Instanzenzug: LG Paderborn Az: 5 T 59/22vorgehend AG Paderborn Az: 11 XIV (B) 40/22
Gründe
1Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
21. Entgegen der Rechtsbeschwerde liegt der Haftverlängerung ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde zugrunde. Es fehlt nicht an einer Darlegung der zweifelsfreien Ausreisepflicht des Betroffenen. Die beteiligte Behörde hat die tatsächlichen Umstände, die nach ihrer Auffassung die Ausreisepflicht begründen, hinreichend detailliert dargestellt. Ob sich aus den dargestellten Umständen tatsächlich eine zweifelsfreie Ausreisepflicht ergibt, ist keine Frage der Zulässigkeit des Haftantrags, sondern der Begründetheit. Die Darlegungen der beteiligten Behörde sind auch nicht widersprüchlich, soweit auf die gegen die Ablehnung des Asylantrags erhobene Klage und den Eilrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht hingewiesen wird. Die gegen die Ablehnung des Asylantrags erhobene Klage hat gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG hindert nach § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG den Vollzug der angedrohten Abschiebung (Vollzugshemmung) und nicht deren Vollziehbarkeit (, BVerwGE 167, 383 Rn. 39).
32. Der Betroffene war nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts, die auf die Ausführungen im Haftverlängerungsantrag Bezug nehmen, kraft Gesetzes wegen unerlaubter Einreise gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Er ist entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot eingereist. Der aus der Haft heraus gestellte Asylantrag, der ein vorrübergehendes Aufenthaltsrecht begründet, steht gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylG in der bis zum geltenden Fassung der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen. Dem Betroffenen wurde die Abschiebung im Bescheid vom vor der Verlängerung der Haft am auch angedroht und damit angekündigt (zum Erfordernis der Androhung im Fall unerlaubter Einreise: BGH, Beschlüsse vom - V ZB 39/15, juris Rn. 5; vom - XIII ZB 3/21, juris Rn. 19). Da sich der Betroffene in Haft befand, bedurfte es gemäß § 59 Abs. 5, § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG in der Fassung vom keiner Fristsetzung.
43. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot. Ein Verstoß liegt nicht darin, dass die beteiligte Behörde im Dezember 2021 davon ausging, der Betroffene müsse zur Ausstellung eines Passersatzpapiers dem türkischen Generalkonsulat vorgeführt werden, und deshalb keine frühere Abschiebung plante. Entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde lässt sich der E-Mail der Zentralen Ausländerbehörde vom nicht eindeutig entnehmen, dass eine solche Vorführung entbehrlich war. Erst aus dem Aktenvermerk vom ergibt sich, dass es nach Rücksprache mit der zentralen Ausländerbehörde einer erneuten Vorführung nicht bedurfte. Damit unterlag es im Dezember 2021 noch dem organisatorischen Spielraum der beteiligten Behörde, bei der Planung der Abschiebung von einer etwaig erforderlichen Vorführung beim türkischen Generalkonsulat zur Ausstellung von Passersatzpapieren auszugehen.
54. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Amtsgericht nicht verpflichtet, die Ehefrau des Betroffenen an dem Verfahren zu beteiligen und anzuhören. Die Beteiligung des Ehegatten des Betroffenen an dem Freiheitsentziehungsverfahren steht nach § 418 Abs. 3 Nr. 1 FamFG im Ermessen des Gerichts. Zwingende Gründe, die eine Beteiligung der Ehefrau des Betroffenen geboten hätten oder sonstige Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 9/10, InfAuslR 2010, 384 Rn. 17; vom - V ZB 127/10, juris Rn. 17; anders zur früheren Rechtslage aufgrund der gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 FrhEntzG zwingend vorgeschriebenen Anhörung des Ehegatten: , BVerfGK 18, 125 Rn. 28). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war die Anhörung nicht zur Beurteilung der Fluchtgefahr unbedingt erforderlich. Das Amtsgericht hat ausgeführt, es sei aktenkundig, dass der Betroffene zu einer freiwilligen Ausreise nicht bereit sei. Das ist vor dem Hintergrund, dass er einen gegenüber der Ausländerbehörde für den zugesicherten freiwilligen Rückreiseflug nicht wahrgenommen und vor seiner Festnahme am versucht hatte, vor der Polizei zu flüchten, nicht zu beanstanden.
65. Schließlich greift auch die Rüge der Rechtsbeschwerde nicht durch, es fehle zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an der gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG 2022 erforderlichen Prognose der Durchführbarkeit der Abschiebung binnen drei Monaten.
7a) Das Beschwerdegericht konnte davon ausgehen, dass bis zum Ablauf der Dreimonatsfrist das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz entschieden haben wird. Der Eilantrag ist am beim Verwaltungsgericht eingegangen. Nach § 36 Abs. 3 Satz 5 und 6 AsylG soll das Gericht über den Eilantrag grundsätzlich binnen einer Woche nach Ablauf der einwöchigen Ausreisefrist entscheiden, wobei die Frist verlängert werden kann. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Beschwerdegericht Bezug nimmt, konnte prognostisch davon ausgegangen werden, dass das Verfahren bis zum abgeschlossen sein wird. Eine ausdrückliche Nachfrage beim Verwaltungsgericht war entbehrlich, weil die vom Amtsgericht angeordnete Haft ohnehin nur bis zum , dem Folgetag der Entscheidung des Beschwerdegerichts, andauern sollte. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, dass das Einholen einer Auskunft des Verwaltungsgerichts die Haftzeit hätte verkürzen können.
8b) Selbst wenn man von einem Prognosemangel ausgehen wollte, hätte sich dieser nicht ausgewirkt (vgl. BGH, vom - XIII ZB 24/21, juris Rn. 9 mwN). Der Betroffene ist am wie nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts am geplant abgeschoben worden. Das ergibt sich aus der Entlassungsmitteilung der Unterbringungseinrichtung vom . Es ist nicht von Amts wegen weiter aufzuklären, ob - wie die Rechtsbeschwerde ohne Begründung behauptet - die Abschiebung rechtswidrig durchgeführt wurde, ohne die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuwarten. Dafür hätten konkrete Anhaltspunkte dargelegt werden müssen, was nicht erfolgt ist. Der Umstand, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bis zum nicht zu den Gerichts- und Ausländerakten gelangt ist, genügt dafür nicht.
96. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswerts aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:170625BXIIIZB26.22.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-95155