Verfassungswidrigkeit des § 110 Abs 6 S 2, S 3 des Berliner Hochschulgesetzes idF vom (obligatorische "Anschlusszusage" bei befristeter Beschäftigung von wissenschaftlichem Personal auf Qualifikationsstellen) - fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landes bei erschöpfender bundesgesetzlicher Regelung im Bereich des Arbeitsrechts (Art 74 Abs 1 Nr 12 GG) durch § 2 Abs 1 S 2 WissZeitVG
Leitsatz
1. Dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfallen auch Personalentscheidungen in Angelegenheiten der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Förderung des akademischen Nachwuchses.
2. Der Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für das "Arbeitsrecht" begründet eine umfassende Gesetzgebungskompetenz für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die sich jedenfalls insoweit auch auf die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst Beschäftigten erstreckt, als es um die Dauer und Beendigung von Arbeitsverhältnissen geht.
Gesetze: Art 5 Abs 3 S 1 GG, Art 72 Abs 1 GG, Art 74 Abs 1 Nr 12 GG, §§ 57aff HRG, § 57a HRG, § 110 Abs 6 S 2 HSchulG BE vom , § 110 Abs 6 S 3 HSchulG BE vom , § 2 Abs 1 S 2 WissZeitVG
Gründe
A.
1 Die Beschwerdeführerin, eine staatliche Hochschule des Landes Berlin, wendet sich unmittelbar gegen § 110 Abs. 6 Satz 2 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz - BerlHG)in der Fassung des am in Kraft getretenen Gesetzes zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts vom (GVBl Berlin S. 450). Die angegriffene landesrechtliche Regelung verpflichtet die Hochschulen des Landes Berlin dazu, allen befristet auf einer Qualifikationsstelle beschäftigten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Abschluss des Arbeitsvertrags eine unbefristete Beschäftigung bei Erreichen des Qualifikationsziels zuzusagen (Anschlusszusage). Demgegenüber können nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des bundesrechtlichen Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - WissZeitVG) die Hochschulen die Arbeitsverträge des zur Qualifizierung eingestellten wissenschaftlichen Personals mit einer Promotion bis zu einer Dauer von sechs Jahren befristen, ohne dass die Befristung Verpflichtungen der Hochschulen gegenüber diesem wissenschaftlichen Personal auslöst.
I.
2 1. Die hinsichtlich des zweiten Satzes angegriffene Regelung des § 110 Abs. 6 BerlHG lautet wie folgt:
§ 110 Wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
[…]
(6) 1Mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter oder einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin auf einer Qualifikationsstelle kann vereinbart werden, dass im Anschluss an das befristete Beschäftigungsverhältnis der Abschluss eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses erfolgen wird (Anschlusszusage), wenn die bei der Anschlusszusage festgelegten wissenschaftlichen Leistungen erbracht wurden und die sonstigen Einstellungsvoraussetzungen vorliegen. Mit promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist unter der Bedingung, dass das im Arbeitsvertrag benannte Qualifikationsziel erreicht wird, eine dieses Qualifikationsziel angemessen berücksichtigende Anschlusszusage zu vereinbaren. 3Satz 2 gilt nicht für Personal, das
1. überwiegend aus Drittmitteln oder aus Programmen des Bundes und der Länder oder des Landes Berlin finanziert wird, soweit diese Programme keine andere Festlegung treffen, oder
2. zur ärztlichen Weiterbildung beschäftigt wird.
4Die Hochschulen regeln das Nähere, insbesondere Grundsätze für die Personalauswahl und zur Bestimmung und Feststellung der Erfüllung der Qualifikationsziele, durch Satzung.
3 § 110 Abs. 6 Sätze 2 bis 4 BerlHG ersetzt die Vorgängerregelung des § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG in der Fassung des am in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Berliner Wissenschaft vom 14. September 2021 (GVBl Berlin S. 1039), mit der erstmals die Pflicht zur Erteilung einer Anschlusszusage eingeführt worden war. Mit dem Gesetz zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts vom wurde als § 126f BerlHG eine Übergangsregelung eingefügt, wonach § 110 Abs. 6 Sätze 2 bis 4 BerlHG auf Einstellungen von promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Anwendung findet, die ab erfolgen (GVBl Berlin S. 450). Diesen Zeitpunkt hat der Gesetzgeber mit dem am in Kraft getretenen Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Berliner Hochschulgesetzes vom (GVBl Berlin S. 260) zunächst auf den und sodann mit dem am in Kraft getretenen Zweiten Gesetz zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts vom (GVBl Berlin S. 149) auf den verschoben.
4 2. Im Bundesrecht sind befristete Beschäftigungsverhältnisse von wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz - WissZeitVG) vom (BGBl I S. 506), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom (BGBl I S. 1073) geändert worden ist, geregelt. Es enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
§ 1 Befristung von Arbeitsverträgen
(1) Für den Abschluss von Arbeitsverträgen für eine bestimmte Zeit (befristete Arbeitsverträge) mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal mit Ausnahme der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer an Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind, gelten die §§ 2, 3 und 6. Von diesen Vorschriften kann durch Vereinbarung nicht abgewichen werden. Durch Tarifvertrag kann für bestimmte Fachrichtungen und Forschungsbereiche von den in § 2 Abs. 1 vorgesehenen Fristen abgewichen und die Anzahl der zulässigen Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Vertragsparteien die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Die arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze über befristete Arbeitsverträge und deren Kündigung sind anzuwenden, soweit sie den Vorschriften der §§ 2 bis 6 nicht widersprechen.
(2) Unberührt bleibt das Recht der Hochschulen, das in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Personal auch in unbefristeten oder nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes befristeten Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen.
§ 2 Befristungsdauer; Befristung wegen Drittmittelfinanzierung
(1) Die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 1 Absatz 1 Satz 1 genannten Personals, das nicht promoviert ist, ist bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren, zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt; die zulässige Befristungsdauer verlängert sich in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben. Die vereinbarte Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist. Die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Satz 4 gilt auch, wenn hinsichtlich des Kindes die Voraussetzungen des § 15 Absatz 1 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vorliegen. Die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei Vorliegen einer Behinderung nach § 2 Absatz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung um zwei Jahre. Innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrages möglich.
[…]
II.
5 1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit.
