erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern „alle“ Menschenrechte und Grundfreiheiten „genießen“ können. In diesem Zusammenhang wird in Buchst. x der Präambel des VN-Übereinkommens ausdrücklich auf die Notwendigkeit Bezug genommen, Familien von Menschen mit Behinderungen zu unterstützen, um es den Familien zu ermöglichen, zum vollen und gleichberechtigten Genuss der Rechte der Menschen mit Behinderungen beizutragen. Daraus ergibt sich, dass der Arbeitnehmer in der Lage sein muss, seinem behinderten Kind die benötigte Unterstützung zukommen zu lassen, was die Verpflichtung des Arbeitgebers beinhaltet, die Arbeitsbedingungen dieses Arbeitnehmers anzupassen.

74 Ohne eine solche Verpflichtung würde außerdem dem oben in Rn. 66 genannten Verbot der mittelbaren „Mitdiskriminierung“ eines Arbeitnehmers, der seinem behinderten Kind die Unterstützung zukommen lässt, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert, ein großer Teil seiner praktischen Wirksamkeit genommen.

75 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass ein Arbeitgeber verpflichtet ist, gegenüber einem solchen Arbeitnehmer angemessene Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 im Licht der Art. 24 und 26 der Charta sowie von Art. 2 und Art. 7 Abs. 1 des VN-Übereinkommens zu treffen.

76 Hinsichtlich der Art der vom Arbeitgeber einer solchen Betreuungsperson geforderten angemessenen Vorkehrungen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Definition des Begriffs „angemessene Vorkehrungen“ nach Art. 5 der Richtlinie 2000/78 im Licht u.a. von Art. 2 des VN-Übereinkommens eine weite ist und dass die Verkürzung der Arbeitszeit eine der in diesem Art. 5 genannten Vorkehrungsmaßnahmen darstellen kann. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es auch eine solche Maßnahme darstellen, einen Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , HK Danmark, C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 64, sowie vom , HR Rail, C‑485/20, EU:C:2022:85, Rn. 43).

77 Daher müssen diese angemessenen Vorkehrungen, wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, es erlauben, das Arbeitsumfeld der Person mit Behinderung anzupassen, um ihr eine volle und wirksame Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, zu ermöglichen. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer nicht selbst behindert ist, sondern sich um sein behindertes Kind kümmert, müssen diese Maßnahmen zu demselben Zweck auch die Anpassung seines Arbeitsumfelds ermöglichen.

78 Art. 5 der Richtlinie 2000/78 verpflichtet den Arbeitgeber jedoch nicht, Maßnahmen zu ergreifen, die ihn unverhältnismäßig belasten würden. Aus dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich insoweit, dass bei der Prüfung der Frage, ob solche Maßnahmen den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten, insbesondere der mit ihnen verbundene finanzielle Aufwand sowie die Größe und die finanziellen Ressourcen der Organisation oder des Unternehmens sowie die Verfügbarkeit öffentlicher Mittel oder anderer Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden sollten. Außerdem setzt die Möglichkeit, eine Person mit Behinderung an einem anderen Arbeitsplatz zu verwenden, voraus, dass es zumindest eine freie Stelle gibt, die der betreffende Arbeitnehmer einnehmen kann (Urteil vom , Ca Na Negreta, C‑631/22, EU:C:2024:53, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79 Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, im Licht der vorstehenden Erwägungen und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Ausgangsverfahrens zu beurteilen, ob der Arbeitgeber von G. L. im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2000/78 unverhältnismäßig belastet worden wäre, wenn er ihrem Antrag, sie dauerhaft an einem bestimmten Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten einzusetzen, entsprochen hätte.

80 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2000/78, insbesondere ihr Art. 5, im Licht der Art. 24 und 26 der Charta sowie von Art. 2 und Art. 7 Abs. 1 des VN-Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass ein Arbeitgeber, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und des in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Verbots der mittelbaren Diskriminierung zu gewährleisten, verpflichtet ist, angemessene Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie gegenüber einem Arbeitnehmer zu treffen, der, ohne selbst behindert zu sein, seinem behinderten Kind die Unterstützung zukommen lässt, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert, sofern diese Vorkehrungen den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten.

Zur dritten Frage

81 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass die erste oder die zweite Frage bejaht werden sollte, vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, wie der Begriff „Betreuungsperson“ für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2000/78 auszulegen ist.

82 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, dass dieses Gericht die Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens, die ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung, von dem das vorlegende Gericht im Rahmen der in Art. 267 AEUV vorgesehenen Zusammenarbeit Kenntnis haben sollte, aufgeführt sind, sorgfältig beachtet (Beschluss vom , Talasca, C‑19/14, EU:C:2014:2049, Rn. 21, und Urteil vom , Toplofikatsia Sofia u.a., C‑208/20 und C‑256/20, EU:C:2021:719, Rn. 20 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Anforderungen sind außerdem in den Nrn. 13, 15 und 16 der Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2019, C 380, S. 1) angeführt, die nunmehr in den Nrn. 13, 15 und 16 der Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. C, C/2024/6008) enthalten sind.

83 So ist es – nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung – unerlässlich, dass die Vorlageentscheidung selbst eine Darstellung der Gründe enthält, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang angibt, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt. Wie in Art. 94 Buchst. a der Verfahrensordnung vorgesehen, ist es ebenfalls unerlässlich, dass die Vorlageentscheidung selbst zumindest eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen, enthält (Urteil vom , Rittinger u.a., C‑492/17, EU:C:2018:1019, Rn. 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

84 Im vorliegenden Fall fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof nach der Auslegung des Begriffs „Betreuungsperson“, der in der Richtlinie 2000/78 nicht vorgesehen ist, sondern, wie das vorlegende Gericht in seinem Ersuchen ausführt, sich aus dem nationalen Recht zu ergeben scheint.

85 Außerdem enthält die Vorlageentscheidung keine Erläuterung zu dem Zusammenhang, den das vorlegende Gericht zwischen den Klarstellungen, um die es den Gerichtshof im Rahmen seiner dritten Frage zu diesem Begriff „Betreuungsperson“ ersucht, und dem Ausgangsrechtsstreit herstellt.

86 Folglich ist die dritte Frage unzulässig.

Kosten

87 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1.

Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, insbesondere ihr Art. 1 sowie ihr Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b, ist im Licht der Art. 21, 24 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Art. 2, 5 und 7 des am in New York geschlossenen und mit dem Beschluss 2010/48/EG des Rates vom im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

dahin auszulegen, dass

das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung für einen Arbeitnehmer gilt, der nicht selbst behindert ist, sondern wegen der Unterstützung seines behinderten Kindes diskriminiert wird, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert.

2.

Die Richtlinie 2000/78, insbesondere ihr Art. 5, ist im Licht der Art. 24 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie von Art. 2 und Art. 7 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

dahin auszulegen, dass

ein Arbeitgeber, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und des in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehenen Verbots der mittelbaren Diskriminierung zu gewährleisten, verpflichtet ist, angemessene Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 dieser Richtlinie gegenüber einem Arbeitnehmer zu treffen, der, ohne selbst behindert zu sein, seinem behinderten Kind die Unterstützung zukommen lässt, durch die es im Wesentlichen die Pflegeleistungen erhält, die sein Zustand erfordert, sofern diese Vorkehrungen den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:690

Fundstelle(n):
RAAAJ-99657