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Heirat per Video-Call
Anmerkung zum
Auslandsbezüge sind im Rahmen der Vermögens- und Nachfolgeplanung keine Seltenheit. Aufgrund der zunehmenden Mobilität stellen sich immer wieder neue Fragen im Kontext des Kollisionsrechts. So musste der zuletzt entscheiden, ob eine wirksame Eheschließung per Videotelefonie möglich ist. Der Aufsatz stellt die Entscheidung des BGH dar und erörtert sodann, was bei einer Eheschließung im Ausland aus deutscher Sicht (insbesondere aus formeller Sicht) zu berücksichtigen ist, damit die Ehe in Deutschland anerkennungsfähig ist. Auf die Voraussetzungen der Eheschließung folgt eine Auseinandersetzung mit den rechtlichen Auswirkungen einer internationalen Ehe, insbesondere im Hinblick auf das Güterstatut.
In Deutschland existiert kein besonderes Verfahren zur Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen. Die Wirksamkeit einer solchen Ehe ist daher häufig inzident als Vorfrage zu prüfen.
Die Anerkennung ist nicht durch einheitliches Unionsrecht geregelt. Das auf Anerkennungsfragen anzuwendende Recht bestimmt sich daher nach den nationalen Kollisionsnormen.
Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass die Ehe im Ausland formell und materiell wirksam geschlossen wurde. Die Formgültigkeit richtet sich kollisionsrechtlich grundsätzlich nach Art. 11 EGBGB, sofern nicht die spezielle Formvorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB eingreift. Entscheidendes Kriterium ist hierbei der Ort der Eheschließung, der als physischer Ort der Anwesenheit der Eheschließenden betrachtet wird.
I. BGH-Beschluss zur „Online-Eheschließung“
Mit hat der BGH festgestellt, dass Erklärungen, die im Rahmen einer Eheschließung per Videotelefonie aus Deutschland vor einem Trauungsorgan im Ausland abgegeben werden, unwirksam sind. Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass nach seiner Auffassung bei Abgabe der Eheschließungserklärungen in Deutschland eine Eheschließung im Inland vorliegt, die nach den im Inland geltenden Formvorschriften geschlossen werden muss.
Die Antragsteller, beide nigerianische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, hatten im Jahr 2021 ihre Eheschließung per Videotelefonie vor einer amerikanischen Behörde im Bundesstaat Utah vorgenommen, während sie sich in Deutschland aufhielten. Im Anschluss erhielten sie eine amerikanische Eheurkunde mit Apostille. Die Eheschließung wurde allerdings von der zuständigen deutschen Meldebehörde nicht anerkannt, so dass die Antragsteller eine weitere Eheschließung in Deutschland beabsichtigten. Es stellte sich dann allerdings die Frage, ob die Eheschließung in Utah einer erneuten Eheschließung in Deutschland entgegensteht. Hierüber hatte der BGH zu entscheiden.
Nach dem BGH ist die Zulässigkeit der Eheschließung per Videotelefonie eine Formfrage, die kollisionsrechtlich nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB „im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden“ könne. Die spezielle Regelung des Art. 13 Abs. 4 EGBGB verdränge die allgemeine Kollisionsnorm für die Form von Rechtsgeschäften (Art. 11 EGBGB). In Übereinstimmung mit dem deutschen Sachrecht ist eine Eheschließung im Inland nur dann rechtsgültig, wenn die Erklärungen zur Eheschließung gem. den §§ 1310, 1311 BGB vor einem Standesbeamten und in dessen Anwesenheit abgegeben werden. Auch eine im Ausland vor einer ausländischen Behörde geschlossene Ehe wird daher gem. Art. 13 Abs. 4 EGBGB als Eheschließung im Inland betrachtet, sofern die Erklärungen der Verlobten in Deutschland abgegeben wurden. Entscheidend ist mithin der Ort der Abgabe der Erklärung durch die Eheschließenden. Der BGH folgt somit nicht der entgegenstehenden Auffassung, dass Art. 11 EGBGB in diesen Fällen anwendbar sei. Diese AufS. 115fassung stellt auf den Ort der Registrierung ab, welcher vorliegend in Utah, also in den USA, gewesen wäre. Nach dem BGH werde die konstitutive Wirkung der Registrierung im Ausland lediglich bei Anwendbarkeit des ausländischen Formstatuts berücksichtigt. Eine Eheschließung per Videotelefonie, bei der keine physische Anwesenheit vor einem deutschen Standesbeamten gegeben ist, erfülle nicht die erforderlichen formalen Anforderungen nach deutschem Recht. Die Ehe gilt daher als nicht geschlossen.
Kern der Entscheidung des BGH ist, dass die kollisionsrechtlichen Formvorschriften an den physischen Ort der Anwesenheit der Eheschließenden und der Abgabe der Eheschließungserklärungen anknüpfen. Erfolgt die Abgabe dieser Erklärungen in Deutschland, greift Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB und die Ehe wird nach deutschem Recht nur dann als rechtsgültig anerkannt, wenn diese Erklärungen in Übereinstimmung mit den deutschen Formvorschriften, insbesondere der physischen Anwesenheit vor einem Standesbeamten im Inland, abgegeben werden.
Nach dem BGH besteht insofern kein Wertungswiderspruch zu sog. Handschuhehen. Eine Handschuhehe ist eine Trauung per Stellvertreter. Zu dieser Konstellation hat derselbe Senat des BGH im Jahr 2021 entschieden, dass eine Eheschließung von in Deutschland ansässigen Personen im Wege der doppelten Stellvertretung vor einer ausländischen Behörde gem. Art. 11 Abs. 1, Abs. 3 EGBGB anzuerkennen ist, wenn die „Handschuhehe“ im Ausland anerkannt ist und der deutsche ordre public nicht verletzt wird. Voraussetzung für die Anerkennung ist allerdings, dass es sich lediglich um eine Stellvertretung in der Erklärung und nicht im Willen der Parteien handele. Insbesondere muss der Eheschließende im Rahmen der Bevollmächtigung den zukünftigen Ehepartner festlegen. Auch bei Stellvertreterehen sind somit kollisionsrechtlich die Formvorschriften des Ortes der Abgabe der Eheschließungserklärungen maßgeblich.
Entscheidender Unterschied zwischen den vorliegenden Konstellationen ist der Ort der Eheschließung. Für die oben geschilderte Eheschließung per Videotelefonie ist Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB als lex specialis anzuwenden und es sind zwingend die Formvorschriften im Inland zu erfüllen. Befindet sich der Ort der Eheschließung jedoch im Ausland, ist Art. 11 EGBGB anwendbar und die Einhaltung der jeweiligen Ortsform ist ausreichend. Die Anwendung und Auslegung des Kollisionsrechts durch den BGH erfolgen in dieser Entscheidung konsequent, indem er die spezifischen Formvorschriften für die Eheschließung je nach Ort der Eheschließung klar unterscheidet und entsprechend anwendet. Ob eine solche strenge Anknüpfung an den Ort, mit Blick auf die Möglichkeit durch eine doppelte Handschuhehe die deutschen materiellen Eheschließungsvoraussetzungen zu umgehen, letztlich zeitgemäß und sinnvoll erscheint, ist jedoch durchaus umstritten.