6 Nach § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG sei sie gezwungen, mit bereits promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf befristeten Qualifikationsstellen ausnahmslos Anschlusszusagen zu vereinbaren. Promovierte Mitarbeiter, die das im Arbeitsvertrag benannte Qualifikationsziel erreichten, müssten dauerhaft übernommen werden, ohne dass ein wissenschaftsbasiertes Qualitätssicherungsverfahren stattfinde, wie es beim Tenure-Track für Juniorprofessuren (§ 102c BerlHG) und selbst für die Entfristung von Hochschuldozenten (§ 108 Abs. 6 BerlHG) vorgesehen sei. Dies gehe zu Lasten der Förderung des akademischen Nachwuchses, weil Qualifikationsstellen in erheblichem Umfang durch Dauerstellen ersetzt werden müssten. Der Mangel an Qualifikationsstellen bedeute auch ein Hindernis im Wettbewerb um Professoren, die regelmäßig ihr wissenschaftliches Personal "mitbringen" oder selbst aussuchen wollten. Zudem habe die Pflicht zur Vereinbarung von Anschlusszusagen eine Negativauslese desjenigen wissenschaftlichen Personals zur Folge, das sich im Wettbewerb um wissenschaftliche Spitzenplätze nicht durchsetzen könne, erschwere den Erhalt und weiteren Ausbau des Exzellenzstatus der Universität und führe zu erheblichen Mehrkosten. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt. Der Bund habe mit § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG von seiner Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Gebrauch gemacht und die Möglichkeiten der Hochschulen zur Be- und Entfristung der Arbeitsverhältnisse der zur Qualifizierung beschäftigten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter abschließend geregelt. Daher könne sich das Land Berlin hinsichtlich der angegriffenen Regelung gemäß Art. 72 Abs. 1 GG nicht auf eine Gesetzgebungskompetenz berufen. Darüber hinaus werde die Beschwerdeführerin in ihrer nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit etwa mit Blick auf die Wahrnehmung der Aufgabe zur Förderung des akademischen Nachwuchses unzumutbar beeinträchtigt. Denn der kleinen Zahl von wissenschaftlichen Mitarbeitern, denen mit der angegriffenen Regelung eine verlässlichere berufliche Perspektive verschafft werde, stehe eine mehrfache Zahl an Nachwuchswissenschaftlern gegenüber, denen wegen der Notwendigkeit zur Einsparung von Qualifikationsstellen zugunsten von Dauerstellen jede Aussicht auf eine Qualifizierung genommen werde.
7 2. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung, das Abgeordnetenhaus von Berlin sowie der Senat von Berlin hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Von dieser Möglichkeit haben sie keinen Gebrauch gemacht.
B.
I.
8 Die Beschwerdeführerin hatte zunächst § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Berliner Wissenschaft vom (GVBl Berlin S. 1039) angegriffen. Diese Regelung wurde mit dem Gesetz zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts vom (GVBl Berlin S. 450) durch die am in Kraft getretene Neufassung des § 110 Abs. 6 Sätze 2 bis 4 BerlHG ersetzt. Hierauf hat die Beschwerdeführerin reagiert. Sie hat die Verfassungsbeschwerde innerhalb der Jahresfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG auf die Neufassung umgestellt und hinsichtlich der Altfassung mit Schriftsatz vom für erledigt erklärt.
9 Bei verständiger Auslegung der Umstellungserklärung ist Gegenstand der Verfassungsbeschwerde allein § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG n.F. Zwar nimmt die Umstellungserklärung die gesamte Neufassung, also auch die Sätze 3 bis 4 des § 110 Abs. 6 BerlHG, in Bezug. Insoweit ist jedoch eine grundrechtliche Beschwer weder angesprochen noch sonst ersichtlich, so dass die Verfassungsbeschwerde einschränkend auszulegen ist (vgl. BVerfGE 169, 130 <153 Rn. 31> - Hessisches Verfassungsschutzgesetz).
II.
10 Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an der Beschwerdebefugnis und ist die Subsidiarität gewahrt.
11 1. Die Beschwerdebefugnis ist gegeben. Sie setzt die hinreichend begründete Behauptung voraus, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein. Dazu müssen sowohl die eigene, unmittelbare und gegenwärtige Betroffenheit (a) als auch die Möglichkeit der Grundrechtsverletzung (b) den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend dargelegt sein. Zu den Anforderungen an die Begründung der Verfassungsbeschwerde gehört, das als verletzt behauptete Recht zu bezeichnen und den seine Verletzung enthaltenden Vorgang substantiiert und konkret bezogen auf die eigene Situation darzulegen. Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt sein sollen (vgl. BVerfGE 159, 223 <270 Rn. 89> m.w.N. - Bundesnotbremse I; 159, 355 <375 Rn. 25> - Bundesnotbremse II; stRspr).
12 a) aa) Die Beschwerdeführerin ist selbst betroffen. Als staatliche Hochschule des Landes Berlin nach § 1 Absätze 1 und 2 BerlHG ist sie Adressatin der angefochtenen Regelung. Sie ist unmittelbar betroffen, weil die geltend gemachte grundrechtliche Beschwer durch die Verpflichtung zur Abgabe einer Anschlusszusage sie ohne weiteren Vollzugsakt trifft (vgl. BVerfGE 163, 107 <122 f. Rn. 40> - Tierarztvorbehalt).
13 bb) § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG betraf die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Umstellung der Verfassungsbeschwerde auf die Neufassung (vgl. BVerfGE 161, 299 <334 Rn. 82> - Impfnachweis <COVID-19>; 162, 378 <403 Rn. 55> m.w.N. - Impfnachweis <Masern>) auch gegenwärtig. Gegenwärtigkeit ist gegeben, wenn eine angegriffene Regelung auf die Rechtsstellung von Beschwerdeführern aktuell und nicht nur potenziell einwirkt, wenn das Gesetz die Normadressaten mit Blick auf seine künftig auftretende Wirkung zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder wenn klar abzusehen ist, dass und wie Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein werden. Allein die vage Aussicht, dass sie irgendwann einmal in der Zukunft von der beanstandeten Gesetzesvorschrift betroffen sein könnten, genügt hingegen nicht (vgl. BVerfGE 114, 258 <277>; 140, 42 <58 Rn. 59>).
14 Ausgehend davon ist die Beschwerdeführerin gegenwärtig betroffen. Zwar ist die innere Wirksamkeit der im Zeitpunkt der Umstellung der Verfassungsbeschwerde bereits in Kraft getretenen Neufassung des § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG hinausgeschoben. Die Regelung entfaltet Rechtswirkungen gegenüber der Beschwerdeführerin erst ab dem 1. Januar 2026, weil sie nach der Übergangsregelung des § 126f BerlHG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts vom (GVBl Berlin S. 149) erst ab diesem Zeitpunkt auf Einstellungen von promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf Qualifikationsstellen Anwendung findet. Damit ist jedoch klar abzusehen, dass und wie die Beschwerdeführerin in absehbarer Zukunft von dieser Regelung betroffen sein wird.
