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BGH Beschluss v. - KVB 61/23

Apple

Leitsatz

Apple

1. Mehrseitige Märkte im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB sind nicht nur Plattformen, auf denen Geschäftsabschlüsse zwischen verschiedenen Nutzergruppen stattfinden oder vermittelt werden; es genügt, dass durch die Plattform die Aufmerksamkeit einer Nutzergruppe auf die andere gelenkt oder eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen technisch ermöglicht wird.

2. Eine Tätigkeit "auf" mehrseitigen Märkten liegt bereits mit dem Betreiben einer Plattform (insbesondere für digitale Leistungen) vor.

3. Ein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB setzt voraus, dass das Unternehmen die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit hat, die Daten zu erheben und zu nutzen; das bloße Zugangspotential reicht nicht aus.

4. Das Kriterium des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GWB nimmt allein die Marktbeherrschung des Unternehmens gemäß § 18 GWB auf einem oder mehreren Märkten in den Blick.

Gesetze: § 18 Abs 3a GWB, § 19a Abs 1 S 2 Nr 1 GWB, § 19a Abs 1 S 2 Nr 4 GWB

Instanzenzug: BKartA Bonn Az: B 9 - 67/21 Beschluss

Gründe

1A.    Die Beschwerdeführerin zu 1 ist die Konzernobergesellschaft des Apple-Konzerns; die Beschwerdeführerin zu 2 ist eine konzernangehörige deutsche Gesellschaft (die Beschwerdeführerin zu 1 einschließlich aller mit ihr im Sinn des § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen nachfolgend: Apple). Die Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Feststellung des Bundeskartellamts, Apple komme eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zu (§ 19a Abs. 1 Satz 1 GWB).

2Apple ist ein US-amerikanisches Technologieunternehmen, das insbesondere Computer und Smartphones, integrierte Betriebssysteme sowie Anwendungssoftware entwickelt und weltweit vertreibt. Mit einer Börsenkapitalisierung von über 3 Billionen USD ist Apple das wertvollste Unternehmen der Welt. Der Umsatz des Konzerns lag im Geschäftsjahr 2022 bei 394,3 Mrd. USD, im Geschäftsjahr 2021 bei 365,8 Mrd. USD. Seine Bilanz weist für das Geschäftsjahr 2022 einen Gewinn von knapp 95 Mrd. USD und liquide Mittel von mehr als 180 Mrd. USD aus. Apple beschäftigt rund 150.000 Mitarbeiter. Der Konzern hat in den letzten zehn Jahren weit mehr als [50-100] Unternehmen übernommen.

3Zu den von Apple produzierten und vertriebenen Hardwareprodukten gehören das Smartphone iPhone, der Tablet-Computer iPad, die Personal Computer der Mac-Reihe, die sowohl Desktops als auch Laptops umfassen, sowie diverse Wearables, unter anderem die Smartwatch Apple Watch. Für seine Hardware-Produkte hat Apple jeweils eigene Betriebssysteme entwickelt, nämlich iOS für das iPhone, iPadOS für das iPad, macOS für die Mac-Computer und watchOS für die Apple Watch. Diese - anderen Geräteherstellern nicht zugänglichen und damit "proprietären" - Betriebssysteme sind auf den von Apple vertriebenen Geräten vorinstalliert und für deren Nutzung grundsätzlich unverzichtbar. Apple stellt den Abnehmern seiner Geräte zudem eine Vielzahl von Softwareprodukten zur Verfügung, wie zum Beispiel den Webbrowser Safari, den Chatdienst FaceTime, die Spracherkennungssoftware Siri, das E-Mail-Programm Mail, die Textverarbeitung Pages, die Tabellenkalkulation Numbers und den Videoplayer Quicktime, die in der Regel ebenfalls auf den ausgelieferten Endgeräten vorinstalliert und - wie die Betriebssysteme - in deren Preisen inbegriffen sind. Über den Apple App Store können die Nutzer von Apple-Geräten von Dritten entwickelte und angebotene Apps herunterladen. Darüber hinaus bietet Apple mehrere Online-Dienste an, zu denen der Musik-Streamingdienst Apple Music, der Video-Streamingdienst Apple TV+, der Spieledienst Arcade, der Clouddienst iCloud, der Fitnessdienst Apple Fitness+ sowie der Bezahldienst Apple Pay gehören. Seine Hardwaregeräte bietet Apple in verschiedenen Ausführungen und zu entsprechend differenzierten Preisen an; die Produkte werden fortlaufend weiterentwickelt, und es werden stetig neue Modelle auf den Markt gebracht. Auch die proprietären Betriebssysteme werden fortlaufend überarbeitet und den Kunden in aktualisierten Versionen zur Verfügung gestellt. So erscheint nahezu jährlich eine neue Version von iOS, und innerhalb jeder Version werden mehrere Updates angeboten, die in der Regel Schwachstellen beseitigen, aber häufig auch zusätzliche Funktionen einführen. Allein für macOS hat Apple zwischen 2021 und 2023 18 Updates bereitgestellt.

4Vom Gesamtumsatz des Konzerns im Geschäftsjahr 2022 entfiel über die Hälfte (über 205 Mrd. USD) auf das iPhone, weitere 7,5 % (29,3 Mrd. USD) auf das iPad und rund 10 % (40,2 Mrd. USD) auf den Mac. Knapp 20 % des Umsatzes (78,1 Mrd. USD) erzielte Apple zudem mit dem Geschäftsbereich Services, in dem die App Store-Aktivitäten und die sonstigen Online-Dienste des Unternehmens gebündelt sind. Apple erwirtschaftet circa 40 % seines Umsatzes (169,5 Mrd. USD) auf dem amerikanischen Kontinent, etwa 25 % (95,1 Mrd. USD) in Europa und um die 35 % in Asien. Sein Umsatz in Deutschland betrug im Geschäftsjahr 2021 etwa [5-15] Mrd. USD.

5Apple hat zwischen 2017 und 2021 weltweit mehr als 1 Mrd. iPhones und rund 250 Mio. iPads verkauft, davon [20-30] Mio. iPhones und knapp [5-15] Mio. iPads in Deutschland. Hinzu kommen in diesem Zeitraum weltweit knapp 100 Mio. Mac-Computer, davon rund [<10] Mio. in Deutschland, sowie über 100 Mio. Apple Watches (in Deutschland rund [<10] Mio.). Von der Markteinführung 2007 bis 2021 wurden weltweit mehr als 2 Mrd. iPhones verkauft, etwa die Hälfte davon zwischen 2017 und 2021. Gemessen an der verkauften Stückzahl (im Folgenden: absatzbezogen) lag Apple in den Jahren 2019, 2020 und den ersten drei Quartalen 2021 auf dem Smartphone-Markt weltweit mit einem Anteil von jeweils rund [15-20] % auf Rang zwei hinter Samsung, dessen Anteil jeweils etwa [20-25] % betrug. Bezogen auf den Umsatz (im Folgenden: umsatzbezogen) ergibt sich für denselben Zeitraum ein weltweiter Marktanteil von Apple in Höhe von zwischen [40-45] % und [45-50] %, gefolgt von Samsung mit zwischen [20-25] % und [15-20] % Marktanteil. In Deutschland wurden zwischen 2017 und 2021 über [20-30] Mio. iPhones verkauft; Ende 2021 waren hier rund [30-35] Mio. iPhones in Gebrauch. Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts betrug Apples absatzbezogener Anteil an den in Deutschland in den Jahren 2019, 2020 und den ersten drei Quartalen 2021 verkauften Smartphones zwischen [20-25] % und [30-35] %, umsatzbezogen lag er zwischen [45-50] % und [55-60] %. Auf Samsung entfielen danach in dieser Zeit absatzbezogen zwischen [40-45] % und [35-40] %, umsatzbezogen zwischen [35-40] % und [25-30] %. Anfang 2023 verzeichnete Apple weltweit insgesamt 2 Mrd. aktive Geräte, also Geräte, die sich in den letzten 90 Tagen mindestens einmal mit Apple-Servern oder Diensten verbunden haben. Der größte Teil dieser Geräte - mehr als 1 Mrd. - sind iPhones, mehr als [300-350] Mio. iPads.

6Der Apple App Store ist die zentrale digitale Vertriebsinfrastruktur für von Dritten für das iPhone, das iPad und die Apple Watch angebotene Anwendungssoftware. Er ist wie andere Softwareangebote Apples auf den Endgeräten vorinstalliert. Um im App Store gelistet werden zu können, müssen die App-Herausgeber am sogenannten "Apple Developer Program" teilnehmen. Hierfür müssen sie einen Lizenzvertrag (License Agreement) unterzeichnen und grundsätzlich - soweit es sich nicht um gemeinnützige Organisationen, Bildungseinrichtungen oder Behörden handelt - eine jährliche Entwicklergebühr von 99 oder 299 USD an Apple zahlen. Der Lizenzvertrag begründet die Pflicht der App-Herausgeber zur Einhaltung der App Store Guidelines. Bis April 2024 waren sie zudem verpflichtet, für den Umsatz digitaler Güter oder Dienstleistungen ausschließlich Apples In-App-Purchase (IAP)-Programm zu verwenden. Apple behält von jedem Kauf über IAP eine Provision in Höhe von 15 % oder 30 % ein. Der Apple App Store war bis zum Inkrafttreten der Verhaltenspflichten der Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte; nachfolgend Digital Markets Act oder DMA) im April 2024 die einzige Möglichkeit für den Bezug und Vertrieb externer Apps durch und an Apple-Gerätenutzer.Im Geschäftsjahr 2020 waren im Apple App Store rund 1,7 Mio. Apps verfügbar, die 2020 rund [30-40] Mrd. mal heruntergeladen wurden; im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Wachstumsrate von knapp [15-25] %. Mit den im Apple App Store verfügbaren Apps und angebotenen Leistungen wurden im Jahr 2020 insgesamt mehr als 640 Mrd. USD umgesetzt und damit 24% mehr als im Vorjahr. Apple selbst erzielte im Geschäftsjahr 2021 durch den App Store einen Nettoerlös von rund [15-25] Mrd. USD, ein Plus von etwa [15-25] % gegenüber dem Jahr 2020.

7Mit Beschluss vom hat das Bundeskartellamt gegenüber den Beschwerdeführerinnen festgestellt, dass Apple eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinn des § 19a Abs. 1 GWB zukommt, und zugleich diese Feststellung auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet.

8Zur Begründung hat es ausgeführt, Apple betreibe - ausgehend von seinen zentralen Hardwareprodukten über die vertikal verbundenen Stufen der proprietären Betriebssysteme, den Apple App Store und eine Vielzahl weiterer Produkte und Dienste - ein umfassendes digitales Ökosystem mit einer hohen Bedeutung für den Wettbewerb nicht nur in Deutschland, sondern auch europa- und weltweit. In diesem System besetze das Unternehmen marktübergreifend Schlüsselpositionen für die Interaktion und Nutzung von digitalen Geschäftsmodellen und Angeboten, verknüpft mit einer besonderen Bindung seiner Nutzer über alle Wertschöpfungsstufen des Apple-Systems hinweg. Apple verfüge über marktbeherrschende, mindestens jedoch marktstarke Stellungen bei Smartphones, Tablets und Smartwatches, den Betriebssystemen iOS, iPadOS und WatchOS sowie bei den Apple App Stores als den sowohl für App-Herausgeber als auch für Nutzer einzig verfügbaren digitalen Vertriebsplattformen für Apps und andere Softwareprodukte auf Apple-Geräten. Das Unternehmen sei auf einer Vielzahl verschiedener Märkte tätig, die durch vertikale Integration oder in sonstiger Weise miteinander verbunden seien, und habe durch seine Tätigkeit eine erhebliche Bedeutung für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten. Zudem verfüge Apple über einen hervorragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten sowie über erhebliche Finanzkraft und weitere Ressourcen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des umfangreich begründeten Beschlusses vom Bezug genommen.

9Dagegen wenden sich die Beschwerdeführerinnen mit der Beschwerde. Sie sind der Auffassung, Apple sei bereits nicht Adressat des § 19a Abs. 1 GWB. Die Norm wolle dem von einem digitalen Ökosystem ausgehenden Gefährdungspotential begegnen. Ihr Fokus liege auf digitalen mehrseitigen Märkten und datengetriebenen Geschäftsmodellen, nicht hingegen auf Märkten für physische Güter, zu denen auch Hardwaregeräte zählten. Apple erziele mehr als 80 % seiner gesamten Umsätze mit dem Verkauf solcher Hardwaregeräte und verfolge ein Geschäftsmodell, das stark auf Datenminimierung und die Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus für seine Nutzer ausgerichtet sei. Das Bundeskartellamt habe in Bezug auf Apple keine bestimmte, hinreichend konkrete und nicht nur abstrakte Gefahr für den Leistungswettbewerb auf den - zudem konkret zu benennenden - digitalen Märkten nachgewiesen; eine solche bestehe auch nicht. Apples Betriebssysteme und die Apple App Stores bildeten keine eigenständigen digitalen Plattformmärkte.

10Apple verfüge auf den vom Bundeskartellamt angenommenen Märkten für Smartphones, Tablets und Smartwatches weder über eine marktbeherrschende Stellung noch über eine sehr starke Marktposition. Das Bundeskartellamt habe die Märkte in sachlicher wie räumlicher Hinsicht unrichtig abgegrenzt. Zudem dürften Marktanteile nicht umsatzbasiert berechnet werden. Durchschnittspreise und umsatzbasierte Marktanteile wiesen angesichts der Besonderheiten der Märkte für Smartphones und anderer Smart Devices nicht auf eine marktbeherrschende Stellung hin. Basierend auf der Zahl der verkauften Geräte sei der Marktanteil Apples selbst nach der Marktabgrenzung des Bundeskartellamts überschaubar. Die Ressourcen sowie die vertikale und konglomerate Integration des Unternehmens könnten für die Bewertung seiner angeblichen überragenden marktübergreifenden Bedeutung nicht ausschlaggebend sein, da das Bundeskartellamt nicht untersucht habe, ob sich daraus eine hinreichend konkretisierte Gefährdungslage für den Leistungswettbewerb auf digitalen Märkten ergebe. Die aus technologisch hochentwickelten proprietären Hardwarekomponenten und der dazugehörigen Software-Grundausstattung bestehenden integrierten Systeme dienten der Steigerung der Attraktivität der Apple-Geräte und stellten seit jeher das wesentliche Differenzierungsmerkmal Apples im Wettbewerb mit anderen Geräteherstellern und dem Android-Ökosystem dar.

11Apples Datenzugangsmöglichkeiten komme kein erhebliches Gewicht für seine Geschäftstätigkeit und für die Beurteilung der angeblichen überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb zu. Das Bundeskartellamt überzeichne den Zugang von Apple zu wettbewerbsrelevanten Daten, indem es ein mögliches Datenzugangspotential beschreibe. Damit ignoriere es Apples selbst auferlegte Beschränkungen des Datenzugangs und der Datennutzung im Interesse des Schutzes der Privatsphäre der Nutzer, die mit Apples Geschäftsmodell untrennbar verbunden seien und die das Unternehmen ohne grundlegende Gefährdung der eigenen Marktchancen nicht aufgeben könnte. Apple verfolge weder über die Apple ID noch über sonstige Identifikationskennungen das Nutzerverhalten in seinem Ökosystem. Zahlreiche personenbezogene Daten der Apple-Kunden seien entweder auf den Geräten oder verschlüsselt in der iCloud gespeichert. Hierauf habe Apple keinen Zugriff. In Zusammenhang mit der Nutzung von Drittanbieter-Apps stehende Daten könnten nur erhoben werden, wenn der Nutzer zustimme, Geräteanalysedaten an Apple zu senden ("opt in"), was nur bei etwa [10-20] % der Gerätekunden der Fall sei. Apple verkaufe oder teile auch keine Nutzerdaten mit Dritten. Insofern unterscheide sich Apple grundlegend von anderen digitalen Plattformen mit einem datengetriebenen Geschäftsmodell, was das Bundeskartellamt nicht berücksichtigt habe. Auch die Bedeutung der Tätigkeit Apples für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie sein damit verbundener Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter werde im angefochtenen Beschluss zu Unrecht bejaht. Apple verfüge zudem über keine relevante Regelsetzungsmacht gegenüber Anbietern von Inhalten oder Suchmaschinen, der Werbeindustrie, anderen Hardwareanbietern und Mobilfunkunternehmen. Soweit eine solche gegenüber App-Herausgebern bejaht worden sei, müsse berücksichtigt werden, dass Apple seit seiner Benennung als Torwächter gemäß Art. 3 DMA am unter anderem für seine Betriebssysteme iOS und iPadOS sowie die jeweiligen App Stores zahlreiche Änderungen umgesetzt habe und nunmehr unter anderem native Apps für iOS und iPadOS auch über alternative App-Marktplätze und eigene Webseiten der App-Entwickler vertrieben werden sowie vorinstallierte Apple-Apps ab Ende 2024 schrittweise vom Nutzer gelöscht werden könnten. Die vom Bundeskartellamt vorgenommene Gesamtwürdigung aller (angeblich) die überragende marktübergreifende Bedeutung Apples für den Wettbewerb begründenden Elemente erweise sich als grob fehlerhaft.

12Zudem beruhe der angefochtene Beschluss auf einer unzureichenden Tatsachen- und Beweisgrundlage. Die Ermittlungen des Bundeskartellamts insbesondere bezüglich der angeblichen mehrseitigen Märkte der mobilen Betriebssysteme und der App Stores seien unzureichend und mangelhaft. Es habe sich auf die Befragung einer sehr kleinen, nicht repräsentativen Stichprobe von App-Herausgebern beschränkt, in seinen Auskunftsersuchen Suggestivfragen gestellt und die Ergebnisse der Umfrage im Beschluss verzerrt dargestellt. Für eine erhebliche Erschwerung des Wechsels von Apple-Nutzern zu Geräten anderer Hersteller und damit ihrem "Lock-In" in das Apple-Ökosystem fehlten Belege; die tatsächlichen Ansichten von Apple-Nutzern seien nicht ermittelt worden. Schließlich würden von Apple gelieferte Daten vom Bundeskartellamt falsch und irreführend verwendet.

13Die Beschwerdeführerinnen halten § 19a GWB aus unionsrechtlichen Gründen für unanwendbar und stellen seine Verfassungsmäßigkeit in Frage. Es fehle an der erforderlichen Notifizierung gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (nachfolgend Richtlinie 2015/1535) sowie gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (nachfolgend Richtlinie 2000/31 oder E-Commerce-Richtlinie). Zudem verstoße die Vorschrift gegen Art. 1 Abs. 5 und 6 DMA; jedenfalls aber müsse ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV durchgeführt werden. Daneben verletze § 19a GWB in der vom Bundeskartellamt vertretenen Auslegung den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz sowie die Berufs- und die Eigentumsfreiheit nach Art 12 und 14 GG.

Die Beschwerdeführerinnen beantragen,

den Beschluss des Bundeskartellamts vom - B 9-67/21 - aufzuheben.

Das Bundeskartellamt beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

14Das Bundeskartellamt verteidigt seinen Beschluss und tritt den Beschwerdeangriffen im Einzelnen entgegen.

15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Streitakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die von den Beteiligten vorgelegten Gutachten, Beweismittel und Unterlagen sowie die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

16B.    Die gemäß § 73 Abs. 1 und 2, § 74 GWB statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

17I.    Der Bundesgerichtshof ist gemäß § 73 Abs. 5 Nr. 1 GWB für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig. Danach entscheidet er als Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts nach § 19a GWB. Das begegnet, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden und ausführlich begründet hat (, BGHZ 240, 227 Rn. 22 bis 31 mwN - Amazon), keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Beschwerdeführerinnen zeigen insoweit keine neuen Argumente auf.

18II.    Der angefochtene Beschluss ist materiell rechtmäßig. Das Bundeskartellamt hat zutreffend und ermessensfehlerfrei angenommen, dass Apple gemäß § 19a Abs. 1 GWB in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB tätig ist (nachfolgend 1.) und dem Konzern eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt (nachfolgend 2.). Der Beschluss, für dessen Rechtmäßigkeit es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt, ist nicht durch zwischenzeitliche Sachverhaltsänderungen rechtswidrig geworden (nachfolgend 3.). Seine Befristung auf fünf Jahre ab Bestandskraft nach § 19a Abs. 1 Satz 3 GWB ist zwingend und somit nicht zu beanstanden (vgl. BGHZ 240, 227 Rn. 162 bis 164 mwN - Amazon).

191.    Apple ist in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB tätig.

20a)    Das Bundeskartellamt hat zu Recht festgestellt, dass Apple mit den auf iPhones und iPads bereitgestellten App Stores und seinen mobilen Betriebssystemen wie insbesondere iOS und iPadOS auf mehrseitigen Märkten beziehungsweise Plattformen tätig ist.

21aa)    Ein mehrseitiger Markt oder der damit synonym verwendete Begriff der Plattform ist ein Markt, auf dem mindestens zwei unterschiedliche Nutzergruppen zusammenkommen. Dadurch entstehen (positive) indirekte Netzwerkeffekte, wenn sich für jede Nutzergruppe ein Zusatznutzen dadurch ergibt, dass die Zahl der Nutzer der anderen Nutzergruppe steigt. Indirekte Netzwerkeffekte können mit der zunehmenden Größe einer Plattform wachsen und sich verstärken (BGHZ 240, 227 Rn. 35 mwN - Amazon). Die Normadressateneigenschaft des § 19a Abs. 1 GWB knüpft an eine Tätigkeit insbesondere auf digitalen Plattformmärkten an, welche die verschiedenen Marktseiten mehrseitiger Märkte miteinander verbinden (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen vom , BT-Drucks. 19/23492, S. 74).

22(1)    Mehrseitige Märkte im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB sind nicht nur Plattformen, auf denen Geschäftsabschlüsse zwischen verschiedenen Nutzergruppen stattfinden oder vermittelt werden. Es genügt vielmehr, dass durch die Plattform die Aufmerksamkeit einer Nutzergruppe auf die andere gelenkt oder eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen technisch ermöglicht wird. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des § 18 Abs. 3a GWB im Jahr 2017 das traditionelle kartellrechtliche Marktverständnis im Sinn des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage erweitern und auf wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse zur - insbesondere digitalen - Plattformökonomie reagieren (vgl. Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom , BT-Drucks. 18/10207, S. 47 bis 49). Diese Erkenntnisse gehen von der Beobachtung aus, dass wirtschaftliche und technologische Entwicklungen verschiedene Arten von Plattformen hervorgebracht haben, nämlich solche, die als Marktplatz dienen ("Transaktionsplattformen"), solche, die auf die Informationsaufbereitung und -vermittlung ausgerichtet und regelmäßig werbefinanziert sind ("Informations- oder Aufmerksamkeitsplattformen"), Plattformen, die dem sozialen Austausch gewidmet sind (soziale Netzwerke, soziale Medien) sowie technische Plattformen wie Betriebssysteme (vgl. etwa Rochet/Tirole, Journal of the European Economic Association 2003, 990, 995; Evans/Schmalensee, Issues in Competition Law and Policy 2008, 667, 669; Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, 2018, S. 96). Aus wettbewerbsökonomischer Sicht sind Plattformen oder mehrseitige Märkte nicht nur wegen der Art der auf ihnen stattfindenden Interaktionen der verschiedenen Nutzergruppen von Bedeutung, sondern insbesondere auch wegen der mit den Interaktionen verbundenen indirekten positiven Netzwerkeffekte, die nicht nur dann eintreten, wenn auf der Plattform Geschäfte vermittelt werden, sondern auch bei anderen Formen des "Zusammenkommens". In der wettbewerbsökonomischen Forschung besteht daher Einigkeit darüber, dass auch Plattformen, die keine geschäftlichen Transaktionen vermitteln, wettbewerblich relevant sein können (vgl. Niels/Jenkins/Kavanagh, Economics for Competition Lawyers, 3. Aufl., Rn. 2.80; Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, 2018, S. 10, 96).

23Im Einklang mit diesem weiten Begriffsverständnis der Plattform oder des mehrseitigen Markts hat der Gesetzgeber bei Einführung des § 18 Abs. 3a GWB betont, dass es mehrseitige Märkte in vielfältiger Gestalt gebe (BT-Drucks. 18/10207, S. 47). Bei zahlreichen der in der Gesetzesbegründung exemplarisch angeführten mehrseitigen Märkte oder Plattformen finden direkte geschäftliche Transaktionen zwischen den unterschiedlichen Nutzergruppen oder Marktseiten entweder gar nicht oder aber nicht auf der Plattform statt, so etwa bei werbefinanzierten Medien, wo Werbende und Konsumenten zusammenkommen, bei technischen Standards wie Blue-ray, welches Anbieter von Inhalten auf Blue-ray-Discs und Besitzer von Blue-ray-Playern zusammenbringt, bei Spielekonsolen, wo die unterschiedlichen Nutzergruppen die Entwickler von Spielen und die Spieler sind, bei Kreditkartensystemen, bei denen sich Kreditkarten akzeptierende Geschäfte einerseits und Kreditkartenbesitzer andererseits gegenüberstehen, sowie bei Betriebssystemen, die Entwickler von Programmen und Endkunden des Betriebssystems zusammenführen (vgl. BT-Drucks. 18/10207, S. 49). Dem folgend geht auch die rechtswissenschaftliche Literatur einhellig davon aus, dass mehrseitige Märkte nicht voraussetzen, dass auf ihnen Geschäftsabschlüsse stattfinden oder vermittelt werden (vgl. Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 18 GWB Rn. 70; Töllner in Bunte, Kartellrecht, 14. Aufl., § 18 GWB Rn. 127; Bosch in Bechtold/Bosch, GWB, 11. Aufl., § 18 Rn. 58; Götting in BeckOK Kartellrecht, 15. Ed., § 18 GWB Rn. 62; Louven in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 109. Lieferung, § 18 GWB Rn. 294; Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387, 388).

24(2)    Für die in § 19a Abs. 1 Satz 1 GWB adressierte Intermediationstätigkeit muss daher das die Plattform betreibende Unternehmen - der Intermediär - weder einen Kontakt zwischen den verschiedenen Marktseiten herstellen, noch auf oder mit der Plattform den Abschluss von Geschäften zwischen verschiedenen Nutzergruppen oder Marktseiten möglich machen, auch wenn solche Vermittlungen ebenfalls erfasst sind. Die wettbewerbliche Gemeinsamkeit und Besonderheit digitaler Plattformmärkte liegt in den bereits genannten indirekten Netzwerkeffekten (vgl. BT-Drucks. 18/10207, S. 49 f.; BGHZ 240, 227 Rn. 35 - Amazon). Diese können mit zunehmender Größe einer Plattform wachsen und sich verstärken, da ein Wachstum der Plattform die ökonomische Stärke des sie betreibenden Unternehmens erhöht und umgekehrt. Diese Auswirkungen von Plattformen stellen nach der Vorstellung des Gesetzgebers regelmäßig ein Element der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb dar, wobei unerheblich ist, ob diese Bedeutung gerade auf die Plattformtätigkeit des Unternehmens zurückzuführen oder auch aufgrund anderer Aktivitäten ermöglicht worden ist. Daher sollen von § 19a GWB insbesondere auch solche Unternehmen erfasst werden, die in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB tätig sind, deren überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb sich aber zu wesentlichen Teilen auch aus anderen Aktivitäten auf digitalen Märkten speist (vgl. BT-Drucks. 19/23492, S. 74).

