Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit – Wanderarbeitnehmer – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 3 – Sachlicher Geltungsbereich – Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Art. 45 AEUV – Verordnung (EU) Nr. 492/2011 – Art. 7 – Gleichbehandlung – Soziale Vergünstigungen – Behindertes Kind eines Grenzgängers – Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder – Voraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthalts – Verhältnismäßigkeit
Leitsatz
Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
eine Leistung wie die im Sozialgesetzbuch Neuntes Buch vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder nicht in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 988/2009 geänderten Fassung fällt, da die Gewährung dieser Leistung nicht von der Erfüllung objektiver Voraussetzungen abhängt, sondern auf einer individuellen Beurteilung der Bedürfnisse der betreffenden Person durch die zuständige nationale Behörde beruht.
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Gewährung einer Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für das behinderte Kind eines Grenzgängers, der Unionsbürger ist, von einem gewöhnlichen Aufenthalt dieses Kindes im Inland abhängig macht, da eine solche Voraussetzung über das hinausgeht, was zur Erreichung der mit dieser Regelung verfolgten Ziele erforderlich ist.
Gesetze: AEUV Art. 20, AEUV Art. 21 Abs. 1, AEUV Art. 45, VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 3, VO (EU) Nr. 492/2011 Art. 7
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. 2009, L 284, S. 43) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004), von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) sowie von Art. 20 AEUV und Art. 21 Abs. 1 AEUV.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen PE, einem minderjährigen Kind, das von seinen Eltern vertreten wird, und der Städteregion Aachen (Deutschland) wegen der Weigerung, PE eine Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 883/2004
3 Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich“) in Titel I („Allgemeine Bestimmungen“) der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:
„(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:
Leistungen bei Krankheit;
…
(3) Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.
…
(5) Diese Verordnung gilt nicht für
soziale und medizinische Fürsorge …
…“
4 Art. 70 („Allgemeine Vorschrift“) in Titel III („Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen“) Kapitel 9 („Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“) der Verordnung Nr. 883/2004 sieht in Abs. 2 Buchst. c vor:
„Für die Zwecke dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck ‚besondere beitragsunabhängige Geldleistungen‘ die Leistungen:
…
die in Anhang X aufgeführt sind.“
5 In Anhang X dieser Verordnung heißt es unter der Überschrift „Deutschland“:
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitssuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) erfüllt sind.“
Verordnung Nr. 492/2011
6 Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 492/2011 sieht vor:
„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.
(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.“
Deutsches Recht
7 Das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch („Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: SGB IX) regelt die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder.
8 § 101 Abs. 1 SGB IX lautet:
„Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, erhalten keine Leistungen der Eingliederungshilfe. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus folgenden Gründen nicht möglich ist:
Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss,
längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit
oder
hoheitliche Gewalt.“
9 § 104 Abs. 1 SGB IX bestimmt:
„Die Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmen sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen, dem Sozialraum und den eigenen Kräften und Mitteln …“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
10 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine 2009 in Deutschland geborene deutsche und irische Staatsangehörige, lebt mit ihren Eltern in Belgien in der Nähe der deutschen Grenze. Ihre Mutter besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und arbeitet als angestellte Ärztin in Vollzeit in Aachen (Deutschland). Ihr Vater ist irischer Staatsangehöriger und war EU-Beamter mit Einsatzort in Maastricht (Niederlande).
11 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist geistig behindert und pflegebedürftig. Nachdem sie eine Förderschule in Eupen (Belgien) besucht hatte, besucht sie seit dem Schuljahr 2017/2018 inklusive Schulen in Aachen. Auf ihren Antrag gewährte ihr die Städteregion Aachen gemäß den Bestimmungen des SGB IX Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder für die Schuljahre 2017/2018 bis 2020/2021 und übernahm die Kosten für eine Schulassistenz im Umfang von zunächst 15 Stunden, dann 35 Stunden pro Woche.