15 b) Die Möglichkeit einer Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist hinreichend substantiiert dargelegt. Die Verfassungsbeschwerde führt anhand der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, aber auch von Beiträgen in der Literatur aus, weshalb die gesetzliche Pflicht, befristet angestellten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern auf Qualifikationsstellen für den Fall einer erfolgreichen Qualifizierung den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zuzusichern, sie als staatliche Hochschule in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verletzen könnte. Dabei wird eingehend aufgezeigt, wie sich die angegriffene Regelung auf verschiedene spezifisch wissenschaftsrelevante Angelegenheiten wie etwa die Förderung des akademischen Nachwuchses oder den Erhalt des wissenschaftlichen Exzellenzstatus nachteilig auswirken kann.
16 2. Die Verfassungsbeschwerde wahrt auch die Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 BVerfGG).
17 a) Diese erfordert grundsätzlich, vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Das gilt auch, wenn zweifelhaft ist, ob ein entsprechender Rechtsbehelf nach dem jeweiligen Fachrecht statthaft ist und im konkreten Fall in zulässiger Weise eingelegt werden kann (vgl. BVerfGE 150, 309 <326 Rn. 42>; 165, 1 <32 f. Rn. 45> - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV; 169, 130 <155 f. Rn. 40>; stRspr). Wenn sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz wendet, kann daher auch die Erhebung einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage zu den zuvor zu ergreifenden Rechtsbehelfen gehören. Das ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die als verfassungswidrig beanstandeten Vorschriften abschließend gefasst sind und die fachgerichtliche Prüfung günstigstenfalls zu einer Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG führen kann. Ausschlaggebend ist auch dann, ob die fachgerichtliche Vorabbefassung erforderlich ist, um zu vermeiden, dass das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungen auf ungesicherter Tatsachen- oder Rechtsgrundlage treffen müsste. Ein solcher Fall wird in der Regel gegeben sein, wenn die angegriffenen Vorschriften Rechtsbegriffe enthalten, von deren Auslegung und Anwendung es maßgeblich abhängt, inwieweit Beschwerdeführer durch die angegriffenen Vorschriften tatsächlich und rechtlich beschwert sind (vgl. BVerfGE 169, 130 <156 Rn. 41>). Wirft die Beurteilung einer Norm hingegen allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen auf, deren Beantwortung dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären, bedarf es einer vorangehenden fachgerichtlichen Entscheidung nicht (vgl. BVerfGE 165, 1 <33 Rn. 47> m.w.N.).
18 b) Ausgehend davon bedurfte es hier nicht der vorherigen Anrufung der Fachgerichte. Weder für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffs in die nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Wissenschaftsfreiheit noch für die Erörterung der zentral aufgeworfenen, die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Regelung insgesamt betreffenden Frage nach der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes kommt es auf die Auslegung von Fachrecht an (vgl. BVerfGE 159, 223 <274 f. Rn. 103>). Aus § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG folgt ohne erkennbaren Auslegungsspielraum die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte grundrechtliche Beschwer in Gestalt der Pflicht der Hochschulen, allen befristet eingestellten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit einer Promotion den Abschluss eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses für den Fall der erfolgreichen Qualifizierung zuzusichern. Offenkundig ist nach dem klaren Wortlaut des § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG insbesondere, dass die Vorgabe, bei der Anschlusszusage das im Arbeitsvertrag benannte Qualifikationsziel angemessen zu berücksichtigen, den Hochschulen nicht die Möglichkeit eröffnet, die Dauerbeschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiter von anderen Kriterien als dem Erreichen des Qualifikationsziels abhängig zu machen, beispielsweise vom aktuell bestehenden Bedarf. Vielmehr wird den Hochschulen eine zusätzliche Pflicht zur inhaltlichen Ausgestaltung der Anschlusszusage auferlegt.
C.
19 Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG greift in das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Freiheit der Wissenschaft gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ein (I). Dieser Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil die Regelung mangels Gesetzgebungskompetenz des Landes formell verfassungswidrig ist (II).
I.
20 Die den Hochschulen auferlegte Pflicht zur Vereinbarung einer Anschlusszusage bei der Einstellung promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Qualifizierung nach § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG greift in das Grundrecht auf Freiheit der Wissenschaft ein.
21 1. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>; 128, 1 <40>). Die Wissenschaftsfreiheit umfasst die Freiheit der Forschung, die der selbständigen Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse dient (vgl. BVerfGE 61, 210 <244>), sowie die Freiheit der forschungsbasierten Lehre als Prozess der wissenschaftlich fundierten Übermittlung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse (vgl. BVerfGE 35, 79 <113>; 141, 143 <164 Rn. 49>). Danach können sich die Hochschulen und ihre Untergliederungen wie auch die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer gegen staatliche Maßnahmen wenden, die ihren Freiraum in den die Forschung und Lehre unmittelbar berührenden Angelegenheiten beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 35, 79 <116 f., 120 ff.>; 141, 143 <164 f. Rn. 48 f.>). In diesem Sinne "wissenschaftsrelevant" sind auch Personalentscheidungen in Angelegenheiten der für den Prozess der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse verantwortlichen Hochschullehrer und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter (vgl. BVerfGE 35, 79 <123>; 61, 260 <279>; vgl. auch VerfGH Berlin, Beschluss vom - 89/00 -, Rn. 15) und die Aufgabe der Hochschulen, den akademischen Nachwuchs zu fördern (vgl. BVerfGE 94, 268 <286>).
22 2. Ausgehend hiervon greift die gesetzliche Pflicht, allen zur Qualifizierung befristet eingestellten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern eine auf eine Dauerbeschäftigung gerichtete Anschlusszusage zu erteilen, in die Wissenschaftsfreiheit ein. Sie nimmt den Hochschulen die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob und welche promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter sie nach erfolgreichem Abschluss der Qualifikationsphase weiter beschäftigen. Sie müssen vielmehr alle wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft übernehmen, die dies möchten. Dies verkürzt unmittelbar die Freiheit der Hochschulen zur Auswahl des wissenschaftlichen Personals mit nachteiligen Folgen etwa für die Förderung des akademischen Nachwuchses, welche die Möglichkeit zur generellen Befristung der Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals auf Qualifikationsstellen erfordert (vgl. BVerfGE 94, 268 <286>).
II.
23 Der Eingriff in das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Wissenschaftsfreiheit ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG ist bereits formell verfassungswidrig. Die gesetzliche Verpflichtung der Hochschulen nach § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG, den bei ihnen befristet eingestellten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen vertraglichen Anspruch auf unbefristete Beschäftigung bei erfolgreicher Qualifizierung zu geben, ist nicht von einer Gesetzgebungskompetenz des Landes gedeckt.