25bb)    Danach ist Apple mit seinen App Stores sowie seinen Betriebssystemen für iPhone, iPad und Apple Watch auf mehrseitigen Märkten im Sinn von § 18 Abs. 3a, § 19a Abs. 1 GWB tätig.

26(1)    In den Apple App Stores kommen mindestens zwei unterschiedliche Nutzergruppen zusammen. Die App Stores sind digitale Vertriebsplattformen für Softwareanwendungen (Applications oder Apps) Dritter, die für Apples mobile Betriebssysteme programmiert wurden. Auf diesen Plattformen treffen App-Herausgeber, die eigene Apps entgeltlich oder unentgeltlich vertreiben, auf Apple-Gerätenutzer, die solche Apps auf ihren Geräten installieren und nutzen wollen, wobei es zwischen diesen beiden Nutzergruppen auf der Plattform zu geschäftlichen Transaktionen kommt. Auch Werbetreibende können auf den Apple App Stores als weitere (dritte) Marktseite tätig sein, soweit dort Werbung geschaltet wird. Zwischen den verschiedenen Nutzergruppen der App Stores entstehen positive indirekte Netzwerkeffekte. Je mehr App-Herausgeber ihre Produkte im Apple App Store anbieten, umso attraktiver ist das entsprechende Apple-Gerät mit dem darauf vorinstallierten App Store für die Gerätenutzer. Umgekehrt erhöht sich für die App-Herausgeber die Attraktivität des Vertriebskanals Apple App Store und der damit verbundene Zugang zu den Apple-Gerätekunden, je mehr Personen ein iPhone oder iPad nutzen und je höher deren Zahlungsbereitschaft ist.

27(2)    Auch auf Apples mobilen Betriebssystemen kommen verschiedene Nutzergruppen zusammen. Die Betriebssysteme schaffen die technische Systemanbindung, die es beispielsweise den App-Herausgebern erst erlaubt, Apps anzubieten, die der Endkunde auf einem Apple-Endgerät nutzen kann. Während im App Store die geschäftliche Verbindung zwischen Gerätenutzer und App-Herausgeber begründet wird, bringt das Betriebssystem diese technisch zusammen. Aber auch in Konstellationen, in denen eine (vertragliche) Beziehung zwischen zwei unterschiedlichen Nutzergruppen bereits besteht und unabhängig von dem das Betriebssystem betreibenden Unternehmen zustande gekommen ist - wie zwischen einem iPhone-Nutzer einerseits und einem Mobilfunkunternehmen oder einem Kopfhörer-Hersteller andererseits -, ermöglichen die Betriebssysteme eine von § 18 Abs. 3a GWB adressierte Interaktion zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen, da sie die für die Nutzung einer Dienstleistung oder eines Geräts erforderliche technische Verbindung zwischen diesen herstellen. Auch hier entstehen indirekte Netzwerkeffekte. Das Betriebssystem wird für den Nutzer umso attraktiver, je höher die Anzahl an Apps, Mobilfunkanbietern und Hardwareherstellern ist, deren Leistung er mit dem Betriebssystem auf seinem Smartphone nutzen kann. Umgekehrt wird ein Betriebssystem für App-Herausgeber, Mobilfunkanbieter und Hardwarehersteller umso attraktiver, je mehr Endnutzer das Betriebssystem nutzen und damit deren Leistung in Anspruch nehmen können. Dementsprechend geht auch die Literatur - dem Gesetzgeber folgend - davon aus, dass Betriebssysteme mehrseitige Märkte im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB sind (Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 19a GWB Rn. 4, 87, 124; Bosch in Bechtold/Bosch, GWB, 11. Aufl., § 18 GWB Rn. 58; Götting in BeckOK Kartellrecht, 15. Ed., § 18 GWB Rn. 62; Wagner-von Papp in BeckOK Kartellrecht, 1. Ed., § 19a GWB Rn. 38d; Steinvorth in Wiedemann, Kartellrecht, 4. Aufl., Kapitel 5 § 20 Rn. 135; Podszun, NJW-Beil 2022, 56; Louven in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 109. Lieferung, § 18 GWB Rn. 294; Nothdurft in Bunte, Kartellrecht, 14. Aufl., § 19a GWB Rn. 24; Grave in Kersting/Podszun, 9. GWB-Novelle, 2017, Kap. 2 Abschnitt C Rn. 13).

28Soweit die Beschwerdeführerinnen meinen, dies ziele allein auf das Betriebssystem Windows des Unternehmens Microsoft ab, das - anders als die Betriebssysteme Apples - eigenständig vertrieben wird, finden sich dafür keine Anhaltspunkte. Der Einwand verkennt zudem die Funktion des Tatbestandsmerkmals "mehrseitiger Markt". Maßgeblich ist allein, dass das Betriebssystem selbst ein mehrseitiger Markt ist, weil auf ihm verschiedene Nutzergruppen zusammenkommen und dabei indirekte Netzwerkeffekte entstehen. Unerheblich ist hingegen, ob es einen davon zu unterscheidenden Markt gibt, auf dem Betriebssysteme als Produkt gehandelt werden. In dieser kartellrechtlich maßgeblichen Hinsicht unterscheiden sich indes die Betriebssysteme von Microsoft, Google (Android) und Apple nicht.

29(3)    Als softwaregestützte Produkte stellen die App Stores und die Betriebssysteme "digitale" Märkte dar.

30b)    Mit seinen App Stores und den mobilen Betriebssystemen ist Apple "auf" mehrseitigen Märkten im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB tätig. Eine solche Tätigkeit liegt bereits mit dem Betreiben einer Plattform (insbesondere für digitale Leistungen) vor, da das Unternehmen damit als Intermediär tätig wird. Nicht erforderlich ist, dass es zusätzlich selbst als eigene oder Teil einer Nutzergruppe auftritt, also in einer Doppelrolle tätig wird und in Konkurrenz zu anderen Nutzern der Plattform tritt. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, kommt es darauf an, dass der Plattformbetreiber den Zugang der beiden Marktseiten - hier zum Beispiel der Gerätenutzer einerseits und der App-Entwickler andererseits - über den Marktplatz steuern kann. Apple nimmt in Bezug auf die Betriebssysteme und die App Stores eine solche Intermediärsstellung ein. Ungeachtet dessen ist Apple insoweit gleichwohl partiell auch in einer Doppelrolle tätig. Denn von Apple entwickelte Apps kann der Gerätenutzer, sofern sie nicht bereits vorinstalliert sind, ebenfalls über den App Store auf sein Gerät laden. Zudem stellen die von Apple zur Verfügung gestellte Software einschließlich der damit verbundenen Dienste die Verbindung zu den Gerätenutzern über das jeweilige Betriebssystem her.

31c)    Die Tätigkeit von Apple auf mehrseitigen Märkten weist einen erheblichen Umfang im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 1 GWB auf.

32aa)    Das Kriterium der Erheblichkeit soll sicherstellen, dass von der Vorschrift keine Unternehmen erfasst werden, bei denen die Tätigkeit als Plattform oder Netzwerk im Vergleich zu ihrer sonstigen Tätigkeit nur eine vollkommen untergeordnete Rolle spielt, oder die auf den betreffenden Märkten im Vergleich zu ihren Wettbewerbern nur eine untergeordnete Bedeutung haben (vgl. BT-Drucks. 19/23492, S. 74; BGHZ 240, 227 Rn. 38 - Amazon). Dabei ist der unternehmensinterne Vergleich auch, aber nicht allein auf Basis von Umsatz- oder Gewinnzahlen vorzunehmen; vielmehr sind auch qualitative Gesichtspunkte und damit insbesondere die wettbewerbliche Bedeutung der Plattform im Ökosystem des potentiellen Normadressaten zu berücksichtigen (vgl. Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 19a GWB Rn. 87; Franck/Peitz, JECLP 2021, 513, 515 f.). Der Vergleich mit den Wettbewerbern setzt, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, nach Sinn und Zweck der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb keinen auf bestimmte Märkte bezogenen Vergleich und folglich auch keine Marktabgrenzung voraus (BGH aaO Rn. 38 - Amazon).

33bb)    Nach diesen Maßgaben weist die Tätigkeit von Apple auf den mehrseitigen Märkten der mobilen Betriebssysteme iOS, iPadOS und watchOS sowie der entsprechenden App Stores weltweit und in Deutschland zunächst im Verhältnis zur Gesamttätigkeit des Unternehmens einen erheblichen Umfang auf.

34(1)    Apple ist auf iPhone, iPad und Apple Watch und damit auf nahezu jedem seiner verkauften mobilen Endgeräte auch als Intermediär über die Betriebssysteme und die App Stores tätig. Dies folgt aus dem Umstand, dass das jeweilige proprietäre Betriebssystem vorinstalliert und für die Gerätenutzung grundsätzlich notwendig ist, sowie daraus, dass der Nutzer bei Inbetriebnahme eines Endgeräts und bei jedem später aufgespielten Update des Betriebssystems in einen entsprechenden Softwarelizenzvertrag einwilligt. Sowohl die Betriebssysteme und die damit verbundenen Lizenzen als auch die App Stores beziehen sich jeweils auf ein einziges Gerät. Daher deckt sich die Zahl der verkauften und aktiven Endgeräte im Wesentlichen mit der Zahl der aktiven Betriebssystemlizenzen und der zur Verfügung stehenden App Store-Zugänge. Angesichts von weltweit mehr als 1 Mrd. iPhones betreibt Apple somit allein über seine iPhones und iPads weit über 1 Mrd. mobile Betriebssysteme nebst Lizenzen, die als mehrseitige Märkte aktiv sind. Ähnliches gilt für die auf diesen Geräten installierten App Stores. Auch wenn nicht jeder iPhone- und iPad-Besitzer den App Store nutzt, ist doch davon auszugehen, dass die überwiegende Mehrheit dies tut. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass im Geschäftsjahr 2020 die insgesamt rund [<5] Mio. in Apples App Stores verfügbaren Apps etwa [30-40] Mrd. mal heruntergeladen wurden.

35(2)    Auch die Umsätze des Apple Konzerns belegen die erhebliche Bedeutung seiner Tätigkeit auf den genannten mehrseitigen Märkten. So lagen die (direkten) Umsätze Apples mit dem App Store im Geschäftsjahr 2021 bei rund [15-25] Mrd. USD, was nach den Angaben Apples einen Anteil von etwa [<10 %] der Gesamtumsätze des Konzerns ausmacht. Allerdings enthalten diese Zahlen nur die Umsätze, die Apple mit den App-Herausgebern und somit der Marktgegenseite der Gerätenutzer erzielt. Zu berücksichtigen ist jedoch, wie das Bundeskartellamt zutreffend angenommen hat und die Beschwerdeführerinnen - wenn auch in anderem Zusammenhang - selber vortragen, dass auch die Erwerber der Endgeräte das jeweilige Betriebssystem und den jeweiligen App Store - faktisch - von Apple nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt bekommen; vielmehr entfällt aufgrund der zwingenden Verbindung mit dem Betriebssystem und - bei Mobilgeräten - mit dem App Store auf diese ein gewisser Anteil des für das Endgerät zu entrichtenden Preises. Dem steht nicht entgegen, dass Apple dessen Höhe nicht gesondert ausweist. Daher trifft auch der Einwand der Beschwerdeführerinnen nicht zu, Apple erziele mehr als 80 % seiner gesamten Umsätze mit dem Verkauf von Geräten. Richtigerweise ergibt sich dieser Umsatzanteil aus dem Verkauf der Geräte einschließlich der vorinstallierten Betriebssysteme, App Stores und Apple-eigenen Softwareanwendungen einschließlich zahlreicher Apps für Mobilgeräte sowie der Option, während der Nutzungsdauer des Geräts ohne weitere Kosten aktualisierte Versionen von Betriebssystem, App Store und Softwareanwendungen zu erhalten.

36(3)    Zu Recht hat das Bundeskartellamt für den unternehmensinternen Vergleich auch darauf abgestellt, dass der Geschäftsbereich der App Stores bei Apple ein fortlaufendes Umsatzwachstum aufweist, das im Geschäftsjahr 2023 bei [5-15] % lag. Dies spiegelt die große wettbewerbliche Bedeutung der App Stores für die Geschäftstätigkeit des Apple-Konzerns wider. Denn die Attraktivität von Apples mobilen Hardware-Geräten für die Nutzer ergibt sich nicht nur aus deren (technischer und handwerklicher) Qualität und ihren Funktionalitäten, also aus Eigenschaften, die Apple selbst unmittelbar beeinflussen kann; sie hängt vielmehr auch maßgeblich von einem umfangreichen und aktuellen Angebot verfügbarer Apps ab.

37(4)    Da die Apple App Stores bislang die einzige, jedenfalls die einzige unproblematisch nutzbare Quelle für den Bezug von Apps durch Apple-Gerätenutzer darstellen (vgl. dazu näher unten Rn. 147) und die mobilen Betriebssysteme auf jedem mobilen Apple-Gerät vorinstalliert und für deren Nutzung grundsätzlich unverzichtbar sind, kommt beiden unter den verschiedenen Geschäftsfeldern des Apple-Konzerns erhebliche Bedeutung zu.

38cc)    Im Vergleich zu anderen Unternehmen weist Apples Tätigkeit auf den mehrseitigen Märkten der mobilen Betriebssysteme und der App Stores ebenfalls einen erheblichen Umfang auf.

39(1)    Nach den von den Beschwerdeführerinnen nicht angegriffenen Feststellungen des Bundeskartellamts wird derzeit weltweit neben iOS nur Android von Google als Betriebssystem für Smartphones genutzt, nachdem weitere Anbieter aus dem Markt ausgetreten oder weitgehend bedeutungslos geworden sind. Seit 2020 liegt der gemeinsame Anteil von iOS und Android oberhalb von 99 %, wobei auf Apple ein - erheblicher - Anteil von über 25 % entfällt.

40(2)    Auch im Hinblick auf den App Store ist Apples Tätigkeit im Vergleich zu anderen Unternehmen erheblich. Im Bereich des digitalen Softwarevertriebs auf mobilen Endgeräten besteht ebenso wie bei den Betriebssystemen eine weitgehende Zweiteilung des Markts zwischen dem Google Play Store auf der einen und dem Apple App Store auf der anderen Seite. Andere Möglichkeiten des (legalen) Softwarevertriebs auf mobilen Endgeräten haben praktisch keine Relevanz. Nach den von den Beschwerdeführerinnen nicht bestrittenen Erhebungen des Branchendienstes Sensor Tower wurden im ersten Halbjahr 2021 über den Google Play Store 56,2 Mrd. Apps installiert, während auf den Apple App Store rund 16,3 Mrd. Downloads entfielen, was bezogen auf die reine Zahl der Downloads einem Anteil von etwa 22,5 % entspricht. Bereits dies überschreitet die Erheblichkeitsschwelle. Hinzu tritt, dass die Apple-Gerätenutzer in diesem Zeitraum trotz der geringeren Download-Zahlen in Apples App Store deutlich mehr Geld ausgegeben haben als die Nutzer anderer mobiler Endgeräte, die Apps im Google Play Store erworben haben, nämlich rund 41,5 Mrd. USD im Apple App Store im Vergleich zu rund 23,4 Mrd. USD im Google Play Store. Auch bei den Nettoumsätzen, welche die beiden Unternehmen mit ihren mobilen App Stores erzielen, steht Apple nicht hinter Google zurück. So lag Apples mit dem App Store erzielter Umsatz im Geschäftsjahr 2021 bei rund [15-25] Mrd. USD, derjenige von Google mit dem Play Store öffentlichen Quellen zufolge 2019 bei rund 11,2 Mrd. USD.

41(3)    Der Feststellung, dass Apple auf den mehrseitigen Märkten für mobile Betriebssysteme und App Stores auch im unternehmensexternen Vergleich in erheblichem Umfang tätig ist, steht nicht entgegen, dass sich die dargestellten Betrachtungen, wie die Beschwerdeführerinnen einwenden, nicht auf konkret abgegrenzte Märkte bezögen. Wie oben (Rn. 32) ausgeführt, bedarf es für die Feststellung des Umfangs der Tätigkeit bereits keiner klassischen Marktabgrenzung. Dessen ungeachtet kann aber auch kein Zweifel daran bestehen, dass Marktplätze, auf denen die Nutzer mobiler Telefone und Tablets mit den Anbietern von Softwareapplikationen zusammentreffen, die gerade für diese Geräte maßgeschneidert entwickelt und vertrieben werden, eigenständige (mehrseitige) Märkte darstellen. Die Funktions- und Gebrauchsweise von Smartphones und Tablets ist zugeschnitten auf die Nutzung von Anwendungssoftware, die in Apps bereitgestellt wird. Durch die Apps kann der Nutzer unmittelbar und ohne Umweg über einen Browser auf die digital angebotenen Leistungen des jeweiligen Anbieters zugreifen. Apps erhöhen somit die Bedienerfreundlichkeit und erweitern den Anwendungsbereich von Smartphones und Tablets, wie die Feststellungen des Bundeskartellamts zur Bildschirmzeit der Nutzer mobiler Endgeräte bestätigen. Danach verbrachten Smartphone-Nutzer im Jahr 2021 weltweit schätzungsweise 92,5 % ihrer Bildschirmzeit innerhalb von Apps, jedoch nur 7,5 % in Webbrowsern. Aufgrund der unterschiedlichen Funktionsweise kann daher nicht von einer Austauschbarkeit von Apps durch Internetseiten ausgegangen werden, die nur per Webbrowser zu erreichen sind. Erst recht fehlt es daran beim analogen Bezug von Waren und Dienstleistungen, die über Apps erhältlich sind, zumal diese teilweise überhaupt nur über digitale Vertriebskanäle bezogen werden können.

42d)    Für den grundsätzlichen Einwand der Beschwerdeführerinnen, Apple sei mit seinem Geschäftsmodell, das seinen Schwerpunkt im Hardware-Bereich und nicht im Betrieb eines (rein oder überwiegend) digitalen Netzwerks habe, von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 19a GWB ausgenommen, ist damit kein Raum.

432.    Apple kommt eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinn von § 19a Abs. 1 Satz 1 GWB zu. Diese Feststellung setzt nicht voraus, dass die Tätigkeit des betroffenen Unternehmens eine besondere oder konkrete Gefahr für den Wettbewerb auf bestimmten Märkten begründet oder ihn bereits beeinträchtigt (dazu a). Bei Apple sind jedenfalls vier der fünf in § 19 Abs. 1 Satz 2 GWB genannten Kriterien in höchstem oder sehr hohem Maß erfüllt. So verfügt das - weltweit tätige - Unternehmen über eine überragende Finanzkraft (dazu b), die von Apple angebotenen Produkte und Dienstleistungen sind tief vertikal integriert und auch auf sonstige Weise, insbesondere horizontal, eng miteinander verbunden (dazu c), das Unternehmen hat einen breiten und tiefen Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten (dazu d), und seiner Geschäftstätigkeit kommt erhebliche Bedeutung für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten zu (dazu e). Darüber hinaus ist auf Grundlage der Feststellungen des Bundeskartellamts nicht auszuschließen, dass Apple auf den deutschen Märkten für Smartphones und für Tablets jeweils eine marktbeherrschende Stellung hat (dazu f). Die - nicht abschließenden - Kriterien des § 19 Abs. 1 Satz 2 GWB geben ein Prüfprogramm für die von der Kartellbehörde in einer Gesamtabwägung zu treffende Beurteilung vor, ob ein auf mehrseitigen Märkten in erheblichem Umfang tätiges Unternehmen über Ressourcen verfügt und eine strategische Positionierung erreicht hat, die es ihm ermöglicht, erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter zu nehmen oder die eigene Geschäftstätigkeit in immer neue Märkte und Sektoren auszuweiten, und das daher über die besonderen Gefährdungspotentiale verfügt, die durch die Vorschrift adressiert werden sollen (BGHZ 240, 227 Rn. 42 mwN - Amazon). Das Bundeskartellamt hat diese Feststellung in Bezug auf Apple aufgrund der von ihm fehlerfrei durchgeführten Gesamtabwägung zu Recht und ermessensfehlerfrei getroffen (dazu g).

44a)    Die Feststellung einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb setzt, anders als die Beschwerdeführerinnen meinen, nicht voraus, dass von dem designierten Unternehmen bereits eine besondere und hinreichend konkrete Gefahr für den Wettbewerb ausgeht. § 19a Abs. 1 GWB adressiert vielmehr ein - anhand der Marktstellung und der Ressourcen des Unternehmens zu ermittelndes - Gefährdungspotential und erfordert damit lediglich eine Beurteilung der wettbewerblichen Möglichkeiten des betroffenen Unternehmens, keine Bewertung seines Marktverhaltens. Das hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden (vgl. BGHZ 240, 227 Rn. 43 bis 49 - Amazon). Die Beschwerdeführerinnen vermögen kein anderes Normverständnis zu begründen. Allerdings nehmen sie zutreffend an, dass Existenz und Ausmaß dieses Gefährdungspotentials vom Bundeskartellamt im Einzelfall zu prüfen und bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist, dass die in § 19a Abs. 1 GWB angeführten Indizien für das Bestehen einer überragenden marktübergreifenden Stellung für den Wettbewerb konkret im Hinblick darauf zu würdigen sind, ob sie einzeln oder in der Gesamtschau ein entsprechendes Gefährdungspotential begründen oder dazu beitragen, dass ein besonderes und hinreichend konkretes Gefährdungspotential für den Wettbewerb nicht festzustellen ist. Zu Recht weisen die Beschwerdeführerinnen auch darauf hin, dass sich die Norm nicht gegen wirtschaftliche Machtpositionen als solche, sondern gegen die Gefahr eines möglichen Missbrauchs solcher Positionen zum Nachteil Dritter richtet und besondere wettbewerbliche Gefahrenlagen adressiert, die aus den Besonderheiten digitaler Märkte (insbesondere digitaler Plattformmärkte) resultieren können. Daher hat das Bundeskartellamt auch bei den einzelnen Kriterien des § 19a Abs. 1 Satz 2 GWB sowie gegebenenfalls weiteren Indizien deren Bedeutung für den Wettbewerb und für marktübergreifende Expansionsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen und in einer Gesamtabwägung aller festgestellten und bewerteten Umstände zu würdigen. Dies ist hier indes geschehen, wie nachfolgend unter b) bis g) im Einzelnen ausgeführt wird.

45b)    Der Apple-Konzern verfügt über eine überragende Finanzkraft und ihm stehen in erheblichem Ausmaß sonstige Ressourcen im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB zur Verfügung.

46aa)    Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, umfasst der in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und § 18 Abs. 3 Nr. 2 GWB verwendete Begriff der Finanzkraft die Gesamtheit der finanziellen Mittel und Möglichkeiten eines Unternehmens, insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten unter Einbeziehung von Eigen- und Fremdfinanzierung, sowie seinen Zugang zum Kapitalmarkt. Indikatoren dafür sind der Cashflow, Fremdfinanzierungsmöglichkeiten, nach der Bilanz verfügbare liquide Mittel und Ertragskennziffern wie Jahresüberschüsse, Umsätze und die historische Investitionstätigkeit (BGHZ 240, 227 Rn. 77 mwN - Amazon). Der Finanzkraft sowie dem Zugang zu sonstigen Ressourcen ist im Anwendungsbereich des § 19a Abs. 1 GWB nach seinem Sinn und Zweck besonders dann Gewicht beizumessen, wenn diese einem Unternehmen erhebliche marktübergreifende Verhaltensspielräume eröffnen. Mit den in § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB genannten Merkmalen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine erhebliche Ressourcenstärke einem Unternehmen die Absicherung und Erweiterung der eigenen Marktposition - beispielsweise durch die hochpreisige Übernahme möglicher Wettbewerber oder hohe Investitionen in eigene neue Markteintritte - erlaubt und damit zu dessen systemischer Bedeutung beiträgt. Da § 19a Abs. 1 GWB für die Prüfung der Normadressatenstellung auch hinsichtlich der finanziellen und sonstigen Ressourcen allein auf das darin liegende Potential, nicht aber eine daraus resultierende konkrete Gefährdung für den Wettbewerb abstellt, kommt es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen nicht darauf an, ob das Unternehmen seine Ressourcen tatsächlich (in großem Umfang) dafür einsetzt, seine Marktposition und sein Ökosystem abzusichern, die Markteintrittsbarrieren für Dritte zu erhöhen und innovativen Wettbewerb durch andere Unternehmen zu behindern. Das Bundeskartellamt war daher nicht gehalten, dies näher darzulegen.

47bb)    Bei Anlegung dieser Maßstäbe verfügt Apple über eine überragende Finanzkraft.

48(1)    Nach den vom Bundeskartellamt getroffenen und nicht angegriffenen Feststellungen ist Apple mit einer Börsenkapitalisierung von über 3 Billionen USD das wertvollste Unternehmen der Welt. Seit dem Geschäftsjahr 2018 lagen die Umsätze des Konzerns jeweils oberhalb von 250 Mrd. USD, im Geschäftsjahr 2021 bei 365,8 Mrd. USD und im Geschäftsjahr 2022 bei 394,3 Mrd. USD. Damit konnte Apple in den Jahren 2018 bis 2022 seinen Umsatz durchschnittlich um fast 10 % pro Jahr steigern. Im Geschäftsjahr 2022 erzielte Apple einen Gewinn von knapp 95 Mrd. USD, was eine Steigerung um mehr als zwei Drittel innerhalb von fünf Jahren darstellte. Apple gelangte damit auf Platz 2 der größten Unternehmen nach Gewinn weltweit. Der operative Cashflow des Apple Konzerns erhöhte sich von 77,4 Mrd. USD im Geschäftsjahr 2018 um mehr als 50 % auf 122 Mrd. USD im Geschäftsjahr 2022. Sein Free Cashflow stieg von 64,1 Mrd. USD im Geschäftsjahr 2018 um mehr als 70 % auf 111,3 Mrd. USD in 2022. Die liquiden Mittel betrugen im Geschäftsjahr 2022 rund 183 Mrd. USD. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Finanzkraft und die sonstigen Ressourcen des Unternehmens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung maßgeblich verändert hätten (s. dazu unten Rn. 150). Apple nimmt damit in Bezug auf dieses Kriterium nicht nur einen absoluten Spitzenplatz weltweit ein, sondern verfügt, wie die erhebliche Steigerung der Kennzahlen in den letzten Jahren belegt, auch über ausgeprägte Wachstums- und Expansionsmöglichkeiten.

49(2)    Da auch die historische Investitionstätigkeit eines Unternehmens ein Indikator für seine Finanzkraft im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB ist, hat das Bundeskartellamt zutreffend in seine Würdigung einbezogen, dass Apple seine überragenden finanziellen Ressourcen für hohe Investitionen in Forschung, Entwicklung und Personal genutzt hat. So betrugen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Geschäftsjahr 2022 26,3 Mrd. USD, was nach 14,2 Mrd. USD im Geschäftsjahr 2018 nahezu einer Verdoppelung innerhalb von fünf Jahren und im Quervergleich mit den weltweit 50 innovativsten Unternehmen einem besonders hohen finanziellen Einsatz entspricht. Nach den von den Beschwerdeführerinnen nicht in Abrede gestellten Feststellungen des Bundeskartellamts stieg der Personalbestand zwischen 2017 und 2021 weltweit um rund [20-30] % an, wobei die größten Zuwachsraten von jeweils [50-150] % die forschungsstarken Geschäftsbereiche "Hardware Technologies" und "Software Engineering" verzeichneten.

