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BGH Beschluss v. - KVZ 5/23

Ostthüringer Zeitung

Leitsatz

Ostthüringer Zeitung

Die Möglichkeit, dass ein Begründungselement innerhalb der erledigten fusionskontrollrechtlichen Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts Bedeutung für eine auf §§ 1, 32 GWB gestützte Abstellungsverfügung haben könnte, begründet kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für das fusionskontrollrechtliche Beschwerdeverfahren.

Gesetze: § 1 GWB, § 32c Abs 4 GWB, § 76 Abs 2 S 2 GWB

Instanzenzug: Az: Kart 10/21 (V) Beschluss

Gründe

1I.    Die Betroffene zu 1 ist eine Zwischengesellschaft einer deutschen Mediengruppe, die in Thüringen mehrere Zeitungen herausgibt. Sie hält 60 Prozent der Anteile an der Betroffenen zu 2 und an deren Komplementärin, der Betroffenen zu 3 (nachfolgend auch: Zielgesellschaften). Die Betroffene zu 2 ist ein Zeitungsverlag. Sie gibt eine regionale Abonnement-Tageszeitung in Ostthüringen heraus. Die restlichen Anteile an der Betroffenen zu 2 hielt die weitere Beteiligte. Sie schied infolge ordentlicher Kündigung zum aus der Gesellschaft aus. Das hat nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen der Betroffenen zur Folge, dass die Anteile der Betroffenen zu 1 anwachsen, die sie erwerben muss; eine Übertragung der Geschäftsanteile fand zunächst nicht statt. Die Betroffenen und die weitere Beteiligte meldeten den aus den gesellschaftsvertraglichen Regelungen resultierenden Zusammenschluss beim Bundeskartellamt an.

2Mit Beschluss vom hat das Bundeskartellamt das angemeldete Vorhaben und die damit einhergehende alleinige Kontrolle an den Zielgesellschaften durch die Betroffene zu 1 untersagt. Es hat zur Begründung ausgeführt, durch den Erwerb komme es zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen im Verbreitungsgebiet Ostthüringen sowie einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der Konzernmutter der Betroffenen zu 1 auf dem Lesermarkt im Bundesland Thüringen. Dem stehe nicht entgegen, dass die vom Zusammenschluss betroffenen Zeitungen bereits durch eine Vielzahl von Kooperationen wirtschaftlich eng verbunden sind und damit der in der Vergleichsbetrachtung zugrunde zu legende Wettbewerb bereits gedämpft sei. Denn die Kooperationsabsprachen im redaktionellen Bereich verstießen ihrerseits gegen das Kartellrecht. Sie seien deshalb der Vergleichsbetrachtung nicht zu Grunde zu legen. Diesen Beschluss haben die Betroffenen mit der Beschwerde angegriffen.

3Der in Streit stehende Anteil wurde im Jahr 2022 auf ein Drittunternehmen übertragen. Das Bundeskartellamt gab diesen Zusammenschluss frei. Die Betroffenen haben daraufhin ihre ursprünglich auf Aufhebung des angefochtenen Untersagungsbeschlusses gerichtete Beschwerde umgestellt und beantragen nunmehr, dessen Rechtswidrigkeit festzustellen. Das Oberlandesgericht hat die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde mit Beschluss vom als unzulässig verworfen. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Dagegen wenden sich die Betroffenen mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der das Bundeskartellamt entgegentritt.

4II.     Die gemäß § 78 Abs. 3 bis 5 GWB zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zulassungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 GWB sind nicht dargelegt. Weder ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

51.    Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung ( (V), juris) im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde sei unzulässig, da es an dem nach § 76 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderlichen berechtigten Interesse der Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit fehle. Es liege keine Wiederholungsgefahr vor, da nach dem Anteilserwerb durch das Drittunternehmen die erneute Übernahme der Anteile durch die Betroffene zu 1 von der weiteren Beteiligten aus tatsächlichen Gründen schon nicht mehr möglich sei. Das Feststellungsinteresse folge auch nicht aus einer präjudiziellen Wirkung auf das künftige Zusammenschlussverhalten der Betroffenen. Eine Untersagungsverfügung könne zwar Präjudizwirkung entfalten, wenn ein gleichartiges Zusammenschlussvorhaben wie das untersagte möglich erscheine. Auch bestehe hier aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Regelungen, die dem Drittunternehmen ein Kündigungsrecht gäben, die theoretische Möglichkeit eines erneuten Erwerbsvorhabens durch Anwachsung der Anteile bei der Betroffenen zu 1. Das Feststellungsinteresse scheide ferner nicht bereits deshalb aus, weil sich die Beteiligten nicht auf ein konkret absehbares Vorhaben berufen könnten. Dennoch sei das Feststellungsinteresse hier nicht gegeben, da ein Verkauf der Anteile durch das Drittunternehmen innerhalb des Prognosezeitraums von drei bis fünf Jahren tatsächlich unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zu erwarten sei.