24 Die angegriffene Regelung ist dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für das Arbeitsrecht zuzuordnen (1). Das Land Berlin kann sich insoweit gemäß Art. 72 Abs. 1 GG nicht auf eine Gesetzgebungsbefugnis berufen, weil der Bundesgesetzgeber mit § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG abschließende Bestimmungen zur Dauer und Beendigung der Arbeitsverhältnisse der zur Qualifizierung eingestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter mit einer Promotion getroffen hat (2).
25 1. Die Pflicht der Hochschulen zur Vereinbarung von Anschlusszusagen nach § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG unterfällt dem Kompetenztitel für das "Arbeitsrecht" aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG.
26 a) aa) Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zuweist. Eine solche Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an den Bund findet sich ausweislich Art. 70 Abs. 2 GG vor allem in den Vorschriften über die ausschließliche (Art. 73 und Art. 105 Abs. 1 GG) und die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 74 und Art. 105 Abs. 2 GG). Das Grundgesetz enthält - von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen - eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Mit Hilfe der in Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge grenzt das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern durchweg alternativ voneinander ab. Weist die Materie eines Gesetzes Bezug zu verschiedenen Sachgebieten auf, die teils dem Bund, teils den Ländern zugewiesen sind, besteht die Notwendigkeit, sie dem einen oder anderen Kompetenzbereich zuzuordnen (vgl. BVerfGE 157, 223 <254 Rn. 81> - Berliner Mietendeckel; 163, 1 <13 f. Rn. 22> - Windenergie im Wald). Nach der Systematik der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung wird der Kompetenzbereich der Länder grundsätzlich durch die Reichweite der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes bestimmt (vgl. BVerfGE 157, 223 <254 Rn. 82>).
27 Die zunächst erforderliche Auslegung der Kompetenztitel des Grundgesetzes erfolgt anhand der allgemeinen Regeln der Verfassungsinterpretation und damit vor allem nach Wortlaut, Systematik, Normzweck und Entstehungsgeschichte (vgl. BVerfGE 163, 1 <14 Rn. 24>). In diesem Zusammenhang kommt insbesondere der Staatspraxis und der Entwicklung der betreffenden Kompetenzmaterie Bedeutung zu. Die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Normbestandes ist weniger relevant, wenn die Kompetenzmaterie einen Lebenssachverhalt benennt, und maßgeblicher, wenn die Regelungsmaterie normativ-rezeptiv einen vorgefundenen Normbereich aufgegriffen hat; dann kommt dem Gesichtspunkt des Traditionellen oder Herkömmlichen wesentliche Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 3, 407 <414 f.>; 61, 149 <175>; 97, 198 <219>; 106, 62 <105>; 109, 190 <213>; 134, 33 <55 Rn. 55>). Knüpft ein in Art. 74 Abs. 1 GG genanntes Rechtsgebiet an ein bereits unter der Weimarer Reichsverfassung bekanntes Rechtsgebiet an und hatte sich dieses zu einem einheitlichen und geschlossenen Rechtsgebiet und einer abgrenzbaren Materie herausgebildet, ist der Kompetenztitel grundsätzlich in demselben Sinn zu verstehen, wie dies unter der Weimarer Reichsverfassung der Fall war (vgl. BVerfGE 26, 281 <299>; 33, 52 <61>; 42, 20 <29>; 61, 149 <175 f.>; 109, 190 <218>; 145, 20 <62 Rn. 105>; 157, 223 <265 Rn. 110>; 163, 1 <17 f. Rn. 31 f.>).
28 bb) Die in einem zweiten Schritt vorzunehmende Zuordnung einer bestimmten Regelung zu einem Kompetenztitel entsprechend dem durch Auslegung ermittelten Zuweisungsgehalt geschieht anhand von unmittelbarem Regelungsgegenstand, Normzweck, Wirkung und Adressat der zuzuordnenden Norm sowie der Verfassungstradition. Sie ist in erster Linie anhand des objektiven Gegenstands des zu prüfenden Gesetzes vorzunehmen. Entscheidend ist der sachliche Gehalt einer Regelung und nicht die vom Gesetzgeber gewählte Bezeichnung. Die Wirkungen eines Gesetzes sind anhand seiner Rechtsfolgen zu bestimmen. Der Normzweck ist mit Hilfe der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu ermitteln, das heißt anhand des Wortlauts der Norm, ihrer systematischen Stellung und nach dem Sinnzusammenhang sowie anhand der Gesetzesmaterialien und ihrer Entstehungsgeschichte (vgl. BVerfGE 161, 63 <92 f. Rn. 56 f.> m.w.N. - Windenergie-Beteiligungsgesellschaften; stRspr). Hierbei kommt es auf den in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers an, der mit Hilfe der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu ermitteln ist. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder. Der Entstehungsgeschichte kommt für die Auslegung regelmäßig nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die ansonsten nicht ausgeräumt werden können (vgl. BVerfGE 144, 20 <212 f. Rn. 555> m.w.N.; 157, 223 <262 ff. Rn. 104 ff.>; 161, 63 <92 f. Rn. 56 f.>; 163, 1 <14 f. Rn. 25>; stRspr). Sind Teilregelungen derart eng mit dem Schwerpunkt der Gesamtregelung "verzahnt", dass sie als Teil derselben erscheinen, gehören sie zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung. Umgekehrt ist eine Teilregelung, die einen erheblichen eigenen Regelungsgehalt hat und mit der Gesamtregelung nicht eng verzahnt ist, auch kompetenziell eigenständig zu beurteilen (vgl. BVerfGE 137, 108 <161 Rn. 123>; 161, 63 <93 Rn. 58>; 163, 1 <15 Rn. 26>; stRspr).
29 b) Ausgehend hiervon unterfällt § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für das Arbeitsrecht. Dieser begründet eine umfassende Gesetzgebungskompetenz für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern (aa 1), die sich jedenfalls insoweit auch auf die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst Beschäftigten erstreckt, als es um Bestimmungen über die Dauer und Beendigung von Arbeitsverhältnissen geht (aa 2). Die angegriffene Pflicht zur Vereinbarung von Anschlusszusagen ist danach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zuzuordnen; sie gestaltet nach Gegenstand, Wirkung und Zweck der Regelung unmittelbar die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zwischen der jeweiligen Hochschule und den von ihr befristet zur Qualifizierung eingestellten wissenschaftlichen Mitarbeitern (bb).
