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FG Berlin-Brandenburg Urteil v. - 9 K 9146/21

Gesetze: AO § 34 Abs. 1 S. 1, AO § 69 S. 1, AO § 166, AO § 191 Abs. 1 S. 1, UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1, UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3, UStG § 17 Abs. 1 S. 2, UStG § 17 Abs. 2 Nr. 2, UStG § 18 Abs. 1, UStG § 18 Abs. 3, BGB § 387, BGB § 389

Haftung des Geschäftsführers einer nunmehr insolventen GmbH bei unterlassener Vorsteuerberichtigung infolge der Stornierung von Vorauszahlungsrechnungen über tatsächlich später nicht ausgeführte Fahrzeuglieferungen

Leitsatz

1. Die widerspruchslose Feststellung einer Umsatzsteuerforderung gegen die insolvente GmbH zur Tabelle im Insolvenzverfahren ist als unanfechtbare Steuerfestsetzung im Sinne des § 166 AO anzusehen. Die widerspruchslose Eintragung in die Insolvenztabelle wirkt wie die bestandskräftige Festsetzung der Forderung. Der Geschäftsführer der GmbH, der dem Tabelleneintrag hätte widersprechen und seinen Widerspruch gegebenenfalls hätte weiterverfolgen können, muss daher die Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle als das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Umsatzsteuerfestsetzung gegen sich im Rahmen eines diese Umsatzsteuerforderung betreffenden Haftungsverfahrens gelten lassen.

2. Hat die GmbH Rechnungen mit Vorsteuerabzug aufgrund von Kaufverträgen über noch nicht durchgeführte Fahrzeug-Lieferungen erhalten und vorausbezahlt, so steht ihr der Vorsteuerabzug für diese Vorauszahlungen zu, wenn anhand objektiver Umstände nicht erwiesen ist, dass die GmbH bzw. ihr Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Vorauszahlungen bereits wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass die Bewirkung der Lieferungen tatsächlich unsicher war. Auf eine Ungewissheit im späteren Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung der GmbH kommt es dabei nicht an.

3. Die GmbH muss den Vorsteuerabzug für diese Vorauszahlungen (siehe 2.) aber nach § 17 UStG berichtigen, wenn ihr vom Lieferanten später Stornorechnungen für diese Fahrzeuglieferungen sowie neue Rechnungen (ohne Mehrsteuerausweise) betreffend den Kauf neuer, anderer Fahrzeugen mit unterschiedlichen Typenbezeichnungen und Fahrgestellnummern übersandt worden sind, wenn also beide Vertragsparteien – GmbH und Lieferant – erkennbar von der Aufhebung der beiden ursprünglichen Kaufverträge und dem späteren Abschluss neuer Kaufverträge ausgegangen sind, wenn damit feststand, dass die in den ursprünglichen Rechnungen aufgeführten Fahrzeuge nicht mehr geliefert werden würden und sollten, und wenn die GmbH die Vorauszahlungen durch Aufrechnung mit den Kaufpreisen für die neu gelieferten Fahrzeuge zurückbekommen hat.

4. Im Fall einer Vorauszahlung für eine später nicht erbrachte Lieferung oder Leistung ist die Pflicht zur Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 UStG erst dann gegeben, wenn die Vorauszahlung von dem zur Lieferung oder Leistung verpflichteten Unternehmer an den Unternehmer, der die Vorsteuer geltend gemacht hat, zurückgewährt worden ist (vgl. , BStBl 2011 II S. 991).

5. Der Geschäftsführer der GmbH hat grob fahrlässig gehandelt und haftet daher, wenn ihm die Problematik einer möglichen Vorsteuerberichtigungspflicht der GmbH infolge von Rechnungsstornierungen (siehe 2. und 3.) bekannt war und er deswegen aber nur bei dem für den Lieferanten zuständigen Finanzamt, trotz eines entsprechenden Hinweises dieses Finanzamt aber nicht bei dem für die GmbH zuständigen Finanzamt nachgefragt, sondern die Berichtigung unterlassen hat. Der Grundsatz der Haftungsbeschränkung, wonach der in Anspruch genommene Haftungsschuldner nur im Rahmen der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger haftet, kommt nicht zur Anwendung, wenn die durch die unterlassene Berichtigung des Vorsteuerabzugs unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärung der GmbH dem Finanzamt die damals bestehende Möglichkeit zur vollumfänglichen Aufrechnung mit Umsatzsteuerguthaben der GmbH genommen hat.

Fundstelle(n):
VAAAJ-91556

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