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BVerfG Urteil v. - 2 BvR 885/25

Erfolgreicher Eilantrag eines jordanischen Kleinkindes auf Gestattung der Einreise - Folgenabwägung

Gesetze: Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 5 Abs 4 S 1 AufenthG 2004, § 54 Abs 1 Nr 2 AufenthG 2004, § 54 Abs 1 Nr 4 AufenthG 2004

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: 3 S 8/25 Beschlussvorgehend Az: 8 L 259/24 V Beschluss

Gründe

11. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

2Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, welche der Beschwerdeführer für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Hoheitsakte anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 76, 253 <255>).

32. Die Verfassungsbeschwerde erscheint - trotz bestehender Bedenken - weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Denn möglicherweise haben das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht die Bedeutung des Grundrechts auf Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG) für die Frage, ob dem Beschwerdeführer der Aufenthalt in Deutschland jedenfalls bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Aufenthaltsstatus seiner Eltern zu gestatten ist, nicht hinreichend erfasst und - auch im Hinblick auf die weiterhin unabsehbare Dauer der aufenthaltsrechtlichen Verwaltungsverfahren der Eltern - berücksichtigt. Ohne Relevanz in diesem Zusammenhang sind hingegen sowohl der Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst zunächst und offensichtlich versehentlich im Bescheid der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland mit Versagungsgründen im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2, 4 AufenthG in Verbindung gebracht worden ist, als auch die Frage, wie die behaupteten Aktivitäten der Eltern für die Vereinigung Samidoun zu bewerten sind.

43. Die danach gebotene Abwägung führt zum Erlass der einstweiligen Anordnung. Denn durch die fortdauernde Verweigerung der Einreise wird der Beschwerdeführer angesichts seines Alters von noch nicht einmal zwei Jahren erheblichen, nicht kompensierbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt, während sein Aufenthalt in Deutschland auf den Zeitraum bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Aufenthaltsstatus seiner Eltern begrenzt wäre.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250805.2bvr088525

Fundstelle(n):
UAAAJ-97660