Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Verordnung (EU) Nr. 952/2013 – Zollkodex der Union – Art. 116 Abs. 7 – Wiederaufleben der Zollschuld – Begriff der ,zu Unrecht‘ gewährten Erstattung – Fehlerhafte zolltarifliche Einreihung
Leitsatz
Art. 116 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union
ist dahin auszulegen, dass
er nicht nur Situationen betrifft, in denen Zölle infolge eines Versehens der Zollbehörden erstattet wurden, sondern auch Situationen, in denen diese Behörden bewusst eine zolltarifliche Einreihung vorgenommen haben und diese sich später als unrichtig erwiesen hat.
Gesetze: VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 28 Abs. 1, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 103 Abs. 1, VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 116 Abs. 7
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 116 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Union).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Celní jednatelství Zelinka s. r. o. und der Generální ředitelství cel (Generaldirektion Zoll, Tschechische Republik) wegen eines Bescheids über das Wiederaufleben einer Zollschuld.
Rechtlicher Rahmen
Zollkodex der Union
3 Im 26. Erwägungsgrund des Zollkodex der Union heißt es:
„Um den Erfordernissen der Zollbehörden im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften in gleichem Maße Rechnung zu tragen wie dem Recht der Wirtschaftsbeteiligten auf eine gerechte Behandlung, sollten umfangreiche Kontrollmöglichkeiten für die Zollbehörden und ein Rechtsbehelf für die Wirtschaftsbeteiligten vorgesehen werden.“
4 Art. 28 Abs. 1 des Zollkodex der Union bestimmt:
„Eine begünstigende Entscheidung wird außer in den Fällen des Artikels 27 widerrufen oder geändert, wenn
eine oder mehrere der Voraussetzungen für ihren Erlass nicht erfüllt waren oder nicht mehr erfüllt sind …
...“
5 Art. 103 Abs. 1 des Zollkodex der Union lautet:
„Eine Zollschuld darf dem Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Tag des Entstehens der Zollschuld nicht mehr mitgeteilt werden.“
6 Art. 116 des Zollkodex der Union sieht vor:
„(1) Die Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbeträge werden unter den in diesem Abschnitt festgelegten Voraussetzungen aus jedem nachstehenden Grund erstattet oder erlassen:
zu hoch bemessener Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag,
schadhafte Waren oder Waren, die den Vertragsbedingungen nicht entsprechen,
Irrtum der zuständigen Behörden,
Billigkeit.
Die Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbeträge werden erstattet, wenn eine Zollanmeldung nach Artikel 174 für ungültig erklärt wird und die entsprechenden Abgaben bereits entrichtet worden sind.
…
(7) Haben die Zollbehörden die Erstattung oder den Erlass zu Unrecht gewährt, so lebt die ursprüngliche Zollschuld wieder auf, soweit sie nicht nach Artikel 103 verjährt ist.
…“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
7 Celní jednatelství Zelinka führt elektronische Produkte (im Folgenden: fragliche Waren) in die Europäische Union ein. Sie hatte diese Waren in ihrer Zollanmeldung ursprünglich in die Position 8521 90 00 90 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1, im Folgenden: KN) eingereiht. Für diese Position gilt ein Zollsatz von 8,7 %. Auf der Grundlage dieser Anmeldung setzte der Celní úřad pro hlavní město Prahu (Zollamt der Stadt Prag, Tschechische Republik) gegen Celní jednatelství Zelinka Zölle in Höhe von 1.541.018 tschechischen Kronen (CZK) (rund 60.000 Euro) fest.
8 In der Folge beantragte Celní jednatelství Zelinka beim Zollamt der Stadt Prag die Änderung der zolltariflichen Einreihung der fraglichen Waren sowie die Rückerstattung der entrichteten Zölle. Sie berief sich dabei auf die einem anderen Wirtschaftsteilnehmer vom Celní úřad pro Olomoucký kraj (Zollamt der Olmützer Region [Olomoucký kraj], Tschechische Republik) erteilte verbindliche Zolltarifauskunft, in der identische Waren in die Position 8517 62 00 00 der KN eingereiht worden waren, für die ein Zollsatz von 0 % gilt. Das Zollamt der Stadt Prag gab diesem Antrag statt.
