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BGH Beschluss v. - 3 StR 510/24

Instanzenzug: Az: 6 KLs 2090 Js 58642/23

Gründe

I.

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 16 Fällen, davon in 12 Fällen in Tateinheit mit Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Cannabis, des Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen und der Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 875 € angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entschloss sich der Angeklagte zu Beginn des Jahres 2023 dazu, sich durch den wiederholten und gewinnbringenden Verkauf von Cannabis eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Hierbei kam es zu folgenden Einzeltaten:

3a) Der Angeklagte verkaufte dem zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alten Zeugen A.    bei vier Gelegenheiten jeweils für 10 € ein Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) (Fälle II.1 bis II.4 der Urteilsgründe).

4b) Außerdem übergab der Angeklagte dem Zeugen acht Mal jeweils zehn Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zehn Prozent THC und wies ihn jeweils an, hiervon jeweils 0,7 - 0,8 Gramm gewinnbringend zu veräußern und den Rest zum Eigenkonsum zu behalten. Die Verkaufserlöse von insgesamt 680 € ließ er sich aushändigen (Fälle II.5 bis II.12 der Urteilsgründe).

5c) Der Angeklagte traf die 15 Jahre alte Zeugin S.          bei vier Gelegenheiten, übergab ihr hierbei zwischen fünf und zehn Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zehn Prozent THC und wies sie jeweils an, dieses mit Ausnahme eines kleinen Eigenkonsumanteils gewinnbringend weiterzuverkaufen. Von den in drei Fällen erzielten Erlösen ließ er sich insgesamt 155 € auszahlen (Fälle II.13 bis II.16 der Urteilsgründe).

6d) Im Mai 2023 verfügte der Angeklagte über 11,7 Gramm Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von zehn Prozent THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf (Fall II.17 der Urteilsgründe).

7e) Im Oktober 2023 bewahrte der Angeklagte in seinem Zimmer 21,18 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zehn Prozent THC auf, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war (Fall II.18 der Urteilsgründe).

8f) Zudem versuchte der Angeklagte im Dezember 2022, ein Video mit kinderpornographischem Inhalt über Instagram zu verschicken, welches auf den dortigen Server gelangte (Fall II.19 der Urteilsgründe).

92. Das Landgericht hat die Taten II.1 bis II.4 jeweils als gewerbsmäßige Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, die Taten II.5 bis II.16 der Urteilsgründe als gewerbsmäßige Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in Tateinheit mit Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Nr. 1 KCanG, § 52 StGB, die Taten II.17 und II.18 als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG und die Tat II.19 als Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB gewertet.

II.

101. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II.5 bis II.16 der Urteilsgründe sowie des Einziehungsausspruchs.

11a) Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet hingegen der Schuldspruch in den Fällen II.5.-16., soweit die Strafkammer diesen innerhalb einer Tat iSv § 52 StGB teils auf das Betäubungsmittelgesetz und teils auf das Konsumcannabisgesetz stützt.

aa) Das Landgericht hat den Angeklagten jeweils wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 2 KCanG) schuldig gesprochen. Dies lässt sich jedoch mit dem Grundsatz strikter Alternativität nicht vereinbaren (…). Vielmehr hätte die Strafkammer auf Grund des Umstands, dass beide tateinheitlich verwirklichten Straftatbestände von derselben Gesetzesänderung betroffen waren, entweder das Konsumcannabisgesetz oder das Betäubungsmittelgesetz einheitlich zur Anwendung bringen müssen (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom – 3 StR 167/24, juris Rn. 5; Beschluss vom – 3 StR 232/24, juris Rn. 5, Beschluss vom – 3 StR 140/24, juris Rn. 9; , WKRS Rn. 6).

bb) Bei dem anzustellenden konkreten Gesamtvergleich der alten und der neuen Rechtslage erweist sich das Konsumcannabisgesetz als milder (§ 2 Abs. 3 StGB).

Bei Zugrundelegung des Betäubungsmittelgesetzes hätte das Landgericht die Strafe dem Strafrahmen des § 30a BtMG entnehmen müssen. Dieser sieht für das Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG) einen Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren Freiheitsstrafe vor, in minder schweren Fällen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Im Vergleich zum tateinheitlich verwirklichten Tatbestand der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG), der einen Strafrahmen von zwei Jahren bis 15 Jahren Freiheitsstrafe, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis fünf Jahren, vorsieht, droht § 30a BtMG damit die schwerste Strafe an (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB). Das Konsumcannabisgesetz erfasst hingegen in § 34 Abs. 4 KCanG sowohl die gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis an Minderjährige (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG) als auch das Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 2 KCanG) und sieht hierfür eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis 15 Jahren, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Vergleicht man mithin die nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB heranzuziehenden Strafrahmen, erweist sich das KCanG als tätergünstiger und ist daher auf alle Tathandlungen einheitlich anzuwenden.

Der Angeklagte hat sich demnach in den Fällen II.5.-16. jeweils der gewerbsmäßigen Abgabe von Cannabis an Minderjährige in Tateinheit mit Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Cannabis strafbar gemacht. Wie auch im Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes tritt das Handeltreiben mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG einschließlich des gewerbsmäßigen Handeltreibens nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG hinter dem Verbrechenstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG zurück, da der Unrechtsgehalt durch die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe ausgeschöpft wird (vgl. hierzu Patzak/Fabricius/Patzak, 11. Aufl. 2024, KCanG § 34 Rn. 304 f.).“

12Dem schließt sich der Senat an.

13§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

14Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Das Landgericht hat die Einzelstrafen in den hiervon betroffenen Fällen jeweils dem Konsumcannabisgesetz entnommen.

15b) Wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zudem ebenfalls zutreffend ausgeführt, ist der Betrag der gemäß § 73c StGB angeordneten Einziehung um 285 € zu reduzieren, da das in dieser Höhe bei dem Angeklagten sichergestellte Bargeld, auf welches dieser wirksam verzichtet hat, rechtsfehlerhaft nicht in Abzug gebracht worden ist (vgl. hierzu , BGHR StGB § 73c Anrechnung 1 Rn. 2 ff. mwN).

162. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grundlage der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

173. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Schäfer                                Hohoff                                Anstötz

                       Kreicker                                Munk

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:010425B3STR510.24.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-94684