50Ausdruck von Apples Finanzkraft und des damit verbundenen Potentials ist ferner eine große Zahl an Unternehmenskäufen. Laut einer öffentlichen Aussage des CEO von Apple kauft das Unternehmen alle zwei bis drei Wochen ein neues Unternehmen und konzentriert sich auf den Erwerb von Talenten und geistigem Eigentum. Zu den zwischen 2013 und 2022 weit mehr als [50-150] übernommenen Unternehmen zählen der - damals über lediglich 88.000 zahlende Abonnenten verfügende - Musikstreaming-Anbieter Beats Music und der Kopfhörerhersteller Beats Electronics, für die Apple 2014 einen Kaufpreis von 3,2 Mrd. USD gezahlt hat. Auf Basis dieser Firmenkäufe baute Apple ab 2015 seinen Musikstreaming-Dienst Apple Music neu auf, der im Juni 2020 72 Mio. Abonnenten hatte, was eine im Markt für Musikstreaming ungewöhnlich hohe Steigerungsrate bedeutet und das erhebliche wirtschaftliche Potential von Apple widerspiegelt. Weitere Unternehmenskäufe, die Apple zwar nicht den Einstieg in einen neuen Markt durch den eigenen Vertrieb entsprechender Produkte ermöglichen, jedoch zum einen die Abhängigkeit von zentralen Zulieferern reduzieren und das Unternehmen zum anderen in die Lage versetzen sollten, die Hardware passgenau den eigenen Anforderungen anzugleichen und dadurch die vertikale Integration des Unternehmens (s. dazu unten Rn. 59 und 68) verfestigt haben, stellen der Erwerb des Halbleiterproduzenten P.A. Semiconductor 2008, des Chipherstellers Intrinsity 2010 sowie die Übernahme der Mehrheit am Smartphone-Modemgeschäft von Intel 2019 dar. Sie trugen dazu bei, dass Apple inzwischen wichtige Komponenten seiner Hardware weitgehend selbst entwickelt. Entsprechendes gilt für die Übernahme der Hersteller anderer Schlüsseltechnologien, die in Apple-Geräten zum Einsatz kommen und die Apple den Zugriff auf relevante Input-Faktoren ermöglichen. So hat Apple 2012 für 356 Mio. USD das auf Sicherheitssysteme wie Fingerabdruckerkennung spezialisierte Unternehmen AuthenTec erworben, was zur Entwicklung des Fingerabdruckscanners Touch ID beitrug, mit dem Apple Geräte entsperrt werden können. Bereits 2010 war die schwedische Firma Polar Rose, ein Spezialist im Bereich Gesichtserkennungssoftware, erworben worden; 2013 kaufte Apple zudem das israelische Unternehmen Primesense, einen Anbieter von 3D-Sensoren, und 2015 das Virtual Reality Startup-Unternehmen Faceshift, das eine Technologie entwickelt hatte, mit der die Gesichtsausdrücke von Personen in Echtzeit erfasst werden können. Diese Zukäufe ermöglichten Apple die Entwicklung der Gesichtserkennung Face ID, die ebenfalls zum Entsperren der mobilen Hardware-Geräte eingesetzt wird. Weitere Übernahmen in diesem Sektor betrafen 2017 den Kamerasensor-Hersteller InVisage sowie den Spezialisten für Indoor Positionierung FlyBy. Auch in den Bereichen der Batterie-, Gehäuse-, Display-, Lautsprecher- und Antennentechnologie erfolgten Firmenübernahmen, so die von, Ques Tek Innovations LLC 2012, Infinite Power Solutions 2013, LuxVue 2014, NanoScape AG 2015 sowie EMSCAN und Blinksight 2018.

51cc)    Das Bundeskartellamt hat zu Recht in den Blick genommen, dass Apple neben seiner herausragenden finanziellen Ausstattung auch über erhebliche sonstige Ressourcen im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB verfügt. So beschäftigte der Konzern im Geschäftsjahr 2022 weltweit rund 150.000 Mitarbeiter. Besondere Bedeutung kommt zudem der äußerst großen Nutzerbasis - vor allem im Bereich der Smartphones - zu. Apple verzeichnete am Ende des Geschäftsjahres 2021 weltweit insgesamt mehr als [<5] Mrd. aktive Apple Geräte, darunter mehr als 1 Mrd. iPhones, mehr als [250-350] Mio. iPads und rund [100-200] Mio. Mac Computer. Anfang 2023 überschritt die Zahl der weltweit aktiven Apple-Geräte die Grenze von 2 Mrd. Auch wenn diese Zahl nicht mit der Anzahl der Nutzer gleichgesetzt werden kann, weil viele Kunden mehrere Apple-Geräte besitzen, weist doch die Menge der aktiven iPhones auf die Größenordnung der Nutzerbasis hin, die sich somit im Bereich von einer Milliarde Personen bewegen dürfte. Der Streamingdienst Apple Music hatte weltweit Ende des 4. Quartals 2021 rund [75-85] Mio. zahlende Abonnenten. Für den Video-On-Demand Dienst Apple TV+ bestanden Anfang 2020 weltweit gut [10-20] Mio. Abonnements, Anfang 2022 über [35-45] Mio. Schließlich trägt zur Ressourcenstärke des Apple Konzerns auch der herausragende Wert der Marke Apple bei. Von mehreren Markenbewertungsinstituten wurde Apple in den Jahren 2021 und 2022 als wertvollste Marke der Welt eingestuft.

52c)    Auch das Merkmal der vertikalen Integration und der Tätigkeit auf in sonstiger Weise miteinander verbundenen Märkten (§ 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GWB) erfüllt Apple in besonderem Maß. Das Unternehmen bietet funktional und wertschöpfungsbezogen aufeinander aufbauende Produkte und Dienstleistungen an, die unterschiedlichen Märkten zuzuordnen sowie miteinander auf das engste verbunden sind und insgesamt das - von Apple selbst so bezeichnete - Apple-Ökosystem ausmachen.

53aa)    Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts sind Ausgangs- und zugleich Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit Apples diverse Hardwareprodukte, die unterschiedliche Märkte bedienen, allen voran das iPhone, ferner die stationären und mobilen Mac-Computer, das iPad, die Apple Watch, die drahtlosen Kopfhörer AirPods, der Lautsprecher HomePod und die Set-Top-Box Apple TV. Sämtliche dieser Hardware-Geräte sind mit dem von Apple entwickelten proprietären Betriebssystem und diversen Softwareanwendungen ausgestattet. Darüber hinaus bietet Apple den Nutzern seiner Hardware-Geräte - meist exklusiv - verschiedene Dienstleistungen an. Die Hardware- und Software-Produkte sowie viele Dienste umfassen zahlreiche vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen, sodass eine erhebliche vertikale Integration des Unternehmens besteht (dazu (1)). Zudem können oder müssen sie häufig komplementär eingesetzt werden oder sind auf sonstige Weise miteinander verbunden (dazu (2)).

54(1)    Die vertikale Integration des Apple-Konzerns erstreckt sich von der Eigenproduktion von Prozessoren über die diversen Hardware-Geräte, die Betriebssysteme, zahlreiche Softwareprogramme, viele unterschiedliche Dienste bis hin zum stationären und Online-Vertrieb der von Apple vertriebenen Produkte und hat damit ein erhebliches Ausmaß.

55(a)    Zentrales Element dieser vertikalen Integration ist, dass Apple - anders als nahezu alle anderen Hersteller von Smartphones, Computern inklusive Tablets oder Wearables - nicht nur die Hardware-Produkte, sondern für diese auch Betriebssysteme herstellt und beides zu einer technischen Einheit verbindet. Die Betriebssysteme sind auf den Apple Computern, dem iPad, dem iPhone und den weiteren Geräten des Konzerns vorinstalliert; mit alternativen, von Dritten entwickelten Betriebssystemen können diese Geräte nicht benutzt werden. Da die Betriebssysteme fortlaufend weiterentwickelt werden, können Apple-Kunden ihre Geräte nur so lange nutzen, wie Apple ihnen mit dem Gerät kompatible Updates zur Verfügung stellt.

56(b)    Apple entwickelt und vertreibt selbst zentrale Softwareanwendungen. Auch dieser Geschäftsbereich ist vertikal integriert, da Apple diese ebenfalls auf seinen Geräten - in der Regel exklusiv - vorinstalliert. Das Unternehmen stellt nach eigenen Angaben auf der Basis von iOS 15 auf dem iPhone und dem iPad im Auslieferungszustand 25 Apple-eigene Apps zur Verfügung, darunter den Browser Safari und das Email-Programm Mail, die bei jedem Update des Betriebssystems automatisch installiert und nutzerseitig nur eingeschränkt deinstalliert werden können (vgl. zu den Änderungen durch den Digital Markets Act unten Rn. 148); zudem hat nach den - auf Apples eigenen Angaben beruhenden - Feststellungen des Bundeskartellamts nur ein geringer Teil der Apple-Nutzer auf iPhones und iPads die Voreinstellungen für den Browser und das E-Mail-Programm geändert, nämlich rund [<10] % beim Browser und rund [10-20] % beim E-Mail-Programm. Zu den auf Apple-Geräten vorinstallierten und nur für diese verfügbaren Softwareprogramme zählt auch die Apple-eigene Sprachsteuerungssoftware Siri, über welche die Geräte sprachbasiert angesteuert und teilweise miteinander verknüpft werden können, wie etwa das iPhone mit dem HomePod.

57(c)    Ein wichtiger Bestandteil der vertikalen Integration des Apple-Konzerns ist der Apple App Store. Der dort erfolgende Softwarevertrieb ist den mobilen Endgeräten und den Betriebssystemen nachgelagert, da er technisch auf diesen aufbaut. Die Bedeutung dieses Geschäftsbereichs belegen die hohen Umsätze im und mit dem Apple App Store. So wurden im Jahr 2021 weltweit insgesamt knapp [30-40] Mrd. Apps allein im iOS App Store heruntergeladen; damit verbunden war ein Nettoumsatz bei Apple in Höhe von [20-30] Mrd. USD.

58(d)    Die von Apple vertriebenen abonnementfinanzierten Mediendienste in den Bereichen Musik, Spiele und Video, nämlich Apple Music, Apple Arcade und Apple TV+, sowie weitere softwarebasierte Dienstleistungen wie Apple Fitness+, Apple News+ und der Onlinespeicherdienst iCloud+ sind ebenfalls vertikal in die Geschäftstätigkeit des Unternehmens integriert. Sie sind über das entsprechende Softwareprogramm und das jeweilige Betriebssystem eng mit den Hardware-Geräten des Konzerns verbunden. Der Spieledienst Apple Arcade funktioniert ausschließlich auf Apple-Geräten, Apple Music ist auf den neueren iPhones vorinstalliert. Der Dienst Apple Fitness+ erfordert ein mit dem Apple-eigenen Betriebssystem versehenes Gerät wie die Apple Watch, das iPhone, das iPad oder die Set-Top-Box Apple TV. Ebenfalls - über Apples Browser Safari - an ein Apple Gerät gebunden ist der Zahlungsdienst Apple Pay. Weder die Einrichtung von Apple Pay noch seine Nutzung in Geschäften, Restaurants oder anderen Einrichtungen ist ohne ein iPhone oder eine Apple Watch möglich. Apple Pay ist zudem die einzige Lösung für mobile Zahlungen, mit der die Funktion der Near Field Communication (NFC) von Apple-Mobilgeräten für Zahlungen in Geschäften genutzt werden kann. Im Internet ist die Verwendung des Apple-eigenen Browsers Safari Voraussetzung für die Nutzung von Apple Pay. Die vorgenannten softwarebasierten Dienste von Apple haben sich in den vergangenen Jahren insgesamt sehr erfolgreich entwickelt. Aggregiert nutzten Ende 2021 weltweit rund [700-800] Mio. Kunden einen oder mehrere abonnementfinanzierte Dienste von Apple. Im Geschäftsjahr 2022 sind etwa [150-200] Mio. Kunden dazugekommen. Ein Anstieg der Nutzerzahlen wird dabei dadurch erleichtert, dass Apple Music und Apple TV+ - anders als die übrigen Dienste - auch auf Geräten von Drittherstellern installier- und nutzbar sind.

59(e)    Apple produziert nach Übernahme von Unternehmen aus der Halbleiterindustrie (s. dazu bereits oben Rn. 50) inzwischen wesentliche Vorprodukte zu seiner Hardware, insbesondere Mikroprozessoren, weitgehend selbst. Nachdem im iPhone zu Beginn Mikrochips von Drittanbietern verwendet wurden, kommen seit 2010 sowohl im iPhone als auch im iPad Chips der selbst entwickelten Baureihe A zum Einsatz. Auch in seinen Mac Computern hat Apple zunächst lange Zeit Intel-Mikrochips verbaut; seit Ende 2020 setzt das Unternehmen hier verstärkt seine hauseigene, speziell für den Mac entwickelte M-Reihe ein. Apple ist damit auch in einem den Hardwaregeräten vertikal vorgelagerten Geschäftsbereich tätig.

60(f)    Die vertikale Integration des Apple-Konzerns wird dadurch vertieft, dass Apple selbst im Direktvertrieb seiner Hardware-Produkte tätig ist, und zwar sowohl im klassischen Einzelhandel als auch im Onlinehandel. 2001 eröffnete Apple den weltweit ersten Apple Store, mittlerweile betreibt das Unternehmen weltweit mehr als 500 Läden, rund die Hälfte davon in den USA. In Deutschland gibt es gegenwärtig 16 Ladengeschäfte. Apples Flagship Stores, die sich vorwiegend in den 1A-Lagen großer Städte befinden, gehören zu den umsatzstärksten Geschäften der Welt. In den Apple Stores, die besonders repräsentativ gestaltet sind und in denen speziell geschultes Personal tätig ist, bietet Apple alle seine aktuell vertriebenen Hardware-Produkte und insbesondere Produktneuheiten an und ermöglicht es den Kunden, diese auszuprobieren. Über die Apple-Webseite betreibt das Unternehmen zudem seit 1997 einen eigenen Onlineshop. Der Umsatzanteil, den Apple im Geschäftsjahr 2021 im Direktvertrieb insgesamt, also unter Einschluss sämtlicher Produkte, erzielte, lag bei [30-40] %.

61(2)    Darüber hinaus sind die Produkte der verschiedenen Geschäftsbereiche von Apple auch in horizontaler und konglomerater Weise verbunden.

62(a)    Ein besonderes Kennzeichen des Geschäftsmodells von Apple ist die zur beschriebenen vertikalen Integration hinzutretende weitreichende und enge horizontale Verbindung seiner - unterschiedlichen Märkten zuzuordnenden - Hardware-Produkte. Zwischen verschiedenen Apple-Geräten bestehen komplementäre Einsatzbeziehungen, zum Beispiel bei der Kombination von iPhone, iPad und MacBook mit den mobilen Kopfhörern AirPods und dem Lautsprecher HomePod, oder zwischen der Apple Watch und dem iPhone. Die Kopplung und vollumfängliche Nutzung der Apple Watch ist grundsätzlich nur mit einem iPhone, nicht aber mit einem Android-Smartphone möglich.

63(b)    Die Apple-ID, eine Authentifizierungsmethode, die von Apple sowohl für die Hardware-Geräte (iPhone, iPad, Mac) als auch für Software und Dienstleistungen sowie die Verknüpfung dieser Bereiche und deren Abrechnung verwendet wird und jeweils ein Nutzerkonto repräsentiert, ermöglicht die Verbindung mehrerer Hardware-Geräte eines Nutzers. Wird eine Apple-ID zur Anmeldung bei einem Apple-Gerät genutzt, verwendet das Gerät automatisch die damit verknüpften Einstellungen, da in der Apple-ID persönliche Informationen und Einstellungen des Benutzers hinterlegt sind. Eine Anmeldung des Geräts oder für Dienste bei Apple ist ohne Apple-ID nicht möglich. Die technische Verknüpfung mehrerer Apple-IDs erlaubt zudem die sogenannte Familienfreigabe innerhalb des Apple-Ökosystems, mit der bis zu sechs Familienmitglieder Musik, Filme, TV-Sendungen, Apps, Bücher, einen iCloud-Speicherplan, Abonnements und mehr gemeinsam ohne zusätzliche Kosten nutzen können.

64(c)    Durch eine Reihe weiterer Serviceprogramme, die unter der Konzeptbezeichnung "continuity" zusammengefasst werden, können auch nicht- oder nur randkomplementäre Apple-Geräte im Zusammenspiel nahtlos eingesetzt werden. Das Konzept bedient verschiedene Anwendungsbereiche, meist wenn mehrere Apple Produkte unter einer Apple ID angemeldet sind. So können mit AirDrop Dateien mittels peer-to-peer-Verbindung zwischen Mac und iPhone oder iPad geteilt werden. Bilder, Videos und Texte können per allgemeiner Zwischenablage (copy & paste) geräteübergreifend zwischen iPhone, iPad und Mac kopiert und eingefügt werden. Mit der Anwendung "Handoff", die mit den Apple-Softwareprodukten Mail, Safari, Notizen, Pages, Numbers, Keynote, Karten, Nachrichten, Erinnerungen, Kalender und Kontakte funktioniert, können zudem auf einem Gerät Anwendungen weiterbearbeitet oder beendet werden, die auf einem anderen Gerät begonnen wurden. Mit "Sidecar" kann beispielsweise das iPad als zweites Mac-Display benutzt werden, wobei die Displays aufgeteilt oder auch gespiegelt oder durch nahtlose Steuerung Mac und iPad mit einer einzigen Tastatur oder Maus integrativ gesteuert werden können. Mittels "AirPlay" können Videos vom iPhone zudem auf einem Apple Gerät mit größerem Display wiedergegeben werden. Ein Einkauf auf den Shoppingseiten am Mac, der über den Browser Safari mit Apple Pay begonnen wird, kann mittels Face ID oder Touch ID auf dem iPhone oder iPad abgeschlossen werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Fotografien oder Scans, die mit der Integrationskamera des iPhone angefertigt werden, automatisch auf dem Mac erscheinen. Anrufe oder SMS auf dem iPhone können mit dem Mac, dem iPad oder der Apple Watch angenommen oder gelesen und getätigt werden. Schließlich bietet iCloud die Möglichkeit zur geräteübergreifenden Speicherung von Fotos, Videos, Dokumenten und Backups sowie zur geräteübergreifenden Synchronisation und Speicherung von Kontakten, dem Kalender, Notizen und Erinnerungen.

65(d)    Apple verbindet zudem unterschiedlichen Märkten zuzuordnende Dienstleistungen durch Produktbündel-Angebote. In dem Angebot Apple One bietet Apple seine Dienste Apple Music, Apple Arcade, Apple TV+, Apple Fitness+ und iCloud+ zu einem gegenüber dem Einzelbezug niedrigeren Preis an.

66bb)    Auf dieser Grundlage hat das Bundeskartellamt in einer Gesamtbetrachtung der Geschäftstätigkeiten von Apple zutreffend angenommen, dass das Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette rund um mobile digitale Endgeräte, die für die Nutzung dieser Geräte notwendigen Betriebssysteme und den Softwarevertrieb besetzt, sowie, dass es sein Angebot um eine Reihe von Diensten sowie Software- und Serviceprodukten ergänzt und jeweils entsprechende Verbundvorteile nutzen beziehungsweise Schlüsselpositionen einnehmen kann. Daraus hat es zu Recht den Schluss gezogen, dass Apple - ausgehend von seinen zentralen Hardware-Geräten - vielfach auf vor- oder nachgelagerten Marktstufen tätig und damit vertikal integriert ist, seine Produkte auch in sonstiger Weise im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GWB miteinander verbunden sind und sich daraus Möglichkeiten ergeben, wettbewerbliche Vorteile zu erzielen.

67(1)    Durch die beschriebene vielfältige Verbindung von Apple-Geräten und -Dienstleistungen in allen Bereichen und auf allen Ebenen werden Aktivitäten von Apple-Nutzern innerhalb des Apple-Ökosystems und dessen Erweiterung gefördert. Die (horizontale) Kompatibilität und die damit verbundene bruchlose und einfach handhabbare Kommunikation zwischen den verschiedenen Hardware-Geräten hat ihre Grundlage in deren tiefgreifender Integration mittels ihrer jeweiligen proprietären Betriebssysteme, die Apple als Entwickler kontrolliert. Durch die über die Apple-ID wie oben beschrieben ermöglichte Kontinuität auf neuen Geräten - seien es zusätzliche, seien es Ersatzgeräte - und die Möglichkeit, von Apple angebotene Dienste ohne Mehrkosten auf mehreren Endgeräten zu nutzen, werden für die bereits aktiven Apple-Nutzer erhebliche Anreize gesetzt, weitere Geräte von Apple und nicht solche von anderen Herstellern zu erwerben. Erst recht gilt das, wenn ein Apple-Gerät nur in Kombination mit einem komplementären anderen (vollumfänglich) genutzt werden kann, wie die Apple Watch. Auch die beschriebene Möglichkeit für Apple, seinen Kunden die abonnementfinanzierten Dienste - Apple Music, Apple Arcade und Apple TV+ sowie Apple Fitness und iCloud - über Apple One als Produktbündel zu einem geringeren Preis anzubieten, verschafft dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile, weil sie für die Apple-Nutzer aufgrund des Preisvorteils Anreize setzt, auch für diese Dienstleistungen das Apple-Ökosystem zu nutzen oder dort weitere Dienste in Anspruch zu nehmen.

68(2)    Die vertikale Integration seiner Produkte und die konglomerate Struktur seiner Geschäftsbereiche verschafft Apple auf jeder relevanten Wertschöpfungsstufe wettbewerbliche Vorteile. Das Unternehmen kann die verschiedenen Hardware-Komponenten des jeweiligen Geräts (einschließlich der Mikroprozessoren) untereinander und auf das Betriebssystem optimal abstimmen; dasselbe gilt in umgekehrter Richtung. Auch seine Anwender-Softwareprogramme kann Apple passgenau für die Hardware und die Betriebssysteme entwickeln mit der Folge, dass die Geräte eine enorme Schnelligkeit aufweisen, was ihre Attraktivität für die Kunden deutlich erhöht. Darüber hinaus ergeben sich durch die Tätigkeit auf den verschiedenen Marktstufen auch erhebliche horizontale Synergien. So wurden die mobilen Betriebssysteme für iPhone und iPad auf Grundlage des Betriebssystems für den Apple Computer entwickelt; die von Apple hergestellten Mikrochips M1 werden nicht nur in den Mac-Familien (Mac mini, MacBook Air, MacBook Pro), sondern auch im iPad Pro und im iPad Air verbaut. Die vertikale Integration erlaubt es Apple zudem, seine breite Gerätebasis zum Vertrieb seiner abonnementfinanzierten Dienste oder anderer für das Unternehmen lukrativer Leistungsangebote, wie beispielsweise Apple Pay, zu nutzen. Bei zwei Milliarden aktiver Apple-Geräte und dank der Vorinstallation der entsprechenden eigenen Apps auf den mobilen Endgeräten hat Apple für den Vertrieb dieser Produkte Zugang zu einer ausgesprochen großen Nutzerbasis von jedenfalls etwa einer Milliarde (vgl. oben Rn. 51).

69(3)    Apple steht zudem bei seinen mobilen Geräten - iPhone und iPad - mit seinen vertikal integrierten Betriebssystemen und App Stores in einer Hybridfunktion, nämlich einerseits als deren Betreiber, der die damit zusammenhängenden technischen und betrieblichen Vermittlungsleistungen an die Gerätenutzer auf der einen und die externen App-Anbieter auf der anderen Seite erbringt, andererseits selbst als Anbieter von Software und Diensten. Zu Recht hat das Bundeskartellamt daraus eine strukturbedingte allgemeine Gefahr von Selbstbevorzugungs- und Leveraging-Strategien abgeleitet und diese nicht dadurch als relativiert angesehen, dass Apple mit dem Angebot zusätzlicher Dienste oder Funktionen - was nicht bezweifelt wird - die Zielsetzung verfolgt, die eigenen Produkte von denen der Wettbewerber abzuheben, den Absatz zu steigern und seine Bestandskunden zufrieden zu stellen.

70cc)    Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen ist eine konkrete Wettbewerbsgefährdung, mit der sich das aus den vertikalen und sonstigen Verbindungen resultierende strukturbedingte Gefährdungspotential für den Wettbewerb verwirklicht, auch für die Erfüllung des in § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GWB genannten Kriteriums nicht erforderlich (s. dazu bereits oben Rn. 44). Aus der Gesetzesbegründung folgt auch für das Merkmal der vertikalen Integration nichts Anderes. Soweit dort von für den Wettbewerb relevanten Schlüsselpositionen oder zentralen strategischen Positionen einiger Unternehmen die Rede ist, die Abhängigkeiten anderer Marktteilnehmer begründen und den Unternehmen erlauben, den Wettbewerbsprozess zum eigenen Vorteil zu verfälschen und ihre Marktmacht auf andere Märkte zu übertragen, sowie die Möglichkeiten einer vertikalen oder konglomeraten Ausnutzung wirtschaftlicher Macht verstärken zu können (BT-Drucks. 19/23492, S. 73 bis 75), stellt dies eine Beschreibung der vom Gesetzgeber ermittelten wirtschaftlichen Realität dar und gibt zugleich die Motivation für das entsprechende gesetzgeberische Tätigwerden wieder. Es handelt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen dabei aber nicht um konkret zu prüfende Tatbestandsmerkmale des § 19a Abs. 1 GWB und erst recht nicht des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GWB. Dementsprechend musste das Bundeskartellamt im Hinblick auf die softwarebasierten Produkte und Dienstleistungen Apples weder ermitteln, ob von diesen eine "besondere Gefährdung" für den Wettbewerb ausgeht, noch ein "strukturbedingtes Gefährdungspotential" angesichts des auf den betreffenden digitalen Märkten - insbesondere bei Musik- und Videostreaming - bestehenden Wettbewerbs mit teils deutlich stärkeren Konkurrenten verneinen.

71dd)    § 19a Abs. 1 GWB setzt nicht voraus, dass die vertikale Integration des Unternehmens und die sonst miteinander verbundenen Geschäftsbereiche allein oder schwerpunktmäßig digitale Plattformaktivitäten und Tätigkeiten auf anderen damit verbundenen digitalen Märkten betreffen. Dem Umstand, dass mit der Norm eine bessere Kontrollmöglichkeit gerade von Unternehmen mit Schwerpunkt im Bereich digitaler Geschäftsmodelle bezweckt ist (vgl. BT-Drucks. 19/23492, S. 74), wird bereits durch die in § 19a Abs. 1 Satz 1 GWB enthaltene Tatbestandsvoraussetzung Rechnung getragen, dass das betreffende Unternehmen in erheblichem Umfang auf Märkten im Sinn des § 18a Abs. 3a GWB tätig sein muss, was bei Apple der Fall ist. Dass der Ausgangs- und Schwerpunkt der vertikalen Integration seiner Geschäftstätigkeit bei Apples Hardware-Produkten liegt, schließt seine erhebliche Betätigung auch auf digitalen Märkten nicht aus (vgl. oben Rn. 42). Dies gilt umso mehr angesichts der vom Unternehmen vorgegebenen zwingenden Verbindung der Hardware-Geräte mit dem jeweiligen proprietären Betriebssystem, das ein digitales Produkt darstellt.