30 aa) (1) Der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung benannte Sachbereich "Arbeitsrecht" knüpft an den bereits in der Weimarer Reichsverfassung enthaltenen gleichlautenden Kompetenztitel des Art. 7 Nr. 9 WRV und das zu diesem Kompetenztitel fachrechtlich entwickelte Verständnis über dessen Zuweisungsgehalt an (vgl. BVerfGE 7, 342 <351>). Die Voraussetzung für eine normativ-rezeptive Aufnahme dieses Zuweisungsgehalts in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (vgl. BVerfGE 109, 190 <218>; 145, 20 <62 Rn. 105>; 157, 223 <264 f. Rn. 110>; 163, 1 <17 f. Rn. 31 f.>) liegt vor, weil sich das Arbeitsrecht unter der Weimarer Reichsverfassung zu einem einheitlichen und geschlossenen Sonderrecht der Arbeitnehmer herausgebildet hat. Der schuldrechtliche Arbeitsvertrag wurde vom Dienstvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs herausgelöst und immer mehr zu einem personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis umgestaltet, dessen Inhalt zunehmend durch Tarifverträge bestimmt wurde. Arbeitgeber wurden bei Einstellungen, Versetzungen und Entlassungen von Arbeitnehmern an das Einverständnis der Betriebsvertretung gebunden. Es wurden zahlreiche auch öffentlich-rechtliche Bestimmungen über das Arbeitsverhältnis erlassen, das Reichsarbeitsgericht geschaffen und eigene Lehrstühle für Arbeitsrecht an den Universitäten errichtet (vgl. dazu näher BVerfGE 7, 342 <349 ff.>). Der Kompetenztitel des Art. 7 Nr. 9 WRV wurde auch deshalb weit verstanden, weil er die kompetenzielle Grundlage für die Wahrnehmung des Auftrags aus Art. 157 Satz 2 WRV an das Reich sein sollte, ein einheitliches Arbeitsrecht im Sinne einer Kodifizierung zu schaffen (vgl. Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reichs, 1932, Art. 157 Anm. 3b; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 157 Anm. 2). Er umfasste nach dem damaligen Verständnis jedenfalls das Recht der Arbeitsverfassung, das Arbeitsvertragsrecht, die Arbeitsgerichtsbarkeit, das Schlichtungswesen und die Regelung der Arbeitszeit (vgl. Gebhard, a.a.O., Art. 7 Anm. 16).
31 An diesen in der damaligen fachrechtlichen Ausformung zum Ausdruck kommenden weiten Zuweisungsgehalt des Art. 7 Nr. 9 WRV knüpft Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG an (vgl. zur entsprechenden weiten Regelungsintention des Parlamentarischen Rates die Aussagen von Dr. Hoch und Dr. Strauß, Stenografisches Protokoll der Vierten Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung vom , in: Deutscher Bundestag und Bundesarchiv <Hrsg.>, Der Parlamentarische Rat 1948 - 1949, Akten und Protokolle, Bd. 3, 1986, S. 130 <145 f.>; vgl. auch Uhle, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 74 Rn. 278 f., 281 <Aug 2024>). Dementsprechend begründet Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG eine umfassende Gesetzgebungskompetenz für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die sich sowohl auf privatrechtliche als auch auf öffentlich-rechtliche Bestimmungen über Arbeitsverhältnisse erstreckt (vgl. BVerfGE 77, 308 <329>; 106, 62 <132 f.>; 149, 126 <140 Rn. 36>). Dazu zählt unter anderem die Ausgestaltung des Arbeitsvertragsrechts etwa durch Regelungen zur Möglichkeit der Befristung von Arbeitsverträgen (vgl. BVerfGE 7, 342 <349 f.>; 106, 62 <132 f.>; 149, 126 <140 Rn. 36> zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen).
32 (2) (a) Die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bedarf allerdings der Abgrenzung von den anderweitigen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder für die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Der Bund besitzt insoweit mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit für die in seinem Dienst beschäftigten Beamten und Angestellten. Seit der Aufhebung der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG a.F. für die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen, die neben den Beamten auch die Angestellten umfasste (vgl. BVerfGE 4, 219 <238 f.>; 7, 120 <127> und 11, 89 <98> jeweils zur Abgrenzung des öffentlichen Dienstrechts vom Arbeitsrecht; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 4. Aufl. 2000, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Rn. 30; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 75 Rn. 50 <März 2007>), verfügen die Länder insoweit - abgesehen von den Statusrechten und -pflichten der Beamten und Richter (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) - nach Art. 70 GG über die Gesetzgebungszuständigkeit; auf dieses Rechtsgebiet bezogenes Bundesrecht kann dementsprechend nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG jederzeit durch Landesrecht ersetzt werden.
33 (b) Welcher Gehalt dem Recht des öffentlichen Dienstes danach in Abgrenzung zum Arbeitsrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zukommt, ist verfassungsgerichtlich bisher nur punktuell geklärt (vgl. BVerfGE 4, 219 <239>: öffentliches Dienstrecht bei spezifisch auf die Eigenart des öffentlichen Dienstes bezogenen Fürsorgemaßnahmen; vgl. BVerfGE 7, 120 <127>: Personalvertretungsrecht als öffentliches Dienstrecht). Zu einer abschließenden Klärung besteht auch hier kein Anlass. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in einem Fall, in dem es um die Anwendung einer ausschließlich die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes betreffenden Regelung des Kündigungsschutzes ging, entschieden, dass sich der Bundesgesetzgeber hierfür auf seine Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für das Arbeitsrecht berufen kann (vgl. BVerfGE 51, 43 <55 f.>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1572/17 -, Rn. 11 ff.; a.A. bei ausschließlich auf Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bezogenen Regelungen zur Befristung der Arbeitsverhältnisse Walter, DÖV 1983, S. 925 <927>; Groeger, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 3. Aufl. 2020, Rn. 1.165 ff.). Danach unterfällt auch die hier in Rede stehende Pflicht der Hochschulen, den befristet eingestellten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern den Abschluss eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses bei erfolgreicher Qualifizierung zuzusichern, dem Arbeitsrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Diese Regelung trifft ebenso wie die Vorschriften zum Kündigungsschutz Bestimmungen über die Dauer und Beendigung von Arbeitsverhältnissen, die in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung unter dem Begriff des "allgemeinen Bestandsschutzes von Arbeitsverhältnissen" zusammengefasst werden (vgl. BAGE 118, 290 <296 Rn. 22>).
34 bb) Ausgehend von diesem Zuweisungsgehalt des Kompetenztitels aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG dem "Arbeitsrecht" zuzuordnen.