12 Mit Bescheid vom lehnte die Städteregion Aachen einen Antrag auf Gewährung dieser Eingliederungshilfe für das Schuljahr 2021/2022 mit der Begründung ab, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien habe, die aus § 101 Abs. 1 SGB IX folgende Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht erfülle. Mit Bescheid vom wies diese Behörde den Widerspruch der Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen den ursprünglichen ablehnenden Bescheid aus demselben Grund zurück.
13 Ebenfalls aus diesem Grund wies das Sozialgericht Aachen (Deutschland) mit Urteil vom die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens, vertreten durch ihre Eltern, gegen diese Bescheide erhobene Klage ab. Nach Ansicht dieses Gerichts kann der Anspruch auf Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder nach dem SGB IX auch nicht auf das Unionsrecht gestützt werden, da die Eingliederungshilfe nicht zu den „Leistungen bei Krankheit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 gehöre und Art. 3 Abs. 5 Buchst. a dieser Verordnung ausdrücklich bestimme, dass sie nicht für die „soziale und medizinische Fürsorge“ gelte.
14 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, vertreten durch ihre Eltern, legte beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein und beantragte, das Urteil des Sozialgerichts Aachen zu ändern und die Städteregion Aachen unter Abänderung des Bescheids vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu verurteilen, ihr die für die Inanspruchnahme einer Schulassistenz im Zeitraum vom bis zum entstandenen Kosten in Höhe von 12.782,32 Euro zu erstatten, nachdem die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens die Kosten für die Schulbegleitung für den Zeitraum vom bis zum aus Kulanz übernommen hatte.
15 Das vorlegende Gericht stellt fest, dass die bei ihm anhängige Berufung nach nationalem Recht unbegründet sei. Es fragt sich jedoch, ob das nationale Recht insoweit mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
16 Erstens fragt sich das vorlegende Gericht, ob die vorliegende Rechtssache in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fällt. Als Leistung zur Teilhabe an Bildung in Gestalt einer Schulassistenz für behinderte Kinder scheine die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Eingliederungshilfe keine Leistung der sozialen Sicherheit zu sein, die in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung falle, da sie nicht von objektiven Voraussetzungen wie insbesondere dem Grad der Behinderung abhängig sei und entsprechend dem persönlichen Bedarf des Betroffenen auf der Grundlage einer individuellen Prüfung dieses Bedarfs durch die zuständige nationale Behörde gewährt werde.
17 Außerdem sei zweifelhaft, ob die im SGB IX vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder als „Leistung bei Krankheit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 eingestuft werden könne, da der Begriff „Krankheit“ in seiner üblichen Bedeutung eine vorübergehende Beeinträchtigung des Gesundheitszustands impliziere, während diese Eingliederungshilfe bezwecke, den Berechtigten eine ihren Fähigkeiten und Leistungen entsprechende Bildung zu ermöglichen und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern.
18 Die im SGB IX vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder scheine daher eher unter den Begriff „soziale Fürsorge“ zu fallen, der nach Art. 3 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich vom sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sei. Diese Eingliederungshilfe stehe nämlich in keinem Zusammenhang mit einem der in Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung bezeichneten Risiken. Außerdem spielten Berufstätigkeits‑, Beitrags- oder Mitgliedschaftszeiten für die Anspruchsentstehung der Eingliederungshilfe, die einzelfallorientiert und nachrangig erbracht werde, keine Rolle. Bei der Eingliederungshilfe handele es sich auch nicht um eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung gemäß Art. 70 dieser Verordnung, weil sie in deren Anhang X nicht enthalten sei.
