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BGH Beschluss v. - 1 StR 62/24

Instanzenzug: Az: 8 KLs 211 Js 62072/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beilhilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Fälle II. 1. - 4. der Urteilsgründe) und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle II. 5. und 6. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 24.775 € angeordnet. Der Angeklagte wendet sich mit der auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Den Verfahrensbeanstandungen bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen der Erfolg versagt.

32. Auf die Sachrüge ist die Verurteilung des Angeklagten aufzuheben. Zwar lässt das Urteil nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht keinen Rechtsfehler erkennen. Jedoch ist am das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom (BGBl. I Nr. 109; KCanG) in Kraft getreten. In der gegebenen Konstellation kann der Senat jedoch nicht entscheiden, ob die bei der Tat oder die nunmehr geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB und daher anzuwenden ist (§ 354a StPO).

4a) Da der Umgang mit Konsumcannabis nunmehr abschließend im Konsumcannabisgesetz geregelt ist, sind damit im Zusammenhang stehende Taten allein nach § 34 KCanG zu bewerten, wenn dieses sich gemäß § 2 Abs. 3 StGB als das mildere Gesetz erweist. Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, das anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 382/24 Rn. 3 und vom – 3 StR 154/24 Rn. 5). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 108/24 Rn. 6; vom – 3 StR 159/24 Rn. 10 und vom – 3 StR 154/24 Rn. 5).

5b) Daran gemessen lässt sich im Revisionsverfahren nicht abschließend bestimmen, welche Rechtslage die mildere ist.

6aa) Das Landgericht hat die Taten des Angeklagten in den Fällen II. 1. - 4. der Urteilsgründe als Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, §§ 27, 52, 53 StGB gewertet. Es hat insoweit jeweils unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrunds des § 27 StGB minder schwere Fälle angenommen und den Strafrahmen des § 30 Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht. In den Fällen II. 5. und II. 6. der Urteilsgründe hat es jeweils eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, §§ 27, 53 StGB angenommen, die Voraussetzungen für minder schwere Fälle – wiederum unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrunds der Beihilfe – als erfüllt angesehen und den Strafrahmen § 29a Abs. 2 BtMG entnommen mit Freiheitsstrafe gleichfalls von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

7bb) Den Wertungen des Landgerichts folgend, käme nunmehr in den Fällen II. 1. - 6. der Urteilsgründe jeweils eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 1 Nr. 4 und Nr. 8 KCanG) nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB in Betracht. Eine Strafbarkeit wegen tateinheitlicher Beihilfe zur Einfuhr von Cannabis ginge als rechtlich unselbständiger Teilakt hierin auf (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 235/24 Rn. 6 f. mwN; vom – 5 StR 296/24 Rn. 5 ff. und vom – 2 StR 41/24 Rn. 10; anders für täterschaftliche Einfuhr von Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis: Rn. 25). Dass sich die Taten jeweils auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellte lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck fände (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 306/24 Rn. 7; vom – 1 StR 235/24 Rn. 7 und vom – 4 StR 480/23 Rn. 6). Der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG sähe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

8cc) Ausgehend von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kommt jedoch auch in Betracht, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. zum Bandenhandel mit Cannabis, jeweils in sechs Fällen, schuldig ist.

9(1) Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung. Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich allein nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede. Die Begründung der Mitgliedschaft folgt nicht aus der Bandentat, sondern geht dieser regelmäßig voraus. Mitglied einer Bande kann dabei auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen. Auch ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche Bandenmitglieder untereinander kennen und gemeinsam an der Abrede beteiligt waren (vgl. zu § 30a BtMG: BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 131/21 Rn. 11 und vom – 1 StR 223/19 Rn. 3; jeweils mwN; zur Maßgeblichkeit dieser Begrifflichkeit auch für § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG: vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 145/24 Rn. 12 und vom – 2 StR 487/23 Rn. 8).

10(2) Jedenfalls mit Blick auf die Gruppierung um den gesondert verfolgten A.         legen die Feststellungen ein bandenmäßiges Handeln des Angeklagten nahe. Danach betrieben die gesondert verfolgten A.       , Se.           und Y.              „mit weiteren Beteiligten in erheblichem Umfang Handel […] mit Marihuana, mit Aktionszentrum in S.                              “; die Gruppierung war „derart strukturiert, dass gezielt vertrauenswürdige Mittelsleute eingebunden wurden, die zwischen A.        [als Drahtzieher im Hintergrund] und den Beteiligten, die durch ihren direkten Umgang mit den Drogen […] einem erhöhten Entdeckungsrisiko ausgesetzt waren, Kontakt hielten“ (UA S. 5). Der mit A.       befreundete Angeklagte fungierte im Verlauf des von November 2020 bis Februar 2021 andauernden Tatzeitraums wiederholt als planerisch eigenverantwortlicher Organisator der innerspanischen Zwischentransporte der zur Einfuhr nach Deutschland bestimmten Handelsmengen Marihuana. Ausweislich der Chatinhalte hielt er hinsichtlich der Anforderungen an die Transporte sowie der Entlohnung der Fahrer fortwährend Abstimmung mit dem gesondert verfolgten A.       ; er war für diesen dessen „ansonsten in dieser Angelegenheit übliche[r] Gesprächspartner“ (UA S. 28). Dies deutet auf eine Eingliederung des Angeklagten in die bandenmäßige Organisation um A.         hin. Soweit das Landgericht dennoch – ohne nähere Erörterung – davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe an dem Handel mitgewirkt, „ohne mit der Gruppierung um A.         zu einer fortgesetzten Tatbegehung verbunden gewesen zu sein“ (UA S. 5), kann der Senat die Möglichkeit ergänzender Feststellungen sowohl zum objektiven als auch zum subjektiven Tatgeschehen nicht ausschließen.