72Schließlich ist auch die Annahme des Bundeskartellamts nicht zu beanstanden, Apple sei auf unterschiedlichen Märkten und Marktstufen tätig, indem es die Verbindung von Hardware-Geräten mit dem dazugehörigen Betriebssystem und vorinstallierter eigener Software vertreibe. Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, damit würden die integralen Bestandteile von Apples Smart Devices künstlich aufgespalten und verschiedenen Märkten zugeordnet, obwohl Apple mit den allein für den Eigenbedarf entwickelten Komponenten auf den relevanten Märkten nicht als Wettbewerber tätig sei und daher hier auch weder Wettbewerbsvorteile haben noch Schlüsselpositionen einnehmen könne, greift nicht durch. Das Bundeskartellamt hat zu Recht auf die Wettbewerbsvorteile auf dem Endverbrauchermarkt für Geräte (inklusive Betriebssystem) sowie - in horizontaler Hinsicht - auf Synergieeffekte abgestellt, nicht aber auf eine vermeintliche Anbietertätigkeit Apples auf dem Produktmarkt für Mikrochips oder demjenigen für (separat erhältliche) Betriebssysteme. Die Beschwerdeführerinnen übersehen hier zudem, dass auch die Hardware-Geräte aufgrund ihrer untrennbaren Verbindung mit den Betriebssystemen zumindest teilweise digitale Produkte sind, die darüber hinaus unmittelbaren Zugang zu zahlreichen digitalen Angeboten Apples wie Software und anderen digitalen Dienstleistungen gewähren.

73d)    Apple hat in großer Breite und Tiefe Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten (§ 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB).

74aa)    Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, sind unter Daten im Sinn des § 19a Abs. 1 GWB maschinenlesbare und speicherbare ("digitale") Informationen zu verstehen, unabhängig davon, ob sie personenbezogen (vgl. Art. 4 Nr. 1 DSGVO) oder nicht personenbezogen sind, aus welcher Quelle sie stammen und ob es sich um Rohdaten oder durch Verarbeitung gewonnene Daten handelt (BGHZ 240, 227 Rn. 84 mwN - Amazon). Wettbewerbsrelevant können nur digitale Informationen sein, die von dem jeweiligen Normadressaten aufgrund der leichten Speicherbarkeit und Übertragbarkeit in hohen Volumina und mit großer Geschwindigkeit verarbeitet, ausgewertet und zusammengeführt werden können. Anders als im Anwendungsbereich von §§ 19, 18 Abs. 1, 3, 3a und 3b GWB sind bei der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung gemäß § 19a Abs. 1 GWB alle Möglichkeiten des Datenzugangs relevant, die einem Unternehmen auf allen seinen Tätigkeitsfeldern zur Verfügung stehen, sowie die (marktübergreifenden) Größen- und Ressourcenvorteile, die ihm dadurch erwachsen können, ohne dass es einer genauen Quantifizierung der durch die Datennutzung ermöglichten Verstärkung von Marktmacht gegenüber Wettbewerbern bedarf (BGHZ 240, 227 Rn. 84 - Amazon).

75bb)    Zwar setzt auch das Tatbestandsmerkmal des Datenzugangs in § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB nicht voraus, dass das Unternehmen die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen - hier die ihm zugänglichen Daten - in einer den Wettbewerb gefährdenden Weise nutzt. Vielmehr stellt das Gesetz bei diesem Kriterium ebenfalls auf das mit dem Datenzugang verbundene Gefährdungspotential ab. Daher reicht aus, dass ein Unternehmen durch seine überragenden Größen- und Ressourcenvorteile und durch seine besondere strategische Positionierung Zugang zu einer außerordentlichen Menge wettbewerbsrelevanter Daten hat und diese Datenvorteile ihm erlauben, die Daten marktübergreifend einzusetzen (BGHZ 240, 227 Rn. 84 - Amazon). Unerheblich ist auch, zu welchem Zweck die Daten erhoben werden, insbesondere, ob dies allein für die Funktionsfähigkeit des Ökosystems geschieht und nicht aufgrund eines datengetriebenen Geschäftsmodells. Ein "Zugang" im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB liegt jedoch nur vor, wenn das Unternehmen in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht die Möglichkeit hat, die Daten zu nutzen; das bloße Zugangspotential reicht, anders als das Bundeskartellamt meint, nicht aus.

76(1)    Der Zugang eines Unternehmens zu wettbewerbsrelevanten Daten hat für die Normadressatenstellung gemäß § 19a Abs. 1 GWB deshalb Bedeutung, weil er in der digitalen Wirtschaft eine wichtige Ressource ist, um wettbewerbliche Vorteile zu erzielen oder sogar Marktzugänge zu kontrollieren (vgl. BT-Drucks. 19/23492, S. 75). Insofern unterscheidet sich die Funktion des Merkmals des Datenzugangs im Anwendungsbereich des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB strukturell nicht von derjenigen, die ihm bei § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB für die Bemessung der Marktstärke zukommt. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung von § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB darauf reagieren, dass die Möglichkeiten der Datengewinnung und -nutzung durch die Digitalisierung und das Internet eine neue Dimension erhalten haben und die Marktstellung eines Unternehmens erheblich von seinem Zugang zu Daten beeinflusst werden kann, insbesondere wenn es sich um datenbasierte Angebote handelt. Die ausschließliche Verfügung über bestimmte wettbewerbsrelevante Daten kann eine Marktzutrittsschranke für Wettbewerber darstellen, insbesondere, wenn auf dem Markt indirekte Netzwerkeffekte wirken. Eingeschränkte Möglichkeiten von Wettbewerbern, vergleichbar große Datenbestände aufzubauen, können dem Inhaber der Daten Wettbewerbsvorteile und Marktmacht verschaffen (vgl. BT-Drucks. 18/10207, S. 51). Auch im Anwendungsbereich des § 19a Abs. 1 GWB ergibt sich die - hier nicht auf einen bestimmten Markt bezogene, sondern marktübergreifende - Wettbewerbsrelevanz des Datenzugangs aus dem Vorteil des Unternehmens gegenüber seinen (potentiellen) Wettbewerbern, denen ein vergleichbarer Datenbestand nicht zugänglich ist, der also von diesen weder durch eigene Aktivität generiert noch am Markt erworben werden kann (vgl. Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 19a GWB Rn. 119).

77(2)    Die genannten wettbewerblichen Vorteile setzen indes voraus, dass das Unternehmen die Möglichkeit zu einer entsprechenden Datenerhebung und -nutzung besitzt. Insoweit können sich Grenzen aus technischen Umständen - etwa, weil Daten nicht effizient durch Algorithmen verarbeitet werden können - oder aus rechtlichen Gründen ergeben, insbesondere aus gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Datenerhebungs- oder -speicherungsbeschränkungen (vgl. Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 18 GWB Rn. 148c; Wolf in MüKo Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 18 GWB Rn. 61). Ein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB liegt somit etwa nicht vor, soweit das Datenschutzrecht die Erhebung oder Verarbeitung von Daten verbietet oder sie vertraglich ausgeschlossen ist.

78(3)    Daher besteht entgegen der Ansicht des Bundeskartellamts kein Datenzugang im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB, soweit das Unternehmen Daten aufgrund einer systemseitigen Begrenzung von vornherein nicht erhebt. Insbesondere personenbezogene Daten sind dem Unternehmen nur dann und solange zugänglich, wenn und wie dieses auf das entsprechende Speichermedium zugreifen kann und darf. Sofern solche Daten vor der Speicherung oder Verarbeitung durch Anonymisierung oder Aggregation in nicht-personenbezogene Daten umgewandelt werden und sodann für das Unternehmen nutzbar sind, besteht der Zugang allerdings zu diesen nicht-personenbezogenen Daten. Soweit Daten ausschließlich auf den Geräten der Nutzer gespeichert und verarbeitet werden, kann von einem Datenzugang im Sinn der Norm nur in dem Umfang ausgegangen werden, wie dem Unternehmen ein Zugriff (technisch) möglich und gesetzlich sowie vertraglich erlaubt ist. Gleiches gilt für die verschlüsselt und für das Unternehmen unzugänglich auf Servern abgelegten und zwischen Geräten und Servern verschlüsselt ausgetauschten Nutzerdaten. Kein Datenzugang im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB wird schließlich dadurch begründet, dass das Unternehmen unter Umständen die Möglichkeit hat, einseitig und gegebenenfalls kurzfristig künftige Veränderungen am Ausmaß und an der Ausgestaltung der Datenerhebung oder -verarbeitung vorzunehmen, da es allein auf den aktuellen Zugang ankommt.

79cc)    Auch ausgehend von diesem Verständnis des Datenzugangs und unter Berücksichtigung der hohen Datensicherheits- und Datenschutzstandards, die Apple seinen Kunden insbesondere für deren personenbezogene Daten bietet, verfügt Apple über einen außerordentlich breiten und tiefen Datenzugang im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB.

80(1)    Apple hat Zugang zu einer großen Menge personenbezogener und nicht-personenbezogener Daten.

81(a)    Gemäß der Apple-Datenschutzrichtlinie (Stand sowie Stand - im Folgenden gemeinsam: Datenschutzrichtlinie) erfasst Apple verschiedene personenbezogene Daten der Nutzer seiner Hardware-Geräte, wobei der Umfang von deren jeweiligen Interaktion mit Apple abhängt. So kann Apple eine Vielzahl von Informationen erfassen, wenn ein Nutzer einen Apple Account erstellt, einen Kredit beantragt, ein Produkt oder ein Gerät kauft oder aktiviert, ein Softwareupdate lädt, sich mit Apples Diensten verbindet, Apple kontaktiert oder anderweitig mit dem Unternehmen interagiert. Zu den - gegebenenfalls - erfassten Daten zählen Kontaktdaten (Name, E-Mail-Adresse, physische Adresse, Telefonnummer), Accountdaten (Apple-ID mit E-Mail-Adresse, registrierten Geräten, Accountstatus sowie Vornamen und Alter des Nutzers), Geräteinformationen wie Seriennummer, Transaktionsdaten (Daten über Käufe von Apple-Produkten und -Diensten, von Apple unterstützte Transaktionen, Käufe auf Apple-Plattformen, Nutzungsdaten über die Aktivitäten auf den Geräten und die Nutzung der Apple-Angebote, wie App-Starts innerhalb der Apple-Dienste, Browserverlauf, Suchverlauf, Produktinteraktion, Absturzdaten, Leistungs- und andere Diagnosedaten). Ferner kann Apple Standort-, Gesundheits-, Fitness- und Finanzdaten erheben sowie beispielsweise den Inhalt der Kommunikation mit Apple speichern. Laut Datenschutzrichtlinie besteht für Nutzer keine Verpflichtung zur Freigabe der aufgeführten personenbezogenen Daten; ohne sie ist Apple danach jedoch in vielen Fällen nicht in der Lage, seine Produkte oder Dienste zur Verfügung zu stellen oder auf Nutzeranfragen zu reagieren. Apple verwendet nach der Datenschutzrichtlinie personenbezogene Daten, um seine Dienste bereitzustellen, die Transaktionen der Nutzer zu verarbeiten, mit diesen zu kommunizieren, zur Sicherheit und Betrugsbekämpfung, zur Einhaltung von Gesetzen, sowie - mit Zustimmung des jeweiligen Nutzers - für andere Zwecke wie die Angebotsverbesserung und Prüfungen oder Datenanalysen zur Problembehebung.

82(b)    Ausgehend von der Datenschutzrichtlinie hat das Bundeskartellamt festgestellt, Apple könne einen Nutzer oder ein Gerät über die Apple-ID und andere Identifikationskennungen quellenübergreifend identifizieren und ihm oder dem Gerät auf diese Weise in verschiedenen Quellen erhobene Daten zuordnen. Es ist von einem umfassenden Datenzugang Apples zu Kontakt-, Zahlungs- und Sicherheitsinformationen wie Standortdaten, Adressbüchern, Kalendern, Fotos, Dokumenten, Gesundheits-, Browser- und anderen App-Daten der Nutzer ausgegangen, die mit der Apple-ID verknüpft und auf Apple-Servern gespeichert und verarbeitet würden. Das Bundeskartellamt hat angenommen, Apple habe über seine Hardware-Produkte und deren Betriebssysteme Zugang zu Nutzungsdaten der verwendeten Apps, ihre Identität und der Zeit, die ein Nutzer darin verbracht habe. Über GPS, Bluetooth, WLAN und Mobilfunksignale sowie in den Geräten verbaute Sensoren könnten präzise Standorte und Bewegungen der Nutzer erfasst und über die Kamera sowie Fingerabdrucksensoren biometrische Daten zur Gesichtserkennung und Fingerabdrücke gesammelt und den Nutzern zugeordnet werden. Durch vorinstallierte Apps und Software habe Apple Zugriff etwa auf Kontaktlisten, Nachrichteninhalte und Metadaten über Kommunikation, mit der Spracherkennungssoftware Siri gefertigte Sprachaufnahmen, im Kartendienst erhobene Standorte, Routeninformationen und Suchen nach Dienstleistungen, im Webbrowser Safari besuchte Webseiten und gesetzte Lesezeichen sowie in der Health-App die vom Betriebssystem und den Geräten gesammelten und gegebenenfalls weitere vom Nutzer hinterlegte Gesundheitsdaten. Auch über den App Store könne Apple Daten und Informationen über Nutzer und App-Herausgeber sowie über deren Austausch miteinander auf der Plattform sammeln, nämlich Kontaktinformationen, Suchverläufe, App-Käufe, In-App Käufe, das Navigationsverhalten im App Store und Zahlungsinformationen. Als Betreiber der Plattform und über das eigene Zahlungssystems IAP könne Apple den wirtschaftlichen Erfolg von App-Herausgebern und deren Apps über Downloads, Käufe und In-App-Käufe beobachten. Schließlich habe Apple über seinen Dienst iCloud, der den Nutzern die Speicherung persönlicher Dateien wie Fotos, Videos, Ordner und Dokumente auf Servern Apples erlaube, um diese auf verschiedenen Geräten zu verwenden und zu synchronisieren, Zugang zu einer Vielzahl an Daten. Gleiches gelte für die Dienste Apple Music, Apple TV+, Apple Books und Apple Arcade, über die Apple Informationen über gekaufte und konsumierte Inhalte erhalte.

83Hiergegen wenden die Beschwerdeführerinnen zu Recht ein, dass ein Datenzugang Apples von vornherein nicht bestehe, soweit (personenbezogene) Daten - für Apple unzugänglich - ausschließlich auf den Nutzergeräten oder verschlüsselt in iCloud gespeichert oder verschlüsselt zwischen verschiedenen Geräten oder von einem Gerät in iCloud übertragen würden. Sie tragen vor, bei Nutzung von Siri würden Sprachäußerungen nur auf dem Gerät des jeweiligen Nutzers verarbeitet und keine identifizierbaren Informationen an Apple gesendet, alle persönlichen Gesundheitsdaten verblieben auf dem Gerät des Nutzers und es gelangten keine Daten an Apple, die eine persönliche Identifizierung einzelner Nutzer erlaubten. Die über Sensoren im iPhone erfassten Bewegungsdaten des Nutzers und biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Gesichtsscans würden nur auf den Geräten der Nutzer gespeichert oder über iCloud unter Verwendung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung synchronisiert und seien für Apple nicht auf seinen Servern verfügbar. Die von Nutzern in iCloud gesicherten Daten seien so verschlüsselt, dass Apple keinen Zugriff auf die gespeicherten Inhalte habe. Über iMessage verschickte Nachrichten und die Audio- und Videoinhalte von FaceTime-Anrufen seien Ende-zu-Ende verschlüsselt, daher könnten nur die Gesprächsteilnehmer auf sie zugreifen. Apple habe keine Informationen über die Beteiligten eines iMessage-Chats und speichere nur begrenzte Daten über den Beginn eines FaceTime-Anrufs. Daten über die von Nutzern in Apples Webbrowser Safari besuchten Webseiten würden nicht an die Server von Apple gesendet, von den Nutzern gesetzte Lesezeichen würden nur mit deren Zustimmung und unter Einsatz einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit iCloud synchronisiert. Safari sei so konzipiert, dass es keine personenbezogenen Daten sammele, sodass diese Daten nicht mit anderen Daten verknüpft werden könnten. Auf Kontaktlisten greife Apple nicht zu.

84Ebenfalls zutreffend machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass ein Zugang zu personenbezogenen Daten nicht für Apples gesamte Nutzerbasis angenommen werden könne, sofern und soweit die Datenerhebung nur mit Nutzerzustimmung möglich sei. Diesbezüglich behaupten sie, dass Apple die Erhebung zahlreicher personenbezogener Daten von einer ausdrücklichen Zustimmung des Nutzers ("opt in") abhängig mache. So würden Informationen im Zusammenhang mit Nutzung von Drittanbieter-Apps nur erfasst, wenn der Nutzer sich positiv dafür entscheide, Geräteanalysedaten an Apple zu senden, was lediglich bei etwa [10-20] % der Nutzer der Fall sei. Selbst bei entsprechender Zustimmung führe Apple keine umfassende Datenerhebung über die Nutzung von Drittanbieter-Apps durch. Auch die Einstellung "iCloud Analysen teilen" sowie die Zusendung personalisierter Werbung, die Apple im Europäischen Wirtschaftsraum nur Anbietern von in den Apple App Stores verfügbaren Apps ermögliche, erfordere eine ausdrückliche Zustimmung des Nutzers. Standortdaten würden nur dann personalisiert gespeichert, wenn ein Nutzer sich dafür entscheide, die "Wo ist?"-App zu nutzen, die ihm die Ortung und Steuerung der mit seiner Apple ID verknüpften Geräte erlaubt, und über GPS, Bluetooth, WLAN und Mobilfunksignale könnten nur dann präzise Standorte und Bewegungen eines Nutzers erfasst werden, wenn er die Standortdienste aktiv eingeschaltet habe. Soweit Ortungs-Daten an die Server von Apple gesendet würden, geschehe dies unter Verwendung von zufälligen, rotierenden Kennungen, die nicht mit der Identität des Nutzers verknüpft werden könnten. Im Dienst Karten erfasste Informationen würden mit zufälligen Kennungen auf dem Gerät eines Nutzers verknüpft, sodass eine Verbindung mit anderen Daten im Zeitablauf ausgeschlossen sei.

85Die Beschwerdeführerinnen tragen ferner vor, Apple verfolge weder über die Apple ID noch über die Geräte- oder sonstige Identifikationskennungen das Nutzerverhalten in seinem Ökosystem. Es gebe keine Kombination von iCloud, Apple-ID und Geräte-ID, die die Beobachtung des Nutzerverhaltens über Geräte und Dienste hinweg ermöglichen würde. Apple erfasse keine Daten, die einen umfassenden Einblick in die Nutzung von Dritt-Apps gewähren würden, und habe nur begrenzte Informationen über die Nutzung von Drittanbieter-Apps. Selbst bei Nutzern, die Analysedaten an Apple sendeten, seien die Informationen über die Nutzung von Drittanbieter-Apps auf das für den Betrieb der Apple App Stores notwendige Minimum beschränkt, um sicherzustellen, dass das Betriebssystem für Drittanbieter-Apps funktioniere. Apple verwende die Daten aus den Apple App Stores nicht im Wettbewerb mit anderen App-Herausgebern oder zur Gewinnung von Wettbewerbsinformationen zum Vorteil seiner eigenen Dienste. Daten zur Nutzung und zum kommerziellen Erfolg einzelner Apps Dritter würden nicht im Wettbewerb mit anderen Geräteherstellern und Ökosystemen verwendet. Apple sorge mit Chinese Walls und technischen Kontrollmechanismen dafür, dass die Daten der Apple App Stores für andere Geschäftsbereiche, in denen die Entwicklung von Apples eigenen Diensten erfolgt, nicht zugänglich seien. Die in den Apple App Stores und dort über den Zahlungsdienst IAP erhobenen Transaktionsdaten seien auf das für die Abwicklung der Transaktionen und den Betrieb der Apple App Stores notwendige Minimum beschränkt.

86(c)    Ausgehend von den unstreitigen Feststellungen des Bundeskartellamts und dem Vortrag der Beschwerdeführerinnen hat Apple somit jedenfalls bezüglich aller Kunden, die eine Apple-ID eingerichtet haben, Zugang zu deren Kontaktdaten wie mindestens Vornamen, E-Mail-Adresse, Telefonnummer und Alter sowie gegebenenfalls andere Kontaktinformationen wie postalische Adresse, registrierte Geräte mit Seriennummer und Accountstatus. Da - auch nach dem Vortrag der Beschwerdeführerinnen - die nahtlose und umfassende Nutzung der Dienste und Hardwareprodukte im Apple-Ökosystem nur mit der Apple-ID als eindeutiger Benutzerkennung möglich ist, und angesichts der von Apple im Verwaltungsverfahren angegebenen Zahlen von deutschlandweit rund [20-30] Mio. Apple-IDs zum Ende des dritten Quartals des Geschäftsjahres 2021 bei einer geschätzten Zahl aktiver iPhones von rund [30-35] Mio. Ende 2021, geht der Senat davon aus, dass - auch weltweit - die ganz überwiegende Mehrheit der Nutzer von Apple-Geräten eine Apple-ID eingerichtet hat. Damit ist nach Einschätzung des Senats angesichts einer Milliarde aktiver iPhones weltweit von über 500 Millionen dem Unternehmen zugänglichen Apple-IDs nebst den damit verbundenen personenbezogenen Daten auszugehen. Zudem stehen Apple über diejenigen Kunden, die bei dem Unternehmen Geräte oder Dienstleistungen erwerben, zumindest in der Regel Zahlungsdaten wie die Rechnungsadresse und die gewählten Zahlungsmethoden zur Verfügung. Über die unmittelbar bei Apple erfolgenden Käufe von Apple-Geräten und -Diensten erhebt und speichert das Unternehmen zudem individualisierte Transaktionsdaten wie Namen, Gerät, Preis, Kaufdatum, Zahlungsweise und gegebenenfalls Rechnungsadresse; Gleiches gilt für Daten über von Apple unterstützte Transaktionen einschließlich der Käufe auf Apple-Plattformen wie insbesondere dem App Store. Dass Apple die ihm zugänglichen personenbezogenen Daten der Gerätenutzer nicht verwendet, um das Verhalten der einzelnen Nutzer in seinem Ökosystem zu beobachten oder diese über Geräte, Dienste oder Apps hinweg zu verfolgen ("tracken"), was der Senat als zutreffend unterstellt, ist für die Frage des Datenzugangs unerheblich. Wie Apple die ihm zugänglichen Daten konkret verwendet, spielt für die Ermittlung der Adressatenstellung nach § 19a Abs. 1 GWB keine Rolle.

87Soweit Kunden der Verwendung ihrer Daten für personalisierte Werbung zugestimmt haben, nutzt Apple nach dem Vortrag der Beschwerdeführerinnen für die Schaltung von Anzeigen verwendbare Kontextinformationen, Geräteinformationen wie die Einstellungen der Tastatursprache, den Gerätetyp, die OS-Version und die Internetverbindung, gegebenenfalls den Gerätestandort, vom Nutzer durchgeführte Suchanfragen und Informationen über die Seite, die der Nutzer gerade anschaut, sowie Informationen aus Apple News und der App "Aktien", wobei anhand der gelesenen Inhalte passende Werbeanzeigen ausgewählt werden. Um die Zuordnung der Nutzer zu Segmenten zu ermöglichen, können in diesem Fall Accountinformationen, Informationen wie der Vorname auf der Apple-ID-Registrierungsseite oder die Begrüßung im Apple-ID-Account (zur Ableitung des Geschlechts), die vom Nutzer geladene Musik, Filme, Bücher, TV-Sendungen und Apps, sowie In-App-Käufe und Abonnements verwendet werden. Die Informationen aus Apple News und der App "Aktien" können die Themen und Kategorien der Inhalte umfassen, die der Nutzer liest, und die Publikationen, denen er folgt, die er abonniert hat oder über die er sich benachrichtigen lässt. Ferner verwendet Apple in einem solchen Fall die Interaktion mit der Werbung, die von der Apple-Werbeplattform bereitgestellt werde.

88Des Weiteren hat Apple - jedenfalls in anonymisierter Form - Zugang zu den Geräteanalysedaten aller Gerätenutzer, die in ihren Geräteeinstellungen zugestimmt haben, Diagnose- und Nutzungsdaten mit Apple zu teilen. Bei [10-20] % der Gerätenutzer sind das immerhin um die [100-200] Mio. Personen. Erhoben werden insoweit beispielsweise Informationen zum Start einer App und zu der Zeit, die der Nutzer darin im Vordergrund verbringt. Dass Apple nach den - vom Senat als zutreffend unterstellten - Angaben der Beschwerdeführerinnen bei der Auswertung der Analysedaten nur bestimmte Informationen über die Nutzungsdauer verschiedener Apps auf einzelnen Geräten erhebt und dies auf eine Stichprobe von [10-20] % der Nutzer beschränkt, die die Datenanalyse mit Apple teilen, hindert diese Einschätzung nicht. Denn das ist lediglich die Auswahlentscheidung Apples (oder eines von Apple programmierten Algorithmus) darüber, welche der dem Unternehmen zugänglichen Daten für die Auswertung verwendet werden. Soweit Apple-Kunden ihre Geräteanalysedaten für Apple freigeben, erfasst Apple unter anderem Informationen über die Nutzungsdauer verschiedener Apps sowie weitere Informationen, die für den Betrieb der Apple App Stores notwendig sind. Der danach bestehende Zugang zu diesen Daten sowie zu in den Apple App Stores anfallenden Transaktionsdaten entfällt nicht deshalb, weil Apple sie nach eigenen Angaben nicht im Wettbewerb mit App-Herausgebern oder zur Gewinnung von Wettbewerbsinformationen zum Vorteil seiner eigenen Dienste verwendet und durch den Einsatz sogenannter Chinese Walls und technischer Kontrollmechanismen dafür sorgt, dass die App Store-Daten für andere Geschäftsbereiche des Unternehmens, in denen die Entwicklung von Apples eigenen Diensten erfolgt, nicht zugänglich sind. Darüber hinaus hat Apple Zugang zu Daten und Metadaten, die das Unternehmen von App-Herausgebern im Zusammenhang mit der Einreichung von Apps für den App Store erhält, wie Namen, Beschreibung der App und des Geschäftsmodells, Screenshots, Nutzung von InApp Käufen und App-Kategorie.

89Jedenfalls in anonymisierter Form hat Apple desweiteren über GPS, Bluetooth, WLAN und Mobilfunksignale Zugang zu präzisen Standort- und Bewegungsdaten derjenigen Nutzer, die bei ihren Geräten die Ortungsdienste aktiviert haben. Der Senat geht davon aus, dass eine erhebliche Zahl von Gerätenutzern diese Option wählt, da sie für die Nutzung von Kartendiensten erforderlich ist. Dass Apple die Daten nicht personenbezogen speichert, schließt einen Datenzugang nicht aus; dieser besteht vielmehr auch - allerdings zugleich nur - zu den anonymisiert gespeicherten und in dieser Form für Apple zugänglichen Informationen. Hinsichtlich des Dienstes FaceTime hat Apple Zugang zu der Information, dass ein Anruf erfolgte, nicht aber dazu, ob der Anruf erfolgreich war oder nicht.