9 Am leitete der Celní úřad pro Jihomoravský kraj (Zollamt der Südmährischen Region [Jihomoravský kraj], Tschechische Republik) bei Celní jednatelství Zelinka eine Kontrolle ein, um die zolltarifliche Einreihung der fraglichen Waren zu überprüfen. Nach Abschluss dieser Kontrolle stellte das Zollamt fest, dass diese Waren in die KN-Position 8521 90 00 90 hätten eingereiht werden müssen, wie dies auch ursprünglich geschehen sei und nunmehr eindeutig aus der KN in ihrer durch die Durchführungsverordnung (EU) 2021/532 der Kommission vom (ABl. 2021, L 106, S. 55) geänderten Fassung hervorgehe.
10 Am beschloss das Zollamt der Stadt Prag nach Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union, wegen des Wiederauflebens der Zollschuld einen Betrag von insgesamt 1.541.018 CZK (rund 60.000 Euro) bei Celní jednatelství Zelinka nachzuerheben. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Zölle aufgrund eines Irrtums der Zollbehörde erstattet worden seien, da diese die fraglichen Waren in eine falsche Tarifposition eingereiht habe.
11 Nach der Zurückweisung ihres gegen diese Entscheidung eingelegten Rechtsbehelfs durch die Generaldirektion Zoll erhob Celní jednatelství Zelinka Klage beim Městský soud v Praze (Stadtgericht Prag, Tschechische Republik), die ebenfalls erfolglos blieb.
12 Celní jednatelství Zelinka legte gegen diese Entscheidung beim Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik), dem vorlegenden Gericht, Rechtsmittel ein. Zur Begründung machte sie geltend, dass Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union in seiner tschechischen Sprachfassung nur Fälle betreffe, in denen die Zollbehörde die Zölle versehentlich erstattet habe. Somit gehe es um Situationen, die Folge einer unbeabsichtigten Handlung der Zollbehörde seien, und nicht um Situationen, in denen die Zollbehörde bewusst eine zolltarifliche Einreihung vorgenommen und diese sich später als unrichtig erwiesen habe.
13 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kommt es für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits auf die Auslegung des in Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union enthaltenen Ausdrucks „zu Unrecht“ an.
14 Unter diesen Umständen hat der Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist der Begriff „zu Unrecht“ in Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union dahin auszulegen, dass die Zollschuld nur dann wieder auflebt, wenn die Erstattung der Zölle durch eine unbeabsichtigte Handlung der Zollbehörde verursacht wurde, oder kann dieser Begriff auch eine fehlerhafte Entscheidung der Zollbehörde über die zolltarifliche Einreihung der Waren erfassen?
Zur Vorlagefrage
15 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union dahin auszulegen ist, dass er nur Situationen betrifft, in denen Zölle infolge eines Versehens der Zollbehörden erstattet wurden, oder auch Situationen, in denen diese Behörden bewusst eine zolltarifliche Einreihung vorgenommen haben und diese sich später als unrichtig erwiesen hat.
16 Vorab ist festzustellen, dass der Zollkodex der Union weder für den Ausdruck „zu Unrecht“ noch für „zu Unrecht gewährt“ eine Definition enthält.
17 Was den Wortlaut der in Rede stehenden Vorschrift angeht, so kann nach Auffassung des vorlegenden Gerichts bestimmten Sprachfassungen dieser Vorschrift entnommen werden, dass das Wiederaufleben der Zollschuld eine zu Unrecht vorgenommene, aber nicht beabsichtigte Handlung der Zollbehörde voraussetze. Dies gelte etwa für die tschechische Sprachfassung dieser Bestimmung, in der der Begriff „omylem“ verwendet werde, sowie für die polnische („omyłkowo“) und die slowakische („omylom“) Sprachfassung.
18 Dagegen würden in anderen Sprachfassungen von Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union Begriffe mit einer umfassenderen Bedeutung verwendet, die sich nicht nur auf eine unbeabsichtigte Handlung der Zollbehörden bezögen. Dies sei etwa der Fall bei der spanischen („erróneamente“), der deutschen („zu Unrecht“), der englischen („error“), der französischen („à tort“), der italienischen („errore“), der niederländischen („ten onrechte“), der portugiesischen („erradamente“) und der schwedischen („felaktigt“) Sprachfassung.
