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BGH Urteil v. - VIa ZR 737/22

Instanzenzug: Az: I-4 U 109/21vorgehend LG Detmold Az: 4 O 302/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Oktober 2018 einen Gebrauchtwagen des Typs Audi A6 Avant 3.0 TDI mit einem Dieselmotor undverlangt, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Berufungsanträge weiter.

Gründe

2Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

3Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

4Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich nicht aus §§ 826, 31 BGB. Die Beklagte habe vor dem Abschluss des Kaufvertrages mit dem Kläger umfangreiche Maßnahmen getroffen, um eine Täuschung der Käufer zu verhindern. So habe sie bereits seit dem Jahr 2016 relevante Dieselkonzepte innerhalb des VW-Konzerns untersucht, wobei die Analyseergebnisse den Behörden offengelegt worden seien; auf dieser Grundlage habe das Kraftfahrt-Bundesamt letztlich Rückrufbescheide erlassen. Zudem habe die Beklagte bereits über ein Jahr vor dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger mit der eigenen im Internet abrufbaren Pressemitteilung vom darüber informiert, dass sie für bestimmte Fahrzeuge ein kostenloses Update-Programm mit dem Ziel durchführe, das Emissionsverhalten im realen Fahrbetrieb mit einer neuen Software zu verbessern. Auf eine konkrete Kenntnis des Klägers von der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs komme es nicht an. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bestünden nicht.

II.

5Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht stand.

6Die Revision wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

7Das Berufungsgericht hat daher zwar insoweit zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

8Die Berufungsentscheidung ist (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

9Das Berufungsgericht wird insbesondere auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die erforderlichen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben, nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

                                                                

                                                              

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250625UVIAZR737.22.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-94688