90(2)    Der vorgenannte Datenzugang ist breit. Dies ergibt sich in erster Linie aus der enormen und steigenden Zahl der Gerätenutzer und damit der Apple-IDs, deren Kontakt-, Account- und Zahlungsdaten Apple wie beschrieben zugänglich sind. Damit stehen Apple detaillierte personenbezogene Daten von mindestens 500 Mio. Personen zur Verfügung, die Apple beispielsweise eine direkte Kontaktaufnahme auf verschiedenen Kanälen erlaubt. Zudem kann Apple praktisch jeden Gerätenutzer, ohne dessen Identität kennen zu müssen, unmittelbar über sein Gerät und dessen Betriebssystem kontaktieren, weil dem Unternehmen jedenfalls in anonymisierter Form sämtliche Geräteinformationen verfügbar sind. Auf diesem Weg kann Apple den Geräteinhabern beispielsweise Informationen über ein verfügbares Software-Update und mit diesem neue Apple-eigene Softwareprodukte zukommen lassen. Darüber hinaus kann Apple bei den Kunden, die einer Freigabe von Analyse- und Standortdaten zugestimmt haben, zahlreiche Informationen über das Nutzerverhalten jedenfalls in anonymisierter Form erfassen.

91(3)    Schließlich besteht für Apple insbesondere bei den Kunden, die ihre Zustimmung zur Übermittlung personalisierter Werbung erteilt haben, auch ein tiefer Datenzugang. Das Unternehmen kann hier zusätzlich zu den ohnehin verfügbaren personenbezogenen Daten wie von Apple beschrieben viele detaillierte Informationen zur einzelnen Person erlangen. Die Tiefe des Datenzugangs speist sich dabei auch aus der hohen Nutzungsintensität der Apple-Geräte. Im Juli 2021 nutzten den Angaben von Apple zufolge iPhone-Nutzer ihr Smartphone täglich [200-300] Minuten, wovon sie durchschnittlich [30-40] % der Zeit in Apple-eigenen Apps (einschließlich der Geräteeinstellungen) verbrachten.

92dd)    Die Apple zugänglichen Daten sind wettbewerbsrelevant, und Apple hat die Möglichkeit, sie marktübergreifend einzusetzen. Die Feststellung der Wettbewerbsrelevanz setzt dabei entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen keinen größenmäßigen Vergleich mit den Wettbewerbern zugänglichen Daten voraus.

93(1)    Apples breiter und tiefer Zugang zu personenbezogenen und anonymisierten Daten seiner Nutzer sowie zu Daten von App-Herausgebern erlaubt es dem Unternehmen, seine sämtlichen Produkte - Hardware, Betriebssysteme, Software und Dienste - laufend weiterzuentwickeln und dabei auf die Bedürfnisse seiner aktuellen sowie potentieller neuer Kunden zuzuschneiden. Bei Zustimmung der Nutzer kann das Unternehmen über Gerätenutzungsstatistiken erfassen, wie oft die Apps Dritter gestartet und wie lange diese jeweils genutzt werden, und damit wettbewerblich wertvolle Informationen erlangen. Dadurch sowie aufgrund der Kontrolle des App Store und des Zahlungssystems IAP besitzt Apple ferner die Möglichkeit, tiefgehende Einblicke in die Verbreitung und den kommerziellen Erfolg von Apps Dritter zu erlangen. Das gilt auch für die Nutzung von Apple - gegebenenfalls anonymisiert - zugänglichen Daten zum Zweck der Produktverbesserungen mittels künstlicher Intelligenz. Auch hier besteht für das Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten, die keine vergleichbare Datenzugriffsmöglichkeit und mithin schlechtere Analysemöglichkeiten haben.

94(2)    Darüber hinaus versetzt der beschriebene Datenzugang Apple in die Lage, in neue Geschäftsbereiche vorzustoßen. Dies betrifft sowohl Hardware-Produkte als auch diejenigen Softwareprodukte und Dienste, in denen die Möglichkeit Apples, detaillierte Kenntnisse von Nutzerpräferenzen zu erhalten, eine Erweiterung des Produktportfolios auch in neue Märkte unterstützen kann. Ein weiteres Beispiel ist der Werbemarkt, in den Apple - wie beschrieben - bereits eingestiegen ist. Auch wenn Apple nicht angibt, wieviele Nutzer ihre Zustimmung erteilt haben, reichen angesichts der hohen Nutzerzahlen auch geringe Prozentzahlen aus, um erhebliche Datenmengen zu generieren. Dieses wettbewerbliche Potential der Apple zugänglichen Daten für den Bereich der personalisierten Werbung setzt das Unternehmen im Werbedienst Apple Search Ads bereits ein. App-Herausgeber können darüber Werbeplätze für ihre Apps kaufen, so dass sie die Möglichkeit haben, als erstes Suchergebnis im App Store personalisierte Werbung anzeigen zu lassen. Das aus seinem Datenzugang folgende Potential Apples gerade im Werbegeschäft, wo das möglichst umfassende Wissen über die Interessen und Vorlieben der Nutzer als Rezipienten der Werbung für den Geschäftserfolg ausschlaggebend ist, reicht dabei über seinen Einsatz im App Store hinaus. So ist seit Ende 2019 in einigen Ländern in den nativen Apps Apple News und Stocks Werbung zugelassen.

95Auch die Apple im Rahmen der gesetzlichen Datenschutzbestimmungen, seiner Datenschutzrichtlinie sowie von den Nutzern erteilter Zustimmungen bestehende Möglichkeit, personenbezogene Nutzerdaten an Dienstleister, Partnerunternehmen, Entwickler und Herausgeber von Apps sowie an Mobilfunkunternehmen und Behörden weiterzugeben, hat unmittelbare wettbewerbliche Relevanz und ermöglicht Apple ein marktübergreifendes Tätigwerden. Dass Apple diese Möglichkeit nach dem Vortrag der Beschwerdeführerinnen nicht nutzt, steht dem - für § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB allein erforderlichen - aus dem Datenzugang resultierenden Potential zur marktübergreifenden Verwendung der Daten nicht entgegen.

96e)    Die Geschäftstätigkeit des Apple-Konzerns hat große Bedeutung für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten und erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter (§ 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB).

97aa)    Das Kriterium des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB nimmt - ebenso wie § 18a Abs. 3b GWB - die Abhängigkeit der Geschäftspartner des Normadressaten und dessen damit verbundene, auf seinen Ressourcen und seiner strategischen Positionierung beruhende Möglichkeit in den Blick, erheblichen Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit zu nehmen. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kommt es auch bei diesem Kriterium lediglich auf die wettbewerblichen Möglichkeiten an, die durch eine Intermediärs- und Regelsetzungsmacht entstehen. Daher bedarf es auch hier keines Nachweises, dass die Machtstellung in wettbewerbswidriger, unfairer oder diskriminierender Weise genutzt wird, also eine konkrete Gefahr für den Wettbewerb besteht oder dieser bereits beeinträchtigt ist (vgl. BGHZ 240, 227 Rn. 100 mwN - Amazon). Für die (qualitative und quantitative) Bemessung der Intermediärs- und Regelsetzungsmacht kann auf die Anzahl und die wirtschaftliche Relevanz der vermittelten Geschäfte und die den Geschäftspartnern zur Verfügung stehenden Ausweichmöglichkeiten auf andere Angebote oder Vertragspartner abgestellt werden (vgl. BGHZ 240, 227 Rn. 100 mwN - Amazon). Die von den Beschwerdeführerinnen gegen diesen Prüfungsmaßstab vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.

98(1)    § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB setzt nicht voraus, dass das Unternehmen auf der Plattform konkrete geschäftliche Transaktionen vermittelt. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB, der allein auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten abstellt, nicht aber auf eine Vermittlung konkreter Beschaffungs- oder Absatzgeschäfte. Auch aus der Gesetzbegründung ergibt sich kein solches Erfordernis (vgl. BT-Drucks. 19/23492, S. 69). Die Regelsetzungsmacht, an die § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB anknüpft, kann sich daher - abhängig vom Geschäftsmodell des Plattformbetreibers - aus unterschiedlichsten Tätigkeiten ergeben. So vermittelt zwar der Betreiber einer Handelsplattform typischerweise konkrete Transaktionen. Von der Norm erfasst werden aber auch Suchmaschinen und Vergleichsportale, die Informationen im Vorfeld möglicher Transaktionen sowie Aufmerksamkeit für Werbetreibende vermitteln. Gleiches gilt für technische Plattformen wie Betriebssysteme, welche dritten Marktteilnehmern die technische Möglichkeit verschaffen, eine Vielzahl von Diensten und anderen Leistungen anzubieten und zu erbringen, oder App Stores, auf denen digitale Inhalte vertrieben werden (vgl. bereits ausführlich oben Rn. 21 bis 24; s.a. Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 19a GWB Rn. 124). Auch die Anbieter von Sprachassistenten können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Regelsetzungsmacht im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB haben, weil sie den technischen und inhaltlichen Rahmen vorgeben, den andere Unternehmen erfüllen müssen, um die Kompatibilität ihrer Produkte mit den Sprachassistenten zu gewährleisten und dadurch Endverbraucher zu erreichen (vgl. dazu näher BGHZ 240, 227 Rn. 110 f. - Amazon). Dies betrifft entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen nicht nur die Gerätehersteller, die den Sprachassistenten auf ihren Geräten installieren möchten, sondern auch andere Marktteilnehmer, die über diesen Zugang zu den Gerätenutzern als potentiellen Kunden suchen. Zugang zu einem Beschaffungs- oder Absatzmarkt kann danach nicht nur dadurch hergestellt werden, dass der Kontakt zu Kunden vermittelt wird, sondern auch dadurch, dass ein drittes Unternehmen durch die Tätigkeit des Intermediärs in die Lage versetzt wird, ein absatzfähiges, weil für die andere Nutzergruppe nutzbares Produkt herzustellen.

99(2)    Nach Sinn und Zweck der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb ist für die Bejahung des in § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB genannten Kriteriums kein auf bestimmte Märkte bezogener Vergleich und demgemäß auch keine Abgrenzung bestimmter Beschaffungs- oder Absatzmärkte erforderlich. Mit dem Kriterium des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in stark innovationsgetriebenen Märkten dritte Unternehmen auf im weitesten Sinn "vorgelagerten" Märkten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb abhängig sind. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Marktabgrenzung auf solchen Märkten nicht mehr Grundlage marktstruktureller Vermutungsregeln sein kann, sondern lediglich einen Aspekt für die wettbewerbliche Analyse darstellt (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom , BT-Drucks. 19/25868, S. 113).

100(3)    Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen adressiert § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB nicht allein die Tätigkeit des Normadressaten auf einer von ihm betriebenen Plattform oder in einem Netzwerk, auch wenn die Intermediationsmacht für Plattformen besonders kennzeichnend ist (BT-Drucks. 19/23492, S. 75). Vielmehr kann sich die Bedeutung seiner Tätigkeit für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie sein damit verbundener Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter auch aus einer Tätigkeit in sonstigen - auch analogen - Geschäftsfeldern ergeben, wie beispielsweise bei einer Lieferkette. Eine entsprechende Beschränkung des in § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB genannten Kriteriums auf die mit der Plattformtätigkeit verbundene Intermediationsmacht lässt sich weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Auch die Gesetzessystematik stützt das Normverständnis der Beschwerde nicht. Dass nach § 18 Abs. 3b GWB für die Bewertung der Marktstellung eines Plattformbetreibers die Bedeutung der von ihm erbrachten "Vermittlungsdienstleistungen für den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten" zu berücksichtigen ist, spricht nicht für, sondern gegen die von der Beschwerde vertretene einschränkende Auslegung des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB. Denn darin wird (allgemein) auf die "Bedeutung seiner Tätigkeit für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten" abgestellt, also gerade nicht nur auf die aus "Vermittlungsdienstleistungen" resultierende Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftstätigkeit Dritter.

101Insbesondere stehen aber auch Sinn und Zweck des § 19a GWB einer Ausklammerung der auf sonstigen Tätigkeiten des Normadressaten beruhenden Regelsetzungsmacht gegenüber Dritten aus dem Kriterium des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB entgegen. Adressat des § 19a GWB kann zwar nur ein Unternehmen sein, das (in erheblichem Maß) auf Plattformen tätig ist. Die Norm nimmt aber gerade dessen marktübergreifende Stärke und die daraus resultierende Bedeutung für den Wettbewerb insgesamt in den Blick, und zwar ausdrücklich auch, soweit diese Bedeutung auf anderen Aktivitäten als der Plattformaktivität beruht (vgl. BT-Drucks. 19/23492, S. 74). Dementsprechend wird auch bei den anderen in § 19a Abs. 1 Satz 2 GWB genannten Kriterien - wie beispielsweise der Finanzkraft - nicht darauf abgestellt, ob diese aus der Plattformaktivität resultieren, sondern vielmehr das Unternehmen in seiner Gesamtheit betrachtet. Dessen volles Potential und die damit möglicherweise verbundenen (abstrakten) Gefahren für den Wettbewerb, die § 19a GWB adressiert, können aber nur erfasst werden, wenn auch eine auf anderen Märkten als digitalen Plattformen bestehende Regelsetzungsmacht gegenüber Dritten Berücksichtigung findet, wie zum Beispiel auf Märkten für analoge Produkte.

102(4)    Soweit die Beschwerdeführerinnen meinen, § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB setze voraus, dass dritte Unternehmen auf den Zugang zu den Nutzern des Ökosystems angewiesen seien, steht dem bereits der Wortlaut der Vorschrift entgegen, wonach es allein auf die "Bedeutung" des Zugangs ankommt.

103bb)    Nach diesen Maßstäben hat das Bundeskartellamt zutreffend angenommen, die Tätigkeit Apples habe erhebliche Bedeutung für den Zugang Dritter zu Beschaffungs- und Absatzmärkten und erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter, nämlich für App-Herausgeber, für Gerätehersteller, für Inhalte-Anbieter und Werbedienstleister sowie für Mobilfunkunternehmen.

104(1)    Die Gruppe der App-Herausgeber ist sehr heterogen und auf einer Vielzahl von Märkten tätig. Zu ihnen zählen Unternehmen, die über das Internet physische Güter oder Dienstleistungen anbieten, wie zum Beispiel Modehändler oder Fahrdienste, Produzenten digitaler Güter wie Spiele-Apps oder Anbieter digitaler Dienstleistungen wie Cloud-Speicherdienste und Unternehmen, die andere Vertriebskanäle durch Apps auf mobilen Endgeräten unterstützen (etwa Informations- und Interaktionsangebote von Banken und Versicherungen). Da mobile Endgeräte für viele Unternehmen als Vertriebskanal von immer größerer Bedeutung sind, werden diese oftmals über die Entwicklung und Veröffentlichung von Apps für mobile Endgeräte als App-Herausgeber tätig. Bei der vom Bundeskartellamt durchgeführten Befragung von App-Herausgebern für mobile Geräte von Apple gaben 70 % der Teilnehmer an, dass die Bedeutung der App Stores von Google und Apple als Vertriebskanäle seit 2017 für ihr Unternehmen eher zugenommen oder stark zugenommen habe. Die befragten Unternehmen, die digitale Güter und Dienstleistungen über Apps auf Smartphones verkaufen, erklärten, dass sie 2020 weltweit im ungewichteten Durchschnitt etwa 50 % ihrer gesamten Erlöse über Apps erzielten.

105Die hohe wirtschaftliche Bedeutung von Apple App Stores als Absatzmärkte für App-Herausgeber zeigt sich an der Höhe der Umsätze, die diese - absolut und im Vergleich zu anderen App Stores - über Apps auf mobilen Apple-Geräten realisieren. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Bundeskartellamts generierten Anbieter physischer Güter und Dienstleistungen über die in Apples App Stores heruntergeladenen Apps 2020 weltweit Umsätze von rund 500 Mrd. USD; der in Apple App Stores mit digitalen Gütern und Diensten weltweit generierte Umsatz ist von etwa 28,6 Mrd. USD 2016 auf rund 85 Mrd. USD gestiegen. Nach Angaben der vom Bundeskartellamt befragten Unternehmen aus dem Bereich der digitalen Güter und Dienstleistungen entfiel von den 2020 weltweit über Apps erzielten Erlösen ein Anteil von 61 % auf Apps aus einem App Store von Apple. Mit In-App Werbung auf iPhones und iPads wurden 2020 weltweit Umsätze von etwa 46 Mrd. USD erzielt. Daraus folgt unmittelbar die Bedeutung Apples für den Zugang der App-Herausgeber zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie der damit verbundene Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit. Über seine App Stores kann Apple die Veröffentlichung von Apps auf seinen Geräten ermöglichen, verhindern und auf andere Weise kontrollieren und damit die Geschäftstätigkeit von App-Herausgebern beeinflussen. Als Betreiber des App Stores kann Apple einseitig Provisionen festlegen sowie Vertragsbedingungen für die Veröffentlichung im App Store vorgeben und durchsetzen. Die Vertragsbedingungen, zu denen die Lizenzvereinbarung des Apple Developer Program und verschiedene Guidelines gehören, enthalten Auflagen für den Zugang zum App Store, Vorgaben zu den Funktionalitäten von Apps und die an Apple zu leistenden Entgelte. Vor der Veröffentlichung einer App sowie vor jeder Veröffentlichung eines Updates einer App muss die App beziehungsweise das Update Apple zur Prüfung vorgelegt und von Apple genehmigt werden.

106Über die Ausgestaltung des App Stores kann das Unternehmen zudem Einfluss auf die Sichtbarkeit und damit den Erfolg von Apps nehmen. So kann Apple die Funktionsweise der Algorithmen gestalten und verändern, mit der Suchergebnisse im App Store angezeigt werden. Weiterer Einfluss kann durch angezeigte Suchvorschläge bei Eingabe von Suchwörtern genommen werden. Ob diese Vorgaben - wie die Beschwerdeführerinnen geltend machen - notwendig und marktüblich sind, ist für die allein das Potential des Unternehmens beurteilende Feststellung nach § 19a Abs. 1 GWB unbeachtlich. Apple stellt zudem den App-Herstellern etwa 150.000 technische Schnittstellen auf seinen Geräten bereit, die für bestimmte Funktionen von Apps notwendig sind, und verfügt somit auch insoweit über erhebliche Regelsetzungsmacht. Durch die Kontrolle über seine Hardware sowie die proprietären Betriebssysteme hat Apple die Möglichkeit festzulegen, in welchem Umfang App-Herausgeber auf Hardware-Komponenten sowie Funktionen und Daten der Betriebssysteme zugreifen können, wobei Apple nicht alle verfügbaren Schnittstellen zur Verfügung stellt.

107Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen stellen über einen Internetbrowser zugängliche Web-Apps keine Ausweichmöglichkeit dar, die geeignet wäre, die Bedeutung des App Stores als digitale Plattform in Frage zu stellen. Für die kartellrechtliche Beurteilung ist dabei unerheblich, ob und in welchem Umfang Web-Apps technisch geeignet sind, die Funktionen nativer Apps zu übernehmen. In erster Linie maßgeblich sind vielmehr der tatsächliche Einsatz und die daraus abzuleitende Akzeptanz von Web-Apps. Insoweit hat die vom Bundeskartellamt durchgeführte Befragung der App-Herausgeber ergeben, dass Web-Apps weit überwiegend - von mindestens 75 % der Befragten - nicht als geeignete Alternative zu nativen Apps angesehen werden. Dieser Befund steht in Einklang mit den Feststellungen des Bundeskartellamts, dass Smartphone-Nutzer 2021 weltweit schätzungsweise 92,5 % ihrer Bildschirmzeit innerhalb von Apps verbrachten. Er stimmt auch überein mit der bereits erheblichen und stetig wachsenden Bedeutung von Apps und der Feststellung, dass die Nutzer mobiler Endgeräte mehr als zehnmal so viel Zeit innerhalb von Apps wie in Webbrowsern verbringen (vgl. oben Rn. 41), und ist daher plausibel. Die von den Beschwerdeführerinnen gegen die vom Bundeskartellamt durchgeführte Befragung erhobenen methodischen Einwendungen stellen diesen Befund nicht in Frage (vgl. unten Rn. 167 bis 170).

108(2)    Große Bedeutung hat Apple ferner für den Zugang von über das Internet tätigen Inhalte-Anbietern, beispielsweise Medienverlagen, zu Kunden auf mobilen Endgeräten. Gleiches gilt für Werbetreibende, die bei App-Herausgebern und Inhalte-Anbietern Werbung schalten, sowie für Werbedienstleister, die im Auftrag von Werbetreibenden und Inhalte-Anbietern bei der Bereitstellung, Erfolgsmessung und Kontrolle digitaler Werbung tätig sind. Dies beruht auf dem Umstand, dass digitaler Werbung gegenüber anderen Werbeformen eine herausragende Bedeutung zukommt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Beschlussabteilung wurden Schätzungen zufolge 2022 rund 62 % aller Werbeausgaben für Werbung über das Internet ausgegeben. Im Jahr 2020 haben Werbetreibende weltweit rund 46 Mrd. USD für In-App Werbung auf mobilen Apple-Geräten bezahlt. Dabei beruht der Erfolg digitaler Werbung nicht nur auf dem hohen Verbreitungsgrad von Smartphones, Tablets und Computern, sondern auch auf der Möglichkeit, Werbung zielgerichtet an die relevanten Kundengruppen auszuspielen. Der Zugang zu Apple-Geräten ist zudem für Anbieter von suchgebundener Werbung (insbesondere Suchmaschinen) von Bedeutung. Ihr Interesse besteht speziell an der Zuleitung von Apple-Nutzern auf ihre Suchmaschine, insbesondere durch eine Voreinstellung als Standard- oder alternative Suchmaschine. Wie das Bundeskartellamt festgestellt und die Beschwerdeführerinnen nicht in Abrede gestellt haben, schätzen Marktanalysten, dass Google für die Voreinstellung seiner Suchmaschine auf Apple-Geräten im Jahr 2021 etwa 15 Mrd. USD an Apple gezahlt hat.

109Aus dem großen wirtschaftlichen Interesse der Inhalte-Anbieter, Werbetreibende und Werbedienstleister sowie der Anbieter suchgebundener Werbung an einem Zugang zu Apple-Gerätenutzern folgt eine erhebliche Bedeutung Apples für deren Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie Apples Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit. Apple kann auf seinen Geräten den Zugang zu Nutzerdaten für Werbezwecke gestalten sowie über das Betriebssystem den Zugriff von Unternehmen auf Nutzerdaten technisch einschränken und die Entscheidung über diesen Zugriff auf die Nutzer übertragen. Der Zugang zu Nutzerdaten ist insbesondere für personalisierte Werbung von Bedeutung. Nach den - von den Beschwerdeführerinnen bestätigten - Feststellungen des Bundeskartellamts wird der von Apple bereitgestellte Identifier for Advertisers (IDFA) von App-Herausgebern, Inhalte-Anbietern, Werbetreibenden und Werbevermittlern genutzt, um die Daten eines Nutzers aus verschiedenen Apps und weiteren Quellen einem bestimmten Gerät zuordnen und anschließend kombinieren zu können. Lehnt der Gerätenutzer für eine bestimmte App ein Tracking über Apples Identifier ab, stellen Apple-Geräte den App-Herausgebern keine nutzbare Identifizierung zur Verfügung und App-Herausgeber dürfen keine eigenen technischen Maßnahmen ergreifen, um Geräte für Werbezwecke zu identifizieren.

110(3)    Apple ist ferner von großer Bedeutung für den Zugang von Unternehmen zu den Kunden, die deren Produkte in Verbindung mit Apple-eigenen Geräten nutzen. Apple-Geräte können mit zahlreichen Geräten anderer Unternehmen genutzt werden, wie etwa Kopfhörern, Smartwatches, Fitnesstrackern, Lautsprechern mit Sprachsteuerung, Fernsehern und Stereoanlagen, Kraftfahrzeugen, Smart Home-Geräte und Lokalisierungs- sowie Ortungsgeräten. Für die Hersteller steigt die Bedeutung von Apple für den Absatz dieser Produkte in dem Maß an, wie Nutzer von Apple-Geräten dafür (potentielle) Nachfrager sind. Ob eine solche Nachfrage besteht, hängt - wie auch die Mehrheit der vom Bundeskartellamt befragten Hardware-Hersteller angegeben hat - maßgeblich von der Interoperabilität zwischen diesen externen Geräten und den Apple-Geräten ab. Für die Herstellung der Kompatibilität ihrer Produkte mit Apples Produkten benötigen Hardware- und andere Geräte-Hersteller ebenso wie App-Herausgeber einen Zugriff auf die technischen Schnittstellen in Apple-Geräten. Aufgrund der umfassenden Herrschaft Apples über diese technischen Schnittstellen kann das Unternehmen die Fähigkeit der Hardware-Hersteller, ihren aktuellen und potentiellen Kunden ein attraktives Produkt anzubieten, beeinflussen. Apple hat damit erhebliche Bedeutung für den Zugang der Hardware-Hersteller zu Beschaffungs- und Absatzmärkten.

111(4)    Auch auf den Kundenzugang von Mobilfunkanbietern kann Apple in erheblichem Maß Einfluss nehmen. Ohne Apples Mitwirkung können diese ihre Dienstleistungen und Produkte allenfalls stark eingeschränkt an die hohe Zahl von etwa einer Milliarde iPhone-Nutzern weltweit erbringen. Mobilfunkanbieter sind für den Absatz ihrer Mobilfunkdienste an Privat- und Endkunden darauf angewiesen, dass sie ihren Kunden auf den relevanten Geräten (Smartphone und Tablet) eine störungsfreie und vollständige Funktionalität bieten können. Apple kontrolliert, wie seine Geräte zur Nutzung von Mobilfunkdiensten konfiguriert werden und welche Mobilfunkdienste auf diesen für einen Mobilfunkanbieter aktiviert werden. Zwar können grundlegende Funktionen wie mobiles Internet, MMS und Tethering (für mobile Hotspots) über die auf der SIM-Karte enthaltenen Informationen konfiguriert und genutzt werden. Nach den von den Beschwerdeführerinnen in der Sache nicht bestrittenen Feststellungen des Bundeskartellamts ist dies bei zahlreichen darüber hinaus gehenden Netzwerkkonfigurationen, die für die Verwendung anderer Mobilfunkdienste (etwa Voice over LTE, Voice over Wifi und Voice over New Radio) notwendig sind, hingegen nicht möglich. Soweit Apple die Netzwerkkonfigurationen des jeweiligen Mobilfunkanbieters in seinem Betriebssystem hinterlegt hat, kann Apple darauf zugreifen und das Gerät automatisch konfigurieren. Apple hinterlegt diese Netzwerkkonfigurationen auf seinen Geräten und Servern über sogenannte "Carrier Bundles". Damit besteht für Apple die Möglichkeit festzulegen, wie Mobilfunkanbieter ihre Netzwerkkonfigurationen auf Apple-Geräten hinterlegen können. Zudem kann Apple über das Betriebssystem entscheiden, welche Mobilfunk-Funktionalitäten, die ein Mobilfunkanbieter seinen Kunden anbieten will, auf Apple-Geräten genutzt werden können. Endkunden, für deren Mobilfunkanbieter Apple kein Carrier Bundle vorhält, können einzelne Funktionen daher allenfalls nach individueller Konfiguration des Endnutzers oder Mobilfunkanbieters und damit nur eingeschränkt oder gar nicht nutzen.

112In den Blick zu nehmen ist schließlich, dass Mobilfunkunternehmen über Bündelangebote beim Abschluss neuer Verträge sowie bei der Verlängerung bestehender Verträge Smartphones mit absetzen. Nach den - von den Beschwerdeführerinnen in der Sache nicht angegriffenen (vgl. unten Rn. 172) - Feststellungen des Bundeskartellamts wurden in Deutschland in den ersten drei Quartalen 2021 etwa [35-40] % aller Smartphone-Mobilfunkverträge über Bündelangebote vermarktet, bei Geschäftskunden [45-50] %. Apple kann damit - außerhalb seiner Plattformtätigkeiten - auch durch die Entscheidung, ob es Mobilfunkanbieter direkt mit iPhones beliefert, beeinflussen, ob diese in der Lage sind, ihren Kunden entsprechende Bündelangebote zu unterbreiten, und hat auch insofern Bedeutung für den Zugang der Mobilfunkanbieter zu deren Beschaffungs- und Absatzmärkten.