19 Zweitens hält es das vorlegende Gericht für erforderlich, die Frage zu klären, ob der im SGB IX vorgesehene Ausschluss eines Unionsbürgers von der Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 vereinbar sei, wonach jeder Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sei, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleichen sozialen Vergünstigungen habe wie die inländischen Arbeitnehmer. Da die Mutter der Klägerin des Ausgangsverfahrens von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe, sei sie berechtigt, sich gegenüber dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitze, auf diese Bestimmung zu berufen. Der Gerichtshof habe sich jedoch noch nicht zu der Frage geäußert, ob eine Eingliederungshilfe in Gestalt von Assistenzleistungen für den Schulbesuch des behinderten Kindes eines Grenzgängers eine „soziale Vergünstigung“ im Sinne dieser Bestimmung darstelle. Die weite Auslegung des Begriffs „soziale Vergünstigung“ könnte dafür sprechen, die Eingliederungshilfe darunter zu subsumieren. Die vom SGB IX statuierte Voraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthalts, um in den Genuss von Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder zu kommen, könnte somit eine mittelbare Diskriminierung darstellen, da sie sich ihrem Wesen nach eher auf Grenzgänger als auf inländische Arbeitnehmer auswirken könne.
20 Zur Rechtfertigung einer solchen Beschränkung führt das vorlegende Gericht aus, dass die Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen legitimen Zweck des Allgemeininteresses für den Leistungsausschluss von Gebietsfremden darstellen könne. Insoweit ermöglichten es die bestehenden Härtefallausnahmen im SGB IX, die im Wesentlichen an eine wahrscheinliche Leistungserbringung im Aufenthaltsstaat geknüpft seien, ungerechtfertigte Diskriminierungen auszuschließen. Im Übrigen ließe sich die Ansicht vertreten, dass das in Art. 18 AEUV in allgemeiner Weise niedergelegte Diskriminierungsverbot für soziale Fürsorgeleistungen in Art. 3 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 konkretisiert worden sein könne, was es rechtfertige, dass die in Rede stehende Eingliederungshilfe an Personen ohne Wohnsitz im Inland nicht gewährt werden könne. Der Leistungsausschluss bekräftige auch den völkerrechtlich fundierten Territorialitätsgrundsatz, nach dem aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistungen nur an Personen mit Wohnsitz im eigenen Hoheitsgebiet zu gewähren seien.
21 Es sei jedoch fraglich, ob der im SGB IX vorgesehene Leistungsausschluss Gebietsfremder von der Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder zur zweckgerechten Verwendung von Steuermitteln tatsächlich erforderlich sei. Insbesondere sei unklar, inwieweit die Bundesrepublik Deutschland durch diesen Ausschluss, der infolge einer Verschärfung der Regelung am eingeführt worden sei, tatsächlich Ausgaben spare. Außerdem seien gebietsfremde deutsche Staatsangehörige aufgrund dieses Ausschlusses potenziell gezwungen, nach Deutschland zurückzukehren, was für diesen Mitgliedstaat eine Steigerung der Kosten auslöse. Soweit der nationale Gesetzgeber mit dieser Verschärfung die missbräuchliche Inanspruchnahme der Eingliederungshilfe habe reduzieren wollen, erscheine auch dieser Zweck – gerade unter dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – zweifelhaft. Die Gefahr eines Missbrauchs bestehe nämlich bei den in Deutschland erbrachten Sachleistungen nicht. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens rechtsmissbräuchlich gehandelt habe, indem sie die Voraussetzungen für den Erhalt der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 genannten sozialen Vergünstigungen willkürlich herbeigeführt habe. Soweit der Zweck des Ausschlusses Gebietsfremder schließlich darin bestehe, die zuständigen nationalen Behörden von einer umständlichen Prüfung der Voraussetzungen gegenüber gebietsfremden deutschen Staatsangehörigen zu befreien, bleibe ihre Erforderlichkeit fragwürdig, da die Leistungen im deutschen Hoheitsgebiet erbracht würden.
22 Drittens fragt sich das vorlegende Gericht, ob der Ausschluss von Gebietsfremden von der Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder eine sachlich gerechtfertigte Beschränkung der Rechte der Unionsbürger aus Art. 20 AEUV und Art. 21 Abs. 1 AEUV darstelle. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens werde nämlich allein deshalb benachteiligt, weil sie sich entschieden habe, von ihrer Freizügigkeit Gebrauch zu machen, indem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien genommen habe.