19 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen kann. Die Vorschriften des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstexts der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteile vom , Bouchereau, 30/77, EU:C:1977:172, Rn. 14, vom , Banca Transilvania, C‑81/19, EU:C:2020:532, Rn. 33, und vom , Trapeza Peiraios, C‑243/20, EU:C:2021:1045, Rn. 32).
20 Was die allgemeine Systematik der Regelung angeht, zu der Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union gehört, so ist festzustellen, dass diese Vorschrift Teil von Abschnitt 3 („Erstattung und Erlass“) in Kapitel 3 („Erhebung, Entrichtung, Erstattung und Erlass des Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrags“) des Titels III („Zollschuld und Sicherheitsleistung“) des Zollkodex ist. Die Bestimmung fügt sich also, wie auch die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen betont, in eine Reihe von Vorschriften betreffend den Erlass und die Erstattung der Zollschuld ein, die wiederum Teil einer größeren Gruppe von Bestimmungen des Zollkodex sind, die sich auf die Erhebung von Ein- oder Ausfuhrabgaben beziehen.
21 Da der Erlass von Abgaben gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex der Union zum Erlöschen der Zollschuld führt, muss er Gegenstand einer engen Auslegung sein. Dieser Artikel trägt nämlich der Notwendigkeit Rechnung, die Eigenmittel der Union zu schützen (Urteil vom , Berel u.a., C‑78/10, EU:C:2011:93, Rn. 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Folglich bedarf es umgekehrt einer weiten Auslegung von Art. 116 Abs. 7 Unterabs. 1 des Zollkodex der Union, wonach die ursprüngliche Zollschuld wieder auflebt, wenn die Zollbehörden die Erstattung oder den Erlass zu Unrecht gewährt haben.
23 Was den Zweck der Regelung angeht, zu der die in Rede stehende Bestimmung gehört, ist darauf hinzuweisen, dass es im Interesse sowohl der Wirtschaftsteilnehmer als auch der Zollbehörden liegt, dass Entscheidungen über die Zollschuld sachlich richtig sind, sofern die sich aus den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ergebenden Anforderungen eingehalten werden. Mit dem Zollkodex der Union soll nämlich, wie seinem 26. Erwägungsgrund zu entnehmen ist, eine ordnungsgemäße Erhebung der Zölle sichergestellt werden (vgl. entsprechend Urteile vom , Greencarrier Freight Services Latvia, C‑571/12, EU:C:2014:102, Rn. 32, und vom , Veloserviss, C‑427/14, EU:C:2015:803, Rn. 26).
24 Daher sieht Art. 28 Abs. 1 Buchst. a in Titel I („Allgemeine Vorschriften“) des Zollkodex der Union vor, dass eine begünstigende Entscheidung widerrufen oder geändert wird, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen für ihren Erlass nicht erfüllt waren oder nicht mehr erfüllt sind. Im Hinblick auf diese Vorschrift hat der Gerichtshof in Bezug auf verbindliche Zolltarifauskünfte bereits entschieden, dass die Zollbehörden, wenn sie ihre eigene Auslegung der für die zolltarifliche Einreihung der betreffenden Waren anwendbaren gesetzlichen Vorschriften für falsch halten, ihre Entscheidung widerrufen und die zolltarifliche Einreihung ändern dürfen. Dies gilt sowohl bei einem Beurteilungsfehler als auch bei einer geänderten Auffassung in Bezug auf die zolltarifliche Einreihung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Timmermans Transport und Hoogenboom Production, C‑133/02 und C‑134/02, EU:C:2004:43, Rn. 24 und 25).
25 Diese Erwägungen sprechen dafür, Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union dahin auszulegen, dass die Zollbehörden die ursprüngliche Zollschuld wieder aufleben lassen können, wenn sie zunächst eine Erstattung der Zollschuld auf der Grundlage einer zolltariflichen Einreihung der Waren vorgenommen haben und sich diese danach als unrichtig erwiesen hat.