113f)    Nach den vom Bundeskartellamt getroffenen Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass Apple auf dem - räumlich wohl maßgeblichen - deutschen Markt für Smartphones und dem für Tablets eine marktbeherrschende Stellung hat und damit auch das in § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GWB genannte Kriterium erfüllt ist.

114aa)    Das Kriterium des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GWB nimmt allein die (klassische) Marktbeherrschung des Unternehmens gemäß § 18 GWB auf einem oder mehreren Märkten in den Blick. Entgegen der Ansicht des Bundeskartellamts werden damit nicht auch starke Markt- sowie Machtpositionen des betroffenen Unternehmens berücksichtigt. Das folgt nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut der Norm ("seine marktbeherrschende Stellung auf einem oder mehreren Märkten"), sondern entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Dieser ist, wie sich insbesondere aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (BT-Drucks. 19/25868, S. 113) ergibt, davon ausgegangen, dass ein Adressat des § 19a GWB in der Regel auf einem oder mehreren Märkten über eine marktbeherrschende Stellung verfügen wird. Dem Umstand, dass in stark innovationsgetriebenen (digitalen) Märkten Schwierigkeiten bei der Marktabgrenzung bestehen und sich diese daher als Grundlage marktstruktureller Vermutungsregeln nicht mehr eigne, hat er dadurch Rechnung getragen, dass das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung ausdrücklich nicht Voraussetzung für die Anwendung der Regelung des § 19a GWB sein sollte. Gleichwohl hat er ihr - für den Fall ihres Bestehens - insofern Bedeutung beigemessen, als sie einen Aspekt für die wettbewerbliche Analyse darstellt.

115bb)    Apple könnte auf dem deutschen Markt für Smartphones eine marktbeherrschende Stellung haben. Marktbeherrschend ist ein Unternehmen, wenn es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist, keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (§ 18 Abs. 1 GWB).

116(1)    Zu Recht hat das Bundeskartellamt im Ausgangspunkt angenommen, dass bei der sachlichen Marktabgrenzung auf einen eigenständigen Produktmarkt für Smartphones unter Ausschluss von Tabletcomputern und anderer sogenannter Smart Mobile Devices abzustellen ist. Es konnte auch im Ergebnis offenlassen, ob aufgrund der Vorinstallation von iOS und Apple App Store auf iPhones von einem integrierten Produkt unter Einschluss von Betriebssystem und App Store auszugehen ist oder von der reinen Hardware. Denn für die Feststellung der Marktanteile und die Prüfung der Marktbeherrschung spielt dies keine Rolle, da auch die mit Apple konkurrierenden Smartphone-Hersteller, insbesondere Samsung, ihre Geräte mit einem - wenngleich nicht proprietären - vorinstallierten Betriebssystem und App Store vermarkten. Aus der nach dem Bedarfsmarktkonzept (vgl. dazu nur BGH, Beschlüsse vom - KVR 12/06, BGHZ 170, 299 Rn. 19 - National Geographic II; vom - KVR 60/07, BGHZ 178, 285 Rn. 15 bis 17 - E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGHZ 240, 227 Rn. 114 - Amazon, jew. mwN) maßgeblichen Sicht der Gerätekunden handelt es sich bei den von Apple vertriebenen iPhones und den Smartphones anderer Hersteller um austauschbare Produkte, und zwar unabhängig davon, ob das jeweilige mobile Betriebssystem und die digitale Handelsplattform für Softwareanwendungen Teil des (integrierten) Produkts "Smartphone" oder einem Sekundärmarkt zuzurechnen sind. Demgegenüber stellen Smartphones und Tablets, wie das Bundeskartellamt zutreffend ausgeführt hat und auch die Beschwerdeführerinnen nicht in Frage stellen, aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionalitäten aus Kundensicht keine austauschbaren Produkte dar. Das belegen auch die Feststellungen des Bundeskartellamts und der insoweit übereinstimmende Vortrag der Beschwerdeführerinnen, wonach viele Apple-Kunden mehrere Hardware-Geräte besitzen, insbesondere sowohl ein iPhone als auch ein iPad. Auf die Frage, ob das jeweilige Produkt Betriebssystem und App Store mit umfasst, kommt es auch bei dieser Marktabgrenzung nicht an.

117(2)    Entgegen der Ansicht des Bundeskartellamts dürfte in räumlicher Hinsicht allerdings auf den deutschen Markt für Smartphones abzustellen sein.

118(a)    Der räumlich relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die betreffenden Produkte oder Dienstleistungen regelmäßig angeboten und nachgefragt werden, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (, BGHZ 175, 333 Rn. 69 - Kreiskrankenhaus Bad Neustadt; BGHZ 240, 227-290 Rn. 133 - Amazon; Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 18 GWB Rn. 58; Töllner in Bunte, Kartellrecht, 14. Aufl., § 18 GWB Rn. 52). Die räumliche Marktabgrenzung bestimmt sich dabei nach den Ausweichmöglichkeiten, die für die Marktgegenseite - hier die (potentiellen) Käufer von Smartphones - bestehen, wobei maßgeblich auf die tatsächlichen Marktverhältnisse abzustellen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - KVR 13/05, WuW 2006, 780 Rn. 16 - Stadtwerke Dachau; vom - KVR 69/19, BGHZ 226, 67 Rn. 34 - Facebook I; s. auch Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 18 GWB Rn. 58 mwN). Diese können aus wirtschaftlichen, technischen oder sonstigen tatsächlichen Gegebenheiten resultieren, wobei die Verbrauchergewohnheiten zu berücksichtigen sind (vgl. für Teilmärkte: , BGHZ 156, 379, [juris Rn. 23] - Strom und Telefon I). Auch die Europäische Kommission geht bei der Fusionskontrolle für die Abgrenzung räumlich relevanter Märkte in der Regel vom Kaufverhalten und den Präferenzen der Kunden der relevanten Produkte aus und prüft anschließend, ob die Wettbewerbsbedingungen auf dem gesamten Kandidatenmarkt hinreichend homogen sind (Bekanntmachung der Kommission über die Abgrenzung des relevanten Marktes im Sinn des Wettbewerbsrechts der Union vom - C/2024/1645, Rn. 62).

119(b)    Danach dürfte der Markt hier eher national abzugrenzen sein. Das Bundeskartellamt ist von einem maßgeblichen europäischen Markt ausgegangen, der neben dem Europäischen Wirtschaftsraum auch die Schweiz und Großbritannien umfasst, ohne konkrete Feststellungen zum Kundenverhalten und zur Homogenität der Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt für Smartphones zu treffen. Demgegenüber misst der Senat dem Umstand Bedeutung bei, dass in Deutschland zahlreiche Smartphone-Kunden ihre Geräte als Bündel mit einem Mobilfunkvertrag oder dessen Verlängerung erwerben - das Bundeskartellamt geht im angefochtenen Beschluss von über einem Drittel solcher Bündelverträge aus -, und berücksichtigt, dass im (nationalen) stationären Elektrogerätehandel zahlreiche verschiedene Geräte aller relevanten Hersteller nebst entsprechender persönlicher Beratung angeboten werden. Auch im Onlinehandel liegt es nahe, dass Kunden nationale Anbieter bevorzugen, da sie im Fall von Leistungsstörungen ihre Rechte leichter durchsetzen können und keine sprachlichen Barrieren bestehen (vgl. dazu BGHZ 240, 227 Rn. 134 - Amazon). In Betracht käme im Übrigen allenfalls eine EWR-weite Marktabgrenzung; der vom Bundeskartellamt vorgenommenen Einbeziehung von Großbritannien und der Schweiz in den maßgeblichen räumlichen Markt dürfte bereits entgegenstehen, dass es an Feststellungen zum Verbraucherverhalten und zur Homogenität des Marktes fehlt.

120(3)    Angesichts seiner erheblichen Marktanteile ist nicht ausgeschlossen, dass Apple den deutschen Smartphone-Markt beherrscht.

121(a)    Eine marktbeherrschende Stellung ergibt sich aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssen; vielmehr hat die Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller gegebenen Umstände zu erfolgen (vgl. , NJW 1978, 2439, 2440 - United Brands/Kommission; , BGHZ 225, 269 Rn. 57- FRAND-Einwand I; BGHZ 226, 67 Rn. 37 - Facebook I). Für die Feststellung, ob ein Unternehmen eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB), sind insbesondere sein Marktanteil, seine Finanzkraft, sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten und zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb durch Unternehmen, die innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässig sind, die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen, zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 3 GWB). Hat ein Unternehmen einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent, so wird vermutet, dass es marktbeherrschend ist (§ 18 Abs. 4 GWB), wobei diese Vermutung durch gegenläufige Anhaltspunkte widerlegt werden kann und das Bundeskartellamt in seiner Praxis davon ausgeht, dass die Vermutung nur im Fall eines non-liquet eingreift, also wenn sich trotz Durchführung der erforderlichen Ermittlungen weder nachweisen lässt, dass Marktbeherrschung vorliegt, noch dass dies nicht der Fall ist (Bundeskartellamt, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, 2012, Rn. 26).

122(b)    Apple verfügt über einen hohen Anteil am deutschen Smartphone-Markt, der bei Zugrundelegung der umsatzbasierten Marktanteile die Vermutungsgrenze des § 18 Abs. 4 GWB für die Einzelmarktbeherrschung übersteigt.

123(aa)    Ausgangspunkt für die Feststellung, ob Apple auf dem deutschen Smartphone-Markt eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, sind - wie auch das Bundeskartellamt zutreffend angenommen hat - die umsatzbezogenen Marktanteile. Der Bundesgerichtshof hat mehrfach entschieden, dass bei heterogenen Produkten und Produktausführungen, wie es angesichts der erheblichen Preis- und Funktionsunterschiede bei den angebotenen Modellen auch Smartphones sind, die wirtschaftliche Bedeutung eines Unternehmens auf dem relevanten Markt anhand der erzielten Erlöse besser eingeschätzt werden kann als durch Mengenumsätze (BGH, Beschlüsse vom - KVR 3/84, [juris Rn. 36] - Edelstahlbestecke; vom - KVR 14/91, BGHZ 119, 117 [juris Rn. 29] - Warenzeichenerwerb; Bundeskartellamt, Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, 2012, Rn. 28). Dem folgt ganz überwiegend das Schrifttum (vgl. Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 18 GWB Rn. 118; Wolf in MüKo Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 18 GWB Rn. 31; Töllner in Bunte, Kartellrecht, 14. Aufl. § 18 GWB Rn. 103, jeweils mwN). Auch die Europäische Kommission betrachtet bei erheblich differenzierten Produkten in der Regel die Verkaufswerte als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Marktanteile, weist aber zugleich darauf hin, dass sowohl der Wert als auch die Menge der Verkäufe nützliche Informationen für die Bestimmung der Marktanteile liefern kann (Bekanntmachung vom - C/2024/1645, Rn. 107, 111).

124(bb)    Bezogen auf die umsatzbezogenen Anteile hat Apple auf dem deutschen Markt in den Jahren 2018 bis 2020 die Vermutungsschwelle für die Einzelmarktbeherrschung gemäß § 18 Abs. 4 GWB überschritten. Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts lag der auf Apple-Geräte entfallende umsatzbezogene Anteil an den in Deutschland verkauften Smartphones 2018 bei [40-45] % und in den Jahren 2019 und 2020 jeweils bei [45-50] %. Soweit nach den Feststellungen des Bundeskartellamts Apples umsatzbezogener Anteil in den ersten drei Quartalen 2021 bei [55-60] % lag, wenden die Beschwerdeführerinnen ein, Apple habe bei der Befragung die Umsatzzahlen der ersten drei Quartale seines im Oktober 2020 begonnenen Geschäftsjahrs 2021 angegeben, die die besonders umsatzstarken Monate Oktober bis Dezember umfassten, was bei den anderen Smartphone-Herstellern nicht der Fall sei. Selbst wenn man mit den Beschwerdeführerinnen auf dieser Grundlage davon ausgeht, dass die für Apple ermittelten Werte überhöht sind, besteht jedoch kein Zweifel daran, dass sich der umsatzbezogene Marktanteil Apples 2021 in der Größenordnung der Vorjahre bewegte.

125(c)    Für eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung und damit eine Beherrschung des deutschen Smartphone-Marktes durch Apple spricht ferner neben der bereits dargelegten enormen Finanzkraft und Ressourcenstärke sowie dem tiefen und breiten Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, wie das Bundeskartellamt zu Recht angeführt hat, die relativ geringe Wechselquote von iPhone-Nutzern zu Android-basierten Smartphones. Nach den vom Bundeskartellamt in Bezug genommenen Erhebungen des Marktforschungsinstituts Kantar sind in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 rund 6,5 % der Kunden, die Samsung in Deutschland hinzugewonnen hat, von Apple zu Samsung gewechselt, was in etwa den Wechselquoten der drei Vorjahre entspricht, während Wechsel zwischen Smartphone-Herstellern, die ihre Geräte jeweils mit Android ausstatten, häufiger zu verzeichnen sind. Bedeutung für die Bemessung der Marktmacht Apples (auch) auf dem deutschen Smartphone-Markt kommt desweiteren dem Umstand zu, dass die Anteile Apples an den Absatzmengen über mehrere Jahre von 2018 bis 2021 nicht gesunken sind, obwohl iPhones im Vergleich zu den Smartphones anderer Hersteller im Durchschnitt deutlich hochpreisiger sind und der Preisabstand zu den Geräten der Konkurrenz seit mehreren Jahren wächst. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts im angefochtenen Beschluss ist ein iPhone im Durchschnitt mehr als doppelt so teuer wie alle anderen Smartphones, und die jährlichen Steigerungsraten des Preisabstandes zwischen 2017 und 2021 betrugen durchschnittlich 9,5 %. Dies sowie der - durch die eigenen Angaben von Apple, wonach die Bruttomarge für seine gesamte Hardwaresparte bei 35,3 % liegt, indizierte - Umstand, dass mit den hohen Gerätepreisen für iPhones hohe Gewinnmargen für Apple einhergehen, spricht dafür, dass von anderen Smartphone-Herstellern, die Android verwenden, auf die Produkt- und Preispolitik sowie die Marktposition von Apple ein eher geringer Wettbewerbsdruck ausgeht.

126(d)    Es liegen jedoch auch Anhaltspunkte vor, die das Gewicht der genannten Marktanteile relativieren. So besteht zwischen den Umsatzzahlen von Apple und denen von Samsung, dem wichtigsten Wettbewerber von Apple auf dem deutschen Smartphone-Markt, kein großer Abstand. Auf Samsung entfielen in den Jahren 2018 bis 2020 jeweils [35-40] %, in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 [20-25] % der mit dem Verkauf von Smartphones in Deutschland erzielten Umsätze. Dies ist insofern von Bedeutung, als nach allgemeiner Ansicht - sofern kein Oligopol nach § 18 Abs. 5 GWB vorliegt, was im Verhältnis zwischen Apple und Samsung weder vom Bundeskartellamt noch von den Beschwerdeführerinnen selbst angenommen wird und aufgrund des zwischen den Unternehmen bestehenden Wettbewerbs auch nicht in Betracht kommen dürfte - für die Bewertung der Marktstärke eines Unternehmens neben der absoluten Größe seines Marktanteils dessen relative Größe von Gewicht ist. Je größer der Abstand zu den Konkurrenten und je zersplitterter das übrige Angebot, desto geringer kann die absolute Höhe des Marktanteils eines marktbeherrschenden Unternehmens sein und umgekehrt (Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 18 GWB Rn. 121; s. auch , BGHZ 68, 23 [juris Rn 35] - Valium I; [juris Rn. 40] - Edelstahlbestecke). Zu dem geringen Abstand zwischen den Umsatzzahlen von Apple und Samsung tritt hinzu, dass Samsung bei den - für die Bestimmung und das Gewicht der Marktanteile ebenfalls bedeutsamen (vgl. oben Rn. 123) - Absatzzahlen auf dem deutschen Smartphone-Markt deutlich vor Apple liegt. So betrug Apples Marktanteil nach Stückzahlen in Deutschland 2018 und 2020 jeweils [25-30] %, 2019 [20-25] % und in den ersten drei Quartalen 2021 [30-35] %, Samsungs absatzbezogene Anteile lagen demgegenüber 2018 bei [45-50] %, 2019 bei [40-45] % und 2020 sowie in den ersten drei Quartalen 2021 jeweils bei [35-40] %.

127(e)    Bei der Gesamtbetrachtung aller für und gegen eine marktbeherrschende Stellung von Apple auf dem deutschen Smartphone-Markt sprechenden Umstände ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass auf dem weltweiten und damit auch dem deutschen Smartphone-Markt ein intensiver innovationsgetriebener Wettbewerb herrscht, worauf die Beschwerdeführerinnen zu Recht hinweisen. Die vorgenannten Wechselquoten zwischen iPhones und Android-basierten Smartphones anderer Hersteller können daher auch darauf hindeuten, dass Apple und Samsung als die beiden dominanten Marktteilnehmer dem vom jeweils anderen Unternehmen ausgehenden Wettbewerbsdruck standhalten und ihre jeweiligen Kunden zufriedenstellen, zumal das Bundeskartellamt bei Apple von einer besonderen Markenbindung der Nutzer ausgeht. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Markt für Smartphones zwar - was auch die Beschwerdeführerinnen nicht in Abrede stellen - hochkonzentriert ist, gleichwohl aber die Marktzutrittsschranken für neue Wettbewerber nicht besonders hoch sind. Darauf deutet beispielsweise der Markteintritt des Herstellers Xiaomi hin, der seit 2019 auf dem deutschen Smartphone-Markt tätig ist und bereits in den ersten drei Quartalen 2021 einen umsatzbasierten Marktanteil von [5-10] % erreicht hat; bezogen auf die Absatzzahlen betrug der Anteil von Xiaomi im selben Zeitraum sogar [10-15] %. Xiaomi ist damit binnen zweier Jahre der größte Wettbewerber nach Apple und Samsung auf dem deutschen Smartphone-Markt geworden.

128(f)    Insgesamt kann danach auf Grundlage der vom Bundeskartellamt getroffenen Feststellungen insbesondere wegen der großen Marktstärke von Samsung, einem ebenfalls äußerst finanzkräftigen Unternehmen, das im Ermittlungszeitraum in Deutschland deutlich höhere Stückzahlen an Smartphones abgesetzt hat als Apple, nicht mit Gewissheit davon ausgegangen werden, dass Apple eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung auf dem deutschen Markt für Smartphones hat. Da das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung Apples für die Feststellung nach § 19a Abs. 1 GWB indes keine zwingende Voraussetzung ist (vgl. unten Rn. 138), bedarf es insoweit keiner abschließenden Entscheidung, sodass auch weitere Ermittlungen zu den Marktverhältnissen auf dem deutschen Smartphone-Markt nicht erforderlich sind.

129cc)    Auf dem Produktmarkt für Tablets ist eine marktbeherrschende Stellung von Apple in Deutschland ebenfalls nicht ausgeschlossen. Das dürfte auch dann gelten, wenn zu diesem Produktmarkt sogenannte 2-in-1-Convertibles gerechnet werden.

130(1)    Das Bundeskartellamt hat Tablets im angefochtenen Beschluss als kleine, dünne, leichte Computer mit einem Touchscreen definiert, die in der Regel über Kameras, Mikrofon und Lautsprecher sowie eine virtuelle oder mechanische (ergänzbare bzw. abnehmbare, selten auch fest verbaute) Tastatur verfügen und bei denen über vorinstallierte Programme und heruntergeladene Apps Dienste und Funktionen zur Verfügung gestellt werden, wobei sie im Gegensatz zu Smartphones häufig ohne Mobilfunkchip ausgeliefert und vorwiegend immobil zur Mediennutzung verwendet werden. Diese Produktmarktdefinition stellen die Beschwerdeführerinnen im Grundsatz nicht in Frage. Sie beanstanden lediglich, dass das Bundeskartellamt sogenannte 2-in-1-Convertibles - mobile Computer, die häufig einen berührungsempfindlichen Bildschirm aufweisen, jedoch wegen kleinerer Symbole und Schaltflächen für die Steuerung mittels Maus optimiert sind und bei denen Betriebssystem und Anwendungen aus dem PC-Bereich stammen - nicht zu dieser Produktgruppe gezählt und bei der Ermittlung der Umsatz- und Absatzzahlen unberücksichtigt gelassen hat, was zu einer erheblichen Überschätzung der Marktanteile Apples geführt habe.

131(2)    Für die räumliche Marktabgrenzung gilt im Wesentlichen das oben (Rn. 119) zu Smartphones Gesagte, auch wenn Tablets in der Regel nicht als Bündel mit einem Mobilfunkvertrag erworben werden dürften. Auch die Produktgruppe der Tablets wird im (nationalen) stationären Elektrogerätehandel und im Onlinehandel angeboten, sodass hier dieselben Überlegungen greifen wie bei den Smartphones. Dem Marktzuschnitt, den das Bundeskartellamt seiner Betrachtung zugrunde gelegt hat - Europäischer Wirtschaftsraum sowie Schweiz und Großbritannien - steht auch bei den Tablets entgegen, dass es an Feststellungen zum Verbraucherverhalten und zur Homogenität des Marktes fehlt.

132(3)    Da Apple auf dem deutschen Markt für Tablets über ganz erhebliche Marktanteile verfügt, hat das Unternehmen möglicherweise (auch) auf diesem Markt eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung, sodass es diesen beherrschen könnte (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB).

133(a)    Auch bei Tablets als ebenfalls heterogenen Produkten sind für die Marktanteilsberechnung in erster Linie die erzielten Umsätze, nicht die abgesetzten Stückzahlen maßgeblich. Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts betragen Apples umsatzbezogene Marktanteile auf dem deutschen Tablet-Markt seit Jahren konstant über 50 % mit deutlich steigender Tendenz, nämlich 2018 [50-55] %, 2019 [65-70] %, 2020 [60-65] % und in den ersten drei Quartalen 2021 [75-80] %. Legt man die von den Beschwerdeführerinnen bevorzugte Produktmarktabgrenzung von Tablets unter Einschluss von 2-in-1-Convertibles und die in dem von ihnen eingereichten Privatgutachten                               für die Absatzzahlen in Europa angegebenen Verhältnisse zugrunde, so würden sich diese Marktanteile im Jahr 2018 um bis zu [20-25] %, in 2019 um bis zu [15-20] %, in 2020 um bis zu [10-15] % und 2021 um bis zu [10-15] % reduzieren. Danach würden die umsatzbezogen auf Apple entfallenden Marktanteile 2018 mindestens [35-40] %, 2019 mindestens [50-55] %, 2020 mindestens [50-55] % und in den ersten drei Quartalen 2021 mindestens [60-65] % betragen und somit jedenfalls seit 2019 die Vermutungsschwelle des § 18 Abs. 4 GWB übersteigen. Auf Samsung, das auch bei Tablets der größte Wettbewerber von Apple auf dem deutschen Markt mit wesentlich höheren Umsatzzahlen als der nächstgroße Wettbewerber Lenovo ist, entfielen nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts umsatzbezogen in 2018 [30-35] %, 2019 und 2020 jeweils [20-25] % und in den ersten drei Quartalen 2021 [10-15] %. Diese Zahlen würden bei einer Einberechnung von 2-in-1-Convertibles ebenfalls niedriger ausfallen, sodass davon auszugehen ist, dass Apples Umsatzanteile jedenfalls seit 2019 mehr als doppelt so hoch sind wie die von Samsung.

134(b)    Für eine Marktbeherrschung des deutschen Tablet-Markts durch Apple spricht desweiteren, dass das Unternehmen - anders als auf dem Produktmarkt der Smartphones - auch bei den verkauften Stückzahlen seit 2019 mit deutlichem Abstand vor Samsung liegt, und zwar mit steigender Tendenz. So betrugen Apples absatzbezogene Anteile nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts 2018 [25-30] %, 2019 [35-40] %, 2020 [40-45] % und in den ersten drei Quartalen [60-65] %, während Samsung 2019 [30-35] %, 2020 [25-30] % und in den ersten drei Quartalen 2021 nur noch [20-25] % erreichte. Die weiteren Wettbewerber Amazon und Lenovo erzielten in den Jahren 2018 bis 2021 noch geringere Absatzanteile von jeweils zwischen 5 und 15 %.

135(c)    Insgesamt erscheint es angesichts der erheblichen finanziellen und sonstigen Ressourcen, die Apple zur Verfügung stehen, und der auch bei den Tablets bestehenden ausgeprägten Kundenbindung zu Gunsten von Apple hoch wahrscheinlich, dass Apple den deutschen Markt für Tablets beherrscht.

136dd)    Ob Apple darüber hinaus auf dem (deutschen) Produktmarkt der Smartwatches eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, was aufgrund der vom Bundeskartellamt vorgenommenen sachlichen Marktabgrenzung, insbesondere der Nichtberücksichtigung von Fitnesstrackern zweifelhaft erscheint, bedarf im Ergebnis keiner Entscheidung.

137g)    Im Ergebnis ist das Bundeskartellamt aufgrund der von ihm vorgenommenen Gesamtwürdigung zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass Apple eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt, ohne dass es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf die mögliche marktbeherrschende Stellung von Apple auf dem Smartphone- und dem Tablet-Markt bedürfte.

138aa)    Die Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb setzt nicht voraus, dass dieses auf einem oder mehreren Märkten eine marktbeherrschende Stellung hat. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 19a Abs. 1 Satz 2 GWB, wonach "insbesondere" die dort genannten Kriterien zu berücksichtigen sind. Es entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der weder darauf abstellen wollte, dass die Kriterien alle gleichermaßen erfüllt sind, noch der Reihenfolge ihrer Nennung Bedeutung zumessen wollte (vgl. BT-Drucks. 19/23492, S. 75; BGHZ 240, 227 Rn. 42 - Amazon; ebenso Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 19a GWB Rn. 105; Wolf in MüKo Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 19a GWB Rn. 21; Wagner-von Papp in BeckOK Kartellrecht, 15. Ed., § 19a GWB Rn. 39; vgl. auch Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 18 GWB Rn. 107 bis 112). Der Gesetzgeber hat im Gegenteil bei der Schaffung des § 19a GWB angenommen, dass die Feststellung einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb im Ausgangspunkt gerade etwas anderes als die Marktbeherrschung auf einem Markt oder mehreren Märkten verlangt, wenn er auch unterstellt hat, dass Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung in der Regel auf einem oder mehreren Märkten über eine marktbeherrschende Stellung verfügen werden. Er ist davon ausgegangen, dass in stark innovationsgetriebenen Märkten die Marktabgrenzung nicht mehr notwendige Grundlage marktstruktureller Vermutungsregeln sein kann, sondern lediglich einen Aspekt für die wettbewerbliche Analyse darstellt, und wollte daher vor dem Hintergrund der besonderen Gefährdungspotentiale digitaler Märkte eine marktbeherrschende Stellung nicht zur Voraussetzung für die Anwendung der Regelung machen. Mit dem (bewussten) Verzicht auf das Erfordernis der Beherrschung zumindest eines Marktes sollte die Anwendung der Vorschrift erheblich erleichtert und dem Ziel Rechnung getragen werden, Kartellverfahren insbesondere mit Blick auf digital geprägte Märkte zu beschleunigen (vgl. BT-Drucks. 19/25868, S. 113). Daher ist eine marktstarke Stellung des adressierten Unternehmens auf einem oder mehreren Märkten im Rahmen des § 19a Abs. 1 Satz 2 GWB nicht erst dann zu berücksichtigen, wenn sie die Schwelle zur Marktbeherrschung überschreitet und damit das Kriterium des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GWB erfüllt ist. Sie kann - insbesondere, wenn sie auf einem gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Markt besteht - vielmehr ein eigenständiges gewichtiges Indiz für die überragende marktübergreifende Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb darstellen, das in die Gesamtbetrachtung einfließt.

