Instanzenzug: LG Regensburg Az: 7 KLs 507 Js 7489/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen „vorsätzlichen“ gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit „vorsätzlicher“ Körperverletzung, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, „vorsätzlichem“ Fahren ohne Fahrerlaubnis, Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in drei tateinheitlichen Fällen, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Cannabis in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer „Freiheitsstrafe“ von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet und die Einziehung des Werts von Taterträgen in Höhe von 3.600 Euro gegen den Angeklagten angeordnet. Die Angeklagte P. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu jeweils 55 Euro verurteilt. Ferner hat es die Einziehung zweier sichergestellter Mobiltelefone angeordnet.
2Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts – die Angeklagte P. auch auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts – stützen. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Revision der Angeklagten P. ist unbegründet.
31. Die auf § 74 StGB gestützte Einziehung verschiedener Mobiltelefone des Angeklagten K. kann nicht bestehen bleiben, weil sich deren Benutzung im Zusammenhang mit den Taten B. 4. und B. 5. der Urteilsgründe nicht aus den Urteilsgründen ergibt. Der Senat hat insoweit mit Zustimmung des Generalbundesanwalts nach § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung abgesehen.
42. Die Formalrüge der Angeklagten P. ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
53. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrügen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
6a) Der Schuldspruch kann bei beiden Angeklagten bestehen bleiben, obwohl das Urteil keine zusammenhängenden Darstellungen ihrer Einlassungen zur Sache und deren Würdigung unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise enthält, was regelmäßig die Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen nach sich zieht.
7aa) Zwar ergibt sich dieses Erfordernis nicht aus § 267 StPO, der den Inhalt der Urteilsgründe bestimmt. Aus sachlich-rechtlichen Gründen ist aber regelmäßig wiederzugeben, ob und gegebenenfalls wie sich der Angeklagte eingelassen hat, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich das Tatgericht unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. Rn. 4; für die Unterbringung nach § 63 StGB vgl. Rn. 12; Beschluss vom – 1 StR 205/20 Rn. 3; Beschluss vom – 2 StR 416/19; Beschluss vom – 1 StR 518/19 Rn. 3 f.; Beschluss vom – 5 StR 444/19 Rn. 4; Beschluss vom – 2 StR 403/14 Rn. 3; Beschluss vom – 4 StR 88/98 Rn. 4, juris). Insoweit bestimmt die Einlassung des Angeklagten Umfang und Inhalt der Darstellung (vgl. Rn. 4; Beschluss vom – 3 StR 489/14 Rn. 5).
8bb) Dass sich die Urteilsgründe nicht ausdrücklich zu den Einlassungen der Angeklagten zur Sache verhalten, ist hier ausnahmsweise nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend deutlich ergibt, dass sich die Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht zur Sache geäußert haben (vgl. ). Soweit (nur) die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten ausweislich der Urteilsgründe auf deren Angaben beruhen, lässt dies allein zwar nicht den Schluss zu, dass darüber hinaus Angaben zur Sache nicht gemacht wurden (vgl. Rn. 5; Beschluss vom – 5 StR 444/19 Rn. 5; Beschluss vom – 2 StR 403/14 Rn. 4). Für ein solches Einlassungsverhalten der Angeklagten spricht im vorliegenden Fall aber, dass die getroffenen Feststellungen durch eine umfassende Beweiswürdigung belegt werden, in der sich die Strafkammer mit einer Vielzahl von Beweismitteln – Zeugen, Sachverständigengutachten, GPS- und Telekommunikationsüberwachung – in teils überaus detailliertem Umfang auseinandersetzt. Hinzu kommt, dass die Strafkammer dem Angeklagten K. im Rahmen der Strafzumessung im Fall B. 6. der Urteilsgründe (nur) zugutehält, gegenüber den bei der Durchsuchung eingesetzten Polizeibeamten die tatsächliche Sachherrschaft über die Betäubungsmittel eingeräumt zu haben.
9b) Die den Angeklagten K. betreffenden Schuldsprüche in den Fällen B. 4. und B. 6. der Urteilsgründe jeweils gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bzw. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand, obwohl sich den Urteilsgründen auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht entnehmen lässt, welche Art von Methamphetamin Gegenstand der Taten war und welcher Grenzwert der nicht geringen Menge deshalb anzusetzen ist. Für (2S)-Methamphetamin ist insoweit von fünf Gramm Methamphetaminbase auszugehen, während der Grenzwert für Methamphetamin-Racemat bei zehn Gramm der wirkungsbestimmenden Base anzusetzen ist (vgl. Rn. 19). Denn soweit die Strafkammer im Fall B. 4. der Urteilsgründe eine Wirkstoffmenge von mindestens zehn Gramm feststellt und im Fall B. 6. der Urteilsgründe eine Wirkstoffmenge von mindestens 35,98 Gramm, ist auch der zur Vermeidung jeder Beschwer des Angeklagten anzunehmende höhere Grenzwert von zehn Gramm erreicht bzw. überschritten.
10c) Auch der Strafausspruch bei dem Angeklagten K. hat im Ergebnis Bestand.
11aa) Allerdings hat die Strafkammer ihrer Strafzumessung rechtsfehlerhaft den Strafrahmen des § 315 Abs. 3 StGB von einem Jahr bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe zugrunde gelegt.
12(1) Bei einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, der – wie hier – durch die Verdeckungsabsicht des Täters im Sinne von § 315 Abs. 3 Nr. 1 b) StGB qualifiziert ist, ist der maßgebliche Strafrahmen nicht dieser Vorschrift, sondern der hierauf verweisenden Vorschrift des § 315b Abs. 3 StGB zu entnehmen. Denn der Verweis auf § 315 Abs. 3 StGB erfolgt lediglich hinsichtlich der Qualifikationsmerkmale, nicht jedoch bezüglich des dortigen Strafrahmens (vgl. Rn. 26; Beschluss vom – 4 StR 517/18 Rn. 9; Urteil vom – 4 StR 377/03 Rn. 17, juris).
13(2) Der Senat kann indes ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Zwar verblieb es für die Strafzumessung bei den unterschiedlichen Strafrahmen, nachdem die Kammer das Vorliegen eines minder schweren Falles – nach beiden Vorschriften mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren bedroht (vgl. § 315b Abs. 3, letzter Halbsatz StGB einerseits, § 315 Abs. 4, letzter Halbsatz StGB andererseits) – mit nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint hat. Mit der im Fall B. 1. bis 3. verhängten Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten hat sich die Strafkammer jedoch ersichtlich nicht an der Obergrenze des Strafrahmens orientiert.
14bb) Schließlich begegnet auch der Strafausspruch in den Fällen B. 4. und B. 6. der Urteilsgründe keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Denn auch wenn aus den oben genannten Gründen von günstigeren Faktoren der Grenzwertüberschreitung ausgegangen wird, kann aufgrund der Vielzahl der hierbei beanstandungsfrei zulasten des Angeklagten berücksichtigten Strafzumessungserwägungen in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei Zugrundelegung des höheren Grenzwertes mildere Strafrahmen angenommen bzw. geringere Strafen und in der Folge eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte.
Quentin Maatsch Marks
Tschakert Gödicke
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:060525B4STR525.24.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-93367