35 Nach ihrem unmittelbaren Gegenstand verschafft diese Regelung den befristet als Angestellte (§ 110 Abs. 1 BerlHG) zur Qualifizierung beschäftigten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern einen von der erfolgreichen Qualifizierung abhängigen Anspruch gegen die Hochschule als Arbeitgeberin (§ 2 Abs. 4 BerlHG) auf unbefristete Beschäftigung im Anschluss an die Befristung. Mit dieser gesetzlichen Verknüpfung der Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einem unter bestimmten Voraussetzungen bestehenden Anspruch auf unbefristete Beschäftigung nach Fristablauf wird die Dauer und Beendigung von Arbeitsverhältnissen bestimmt und damit Arbeitsrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG geschaffen. Nichts anderes gilt mit Blick auf die unmittelbaren Rechtsfolgen der Regelung in Gestalt eines Anspruchs der wissenschaftlichen Mitarbeiter auf Dauerbeschäftigung nach erfolgreichem Abschluss der befristeten Anstellung zur Qualifizierung.
36 Auch der objektive Zweck der Regelung spricht nicht gegen eine Zuordnung zum Arbeitsrecht. Zwar soll mit der Regelung nach den Gesetzgebungsmaterialien für die Phase nach der Promotion ein neues qualitätsgesichertes Zugangsverfahren auf eine unbefristete Beschäftigung eingerichtet werden, um im Anschluss an international übliche Karrierewege im Wettbewerb um qualifizierte Bewerber bestehen zu können (Änderungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Vorlage zur Beschlussfassung über das Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft, vgl. https://www.parlament-berlin.de/ados/18/WissForsch/vorgang/wf18-0149-%C3%84a-SPD_Linke_Gr%C3%BCne.pdf, zuletzt abgerufen am ). Die Einrichtung eines solchen, mit der Schaffung einer neuen Personalkategorie verbundenen qualitätsgesicherten Tenure-Track-Verfahrens wäre tatsächlich nicht dem Arbeitsrecht, sondern dem Hochschulrecht zuzuordnen (vgl. BVerfGE 111, 226 <258>), für das die Länder gemäß Art. 70 GG über die Gesetzgebungszuständigkeit verfügen. Eine etwaige subjektive Vorstellung von am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen, mit § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG in diesem Sinne Hochschulrecht zu schaffen, hat jedoch weder im Wortlaut der Regelung noch ihrer systematischen Stellung ihren Niederschlag gefunden und entspricht daher nicht deren maßgeblichem objektiven Zweck (oben Rn. 28). § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG knüpft an die bestehenden Personalkategorien an und macht die Vergabe von Dauerstellen - anders als etwa beim Tenure-Track-Verfahren zur Berufung bei der Juniorprofessur nach § 102c BerlHG - gerade nicht von der vorherigen, auf einem formalisierten Verfahren beruhenden Bewertung abhängig, ob und mit welchem Ergebnis die bei der Einstellung genau festgelegten, den Anforderungen der konkret vorgesehenen Dauerbeschäftigung entsprechenden Leistungskriterien erfüllt wurden. Vielmehr ist das im Arbeitsvertrag benannte Qualifikationsziel lediglich in der Anschlusszusage angemessen zu berücksichtigen (§ 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG).
37 2. Der Bundesgesetzgeber hat seine Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG genutzt, um mit § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG die Dauer und Beendigung der Arbeitsverhältnisse der von den Hochschulen zur Qualifikation eingestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter mit einer Promotion umfassend zu regeln, so dass die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG einer landesgesetzlichen Regelung dieses Bereichs, wie sie hier durch § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG erfolgt ist, entgegensteht.
38 a) Macht der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch, verlieren die Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG das Recht zur Gesetzgebung in dem Zeitpunkt ("solange") und in dem Umfang ("soweit"), in dem der Bund die Gesetzgebungskompetenz zulässigerweise in Anspruch nimmt (sog. Sperrwirkung). Soweit die Sperrwirkung reicht, entfällt die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die Sperrwirkung verhindert für die Zukunft den Erlass neuer Landesgesetze und entzieht in der Vergangenheit erlassenen Landesgesetzen die Kompetenzgrundlage, so dass sie nichtig sind beziehungsweise werden. Die Sperrwirkung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG setzt voraus, dass bundes- und landesgesetzliche Regelungen denselben Sachbereich betreffen. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass eine landesrechtliche Bestimmung einen bestimmten Sachbereich betrifft, den der Bundesgesetzgeber geregelt hat, liegt vor, wenn ihr Vollzug dazu führt, dass das Bundesrecht nicht mehr - zumindest nicht mehr vollständig - oder nur verändert angewandt und sein Regelungsziel lediglich modifiziert verwirklicht werden kann (vgl. BVerfGE 102, 99 <115>; 157, 223 <255 f. Rn. 87 f.>; 161, 63 <103 Rn. 82>).
39 Ein Gebrauchmachen von einer Gesetzgebungskompetenz in einer den Landesgesetzgeber ausschließenden Weise liegt vor, wenn ein Bundesgesetz eine bestimmte Frage erschöpfend regelt. Dies kann positiv durch eine Regelung oder negativ durch einen absichtsvollen Regelungsverzicht erfolgen. Es besteht eine Vermutung für einen absichtsvollen Regelungsverzicht und damit eine abschließende bundesgesetzliche Regelung, soweit sich der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren mit einer bestimmten Frage auseinandergesetzt, diese aber in der Norm keinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerfGE 98, 265 <313 ff.>). Entscheidend ist, ob eine Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes ergibt, dass ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist oder nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. In diesem Zusammenhang sind nicht nur der Wortlaut des Bundesgesetzes zu würdigen, sondern auch der dahinterstehende Regelungszweck, die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien (vgl. BVerfGE 157, 223 <257 Rn. 92> m.w.N.). Handelt es sich bei der bundesgesetzlichen Regelung lediglich um eine Mindestgarantie, bleibt es dem Landesgesetzgeber unbenommen, strengere Regelungen für denselben Sachverhalt zu erlassen. Der Gebrauch der Kompetenz durch den Bund muss "hinreichend erkennbar" sein. Bloße Wert- und Zielvorstellungen entfalten keine Sperrwirkung. Ist die Regelung abschließend, tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG unabhängig davon ein, ob das Landesgesetz den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreitet, sie ergänzt oder lediglich (deklaratorisch) wiederholt (vgl. BVerfGE 98, 265 <313 ff.>; 138, 261 <280 Rn. 43 f.>; 157, 223 <256 ff. Rn. 89 ff.>; 163, 1 <15 f. Rn. 27>).
40 b) Ausgehend hiervon entfaltet die bundesgesetzliche Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG Sperrwirkung gegenüber der angegriffenen landesgesetzlichen Regelung des § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG.
