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BFH Urteil v. - VIII R 22/22

Keine nochmalige Einzahlung von bereits geleistetem Nennkapital im Fall einer wirtschaftlichen Neugründung

Leitsatz

1. Eine Leistung in das Nennkapital einer AG liegt vor, soweit der Aktionär mit seiner Zahlung an die Gesellschaft die durch die Übernahme der Aktien entstandene Einlageforderung der Gesellschaft erfüllt und dadurch zum Erlöschen bringt.

2. Im Fall der wirtschaftlichen Neugründung lebt die durch die Einlageleistung der Gründer bereits erloschene Einlageforderung der AG nicht wieder auf.

3. Eine im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Neugründung erbrachte Einlage ist nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes im steuerlichen Einlagekonto auszuweisen, sofern sie nicht zur Erfüllung noch nicht eingeforderter ausstehender Einlagen erbracht worden ist.

Gesetze: KStG § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Die Beteiligten streiten über den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum .

2 Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine mit einem Grundkapital in Höhe von 50.000 € errichtete AG. Gegenstand der Klägerin war zunächst .

3 Nach dem Jahresabschluss zum verfügte die Klägerin über ein Bankguthaben in Höhe von 187,50 €. Auf der Passivseite der Bilanz wurden ein Fehlbetrag in Höhe von 854,24 € und ein Verlustvortrag in Höhe von 14.229,84 € ausgewiesen. Vom gezeichneten Kapital in Höhe von 50.000 € standen 37.500 € noch aus. Mit notariellem Vertrag vom wurden die 50 000 nennwertlosen Stückaktien der Klägerin an einen neuen Alleingesellschafter veräußert.

4 Am beschloss die Hauptversammlung der Klägerin eine neue Satzung, änderte die Firma in A AG und verlegte den Sitz nach H. Unternehmensgegenstand war danach . sowie . Der neue Alleinaktionär wurde Vorstand. Am überwies er 12.500 € unter dem Verwendungszweck „Einlage 25 Prozent Stammkapital“ auf das Girokonto der Klägerin. Mit der Anmeldung zum Handelsregister gab die Klägerin an, es habe eine wirtschaftliche Neugründung stattgefunden. Die Anmeldung enthielt die Versicherung, dass die Klägerin mindestens über ein Gesellschaftsvermögen in Höhe von einem Viertel der Grundkapitalziffer (also mindestens 12.500 €) verfüge und dass das Vermögen endgültig zur freien Verfügung des Vorstands stehe.

5 Mit Erklärung vom zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum gab die Klägerin den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs mit 0 € und im Wirtschaftsjahr geleistete Einlagen von 2.827 € und 12.500 € an. Im Jahresabschluss zum wies die Klägerin auf der Passivseite ein gezeichnetes Kapital in Höhe von 50.000 € aus (37.500 € ausstehende Einlagen und 12.500 € Kapitalrücklage).

6 Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) folgte dem nicht. Die Einzahlung von 12.500 € im Rahmen der wirtschaftlichen Neugründung sei in das Nennkapital geleistet worden. Mit Bescheid zum über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 des im Streitzeitraum anzuwendenden Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vom stellte das FA den Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 2.827 € fest.

7 Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage stattgegeben und den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum mit 15.327 € festgestellt. Die Einzahlung in Höhe von 12.500 € vom sei nicht in das Nennkapital geleistet worden und erhöhe deshalb den Bestand des steuerlichen Einlagekontos. Die Begründung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 221 veröffentlicht.

8 Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 27 KStG.

9 Das FA beantragt,

das aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10 Die Klägerin beantragt,

die Revision des FA zurückzuweisen.

Gründe

II.

11 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Klage ist zulässig (1.). Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass die Einlage in Höhe von 12.500 € den Bestand des steuerlichen Einlagekontos erhöht hat (2.).

12 1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist insbesondere hinsichtlich der gesonderten Feststellung gemäß § 27 Abs. 2 KStG klagebefugt. Davon ist das FG zu Recht (stillschweigend) ausgegangen.