23 Unter diesen Umständen hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen, dass die Eingliederungshilfe nach dem SGB IX in Gestalt von Schulassistenzleistungen eine Leistung im Sinne dieses Art. 3 darstellt und daher in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt?
Wenn Frage 1 verneint wird:
Ist Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen, dass er einer Vorschrift des nationalen Rechts entgegensteht, die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX in Gestalt von Schulassistenzleistungen von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland abhängig macht?
Liegt eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des Rechts der Unionsbürger gemäß Art. 20 AEUV und Art. 21 Abs. 1 AEUV vor, wenn die Gewährung der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX in Gestalt von Schulassistenzleistungen für Unionsbürger versagt wird, die ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen (grenznahen) Mitgliedstaat haben, die Sachleistung aber im Aufenthaltsstaat erbracht wird?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
24 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass eine Leistung wie die im SGB IX vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt.
25 Zur Beantwortung dieser Frage ist erstens zu prüfen, ob eine solche Eingliederungshilfe eine Leistung der „sozialen Sicherheit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung darstellt.
26 Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 erfasst sind, und solchen, die von ihm ausgeschlossen sind, im Wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird (Urteil vom , Sozialministeriumservice, C‑116/23, EU:C:2024:292, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27 Somit kann eine Leistung als Leistung der sozialen Sicherheit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 angesehen werden, wenn sie erstens den Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürftigkeit gewährt wird und sich zweitens auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht. Diese beiden Voraussetzungen sind kumulativ (Urteil vom , Sozialministeriumservice, C‑116/23, EU:C:2024:292, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Die erste in der vorstehenden Randnummer genannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn eine Leistung nach objektiven Kriterien gewährt wird, deren Vorliegen den Anspruch auf die Leistung eröffnet, ohne dass die zuständige Behörde andere persönliche Umstände berücksichtigen kann (Urteil vom , Sozialministeriumservice, C‑116/23, EU:C:2024:292, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die im SGB IX vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder nicht von der Erfüllung objektiver Voraussetzungen abhängt, etwa von einem genauen Prozentsatz oder Grad einer Beschädigung oder Behinderung, sondern von der zuständigen nationalen Behörde gemäß § 104 Abs. 1 SGB IX entsprechend dem persönlichen Bedarf des Betroffenen auf der Grundlage einer individuellen, im Ermessen liegenden Prüfung seiner Situation durch diese Behörde gewährt wird.
30 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die im SGB IX vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder die erste der beiden in Rn. 27 des vorliegenden Urteils genannten kumulativen Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass sie keine Leistung der „sozialen Sicherheit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 darstellt.
31 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 3 dieser Verordnung ihren Geltungsbereich auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen gemäß Art. 70 der Verordnung erstreckt. Unter diesen Umständen ist zweitens zu prüfen, ob die im SGB IX vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder eine solche Leistung darstellt.
32 Insoweit genügt die Feststellung, dass bereits aus dem Wortlaut von Art. 70 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 883/2004 hervorgeht, dass unter besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen ausschließlich die in Anhang X dieser Verordnung aufgeführten Leistungen verstanden werden. Die im SGB IX vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder ist indessen in diesem Anhang nicht aufgeführt. Sie stellt daher keine derartige Leistung dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Caisse d’assurance retraite et de la santé au travail d’Alsace-Moselle, C‑769/18, EU:C:2020:203, Rn. 35).
33 Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass eine Leistung wie die im SGB IX vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder nicht in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt, da die Gewährung dieser Leistung nicht von der Erfüllung objektiver Voraussetzungen abhängt, sondern auf einer individuellen Beurteilung der Bedürfnisse der betreffenden Person durch die zuständige nationale Behörde beruht.
Zur zweiten Frage
34 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Gewährung einer Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für das behinderte Kind eines Grenzgängers, der Unionsbürger ist, von einem gewöhnlichen Aufenthalt dieses Kindes im Inland abhängig macht.