139bb)    Bei Apple sind, wie dargelegt, jedenfalls vier der fünf in § 19a Abs. 1 Satz 2 GWB aufgeführten Kriterien, die auf eine überragende marktübergreifende Bedeutung des Unternehmens für den Wettbewerb hinweisen, in hohem, teilweise höchstem Maße erfüllt. Apple ist eines der größten, umsatzstärksten und profitabelsten Unternehmen der Welt, dem außerordentliche finanzielle und sonstige Ressourcen zur Verfügung stehen. Ausgehend von seinen hochwertigen und hochpreisigen Hardwaregeräten, vor allem dem iPhone, die weltweit in äußerst hoher Zahl in Gebrauch sind und beständig äußerst hohe Absatzzahlen aufweisen, sowie den dazugehörigen proprietären Betriebssystemen erstreckt Apple seine geschäftlichen Aktivitäten in weitere Geschäftsbereiche. Die Produkte und Dienstleistungen, die Apple den Nutzern seiner Geräte anbietet, sind in hohem Maße vertikal integriert und untereinander auf das Engste miteinander verbunden sowie in weiten Teilen zwingend exklusiv, was die Grundlage für das - vom Unternehmen selbst so bezeichnete - "Apple-Ökosystem" bildet. Apple verfügt zudem über einen breiten und tiefen Zugang insbesondere zu Daten, die die Nutzer seiner Geräte und des Ökosystems generieren. Auch wenn das Unternehmen aufgrund seiner umfangreichen Vorkehrungen zum Schutz der personenbezogenen Daten insbesondere seiner Gerätenutzer nur eingeschränkt Zugang zu individualisierten Datensätzen hat und diese nur zurückhaltend nutzt, ist Apple dennoch eine große Menge personenbezogener und vor allem nicht-personenbezogener wettbewerbsrelevanter Daten zugänglich. Externe App-Entwickler und weitere Drittunternehmen sind auf Apples Zusammenarbeit angewiesen, um Zugang zu der Vielzahl von Apple-Gerätenutzern zu erhalten.

140Darüber hinaus nimmt Apple auf dem deutschen Markt insbesondere in dem wirtschaftlich bedeutenden Bereich der Smartphones sowie bei Tablets, jeweils nebst digitaler Ausstattung mit Betriebssystem und Softwareanwendungen einschließlich Vertriebsplattform (App Store), jedenfalls eine äußerst marktstarke Stellung ein. Für die Beurteilung der von § 19a GWB adressierten wettbewerblichen und strategischen Möglichkeiten des Unternehmens ist zudem in den Blick zu nehmen, dass der Apple-Konzern über die genannte enorme Marktstärke bei Mobilgeräten nicht nur deutschlandweit, sondern in ähnlichem Ausmaß auch weltweit verfügt. So wurden in den Jahren 2019, 2020 und in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 von den mit dem Verkauf von Smartphones weltweit generierten Umsätzen zwischen [40-45] % und [45-50] % von Apple erzielt. Auf Samsung als auch auf dem Weltmarkt für Smartphones größtem Wettbewerber von Apple entfiel in diesem Zeitraum ein Umsatzanteil zwischen [15-20] % und [20-25] %.



141cc)    Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen steht der Gesamteinschätzung einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung des Apple-Konzerns für den Wettbewerb nicht entgegen, dass es zu allen Hardware-Geräten von Apple Alternativen von Drittherstellern gibt, Apple also zum einen in den meisten Geschäftsbereichen Wettbewerb ausgesetzt ist und zum anderen mit den meisten seiner Angebote zu den Nutzern der von Wettbewerbern vertriebenen Geräte keinen Zugang hat, dass also Apples wettbewerbliche Machtposition in erster Linie gegenüber den Nutzern seiner eigenen Hardware-Geräte und gegenüber denjenigen dritten Marktteilnehmern besteht, die Zugang gerade zu den Apple-Gerätenutzern begehren. Die besondere marktübergreifende Bedeutung von Apple für den Wettbewerb ergibt sich entsprechend seinem Geschäftsmodell in erster Linie aus der stetig wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung des Apple-Ökosystems, das eine - ebenfalls steigende - Vielzahl von Märkten betrifft und insgesamt von einer erheblichen Bedeutung für den Wettbewerb ist, sowie aus der vertikalen und horizontalen Größe des Ökosystems. Diese beruht auf der großen Anzahl der genutzten Apple-Geräte und -Dienste sowie deren enger Verzahnung durch die Kompatibilität der Geräte, über die Apple ID, aber auch über Abonnements bei den Diensten. Jede Erhöhung der Zahl der Apple-Produkte oder -Dienste, jede Steigerung der Nutzerzahl und der Zahl der aktiven Geräte führt zu einer Vergrößerung des Apple-Ökosystems. Das Wachsen des Apple-Ökosystems durch immer neue Geräte und Dienste hat seinerseits die Steigerung seiner Attraktivität für Kunden zur Folge und ermöglicht damit einen weiteren Nutzeranstieg in allen Geschäftsbereichen des Unternehmens. Die enge Vernetzung der Apple-Geräte und -Dienste untereinander - in erster Linie die der verschiedenen Apple-Geräte einer Person und der von dieser in Anspruch genommenen Apple-Dienste, aber auch die Vernetzung der Geräte mehrerer Personen einer Nutzergruppe, beispielsweise einer Familie - fördert zudem einen Lock-in-Effekt in das Apple-Ökosystem. Denn sie setzt erhebliche Anreize dafür, dass Nutzer, die bereits ein oder mehrere Apple-Geräte besitzen, bei Anschaffung eines neuen Geräts aus einer anderen Produktkategorie nicht das Produkt eines Wettbewerbers, sondern das von Apple wählen. Darüber hinaus hat Apple durch die zunehmende Größe und Stärke seines Ökosystems die Möglichkeit, neue Dienste auch extern, also an Nutzer von Smartphones, Tablets und sonstigen Hardware-Geräten anderer Hersteller zu vermarkten, wie die Beispiele Apple Music und Apple TV+ belegen.

142dd)    Apples überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinn des § 19a Abs. 1 Satz 2 GWB wirkt sich auch unzweifelhaft in der Bundesrepublik Deutschland aus (§ 185 Abs. 2 GWB). Dies folgt ohne Weiteres aus den Umsatzzahlen für die - den Ausgangspunkt für das Apple-Ökosystem bildenden - Hardware-Geräte. In Deutschland wurden von 2019 bis Anfang 2023 [20-30] Mio. iPhones, knapp [<10] Mio. iPads sowie rund [<10] Mio. Mac-Computer und eine Reihe anderer Produkte in hoher Stückzahl abgesetzt. Von dem im Jahr 2021 von Apple weltweit generierten Umsatz (365,8 Mrd. USD) entfielen über [5-15] Mrd. USD, also über [1,4 - 4,1] %, auf den deutschen Markt. Hinzu tritt ein Umsatzwachstum auf dem deutschen Markt von über [20-30] % von 2020 auf 2021 und von [5-15] % von 2021 auf 2022.

143ee)    Insgesamt hat das Bundeskartellamt damit zu Recht und ermessensfehlerfrei die Feststellung getroffen, dass Apple eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinn des § 19a Abs. 1 GWB zukommt.

1443.    Der Beschluss des Bundeskartellamts ist nicht durch zwischenzeitliche Sachverhaltsänderungen rechtswidrig geworden. Wie der Bundesgerichtshofs bereits entschieden hat und von den Parteien nicht in Frage gestellt wird, handelt es sich bei einer Feststellungsverfügung nach § 19a Abs. 1 GWB um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, für dessen Rechtmäßigkeit es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt, wobei das Beschwerdegericht zu weiteren Ermittlungen über die Entwicklung nach Erlass der angefochtenen Verfügung nur dann verpflichtet ist, wenn sich aus dem Vortrag der Beteiligten hinreichende Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche Veränderung ergeben oder wenn sich aus dem sonstigen Sachverhalt Hinweise auf eine derartige Änderung der Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung aufdrängen (BGHZ 240, 227 Rn. 152 mwN - Amazon).

145a)    Eine solche Änderung ist nicht durch die nach Erlass der Feststellungsverfügung nach § 19a Abs. 1 GWB am erfolgte Benennung von Apple als Torwächter gemäß Art. 3 DMA (Kommission, Beschluss vom - C (2023) 6100 final, Sachen DMA.100013 Apple - online intermediation services - app stores, DMA.100025 Apple - operating systems und DMA.100027 Apple - web browsers, ABl. C/2023/548) und die infolgedessen seit dem für Apple geltenden Vorschriften des Digital Markets Act eingetreten. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, berühren die Benennung eines Unternehmens und seiner Plattform-Dienste durch die Europäische Kommission nach dem Digital Markets Act und die damit verbundene Geltung bestimmter Verhaltenspflichten als solche nicht dessen Einordnung als Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb nach § 19a Abs. 1 GWB (vgl. BGHZ 240, 227 Rn. 189 - Amazon). Das gilt auch für die Benennung Apples als Torwächter und seiner Dienste App Store, iOS sowie Safari als zentrale Plattformdienste.

146b)    Es ist auch weder dargelegt noch ersichtlich, dass sich eine entscheidungserhebliche Sachverhaltsänderung durch zwischenzeitliche Verhaltensänderungen des Unternehmens insbesondere aufgrund der für Apple geltenden Pflichten aus dem Digital Markets Act ergeben hätte.

147aa)    Soweit Apple vorträgt, native Apps für iOS und iPadOS könnten nun nicht mehr nur über die Apple App Stores, sondern auch über alternative App-Marktplätze und eigene Webseiten der App-Entwickler vertrieben werden (sogenanntes "Side Loading") und Nutzer könnten in den Systemeinstellungen einen alternativen App-Marktplatz anstelle der Apple App Stores als bevorzugten Standard-Marktplatz für Apps einstellen, ändert dies nichts an der dargestellten vertikalen Integration des Unternehmens und hat auch keine erheblichen Auswirkungen auf dessen Datenzugang oder seine Bedeutung für den Zugang Dritter zu Absatz- und Beschaffungsmärkten. Es fehlt insofern - auch im Vergleich mit Google als Apples derzeit maßgeblichem Konkurrenten im Bereich der mobilen Betriebssysteme und der damit verbundenen App-Stores - an Anhaltspunkten dafür, dass durch diese Öffnung die Bedeutung der App Stores für iPhone und iPad bereits in einem wettbewerblich erheblichen Maß vermindert oder dies auf absehbare Zeit zu erwarten wäre. Dem Vortrag, dass auch bei mobilen Geräten, die mit dem Android-System betrieben werden, trotz bereits lange bestehender alternativer App-Bezugsquellen kontinuierlich 90-100 % des Markts für Android-basierte App Stores auf den systemeigenen Google Playstore entfallen, sind die Beschwerdeführerinnen nicht entgegengetreten. Zu Recht hat das Bundeskartellamt aus diesem Befund den Schluss gezogen, dass die bloße Möglichkeit für Gerätenutzer, Apps über alternative Quellen zu beziehen, für sich genommen die Bedeutung der systemeigenen App Stores nicht wesentlich verringert. Gegen eine zeitnahe Veränderung des Nutzerverhaltens beim Erwerb von Apps spricht darüber hinaus, dass Apple die Nutzer seiner Geräte insbesondere unter (Daten-)Sicherheitsaspekten vor der Nutzung alternativer App-Bezugsquellen warnt. So weist das Unternehmen auf seiner deutschen Support-Seite mit Veröffentlichungsdatum darauf hin, dass Apple App-Käufe, die außerhalb des App Store oder dessen In-App-Kaufsystems erfolgen, nicht unterstützt und dass Apps, die alle Apple-Richtlinien für die Überprüfung von Apps erfüllen, einschließlich der Apple-Standards für Datenschutz, Sicherheit und Qualität, nur im Apple App Store verfügbar sind. Solange jedoch die Nutzer mobiler Apple-Geräte nicht großflächig auf andere Marktplätze als den Apple App Store ausweichen, sind die App-Entwickler faktisch gezwungen, ihre Produkte weiter über diesen nativen App Store zu vertreiben, und bleibt dessen Bedeutung für deren Zugang zu den Gerätenutzern und die Regelsetzungsmacht im Wesentlichen unverändert.

148bb)    Nichts anderes gilt für den Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf weitere von Apple eingeführte Neuerungen, wie die Möglichkeit, alternative Zahlungsdienstleister für die Abwicklung von Transaktionen innerhalb der Apps von Drittanbietern zu nutzen; für Transaktionen Gerätenutzer auf externe Webseiten der App-Herausgeber zu leiten ("LinkOut"); als Standardeinstellung alternative Webbrowser zu verwenden und seit Ende 2024 wohl auch, Safari vollständig zu deinstallieren; von Apple vorinstallierte Apps zu löschen; sowie die Erweiterung der Datenportabilität auf Geräte anderer Hersteller und die technische Unterstützung von App-Entwicklern durch besseren Zugriff auf die in iOS und iPhone integrierten Kerntechnologien und die NFC-Technologie. Zwar wird der Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten dadurch erleichtert. Das kann auch für die den App-Entwicklern neuerdings angebotenen neuen Geschäftsbedingungen gelten, die reduzierte Provisionen, bestimmte Gebühren für die optionale Zahlungsabwicklung über Apples IAP und eine Core Technology Fee beinhalten und für 99 % der App-Entwickler zu gleichbleibenden oder geringeren Gebühren führen. Es ist aber für diese neu eingeführten Möglichkeiten weder dargelegt noch ersichtlich, dass sie bereits in einem Umfang genutzt werden, der sich in entscheidungserheblicher Weise auf die vom Bundeskartellamt festgestellte marktübergreifende Bedeutung von Apple im Wettbewerb auswirken könnte. Gleiches gilt für die - angekündigten - Möglichkeiten für App-Entwickler, auf andere Weise als durch Link-Out in ihren Apps auf alternative Bezugskanäle für ihre bezahlten Angebote aufmerksam zu machen.

149cc)    Auch aus den von den Beschwerdeführerinnen nicht näher konkretisierten zusätzlichen Beschränkungen der Nutzung persönlicher Daten von Endnutzern und geschäftlichen Nutzern sowie der erleichterten Datenportabilität für Nutzer und Dritte ergeben sich keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass dies das Potential Apples im Wettbewerb maßgeblich reduzieren würde. Die Beschwerdeführerinnen legen nicht dar, welche personenbezogenen Daten, auf die sie bislang Zugriff hatten und die sie auch verwendet haben, ihnen aufgrund der Verhaltenspflichten nach dem Digital Markets Act nicht mehr zugänglich wären. Ebenso wenig führen sie aus, dass der möglicherweise nunmehr einfacher zu vollziehende Systemwechsel von einem iPhone zu einem Android-basierten Smartphone sich tatsächlich dahin ausgewirkt hätte, dass eine steigende Zahl von Apple-Kunden zu den Geräten anderer Hersteller wechselte.

150c)    Die Finanzkraft des Unternehmens hat seit Erlass der Feststellungsverfügung und unter Geltung der Verhaltensvorschriften des Digital Markets Act ebenfalls nicht nachgelassen. Wie sich aus dem von Apple veröffentlichten Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2023 ergibt, lag der Umsatz des Apple-Konzerns 2023 mit 383,3 Mrd. USD zwar etwas niedriger als 2022. In dem am abgeschlossenen Geschäftsjahr 2024 betrug er jedoch mit etwa 391 Mrd. USD mehr als 2022.

151III.    Der angefochtene Beschluss ist auch formell rechtmäßig.

1521.    Eine formelle Unrechtmäßigkeit der Feststellungsverfügung ergibt sich nicht aus etwaigen Ermittlungsdefiziten. Die von den Beschwerdeführerinnen behaupteten Ermittlungsdefizite führen - ihr Vorliegen unterstellt - weder zur formellen Rechtswidrigkeit der Feststellungsverfügung (dazu unter b) noch sind deswegen Nachermittlungen im Beschwerdeverfahren geboten (dazu unter c).

153a)    Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, das Bundeskartellamt habe im Zuge der Datenerhebung bei Apple grobe Fehler begangen, indem es zahlreiche Daten über Nutzer und deren Nutzungsverhalten abgefragt habe, die von Apple im normalen Geschäftsverlauf nicht auf diese Weise gesammelt und zusammengestellt würden. Die Ermittlungen bei den App-Herausgebern seien unzureichend und wiesen erhebliche methodische Fehler auf, weil die gezogene Stichprobe zu gering und nicht repräsentativ sei. Auch die Befragung der Hardware-Hersteller sei methodisch mangelhaft; gleiches gelte für die Befragung der Mobilfunkunternehmen. Fehlerhaft habe das Bundeskartellamt eine eigene Nutzerbefragung unterlassen und die von Apple vorgelegte Nutzerbefragung unberücksichtigt gelassen. Schließlich habe das Bundeskartellamt auf teilweise fragwürdige öffentlich verfügbare Quellen Bezug genommen, statt eine Abfrage bei Apple oder anderen Marktteilnehmern selbst vorzunehmen. Aufgrund der unzureichenden Sachverhaltsermittlungen und des darin liegenden Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht sei der Beschluss formell rechtswidrig und bereits deswegen aufzuheben.

154b)    Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen führt nicht bereits eine (unterstellte) unzureichende Sachverhaltsermittlung zur formellen Rechtswidrigkeit des Beschlusses.

155aa)    Die Kartellgerichte sind in Kartellverwaltungsverfahren von Amts wegen zur Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet (§ 75 GWB, § 86 VwGO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es daher grundsätzlich Aufgabe des Beschwerdegerichts, die tatsächlichen Voraussetzungen der angefochtenen Verfügung zu ermitteln. Eine Teilaufhebung vor Spruchreife ist in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur in besonders gelagerten Fällen zulässig, so etwa wenn eine Sachaufklärung durch die Behörde vollständig unterblieben ist oder sich die Ermittlungen der Kartellbehörde als unverwertbar erweisen, weil die rechtliche Beurteilung des Beschwerdegerichts ganz andere Ermittlungen erfordert. Dabei entspricht es bewährter Übung, umfangreiche Ermittlungen, mit denen das hierfür nicht ausgestattete Beschwerdegericht überfordert wäre, von der Kartellbehörde im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens durchführen zu lassen. Diese Rechtsprechung wird bestätigt durch die enge Auslegung, die § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO in der Praxis der Verwaltungsgerichte erfährt (BGH, Beschlüsse vom - KVR 14/01, BGHZ 155, 214 [juris Rn. 23 f.] - HABET/Lekkerland; vom - KVR 77/13, BGHZ 206, 229 Rn. 13 - Wasserpreise Calw II, jeweils mwN).

156bb)    Danach scheidet die Annahme einer formellen Rechtswidrigkeit des Beschlusses aus. Das Bundeskartellamt hat durch Auskunftsbeschlüsse bei Apple selbst, bei 184 App-Herausgebern, bei 27 Unternehmen, die Smartphones, Tablets oder Smartwatches herstellen oder vertreiben und bei den fünf in Deutschland führenden Mobilfunkunternehmen Informationen erhoben. Es besteht daher kein Raum für die Annahme, eine Sachaufklärung durch die Behörde sei vollständig unterblieben. Bei diesen Befragungen wurden im Wesentlichen Marktstrukturdaten erhoben, wie die Umsätze und Verkaufszahlen Apples und seiner Wettbewerber, ferner Strukturdaten für die verschiedenen Aktivitäten Apples, Informationen zur Verknüpfung der verschiedenen Aktivitäten, zur Ressourcenausstattung, zur vertikalen und konglomeraten Integration, zum Datenzugang, zur Bedeutung des Apple App Stores und anderer App Stores für die App-Herausgeber, zu deren wirtschaftlichen Ausweichalternativen und einer möglichen Regelsetzungsmacht Apples, zur Produktmarktabgrenzung, zur Rolle der beiden mobilen Betriebssysteme iOS und Android, zu Absatz- und Umsatzzahlen bei Smartphones und Tablets über Mobilfunkanbieter, zum Wettbewerbsdruck der Smartphone-Hersteller untereinander, zu den Wechselhürden zwischen Smartphones verschiedener Hersteller sowie zur Bedeutung Apples und der anderen Smartphone-Hersteller für das Smartphone-Geschäft in Deutschland. Diese Ermittlungen betreffen die in § 19a Abs. 1 GWB genannten Kriterien zur Feststellung einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb. Der Bundesgerichtshof kann auf Grundlage der vom Bundeskartellamt durchgeführten Sachaufklärung über die Beschwerde entscheiden. Für die Annahme, die Ermittlungen der Kartellbehörde erwiesen sich als unverwertbar, ist danach kein Raum.

157c)    Nachermittlungen, die über die vom Senat durchgeführten und den Beteiligten mit Verfügung vom mitgeteilten punktuellen Nachermittlungen hinausgehen, sind nicht geboten.

158aa)    Nach § 75 Abs. 1 GWB hat das Beschwerdegericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Gleichwohl ist anerkannt, dass die danach bestehende gerichtliche Aufklärungspflicht dort ihre Grenze findet, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet (BGHZ 206, 229 Rn. 59 - Wasserpreise Calw II; BGHZ 226, 67 Rn. 19 - Facebook I; Beschluss vom - KVZ 38/20, WuW 2023, 498 Rn. 85 - Wasserpreise Gießen).

159bb)    Danach ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch den Senat nicht geboten. Soweit entscheidungserhebliche Tatsachen betroffen sind, bietet das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung. Die Sachverhaltsermittlung des Bundeskartellamts stellt insoweit auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beschwerdeführerinnen eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Sachentscheidung des Bundesgerichtshofs dar.

160(1)    Soweit der Senat die vom Bundeskartellamt auf Grundlage der Befragung der Hardwarehersteller ermittelten umsatz- und stückzahlbezogenen Marktanteile Apples und seiner Wettbewerber auf dem deutschen und dem weltweiten Smartphone-Markt und dem deutschen Tablet-Markt heranzieht (vgl. oben Rn. 115 bis 135 und Rn. 139 f.) bieten die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen methodischen Einwendungen gegen die vom Bundeskartellamt durchgeführte Befragung keinen Anlass zur weiteren Sachverhaltsaufklärung. Die genaue Bestimmung der Marktanteile auf den genannten Märkten ist, da der Bundesgerichtshof bereits nicht von einer Beherrschung des Smartphone- oder Tablet-Markts durch Apple ausgeht, sondern allein von einer in der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden marktstarken Stellung Apples auf diesen Märkten (vgl. oben Rn. 138) nicht entscheidungserheblich und bedarf schon aus diesem Grund keiner weiteren Aufklärung. Dass auf den genannten Märkten erhebliche Marktanteile auf Apple entfallen, wird von den Beschwerdeführerinnen in tatsächlicher Hinsicht nicht in Frage gestellt und wird von Dritten - wie beispielsweise dem Marktforschungsinstitut GFK SE (vgl. Anlage 4.1 und 4.2 zum Auskunftsbeschluss vom , Bl. 143 bis 145 der Ermittlungsakte Hardwarehersteller) - bestätigt. Dies reicht als tatsächliche Grundlage für die Annahme einer marktstarken Stellung Apples auf dem deutschen Smartphone-Markt und dem deutschen Tablet-Markt aus.

161(2)    Für die - unter anderem auf die Ergebnisse der vom Bundeskartellamt bei App-Herausgebern durchgeführte Befragung gestützte - Annahme, die Bedeutung der App Stores von Google und Apple habe seit 2017 als Vertriebskanäle für App-Herausgeber zugenommen (vgl. oben Rn. 104) bedarf es ebenfalls keiner weiteren Ermittlungen. Die Beschwerdeführerinnen stellen die festgestellte Tatsache einer steigenden Bedeutung von App Stores als solche nicht in Frage. Dies ist auch konsistent mit den vom Bundeskartellamt auf Grundlage öffentlich verfügbarer Quellen festgestellten und von Apple in der Sache nicht angegriffenen Umsatzsteigerungen im App Store. Ihre Einwände gegen die vom Bundeskartellamt bei der Befragung angewandte Methodik geben keinen Anlass zur weiteren Sachverhaltsaufklärung.

162(a)    Die Beschwerdeführerinnen beanstanden zunächst die Stichprobenziehung des Bundeskartellamts. Die Stichprobe sei mit 184 App-Herausgebern zu klein. Mit den ausländischen App-Herausgebern und den kleinen App-Herausgebern seien sowohl die umsatzstärksten als auch die umsatzschwächsten Herausgeber ausgenommen worden. Durch das Sampling des Bundeskartellamts würden die großen Apps überrepräsentiert. Dieses Vorbringen der Beteiligten bietet keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung. Zwar würde eine umfassendere Befragung einer größeren Anzahl von App-Herausgebern und der Verzicht auf den Ausschluss ausländischer und kleiner App-Herausgeber die Tatsachengrundlage auf eine breitere Basis stellen. Allein der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachte Umstand, dass durch eine immer weitergehende Vergrößerung der Datengrundlage - bis hin zur vollständigen Befragung sämtlicher Marktteilnehmer - die Belastbarkeit des Ergebnisses steige, vermag indes keine Nachermittlungen zu rechtfertigen. Maßgeblich ist vielmehr, dass auf Grundlage des bestehenden Ermittlungsergebnisses keine Anhaltspunkte bestehen, die die Ergebnisse in Frage stellen. Die Beschwerdeführerinnen tragen keine Anhaltspunkte vor, die einer steigenden Bedeutung der App Stores entgegenstehen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Befund ist zudem plausibel, weil er mit den - unbestritten - festgestellten steigenden Umsätzen in den App Stores übereinstimmt. Schließlich ist auch das Befragungsergebnis derart eindeutig - 70 % der Antworten bestätigen eine steigende, lediglich 5 % eine abnehmende Bedeutung (vgl. S. 9 der Anlage 1 zum Auskunftsbeschluss vom , Bl. 64 der Ermittlungsakte App-Herausgeber) -, dass eine Ergebnisrelevanz des Samplings ausgeschlossen werden kann. Denn in jeder Gruppe müssen die eine Steigerung bestätigenden Antworten die ein Abnehmen angebenden Antworten überwogen haben.

163(b)    Soweit die Beschwerdeführerinnen eine tendenziöse Fragestellung und das Fehlen einer neutralen Antwortmöglichkeit bemängeln, wird dies für die hier relevante Frage 4 des den App-Herausgebern übersandten Auskunftsbeschlusses nicht näher ausgeführt. Angesichts der Formulierung der Frage ("Bitte geben Sie an, ob und wenn ja inwiefern sich die Bedeutung der verschiedenen Vertriebskanäle im Zeitverlauf seit dem Jahr 2017 für ihr Unternehmen verändert hat. Bitte begründen Sie zudem Ihre Antwort in dem dafür vorgesehenen Textfeld. Sofern andere als die genannten App Stores von Apple und Google an Bedeutung gewonnen haben, nennen Sie diese bitte im Textfeld "Begründung") und der im Fragebogen eingeräumten Antwortmöglichkeit "keine Veränderung" ist weder eine tendenziöse Fragestellung noch das Fehlen einer neutralen Antwortmöglichkeit ersichtlich.

