Warum das Image täuschen kann
Zum Einstieg eine Frage in die Runde: Was haben Volks- und Raiffeisenbanken, die DATEV und die REWE Group gemeinsam? Dass es nicht dieselbe Branche ist, dürfte auf den ersten Blick klar sein. Und dass alle drei Unternehmen sind, stimmt natürlich, ist aber als Antwort zu trivial. Vielleicht haben Sie es ja auch schon auf den ersten Blick erkannt. Für alle anderen gibt es die Auflösung: Die drei genannten Unternehmen sind eingetragene Genossenschaften!
Auch wenn der Grundgedanke einer Genossenschaft – die Kräfte bündeln, um gemeinsam etwas zu bewegen, als Hilfe zur Selbsthilfe – durchaus löblich ist, haben Genossenschaften ein überwiegend „antiquitiertes“ Image. Das hat mehrere Gründe: Viele Genossenschaften wurden im 19. und 20. Jahrhundert gegründet und gelten daher oft als „Traditionsbetriebe“ – also quasi das Gegenteil von agilen Start-ups. Da ein demokratischer Konsens gefunden werden muss, passen auch die etwas längeren Entscheidungswege nicht ins Bild eines modernen Unternehmens. Zudem fristet die Öffentlichkeitsarbeit häufig ein Schattendasein. Und wenn doch mal was nach außen dringt, wirken Begriffe wie „Mitgliederbeschluss“ oder „Genossenschaftsanteil“ auf viele Außenstehende eher bürokratisch und trocken. Es lassen sich sicherlich noch mehr Gründe aufführen.
Was viele aber nicht wissen: Mittlerweile gibt es zunehmend Beispiele für moderne, innovative Genossenschaften, die dieses Image aufbrechen. Drei Beispiele gefällig? KoLa (Kooperative Landwirtschaft) Leipzig eG betreibt Bio-Gemüseanbau auf etwa 35 ha Land und kann damit bis zu 2.000 Haushalte versorgen, Mitglieder erhalten Anteile der Ernte. Die Dachgenossenschaft Bürgerwerke eG setzt sich für die Energiewende ein, vereint über 125 lokale Energiegenossenschaften und vermarktet Bürgerstrom. Ziel der SMartDe eG ist es, die Lebensqualität von Selbständigen langfristig zu steigern, u. a. indem Selbständigen durch eine Kombination von Selbständigkeit und Anstellung administrative Arbeit abgenommen wird. Bereits diese wenigen Beispiele lassen erahnen, dass die Genossenschaft für viele Gründungsinteressierte aus unterschiedlichsten Branchen eine interessante Rechtsform sein kann. Für welche Mandanten sie sich besonders eignet, erläutert Björn Erhard in seinem Beitrag „Genossenschaft – eine Rechtsform mit viel Potenzial“ ab .
Halten wir fest: Viele Genossenschaften funktionieren, doch die Rechtsform bleibt oft unter dem Radar. Das hat auch die Bundesregierung auf den Plan gerufen. Mit dem am veröffentlichten Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform“ möchte sie das Genossenschaftsrecht modernisieren. Ziel ist u. a., die Gründung von Genossenschaften zu beschleunigen. Zudem soll es zukünftig digitale Sitzungen und Beschlussfassungen geben.
Vielleicht lautet die Antwort auf die eingangs gestellte Frage demnächst: „Sie sind moderne, digitale Unternehmen“. So schnell wird es nicht gehen, aber die Weichen für die Zukunft werden gerade gestellt.
Beste Grüße
Heiko Lucius
Fundstelle(n):
NWB-BB 8/2025 Seite 229
DAAAJ-96043