35 Zur Beantwortung dieser Frage ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass jeder Unionsbürger, der vom Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch macht und in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnsitzstaat eine Berufstätigkeit ausübt, unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV, den die Verordnung Nr. 492/2011 konkretisieren soll, fällt (Urteil vom , PF , C‑830/18, EU:C:2020:275, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Somit kommt diese Verordnung gleichermaßen sowohl den in einem Aufnahmemitgliedstaat wohnhaften Wanderarbeitnehmern als auch Grenzgängern zugute, die ihre unselbständige Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat ausüben, aber in einem anderen Mitgliedstaat wohnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Thermalhotel Fontana, C‑411/22, EU:C:2023:490, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
37 Im vorliegenden Fall ist die Mutter der Klägerin des Ausgangsverfahrens eine deutsche Staatsangehörige, die in Deutschland arbeitet, aber in Belgien wohnt.
38 Da sie von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat, ist eine solche Grenzgängerin daher berechtigt, sich gegenüber dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, auf die Verordnung Nr. 492/2011 und insbesondere auf deren Art. 7 Abs. 2 zu berufen, in dem der Grundsatz der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in Bezug auf „soziale Vergünstigungen“ im Sinne dieser Bestimmung verankert ist. Die Familienangehörigen einer solchen Grenzgängerin sind mittelbare Nutznießer dieser Gleichbehandlung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , PF , C‑830/18, EU:C:2020:275, Rn. 25 und 26 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Als Zweites ist zum Begriff „soziale Vergünstigungen“ im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 anzumerken, dass er nach ständiger Rechtsprechung alle Vergünstigungen umfasst, die – ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht – den inländischen Arbeitnehmern im Allgemeinen einfach wegen ihres Wohnorts im Inland gewährt werden und deren Erstreckung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, als geeignet erscheint, deren Mobilität zu erleichtern. Dieser Begriff der sozialen Vergünstigung darf nicht eng ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Sozialministeriumservice, C‑116/23, EU:C:2024:292, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Somit sind Sozialleistungen, die dem Kind eines Wanderarbeitnehmers gewährt werden, der für den Unterhalt des Kindes aufkommt, soziale Vergünstigungen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Deak, 94/84, EU:C:1985:264, Rn. 24, vom , Lebon, 316/85, EU:C:1987:302, Rn. 13, und vom , Giersch , C‑20/12, EU:C:2013:411, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Daraus folgt, dass eine Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder, wie sie im SGB IX vorgesehen ist, eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 darstellt.
42 Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung eine besondere Ausprägung des in Art. 45 AEUV enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf dem spezifischen Gebiet der Gewährung sozialer Vergünstigungen und daher ebenso wie Art. 45 AEUV auszulegen ist (Urteil vom , PF , C‑830/18, EU:C:2020:275, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43 Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen (Urteil vom , PF , C‑830/18, EU:C:2020:275, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Ein Erfordernis des gewöhnlichen Aufenthalts wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, von dem die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats die Gewährung der Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder abhängig machen, ist indessen seinem Wesen nach geeignet, Grenzgänger, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, zu benachteiligen, so dass es eine mittelbare Diskriminierung darstellt, die unter Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , PF , C‑830/18, EU:C:2020:275, Rn. 31 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Daher stellt eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die bestimmte Arbeitnehmer allein deshalb benachteiligt, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat haben, eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV dar, da sie, auch wenn sie unterschiedslos anwendbar ist, insbesondere Staatsangehörige eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten kann, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um ihr Recht auf Freizügigkeit auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , PF , C‑830/18, EU:C:2020:275, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine solche Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nur zulässig, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist. Dafür muss sie geeignet sein, die Verwirklichung eines legitimen Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Caves Krier Frères, C‑379/11, EU:C:2012:798, Rn. 48, und vom , PF , C‑830/18, EU:C:2020:275, Rn. 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
47 Im vorliegenden Fall macht die deutsche Regierung geltend, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erfordernis eines gewöhnlichen Aufenthalts durch das Ziel gerechtfertigt sei, zum einen eine tatsächliche Verbindung zwischen demjenigen, der Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder beantrage, und dem die Eingliederungshilfe gewährenden Mitgliedstaat und zum anderen das finanzielle Gleichgewicht des nationalen Systems der sozialen Sicherheit zu gewährleisten.