164(3)    Hinsichtlich der - ebenfalls auf der vom Bundeskartellamt durchgeführten Befragung der App-Herausgeber beruhenden - Annahme, dass die befragten App-Herausgeber, die digitale Güter und Dienstleistungen über Apps auf Smartphones verkaufen, 2020 weltweit im ungewichteten Durchschnitt etwa 50 % ihrer gesamten Erlöse über Apps erzielten und davon 61 % auf Apps aus einem App Store von Apple entfielen (vgl. oben Rn. 105), ist eine weitere Sachaufklärung ebenfalls nicht geboten.

165(a)    Die Beschwerdeführerinnen legen keine konkreten Tatsachen dar, aus denen sich eine abweichende Erlösstruktur der App-Herausgeber ergeben könnte, sondern beschränken sich auf die genannten methodischen Einwendungen gegen die vom Bundeskartellamt durchgeführte Befragung. Bereits aus dem festgestellten und auch von Apple in der Unternehmenskommunikation bestätigten, ganz erheblichen Wachstum des in Apps erzielten Umsatzes auf zuletzt über 1,1 Bio. USD weltweit (vgl. den in der Verfügung vom benannten Artikel aus dem Handelsblatt vom , der einen von Apple in Auftrag gegebenen und auf der Homepage von Apple veröffentlichten Bericht der US-Beratung Analysis Group zitiert) ergibt sich, dass die App-Herausgeber ganz erhebliche Umsätze über Apples App Stores erzielen.

166(b)    Die angenommene Bedeutung der Tätigkeit Apples für die App-Herausgeber wird zudem dadurch, dass bei einer anderen Stichprobenziehung oder einem anderen Sampling (möglicherweise) andere Ergebnisse erzielt worden wäre, schon nicht in Frage gestellt. Da es sich bei den App-Herausgebern um eine heterogene Gruppe handelt, ist es naheliegend, dass die Bedeutung Apples für den Zugang der App-Herausgeber zu ihren Beschaffungs- und Absatzmärkten für einige App-Herausgeber größer ist als für andere, ohne dass damit die Verwirklichung des Kriteriums des § 19a Abs. 1 Nr. 5 GWB in Frage gestellt wäre. Denn dieses Kriterium erfordert keine Bedeutung der Tätigkeit des Normadressaten für die Geschäftstätigkeit sämtlicher Dritter.

167(c)    Soweit die Beschwerdeführerinnen pauschal eine tendenziöse Fragestellung und das Fehlen einer neutralen Antwortoption rügen, trifft dies auf die hier relevante Frage 3 des an die App-Herausgeber gerichteten Auskunftsbeschlusses nicht zu. Diese lautet "Bitte geben Sie in Tabelle 3. an, auf welche Vertriebskanäle die Umsätze entfielen, die Sie mit dem Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen erwirtschaftet haben. Geben Sie einerseits die Umsätze an, die Ihr Unternehmen mit digitalen Gütern oder Dienstleistungen erlöst hat (z.B. Vertrieb von Software oder Apps), wobei hierzu auch innerhalb der App konsumierte Güter oder Dienstleistungen zählen (z.B. In-App Käufe von Zusatzinhalten für die Apps oder digitale Abonnements wie Streaming-Inhalte). Geben Sie andererseits an, welche Umsätze Sie mit dem Vertrieb von physischen Gütern oder Dienstleistungen erwirtschaftet haben, inklusive der über App vertriebenen, aber außerhalb der App konsumierten Güter oder Dienstleistungen (z.B. über App verkaufte Eintrittskarten oder Lebensmittel). Beachten Sie auch hier, dass die Kategorien und damit die erbetenen Umsatzangaben unabhängig davon sind, ob Ihre App(s) werbe- und/oder nutzerfinanziert sind. Machen Sie sämtliche Angaben für deutschland- und für weltweite Umsätze für das Geschäftsjahr 2020 in EUR ohne Umsatzsteuer. Unterscheiden Sie dabei zwischen den in Tabelle 3. genannten Vertriebskanälen. Sofern ein Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen über andere Vertriebskanäle erfolgt, so nutzen Sie bitte die Kategorie "Sonstige Vertriebskanäle" und beschreiben Sie diese im Textfeld unterhalb der Tabelle."

168(4)    Kein Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung besteht desweiteren, soweit der Senat von dem bei der Befragung der App-Herausgeber ermittelten Ergebnis ausgeht, dass Web-Apps weit überwiegend - von mindestens 75 % der Befragten - nicht als geeignete Alternative zu nativen Apps angesehen werden (vgl. oben Rn. 107).

169(a)    Auch dieser Befund ist plausibel, weil er mit den festgestellten stetig wachsenden Umsätzen über Apps übereinstimmt. Die Bedeutung der Tätigkeit Apples für die befragten App-Herausgeber wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass bei einer anderen Stichprobenziehung oder einem anderen Sampling möglicherweise (geringfügig) andere Ergebnisse erzielt worden wären. Für die Belastbarkeit des Ergebnisses spricht zudem, dass sowohl Web-Apps als auch Internetseiten in jeder Kategorie (Sichtbarkeit, Funktionalität, Nutzererlebnis, Kommerzielle Relevanz, Gesamteinschätzung) mit jeweils sehr deutlichem Ergebnis von jeweils über 75 % der Befragten, die eine Antwort gegeben haben, als "keine Alternative" oder "schlechte Alternative" bezeichnet wurden.

170(b)    Selbst wenn man mit den Beschwerdeführerinnen die geringfügig unterschiedliche Bewertung von Internetseiten und Web-Apps durch die App-Herausgeber als Indiz für eine Unkenntnis der Funktion von Web-Apps ansähe, würde daraus nicht folgen, dass Web-Apps für die App-Herausgeber Bedeutung hätten; eine solche Unkenntnis wäre eher ein Indiz für einen geringen Stellenwert von Web-Apps.

171(c)    Offensichtlich unbegründet ist der auch zu diesem Aspekt pauschal erhobene Vorwurf, die Fragestellung durch das Bundeskartellamt sei tendenziös und es habe eine neutrale Antwortmöglichkeit auf die maßgebliche Frage 7 des den App-Herausgebern übersandten Fragebogens gefehlt. Die Frage lautet "Tragen Sie in der nachfolgenden Tabelle Ihre Einschätzungen dazu ein, inwiefern Web Apps und über Sideloading bezogene Apps für den Vertrieb Ihrer Apps Alternativen zu nativen Apps darstellen, die in den App Stores von Apple und/oder Google heruntergeladen werden können. Machen Sie dabei Angaben zur Sichtbarkeit (Erreichbarkeit von potenziellen Kunden), Funktionalität (Umfang der Funktionen im Vergleich zu nativen Apps), Nutzererlebnis sowie Relevanz (kommerzielle Bedeutung). Schließen Sie bitte mit einer Gesamteinschätzung zum alternativen Softwarevertrieb über Webapps bzw. Sideloading. Differenzieren Sie dabei ggfs. zwischen iOS und Android". Diese Frage sieht als Antwortmöglichkeiten "keine Alternative", "schlechte Alternative", "gute Alternative" und "sehr gute Alternative" vor. Die Frage ist somit differenziert ausgestaltet und bietet hinreichend viele Antwortmöglichkeiten, zumal sie auch die - von einigen der Befragten tatsächlich genutzte - Möglichkeit zulässt, keine der vier vorgegebenen Antworten anzukreuzen. Darüber hinaus noch ausdrücklich eine neutrale Antwortmöglichkeit anzubieten, war nicht erforderlich.

172(5)    Soweit der Senat unter anderem aufgrund der Freitextantworten der Hardwarehersteller zu Frage 9 des diesen übersandten Auskunftsbeschlusses folgert, der Interoperabilität zwischen externen Geräten Dritter und den Apple-Geräten komme für die Hersteller dieser Geräte große Bedeutung zu, weil von ihr maßgeblich abhänge, ob Apple-Kunden diese Geräte nachfragten (vgl. oben Rn. 110), geben die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Einwendungen gegen die Methodik der Befragung ebenfalls keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Dass die Attraktivität technischer Geräte, die zumindest auch für die Nutzung in Verbindung mit einem Smartphone entwickelt worden sind, für einen potentiellen Nachfrager steigt, wenn diese mit dem von ihm verwendeten Smartphone kompatibel sind, ist sehr plausibel; das gegenteilige Ergebnis wäre demgegenüber nicht nachvollziehbar. Die von den Beschwerdeführerinnen gerügten methodischen Mängel der Befragung sind nicht geeignet, das Ergebnis in Frage zu stellen.

173(6)    Die weitere dieser Entscheidung zugrundeliegende Feststellung des Bundeskartellamts, dass zwischen [35] und [50] % der Mobilfunkverträge als Bündelverträge - also gemeinsam mit dem Erwerb eines Smartphones - abgeschlossen werden (vgl. oben Rn. 112und Rn. 119), bedarf ebenfalls keiner Überprüfung durch eine weitere Sachverhaltsaufklärung. Die Beschwerdeführerinnen gehen ausdrücklich davon aus, dass "zumindest in Deutschland (…) viele Smartphone-Nutzer ihre Geräte im Rahmen eines "Bündels" mit einem Mobilfunkvertrag erwerben", und bestätigen damit die Feststellung des Bundeskartellamts. Methodische Einwendungen gegen die Befragung der Mobilfunkanbieter erheben sie hinsichtlich der insoweit relevanten Frage 1 nicht.

174(7)    Soweit der Senat mit dem Bundeskartellamt davon ausgeht, dass Smartphones und Tablets aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionalitäten unterschiedlichen Produktmärkten zuzuordnen seien (vgl. oben Rn. 116), stellen die Beschwerdeführerinnen diese sachliche Marktabgrenzung nicht in Frage. Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedarf es daher nicht.

175(8)    Die Annahme, ein iPhone sei im Durchschnitt mehr als doppelt so teuer wie alle anderen Smartphones, und die jährliche Steigerungsrate des Preisabstands zwischen 2017 und 2021 habe durchschnittlich 9,5 % betragen (vgl. oben Rn. 125), wird in der Tendenz von den Beschwerdeführerinnen bestätigt. So tragen sie vor, die Materialkosten für ein iPhone 14 Pro Max würden durch Dritte auf USD [400-500] geschätzt und lägen mehr als [150-200] USD über dem durchschnittlichen Verkaufspreis von Samsung-Smartphones. Sie bestätigen ausdrücklich, dass Apple nur wenige Geräte im unteren Preissegment anbietet, was notwendigerweise dazu führe, dass die Durchschnittspreise für Android-Geräte niedriger sind als Durchschnittspreise von Apple-Geräten. Vor diesem Hintergrund bezieht sich der Einwand der Beschwerdeführerinnen, die durchschnittlichen Smartphone-Preise von Apple seien nicht höher als die Durchschnittspreise der Wettbewerber, offensichtlich auf den vorgetragenen Preisunterschied bei High-End-Smartphones, der lediglich 10 EUR betragen soll. Zudem bestätigen nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Bundeskartellamts auch Dritte den erheblichen Preisabstand zwischen Apple und sonstigen Smartphone-Herstellern sowie ein Anwachsen dieses Abstandes seit 2017.

176(9)    Soweit die Beschwerdeführerinnen schließlich nicht lediglich methodische Einwände gegen die Sachverhaltsermittlung des Bundeskartellamts erheben, sondern auch hinreichend substantiiert Umstände darlegen, die Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen des Bundeskartellamts begründen könnten - wie etwa zur Höhe der Wechselkosten und zu sonstigen Wechselhürden für Apple-Nutzer, zur sachlichen Abgrenzung des Markts für Smartwatches sowie zu Apples marktbeherrschende Stellung auf dem Smartphone-Markt - sind diese Aspekte, wie unter II. ausgeführt (vgl. zu Wechselkosten und -hürden oben Rn. 125 f. undRn. 141; zur Abgrenzung des Markts für Smartwatches Rn. 136; zur Beherrschung des Smartphone-Markts oben Rn. 127 f.), für die Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung Apples nicht entscheidungserheblich. Daher waren auch insoweit keine Nachermittlungen geboten.

1772.    Der Umfang der den Beschwerdeführerinnen vom Bundeskartellamt gewährten Einsicht in die Ermittlungsakte hat ebenfalls keine Auswirkungen auf die formelle Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beschlusses. Die Rüge der Beschwerdeführerinnen, ihnen hätte eine umfassende Einsicht in die Rohdaten der vom Bundeskartellamt durchgeführten Datenerhebungen durch Befragungen von App-Entwicklern, Hardware-Herstellern sowie Mobilfunkunternehmen gewährt werden müssen, die zur Einsicht überlassenen Auswertungsvermerke nebst Dokumentation seien insoweit nicht ausreichend, weil die Textantworten teilweise geschwärzt und zudem randomisiert seien, greift nicht durch.

178a)    Gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 GWB können die Beteiligten bei der Kartellbehörde die das Verfahren betreffenden Akten einsehen, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Das Bundeskartellamt hat die Einsicht in die Unterlagen gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 GWB zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Behörde sowie zur Wahrung des Geheimschutzes oder von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen schutzwürdigen Interessen des von der Einsicht Betroffenen, geboten ist.

179b)    Danach musste den Beschwerdeführerinnen im Streitfall unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs keine umfassende Einsicht in die Rohdaten der Datenerhebung gewährt werden. Das Bundeskartellamt hat den Beschluss auf die von ihm erstellten Auswertungsvermerke gestützt, die den Beschwerdeführerinnen zur Kenntnis gegeben worden sind. Ferner umfasste die Akteneinsicht jeweils die entsprechenden Dokumentationsvermerke zu Stichprobenziehung, Datenaufbereitung, Plausibilisierung und zu einzelnen Rechenschritten sowie Auflistungen mit den Identitäten aller befragten Unternehmen. Soweit die Antworten mit Freitext-Antwortmöglichkeiten den Beschwerdeführerinnen lediglich in anonymisierter und zudem randomisierter Form in gesonderten Auswertungsvermerken zur Verfügung gestellt wurden und in Bezug auf die entsprechenden Antworten der Mobilfunkunternehmen unmittelbar Einsicht in die um Geschäftsgeheimnisse bereinigten Antwortbögen gewährt wurde, hat das Bundeskartellamt erklärt, dass dies zum Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der befragten Unternehmen jeweils notwendig war. Es hat zudem ausgeführt, dem Umstand, dass eine bestimmte Auskunft von einem bestimmten, konkreten Unternehmen erteilt worden sei, habe es keine besondere Bedeutung beigemessen und sich auch nicht auf Informationen gestützt, die nur durch das Nachvollziehen jeder qualitativen Einzelantwort eines befragten Unternehmens im Kontext aller Antworten dieses Unternehmens zutage getreten wären. Dem sind die Beschwerdeführerinnen nicht entgegengetreten. Sie haben insbesondere auch nicht dargelegt, bei welchen qualitativen Antworten von App-Entwicklern, Hardware-Herstellern oder Mobilfunkunternehmen die Identität des Antwortgebers Einfluss auf den vom Bundeskartellamt zugrunde gelegten Sachverhalt haben könnte.

180c)    Dass dem Bundeskartellamt bei der Auswertung der Rohdaten und der Erstellung der Auswertungsvermerke Fehler unterlaufen sind, die weitere Ermittlungen des Beschwerdegerichts im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes erforderlich machen würden (vgl. BGHZ 178, 285 Rn. 30 - E.ON/Stadtwerke Eschwege; BGHZ 240, 227 Rn. 169 - Amazon), zeigen die Beschwerdeführerinnen nicht auf; dafür bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte.

1813.    Auch die Aktenführung des Bundeskartellamts vermag keine formellen Mängel der angefochtenen Verfügung zu begründen. Dies gilt insbesondere für die von den Beschwerdeführerinnen beanstandete Lückenhaftigkeit der Aktenführung, die sich daraus ergeben soll, dass das Bundeskartellamt hinsichtlich der begleitenden Kommunikation zur Abwicklung von schriftlich geführten Ermittlungen teilweise ganz davon abgesehen hat, sie im vorliegenden Feststellungsverfahren zu den Akten zu nehmen.

182a)    Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt zwar, dass Behörden zur Aktenführung verpflichtet sind. Die Pflicht zur wahrheitsgetreuen und vollständigen Dokumentation in den Akten dient der Sicherung rechtsstaatlich gesetzmäßigen Verwaltungshandelns und liegt zugleich im Interesse des Einzelnen (BGH, WuW 2023, 498 Rn. 28 mwN - Wasserpreise Gießen). Eine verfahrensfehlerhaft unvollständig geführte Akte begründet jedoch für sich genommen noch nicht die formelle Rechtswidrigkeit der darauf bezogenen Behördenentscheidung, denn aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes kann und muss auch eine mangelhafte Aktenführung der Behörde im gerichtlichen Verfahren ausgeglichen werden (vgl. BGH, WuW 2023, 498 Rn. 29 mwN - Wasserpreise Gießen).

183b)    Nach diesen Grundsätzen ist der Vorwurf einer unvollständigen Dokumentation des Behördenhandelns für sich genommen von vornherein ungeeignet, die formelle Rechtmäßigkeit des Beschlusses in Frage zu stellen. Er ist vorliegend aber auch in der Sache unbegründet. Die Begleitkommunikation zu den vom Bundeskartellamt durchgeführten schriftlichen Umfragen war nicht in der Verfahrensakte zu dokumentieren, weil es sich nicht um einen wesentlichen Vorgang des Verwaltungsverfahrens handelt. Sie diente nicht unmittelbar der Informationsgewinnung des Amtes, sondern bereitete diese lediglich vor. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den von den Beschwerdeführerinnen zitierten Entscheidungen anderer Gerichte, in denen jeweils Maßnahmen, die der Informationsgewinnung dienten, nicht dokumentiert wurden (vgl. , WuW 2017, 494 Rn. 83 - Intel; , WuW 2022, 553 Rn. 188 bis 191, 205 - Qualcomm; V-6 Kart 6/17 (OWi), juris Rn. 368 bis 377, 1202 f. - Wurstkartell). Die in Randnummer 934 des Beschlusses erwähnten weiteren Umstände und Hinweise sind entgegen der Einlassung der Beschwerdeführerinnen in der Verfahrensakte dokumentiert. Das Vorliegen weiterer Beschwerden ergibt sich aus der Verfahrensakte (VV 26, 2405 bis 2422). Das vom Bundeskartellamt bereits eingeleitete Verfahren nach § 19a Abs. 2 GWB (Az.: B9-54/22) und die Verfahren ausländischer Wettbewerbsbehörden sind im Beschluss selbst dokumentiert (Rn. 15, 902, 938 und Rn. 486 bis 488, 495 bis 498, 517 f., 525 des angefochtenen Beschlusses). Diese Informationen wurden den Beschwerdeführerinnen auch zur Kenntnis gegeben.

184IV.    Der Wirksamkeit des § 19a Abs. 1 GWB sowie der auf Grund dieser Vorschrift erlassenen Feststellungsverfügung stehen keine unionsrechtlichen Gründe entgegen.

1851.    Die Vorschrift verstößt nicht gegen Art. 1 Abs. 5 Satz 1 DMA. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist § 19a Abs. 1 GWB eine Vorschrift des nationalen Wettbewerbsrechts im Sinn von Art. 1 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DMA, deren Anwendung neben den Regelungen des Digital Markets Acts zulässig ist. Sie ist darauf gerichtet, den von der Vorschrift erfassten Unternehmen andere Formen einseitiger Verhaltensweisen (Art. 1 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DMA) zu untersagen. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck des § 19a GWB (BGHZ 240, 227 Rn. 173 bis 187 - Amazon). Die zwischenzeitlich erfolgte Benennung von Apple als Torwächter hindert die Anwendung des § 19a GWB nicht (vgl. BGHZ 240, 227 Rn. 188 bis 190 - Amazon).

1862.    Die angefochtene Feststellungsverfügung nach § 19a Abs. 1 GWB steht auch in Einklang mit dem sich aus § 3 Abs. 2 TMG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 2000/31 ergebenden Verbot der Einschränkung des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat. Sie war insbesondere nicht gemäß § 3 Abs. 5 TMG (in der bis zum geltenden Fassung; nunmehr § 3 DDG) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 Buchst. b Richtlinie 2000/31 zu notifizieren. Auch das hat der Bundesgerichtshof entschieden (vgl. BGHZ 240, 227 Rn. 191 bis 194 - Amazon), worauf die Beschwerdeführerinnen nicht eingegangen sind.

1873.    Der Anwendbarkeit von § 19a GWB steht schließlich nicht seine fehlende Notifizierung gemäß Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2015/1535 entgegen, da er keine technische Vorschrift im Sinn des gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. f Richtlinie 2015/1535 ist (BGHZ 240, 227 Rn. 195 bis 207 - Amazon).

1884.    Die Anrufung des Unionsgerichtshofs ist wegen der vorstehend genannten unionsrechtlichen Fragestellungen nicht veranlasst. Insbesondere die zutreffende Auslegung des Art. 1 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DMA ist im vorliegenden Fall offenkundig. Auf die Ausführungen im (BGHZ 240, 227 Rn. 208 bis 212 - Amazon) wird Bezug genommen. An dieser Einschätzung hält der Senat auch im Hinblick auf die von den Beschwerdeführerinnen in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwände fest. So werden Zweifel, die eine Vorlage erfordern könnten, nicht dadurch begründet, dass sich einzelne Stimmen im neueren Schrifttum unter anderem wegen der auf eine Harmonisierung gerichteten Zielsetzung des DMA sowie der Wahl des Art. 114 AEUV als Ermächtigungsgrundlage für eine einschränkende Auslegung von § 19a Abs. 2 GWB ausgesprochen haben (vgl. Krönke, NZKart 2024, 616, 623 f.; Drouet/Ende, ZWeR 2024, 153, 166 f., 169). Das gilt für den vorliegenden Fall schon deshalb, weil er eine Feststellung gemäß § 19a Abs. 1 GWB betrifft und sich auch unter Zugrundlegung der genannten Rechtsauffassungen die Frage nach dem (konkreten) Anwendungsbereich des § 19a GWB erst mit Blick auf etwaige Untersagungsverfügungen nach dessen Absatz 2 stellen kann. Im Übrigen wurde die Vorschrift des Art. 1 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DMA, wie auch die Beschwerdeführerinnen einräumen, gerade mit Blick auf § 19a GWB eingefügt. Der entsprechende gesetzgeberische Wille hat sich entgegen ihrer Ansicht sowohl in Erwägungsgrund 10 als auch in Art. 1 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DMA darin niedergeschlagen, dass die dort verwendeten Formulierungen - etwa "mit denen andere Formen einseitiger Verhaltensweisen verboten werden" - gerade Raum machen für eine nationale Vorschrift wie § 19a GWB.

189Nicht durchgreifend ist auch der Einwand der Beschwerdeführerinnen (unter Berufung auf Deselaers, NZKart, 2024, 366, 369), § 19a GWB sei keine Vorschrift im Sinn von Art. 1 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DMA, weil § 19a Abs. 2 GWB nicht im Nachhinein verbotenes Verhalten in der Vergangenheit sanktioniere, sondern wie Art. 5 und Art. 6 DMA bestimmte Verhaltensweisen allein für die Zukunft für unzulässig erkläre. Schon nach dem klaren Wortlaut von Art. 1 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DMA dürfen Torwächtern durch nationale Vorschriften auch Verhaltenspflichten aufgegeben werden, die in die Zukunft wirken (so auch Krönke, NZKart 2024, 616, 623). Im Übrigen enthalten sowohl die Wettbewerbsvorschriften des Unionsrechts, Art. 101, 102 AEUV, als auch diejenigen des nationalen Kartellrechts (§§ 1, 19, 20, 21 GWB) entsprechende Verhaltenspflichten; deren Verletzung kann ebenso wie ein Verstoß gegen Art. 5 und Art. 6 DMA sanktioniert werden. Insoweit handelt es sich schon nicht um ein Kriterium, das für die durch die Erwägungsgründe 10 und 11 sowie Art. 1 Abs. 5 und 6 Satz 2 Buchst. b DMA vorgezeichnete Abgrenzung herangezogen werden könnte. Gleiches gilt für die Behauptung (Deselaers, NZKart 2024, 366, 369), § 19a GWB sei keine nationale Wettbewerbsvorschrift, weil keine Prüfung der Marktstellung des Normadressaten im Einzelfall erfolge, sondern diese allgemein und abstrakt für die Zukunft und ohne Bezug zu einer bestimmten Verhaltensweise festgestellt werde. Diese Sichtweise lässt den (zweistufigen) Aufbau des § 19a sowie den Umstand außer Acht, dass die Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb - anders als die Benennung als Torwächter nach dem DMA - keine Verhaltenspflichten nach sich zieht, sondern diese erst durch eine Verfügung nach Absatz 2 begründet werden.

190V.    Auch gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 19a Abs. 1 GWB bestehen keine Bedenken.

1911.    Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen verstößt § 19a Abs. 1 GWB in der unter II. dargelegten Auslegung nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden und begründet hat, ist insbesondere der Begriff der überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb in § 19a Abs. 1 Satz 1 GWB nach seinem Wortlaut und Regelungszweck sowie der Gesetzesbegründung einer Auslegung ohne weiteres zugänglich, zumal er durch die Kriterien des § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 5 GWB eine Konkretisierung erfährt. Damit ist das Gesetz so bestimmt, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist, und ermöglicht den von der Norm Betroffenen, in zumutbarer Weise feststellen zu können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolge vorliegen (vgl. BGHZ 240, 227 Rn. 49 - Amazon). Aus der von den Beschwerdeführerinnen in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu polizeilichen Vorfeldmaßnahmen folgt nichts Anderes, da der dort im Hinblick auf die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Eingriffsnormen angewendete Prüfungsmaßstab vom hiesigen nicht abweicht. Unabhängig davon werden durch eine Feststellungsverfügung nach § 19a Abs. 1 GWB für das betroffene Unternehmen gerade noch keine Verhaltenspflichten begründet; vielmehr erfolgt dies erst im Wege einer - gerichtlich überprüfbaren - eigenständigen Verfügung nach § 19a Abs. 2 GWB.

1922.    Wie der Bundesgerichtshof ebenfalls bereits entschieden hat, ist die - auf vertiefte Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis gestützte - Entscheidung des Gesetzgebers, Unternehmen der Digitalwirtschaft, die auf mehrseitigen Märkten und Netzwerkmärkten im Sinn des § 18 Abs. 3a GWB tätig sind, unter den Voraussetzungen des § 19a Abs. 1 GWB weitergehenden kartellrechtlichen Verhaltensbeschränkungen zu unterwerfen, auch angesichts der darin liegenden Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Normadressaten des § 19a GWB nicht zu beanstanden (BGHZ 240, 227 Rn. 213 f. - Amazon). Entsprechendes gilt für den von der Beschwerde geltend gemachten Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht, so dass dahinstehen kann, ob durch die Feststellungsverfügung überhaupt in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG eingegriffen wird.

193C.    Die Kostenentscheidung beruht auf § 71 Satz 1 GWB.

Kirchhoff                         Roloff                        Picker

                Holzinger                   Kochendörfer

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180325BKVB61.23.3

Fundstelle(n):
ZIP 2025 S. 4 Nr. 12
LAAAJ-91970