26 Eine solche Auslegung wird auch gestützt von der Rechtsprechung zu Art. 78 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1), aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft (Modernisierter Zollkodex) (ABl. 2008, L 145, S. 1), diese wiederum aufgehoben durch den Zollkodex der Union. Nach dieser Vorschrift mussten die Zollbehörden, wenn eine nachträgliche Prüfung der Zollanmeldung durch sie ergab, dass die Zölle anhand unrichtiger oder unvollständiger Grundlagen berechnet worden waren, die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln. Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass diese Vorschrift dahin auszulegen ist, dass sie u.a. den Zollbehörden erlaubt, eine nachträgliche Prüfung einer Zollanmeldung vorzunehmen und daraus die Konsequenzen zu ziehen, indem sie eine neue Zollschuld festsetzen. Dabei hat er den speziellen Gedanken berücksichtigt, der dieser Bestimmung zugrunde liegt und darin besteht, das Zollverfahren auf die tatsächliche Situation abzustimmen, indem die tatsächlichen Irrtümer und Unterlassungen sowie die Irrtümer bei der Auslegung des anwendbaren Rechts berichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Südzucker u.a., C‑608/10, C‑10/11 und C‑23/11, EU:C:2012:444, Rn. 47, und vom , Veloserviss, C‑427/14, EU:C:2015:803, Rn. 22 bis 28). Da Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union auf demselben Gedanken fußt, muss er den Zollbehörden demnach ermöglichen, die ursprüngliche Zollschuld wieder aufleben zu lassen, wenn sich herausstellt, dass ihre Erstattung auf der Grundlage einer fehlerhaften zolltariflichen Einreihung erfolgt ist.
27 Celní jednatelství Zelinka macht in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, dass die Einhaltung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes gleichwohl zu einer Auslegung von Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union in dem Sinne führen müsse, dass die Zollschuld nur wieder aufleben könne, wenn die Zölle infolge eines Versehens der Zollbehörden erstattet worden seien.
28 Insoweit ist die Befugnis der Zollbehörden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Situation zu regeln, zwar an die Einhaltung der sich aus diesen Grundsätzen ergebenden Anforderungen geknüpft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Veloserviss, C‑427/14, EU:C:2015:803, Rn. 29). Eine Auslegung dieser Bestimmung, wonach sich deren Anwendungsbereich nicht auf Versehen der Zollbehörden beschränkt, erscheint jedoch als solche nicht unvereinbar mit diesen Anforderungen.
29 Was den Grundsatz der Rechtssicherheit betrifft, unterliegt die Möglichkeit, die ursprüngliche Zollschuld wieder aufleben zu lassen, nämlich der Voraussetzung, dass diese Zollschuld nicht nach Art. 103 des Zollkodex der Union verjährt ist. Gemäß dieser Vorschrift läuft die Verjährungsfrist im Allgemeinen drei Jahre nach dem Tag des Entstehens der Zollschuld ab.
30 Die Festlegung einer angemessenen Verjährungsfrist dient nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dem Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Rechtsbürger und die betreffende Verwaltung schützt, und hindert den Rechtsbürger nicht daran, die durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte auszuüben. Daher muss es den Zollbehörden innerhalb der Verjährungsfrist erlaubt sein, die Zollschuld zu ändern (vgl. entsprechend Urteil vom , Veloserviss, C‑427/14, EU:C:2015:803, Rn. 32 und 37).
31 Zum Grundsatz des Vertrauensschutzes ist festzustellen, dass ein Abgabenschuldner als Wirtschaftsteilnehmer vor dem Ablauf der Verjährungsfrist das Risiko akzeptieren muss, dass die Zollbehörden die Entscheidung in Bezug auf die Zollschuld unter Berücksichtigung neuer Tatsachen, über die sie Kenntnis erlangt haben, revidieren (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom , Veloserviss, C‑427/14, EU:C:2015:803, Rn. 41 und 42).
32 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 116 Abs. 7 des Zollkodex der Union dahin auszulegen ist, dass er nicht nur Situationen betrifft, in denen Zölle infolge eines Versehens der Zollbehörden erstattet wurden, sondern auch Situationen, in denen diese Behörden bewusst eine zolltarifliche Einreihung vorgenommen haben und diese sich später als unrichtig erwiesen hat.
Kosten
33 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 116 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union
ist dahin auszulegen, dass
er nicht nur Situationen betrifft, in denen Zölle infolge eines Versehens der Zollbehörden erstattet wurden, sondern auch Situationen, in denen diese Behörden bewusst eine zolltarifliche Einreihung vorgenommen haben und diese sich später als unrichtig erwiesen hat.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:296
Fundstelle(n):
VAAAJ-90665