48 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die mit einer nationalen Regelung verfolgten Ziele, eine tatsächliche Verbindung zwischen demjenigen, der Sozialleistungen beantragt, und dem zuständigen Mitgliedstaat herzustellen sowie das finanzielle Gleichgewicht des nationalen Systems der sozialen Sicherheit zu wahren, zwar grundsätzlich legitim sind und Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , A [Hilfe für eine schwerbehinderte Person], C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Ein Erfordernis des gewöhnlichen Aufenthalts wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende geht aber über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinaus. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen nämlich Grenzgängern, da sie durch die Steuern und Sozialabgaben, die sie im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund der dort von ihnen ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit entrichten, zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen dieses Staats beitragen, insbesondere die sozialen Vergünstigungen unter den gleichen Bedingungen zugutekommen können wie gebietsansässigen Arbeitnehmern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Hocinx, C‑27/23, EU:C:2024:404, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Insoweit besteht zwischen demjenigen, der Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder beantragt, und dem zuständigen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichende Verbindung, die es dem zuständigen Mitgliedstaat ermöglicht, sich zu vergewissern, dass die Auszahlung dieser Leistung keine unangemessene wirtschaftliche Belastung zur Folge hat (vgl. entsprechend Urteil vom , A [Hilfe für eine schwerbehinderte Person], C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).
51 Soweit die deutsche Regierung im Übrigen auf die Notwendigkeit hinweist, das soziale Umfeld der behinderten Person zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Eingliederungshilfe genau den spezifischen individuellen Bedürfnissen der behinderten Person entspricht, und um damit die Wirksamkeit und die Auswirkungen der Eingliederungshilfe überprüfen zu können, genügt der Hinweis, dass aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass es sich dabei um eine Sachleistung handelt, die im deutschen Hoheitsgebiet im Rahmen des Schulbesuchs des behinderten Kindes erbracht wird, so dass die deutschen Behörden durchaus in der Lage sind, alle für eine solche Individualisierung erforderlichen Kontrollen durchzuführen, auch wenn das Kind und seine Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat haben. Im Übrigen erläutert die deutsche Regierung jedenfalls nicht, inwiefern der Aufenthalt im Inland für die Individualisierung einer solchen Sachleistung erforderlich sein soll.
52 Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Gewährung einer Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für das behinderte Kind eines Grenzgängers, der Unionsbürger ist, von einem gewöhnlichen Aufenthalt dieses Kindes im Inland abhängig macht, da eine solche Voraussetzung über das hinausgeht, was zur Erreichung der mit dieser Regelung verfolgten Ziele erforderlich ist.
Zur dritten Frage
53 In Anbetracht der Antwort auf die zweite Frage ist die dritte Frage nicht zu beantworten.
Kosten
54 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
eine Leistung wie die im Sozialgesetzbuch Neuntes Buch vorgesehene Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für behinderte Kinder nicht in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 988/2009 geänderten Fassung fällt, da die Gewährung dieser Leistung nicht von der Erfüllung objektiver Voraussetzungen abhängt, sondern auf einer individuellen Beurteilung der Bedürfnisse der betreffenden Person durch die zuständige nationale Behörde beruht.
Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Gewährung einer Eingliederungshilfe in Gestalt von Schulassistenzleistungen für das behinderte Kind eines Grenzgängers, der Unionsbürger ist, von einem gewöhnlichen Aufenthalt dieses Kindes im Inland abhängig macht, da eine solche Voraussetzung über das hinausgeht, was zur Erreichung der mit dieser Regelung verfolgten Ziele erforderlich ist.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:567
Fundstelle(n):
BAAAJ-96142