13 Der Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 KStG richtet sich gegen die Klägerin als Inhaltsadressatin. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Klägerin keine unmittelbare Bedeutung zukommt, kann sie gegen den Feststellungsbescheid außergerichtlich und gerichtlich vorgehen (vgl. , BFHE 278, 435, BStBl II 2023, 504, Rz 15, m.w.N.).

14 2. Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass die im Streitjahr geleistete Einlage von 12.500 € den Bestand des steuerlichen Einlagekontos auf 15.327 € erhöht hat, da sie nicht in das Nennkapital geleistet worden ist.

15 a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG hat eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto bezweckt, die im Fall der Einlagenrückgewähr (§ 27 Abs. 1 Satz 3 KStG) nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht steuerbaren Bezüge von grundsätzlich steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen zu separieren (vgl. , BFH/NV 2010, 248, unter B.I.1., m.w.N.). Ausgenommen sind in das Nennkapital geleistete Einlagen. Sie werden nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasst. Dabei handelt es sich um das durch Einlagen aufgebrachte (echte) Nennkapital. Zwar ist auch dessen Rückzahlung nicht steuerbar (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG), es bedarf insoweit aber keiner gesonderten Feststellung, weil das Nennkapital bereits in der Bilanz gesondert ausgewiesen wird.

16 b) Eine Leistung in das Nennkapital einer AG liegt vor, soweit der Aktionär mit seiner Zahlung an die Gesellschaft die durch die Übernahme der Aktien entstandene Einlageforderung der Gesellschaft erfüllt und dadurch zum Erlöschen bringt.

17 aa) Nennkapital einer AG ist das in der Satzung bestimmte Grundkapital (§§ 5, 6 des Aktiengesetzes —AktG—). Nach der Übernahme aller Aktien durch die Gründer (§ 29 AktG) im Zuge der Errichtung muss die Gesellschaft vor der Anmeldung zum Handelsregister einen Teil der Einlage von den Aktionären einfordern, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind (§ 36 Abs. 2, § 36a Abs. 1 AktG). Die Aktionäre müssen die geschuldete und eingeforderte Einlage zur freien Verfügung des Vorstands einzahlen (§ 54 Abs. 3 AktG). Geschieht dies, bewirken die Aktionäre eine Einzahlung in das Nennkapital. Sie bringen dadurch in Höhe der geleisteten Einlage die Einlageforderung der Gesellschaft durch Erfüllung zum Erlöschen (§ 362 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs); in Höhe der noch nicht eingeforderten und noch nicht erbrachten Einlage bleiben sie zur Leistung verpflichtet.

18 bb) In der Handelsbilanz wird das Grundkapital der Gesellschaft als gezeichnetes Kapital ausgewiesen (§ 266 Abs. 3 des HandelsgesetzbuchsHGB—), wobei die ausstehenden (noch nicht eingeforderten und noch nicht geleisteten) Einlagen auf das gezeichnete Kapital von dem Posten „Gezeichnetes Kapital“ offen abzusetzen sind (§ 272 Abs. 1 Satz 2 HGB). Aus der Bilanz ist mithin ersichtlich, in welcher Höhe Einzahlungen in das Nennkapital erbracht worden sind und in welcher Höhe das Nennkapital noch als Forderung gegen die Gesellschafter fortbesteht (ausstehende Einlagen).

19 cc) Mit der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister ist unter anderem nachzuweisen, dass der auf die eingeforderte Einlage eingezahlte Betrag endgültig zur freien Verfügung des Vorstands steht (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AktG); bei Einzahlung auf ein Bankkonto der Gesellschaft ist der Nachweis durch eine Bestätigung des kontoführenden Instituts zu führen (§ 37 Abs. 1 Satz 3 AktG).

20 dd) Im Fall einer wirtschaftlichen Neugründung einer Kapitalgesellschaft sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden (vgl. , BGHZ 153, 158, unter III.1.). Das bedeutet, dass die wirtschaftliche Neugründung beim Registergericht anzumelden ist, um diesem eine (erneute) Gründungsprüfung zu ermöglichen und sicherzustellen, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Neugründung über ein Vermögen in Höhe der auf das Grundkapital geleisteten Einlagen tatsächlich noch verfügt (vgl. , BGHZ 171, 293, unter II.1.). Unterbleibt die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung, haftet der Gesellschafter begrenzt auf eine Unterbilanz, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung entweder durch die Anmeldung der Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung getreten ist (vgl. , BGHZ 192, 341, unter II.3.b bb).