11(3) Im Falle bandenmäßiger Eingliederung hätte sich der Angeklagte in den Fällen II. 1. - 6. der Urteilsgründe nach dem Tatzeitrecht jeweils wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG, § 27 StGB schuldig gemacht (zur Bewertungseinheit zwischen bandenmäßigem Handeltreiben und bandenmäßiger Einfuhr, jeweils betreffend Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, vgl. Rn. 4 mwN). Bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes wäre das Tatgeschehen jeweils als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis nach dem Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 27 StGB zu qualifizieren (zur rechtlichen Bezeichnung ohne den Zusatz „in nicht geringer Menge“: vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 158/24 Rn. 5 und vom – 5 StR 4/24 Rn. 11). Die Tatbestände der § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1 BtMG würden von § 30a Abs. 1 BtMG im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt (vgl. Rn. 5) bzw. träte eine Strafbarkeit aus dem Grundtatbestand des § 34 Abs. 1, Abs. 3 KCanG hinter dem Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 4 KCanG zurück.

12(4) § 30a Abs. 1 BtMG sieht für den Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren vor, in minder schweren Fällen einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 30a Abs. 3 BtMG). § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG ordnet die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren an, in minder schweren Fällen einer solchen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Geht es – wie hier – um Beihilfe, ist die nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB obligatorische Strafmilderung in den Günstigkeitsvergleich nach § 2 Abs. 3 StGB einzubeziehen, auch in Relation zu einem möglichen minder schweren Fall des Bandenhandels (vgl. Rn. 5). Die insoweit anzustellenden Strafzumessungserwägungen bedürfen nach dem Vorgesagten gleichfalls der Bewertung durch das Tatgericht.

13c) Ob hinsichtlich der gegenständlichen Taten das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall günstiger und damit anzuwenden ist, hängt danach von einer etwaigen Qualifikation des Tatgeschehens als Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. mit Cannabis ebenso ab wie von der konkreten Bestimmung des einschlägigen Strafrahmens einschließlich der Bewertung möglicher Strafrahmenverschiebungen (vgl. Rn. 11 f.). Hierzu bedarf es erneuter tatgerichtlicher Entscheidung; eine Schuldspruchänderung durch den Senat scheidet aus. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 StPO) stünde einer etwaigen Verschärfung des Schuldspruchs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 301/24 Rn. 20; vom – 2 StR 357/23 Rn. 7 und vom – 2 StR 41/24 Rn. 14).

14Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Das Landgericht wird ergänzende Feststellungen, insbesondere zum Handeln des Angeklagten als Bandenmitglied, zu treffen haben, die den aufrechterhaltenen nicht widersprechen dürfen.

153. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche und des Gesamtstrafenausspruchs sowie der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach sich. Das neue Tatgericht wird insoweit jeweils das in § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO normierte Verschlechterungsverbot zu beachten haben (zur Strafzumessung: vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 48/21 Rn. 5 f. und vom – 5 StR 165/06 Rn. 2; zur Einziehung: vgl. Rn. 46).

16Soweit die Strafaussprüche mit den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben sind, können die von dem sachverständig beratenen Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten aufrechterhalten bleiben.

17Die Feststellungen zur Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 Alternative 2 StGB) haben Bestand mit Ausnahme derer zur Höhe des im Fall II. 3. der Urteilsgründe von dem Angeklagten Erlangten. Insoweit steht die Feststellung, der Angeklagte habe „die Hälfte“ eines Betrages in Höhe von „mindestens 5.600 Euro“ (UA S. 8) als Tatlohn erhalten, in unaufgelöstem Widerspruch zur Bestimmung des anteiligen Tatertrages auf 2.825 € als „[der] Hälfte von 5.650 Euro“ (UA S. 49).

184. Betreffend die Strafzumessung besteht Anlass zu dem Hinweis, dass für den zuletzt in M.          wohnhaften ledigen Angeklagten mit dem Verweis auf die Vollstreckung der Untersuchungshaft „mit einer Dauer von fast 6 Monaten und heimatfern in K.             sowie S.           “ (UA S. 46) keine ungewöhnlichen, über das übliche Maß deutlich hinausgehenden Beschwernisse des Vollzugs der Untersuchungshaft dargelegt worden sind, die deren strafmildernde Berücksichtigung über ihre Anrechnung auf die zu vollstreckende Strafe (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) hinaus rechtfertigen (vgl. Rn. 34; vom – 2 StR 92/17 Rn. 21 und vom – 5 StR 6/15 Rn. 8; jeweils mwN). Ferner wird das neue Tatgericht gegebenenfalls zu bedenken haben, dass der vom Landgericht ausdrücklich herangezogene, im Rahmen der §§ 29a, 30 BtMG berücksichtigungsfähige Milderungsgrund, es handele sich bei Cannabis um eine „‚weiche‘ Droge“ (UA S. 45), für die Strafzumessung nach § 34 KCanG keine Bedeutung hat; denn diese Strafnorm betrifft ausschließlich Cannabis (vgl. Rn. 10 mwN).

Jäger                         Fischer                         Bär

           Allgayer                           Munk

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:171224B1STR62.24.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-86178