41 aa) Die bundesgesetzliche Regelung betrifft denselben Sachbereich wie das Landesrecht (Rn. 38).
42 § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG ändert ebenso wie § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG nicht hochschulrechtlich die Struktur des wissenschaftlichen Personals, sondern knüpft mit dem arbeitsrechtlichen Mittel der Festlegung von Dauer und Beendigung von Arbeitsverhältnissen an eine vorhandene Personalstruktur in Gestalt der befristeten Einstellung von promovierten wissenschaftlichen Mitarbeitern im Angestelltenverhältnis mit dem Ziel einer Qualifizierung an (vgl. Dieterich/Preis, NZA 2004, S. 1241 <1242 ff.> zur Vorgängerregelung der §§ 57a ff. HRG a.F.; a.A. Ossenbühl, WissR 1983, S. 201 <217 f.>). Die Regelung ist eine Reaktion des Bundesgesetzgebers auf die hochschulrechtliche Änderung des Status des wissenschaftlichen Personals weg von der Verbeamtung auf Zeit hin zum Angestelltenverhältnis, die in den 1970er Jahren einsetzte. Diese Statusveränderung führte zur Anwendbarkeit des allgemeinen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes mit der Folge abnehmender Fluktuation des wissenschaftlichen Personals auf Qualifikationsstellen (vgl. BVerfGE 94, 268 <286>; BTDrucks 10/2283, S. 6 ff.; Wissenschaftsrat, Stellungnahme zur Problematik befristeter Arbeitsverhältnisse mit wissenschaftlichen Mitarbeitern vom , Drs. 5735/82, S. 24 ff.). Mit der bundesgesetzlich abweichend vom allgemeinen Arbeitsrecht (vgl. § 23 TzBfG, § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG) eröffneten Möglichkeit zur generellen Befristung der Arbeitsverhältnisse sollen die Hochschulen insbesondere in die Lage versetzt werden, ihrer Aufgabe der Förderung und Heranbildung des akademischen Nachwuchses auch bei einer Vergabe der Qualifikationsstellen an wissenschaftliche Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis weiter nachkommen zu können (vgl. BVerfGE 94, 268 <286 f.>; BTDrucks 10/2283, S. 6 f. zur Vorgängerregelung der §§ 57a ff. HRG a.F.).
43 Die Identität des Sachbereichs wird besonders daran deutlich, dass dieses Regelungsziel des § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG weithin nicht verwirklicht werden kann, soweit § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG zur Anwendung gelangt (a.A. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, WD 3 - 3000 - 173/21, S. 6 f.; Drechsler/Pschorr, NVwZ 2022, S. 1010 <1016>). Zwar lässt § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG bestehende Möglichkeit, die Arbeitsverhältnisse der zur Qualifizierung eingestellten promovierten wissenschaftlichen Mitarbeiter generell für eine bestimmte Dauer befristen zu können, an sich unberührt. Die Befristung löst aber nach § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG unmittelbar die Pflicht der Hochschulen zur Vereinbarung einer auf eine unbefristete Beschäftigung im Anschluss an die Qualifizierungsphase gerichteten Zusage aus. Damit hat die bundesgesetzlich zulässige Befristung nicht mehr zur Folge, dass die Hochschule von einer weiteren Beschäftigung auch im Falle einer erfolgreichen Qualifizierung absehen kann. Vielmehr wird diese mit der bundesgesetzlichen Befristungsregelung eröffnete Möglichkeit mit dem durch die Anschlusszusage vermittelten Anspruch des wissenschaftlichen Mitarbeiters auf unbefristete Weiterbeschäftigung nach erfolgreicher Qualifizierung in ihr Gegenteil verkehrt. Die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG erfolgte Befristung hat bei Anwendung des § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG in allen Fällen einer erfolgreichen Qualifizierung allein zur Folge, dass ein neuer - unbefristeter - Arbeitsvertrag geschlossen werden muss.
44 bb) Die Gesamtwürdigung der Regelungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zur Dauer und Beendigung der Arbeitsverträge des promovierten wissenschaftlichen Personals auf Qualifikationsstellen ergibt, dass der Bundesgesetzgeber die Dauer und Beendigung der Arbeitsverhältnisse der von den Hochschulen zur Qualifizierung eingestellten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Promotion erschöpfend geregelt hat.
45 (1) Wortlaut und Systematik der bundesgesetzlichen Befristungsregelungen sprechen für ein abschließendes Gebrauchmachen von der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für diesen Sachbereich.
46 Der Bundesgesetzgeber hat mit § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG eine von den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (§ 14 Abs. 1 und 2, § 23 TzBfG) abweichende Möglichkeit zur Befristung der Arbeitsverträge des zur Qualifizierung nach abgeschlossener Promotion eingestellten wissenschaftlichen Personals geschaffen. Er hat diese eigenständige, auf dem Sachgrund der Qualifizierung beruhende generelle Befristungsmöglichkeit unter Abwägung seiner sich aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergebenden Aufgabe, die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation zu ermöglichen und zu fördern (vgl. BVerfGE 94, 268 <285>), mit dem Interesse des wissenschaftlichen Personals an einer weiteren Beschäftigung (vgl. BTDrucks 10/2283, S. 9) umfassend und detailliert ausgestaltet. Der persönliche Anwendungsbereich der Befristungsmöglichkeit wird präzise umschrieben. Erfasst ist das "wissenschaftliche Personal" nach abgeschlossener Promotion auf Qualifikationsstellen mit Ausnahme der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG). Bei der zulässigen Befristungsdauer wird unterschieden zwischen einer Qualifizierung im Bereich der Medizin und anderen wissenschaftlichen Bereichen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG). Es finden sich neben Vorschriften zur Anrechnung anderer befristeter Arbeits- und Beamtenverhältnisse auf die Befristungsdauer (§ 2 Abs. 3 WissZeitVG) genaue Regelungen zur Verlängerung der vereinbarten Vertragslaufzeit um Unterbrechungszeiten und deren Nichtanrechnung auf die zulässige Befristungshöchstdauer bei Vorliegen unterschiedlicher Situationen wie beispielsweise Kinderbetreuung, Behinderung, Freistellung für bestimmte Aufgaben oder krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 Sätze 4 bis 6, Abs. 5 WissZeitVG). Die vereinbarte Befristungsdauer ist zudem zur Unterbindung unsachgemäßer Kurzbefristungen so zu bemessen, dass sie hinsichtlich der angestrebten Qualifizierung angemessen ist (vgl. BTDrucks 18/6489, S. 8).