21 c) Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat der Alleinaktionär der Klägerin im Zuge der wirtschaftlichen Neugründung der Klägerin, wie vom FG zutreffend entschieden, nicht in das Nennkapital der Gesellschaft geleistet.

22 aa) Bei der Überweisung vom in Höhe von 12.500 € auf das Girokonto der Klägerin handelte es sich unstreitig um eine Einlage (zum Begriff , BFH/NV 2006, 616, unter B.I.3.b, m.w.N.).

23 bb) Der Alleinaktionär der Klägerin hat im Zuge der wirtschaftlichen Neugründung nicht auf die ausstehenden Einlagen geleistet. Das hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt. In der Bilanz der Klägerin zum sind die ausstehenden Einlagen unverändert mit 37.500 € ausgewiesen. Der Alleinaktionär der Klägerin wollte mit der Einzahlung von 12.500 € zudem erkennbar nur die Voraussetzungen für die Eintragung der wirtschaftlichen Neugründung erfüllen. Insofern bestand keine Veranlassung, auf die ausstehenden Einlagen zu leisten. Weder hatte die Klägerin diese eingefordert noch wäre eine Zahlung auf die ausstehenden Einlagen geeignet gewesen, die bis zur wirtschaftlichen Neugründung entstandene Unterbilanz zu beseitigen.

24 cc) Der Alleinaktionär der Klägerin hat auch nicht (erneut) auf die bei Gründung der Klägerin bereits eingezahlte Einlage geleistet. Im Streitfall war bei Gründung der Klägerin entsprechend § 36a Abs. 1 AktG ein Viertel des gezeichneten Kapitals eingezahlt worden. Insoweit ist die ursprüngliche Einlageforderung der Klägerin durch Erfüllung erloschen. Eine erneute Leistung auf diese bereits erloschene Forderung war nicht möglich.

25 dd) Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, dass bereits eingezahltes Nennkapital bilanziell unverändert auszuweisen ist, solange nicht eine Kapitalherabsetzung erfolgt oder das Nennkapital nach Auflösung der Gesellschaft ausgezahlt wird. Der Rechtsprechung des BGH ist nicht zu entnehmen, dass eine durch Einlageleistung der Gründer bereits erloschene Einlageforderung der Kapitalgesellschaft im Fall der wirtschaftlichen Neugründung wiederauflebt. Insofern erscheint die Formulierung des FG, wonach das Nennkapital „wiederaufgefüllt“ werden müsse, zumindest missverständlich. „Wiederaufgefüllt“ werden muss —zur Vermeidung einer Unterbilanzhaftung— das Vermögen der Gesellschaft, soweit es den Betrag der bei der Gründung nachzuweisenden Mindesteinzahlung auf das Grundkapital im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung unterschreitet (vgl. , BGHZ 153, 158, Rz 12). Diese Einzahlung dient dem Gläubigerschutz und soll gewährleisten, dass im Fall der wirtschaftlichen Neugründung die Anforderungen an die reale Kapitalaufbringung wie im Fall der Gründung beachtet werden (vgl. , BGHZ 155, 318, unter III.2.). Das bedeutet nicht, dass (erneut) in das Nennkapital geleistet werden muss oder geleistet werden kann. Dem Gläubigerschutz ist in gleicher Weise genügt, wenn die Einzahlung bei der Gesellschaft als Kapitalrücklage erfasst wird.

26 ee) Unerheblich ist, dass der Alleinaktionär der Klägerin als Verwendungszweck der Einzahlung „Einlage 25 Prozent Stammkapital“ angegeben hat. Dabei handelte es sich, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, um eine unschädliche Falschbezeichnung. Der Sache nach handelt es sich um eine Einzahlung in die Kapitalrücklage, die den Bestand des steuerlichen Einlagekontos erhöht.

27 3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

28 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.250225.VIIIR22.22.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-91364