47 Die so umfassend ausgestaltete, spezifisch auf das wissenschaftliche Personal ausgerichtete Befristungsmöglichkeit soll nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers ohne Einschränkungen zur Geltung gelangen. So ist nach § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG die Anwendung widersprechenden Arbeitsrechts ausgeschlossen. Abweichende tarifvertragliche Bestimmungen werden nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen (§ 1 Abs. 1 Sätze 3 und 4 WissZeitVG). Ein Recht zur Vereinbarung von für das wissenschaftliche Personal günstigeren Arbeitsverträgen (unbefristete oder nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes befristete Arbeitsverhältnisse) wird wegen deren Personalhoheit ausdrücklich nur den Hochschulen zugestanden, nicht jedoch den Landesgesetzgebern (§ 1 Abs. 2 WissZeitVG; vgl. BTDrucks 14/6853, S. 32).
48 (2) Bestätigt wird dieser Befund durch den aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Materialien ablesbaren Regelungszweck.
49 Die vom allgemeinen Arbeitsrecht abweichende Möglichkeit, die Arbeitsverträge des zur Qualifizierung eingestellten wissenschaftlichen Personals befristen zu können, wurde vor dem Hintergrund geschaffen, dass dieses Personal weitgehend nicht mehr verbeamtet ist (Rn. 42). Der Bundesgesetzgeber wollte auf diese Weise mit arbeitsrechtlichen Mitteln seiner aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgenden Aufgabe nachkommen, die sachgerechte Förderung des akademischen Nachwuchses zu sichern (vgl. BTDrucks 14/6853, S. 20, 31; 15/4132, S. 12, 18; 16/3438, S. 8, 10; 18/6489, S. 7). Dies setzt die in § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG normierte generelle Möglichkeit einer Befristung der Beschäftigungsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals auf Qualifikationsstellen voraus; denn eine kontinuierliche Nachwuchsförderung in Arbeitsverhältnissen kann nur betrieben werden, wenn die beschränkt vorhandenen Stellen immer wieder frei werden (vgl. BVerfGE 94, 268 <286>). Danach sperrt das Bundesrecht jedenfalls alle landesgesetzlichen Regelungen, die - wie § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG - mit der Verschaffung eines Anspruchs auf unbefristete Weiterbeschäftigung nach erfolgreicher Qualifizierung den laufenden Zustrom von Nachwuchswissenschaftlern erschwert, weil freie Qualifikationsstellen wegfallen.
50 (3) Nicht zuletzt ist auch deshalb von einer Sperrwirkung des § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG gegenüber § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG auszugehen, weil den Gesetzgebungsmaterialien entnommen werden kann, dass der Bundesgesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, Regelungen zu treffen, die in vergleichbarer Weise wie die angegriffene landesgesetzliche Regelung eine Weiterbeschäftigung promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter nach erfolgreichem Abschluss der Qualifizierungsphase ermöglichen sollten (vgl. BVerfGE 98, 265 <313 ff.>; 161, 63 <103 Rn. 82, 106 f. Rn. 92 f.>).
51 Vor dem Hintergrund einer Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags hatte die Fraktion DIE LINKE einen Entschließungsantrag mit dem Begehren vorgelegt (BTDrucks 18/4804, S. 4),
"im WissZeitVG zu verankern, dass nach abgeschlossener Promotion eine Befristung mit Qualifizierungsziel nur dann zulässig ist, wenn mit den betroffenen Beschäftigten vertraglich vereinbart wurde, dass bei Erreichung des Qualifikationsziels die Befristungsabrede entfällt (Tenure-Track)".
52 Der Entschließungsantrag wurde vom Deutschen Bundestag auf Empfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung abgelehnt (BT-Plenarprotokoll 18/146, S. 14474A). Die Bundesministerin für Bildung und Forschung hatte die im Entschließungsantrag aus ihrer Sicht geforderte Schaffung einer Art Übernahmegarantie durch die Verknüpfung der Befristung von Qualifizierung mit Tenure-Track in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zurückgewiesen. Auch der künftigen Generation müsse die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Qualifizierung offengehalten werden (BT-Plenarprotokoll 18/133, S. 12905B).
53 Darüber hinaus forderte die Fraktion DIE LINKE in einem Antrag zur Änderung des Gesetzentwurfs für das Erste Gesetz zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (BTDrucks 18/6489) folgende Beschlussfassung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (BTDrucks 18/7038, S. 14):
"Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren zulässig, wenn mit dem in § 1 Absatz 1 Satz 1 genannten Personal vereinbart wird, dass die Befristungsabrede entfällt, wenn aufgrund rechtzeitig durch Gutachten festzustellender fachlicher, pädagogischer und persönlicher Eignung das Qualifizierungsziel erreicht worden ist."
54 Der Ausschuss lehnte den Änderungsantrag ab (BTDrucks 18/7038, S. 15). Dies begründete die CDU/CSU-Fraktion damit, dass die vorgeschlagene automatische Überleitung in Dauerbeschäftigungen im Hinblick auf die Postdoc-Phase mittelfristig zu einer Verringerung der zur Verfügung stehenden Stellen führte (BTDrucks 18/7038, S. 21). Entsprechend der Empfehlung des Ausschusses beschloss der Bundestag die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ohne die von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagene Regelung (BTDrucks 18/7038, S. 3, 15).
D.
55 Die Unvereinbarkeit des § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG führt zur Nichtigkeit dieser Regelung. Für eine vom Grundsatz der Nichtigkeitserklärung nach § 95 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 78 Satz 1 BVerfGG abweichende Unvereinbarkeitserklärung (vgl. BVerfGE 155, 310 <355 Rn. 103> - Kommunales Bildungspaket) besteht kein Anlass. Die Nichtigkeitserklärung ist auf § 110 Abs. 6 Satz 3 BerlHG zu erstrecken, weil für diese § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG flankierende Regelung kein selbständiger Anwendungsbereich verbleibt (vgl. BVerfGE 155, 119 <235 Rn. 266> - Bestandsdatenauskunft II).
56 Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Absätze 2 und 3 BVerfGG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Auslagenerstattung auch hinsichtlich der für erledigt erklärten, unmittelbar gegen § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Berliner Wissenschaft vom (GVBl Berlin S. 1039) gerichteten Verfassungsbeschwerde angeordnet wird (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>). Die frühere Fassung wurde erst nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde durch § 110 Abs. 6 Sätze 2 bis 4 BerlHG in der Fassung des Gesetzes zur Fortschreibung des Berliner Hochschulrechts vom (GVBl Berlin S. 450) ersetzt und litt offensichtlich an demselben Kompetenzmangel wie die Neufassung.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rs20250625.1bvr036822
Fundstelle(n):
BAAAJ-95076