7Ein Feststellungsinteresse ergebe sich auch nicht daraus, dass das Bundeskartellamt die bereits seit dem Jahr 2016 bestehende redaktionelle Kooperation der Betroffenen mit anderen Unternehmen der gleichen Mediengruppe als gegen § 1 GWB verstoßend bewertet habe. Es handele sich hierbei lediglich um eine Vorfrage im Rahmen der vom Bundeskartellamt vorgenommenen Gesamtbewertung des Zusammenschlussvorhabens. Diese könne nicht losgelöst von weiteren, von den Betroffenen nicht vorgetragenen künftigen Kooperationen bewertet werden. Es fehle an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass das Bundeskartellamt beabsichtige, die Frage, ob die praktizierte Kooperation gegen § 1 GWB verstoße, zum Gegenstand eines neuen Verfahrens zu machen. Ein Interesse an der Überprüfung folge auch nicht aus einer diffamierenden Wirkung der Bewertung der Kooperation durch das Bundeskartellamt. Eine solche Wirkung sei nicht gegeben, da gegen die Betroffenen kein Vorwurf des Verschuldens oder der Sittenwidrigkeit erhoben worden sei.

82.    Die Beschwerdeentscheidung wirft nach den dafür geltenden Maßgaben (, WuW 2024, 117 Rn. 8 f. mwN) keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.

9a)    Die Nichtzulassungsbeschwerde möchte geklärt wissen, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch dann vorliegt, wenn für das untersagte Verhalten weder Wiederholungsgefahr besteht, noch es um die Wiederherstellung der Reputation des Betroffenen geht, aber durch eine nicht in Rechtskraft erwachsene behördliche Feststellung - wie hier der Vorwurf, die redaktionelle Kooperation der von dem Zusammenschluss betroffenen Zeitungen verstoße gegen § 1 GWB - eine unklare Rechtslage entstanden ist, die unmittelbaren Einfluss auf die kartellrechtliche Beurteilung des aktuellen und künftigen Verhaltens des Beschwerdeführers hat. Dieser Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer angegriffenen Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts nach Erledigung der Hauptsache anzunehmen ist. Die Begründung, mit der das Beschwerdegericht im Streitfall ein berechtigtes Feststellungsinteresse verneint hat, steht damit im Einklang.

10aa)    Für das nach § 76 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderliche Feststellungsinteresse genügt grundsätzlich jedes nach Lage des Falls anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (, BGHZ 151, 260 [juris Rn. 24] mwN - Stellenmarkt für Deutschland).

11(1)    Dieses Interesse kann zum einen durch Wiederholungsgefahr, zum anderen damit begründet sein, dass die Klärung der durch die erledigte Entscheidung der Kartellbehörde aufgeworfenen unklaren Rechtslage für den Beschwerdeführer im Hinblick auf sein künftiges Verhalten von Interesse ist (, BGHZ 174, 179 Rn. 14 mwN - Springer/ProSieben). Das ist der Fall, wenn zu erwarten ist, dass die Behörde einen zukünftigen Fall nach denselben Kriterien und mit demselben Ergebnis beurteilen wird.

12(2)    Auch ohne ein erneutes konkretes Zusammenschlussvorhaben kann sich im Verfahren der Fusionskontrolle ausnahmsweise ein schützenswertes Interesse an einer gerichtlichen Klärung aus dem Gesichtspunkt der Präjudizierung für ein derzeit noch nicht absehbares Zusammenschlussvorhaben ergeben. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Zielobjekt des gescheiterten Zusammenschlussvorhabens auch in Zukunft jederzeit wieder zum Verkauf angeboten werden kann. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Zusammenschlussvorhaben nach einer Untersagung durch das Bundeskartellamt aus wirtschaftlichen Gründen häufig aufgegeben werden und bei einem erneuten vergleichbaren Vorhaben wiederum mit einer Untersagung zu rechnen ist. Dadurch verringern sich zugleich die Chancen des von der Untersagung Betroffenen, überhaupt als potenzieller Vertragspartner in Erwägung gezogen zu werden. Deshalb ist ein großzügigerer Maßstab an das Feststellungsinteresse anzulegen (BGHZ 174, 179 Rn. 16 - Springer/ProSieben I; Beschluss vom - KVR 33/09, WuW/E DE Rn. 21 - EDEKA/Plus). Das hat zur Folge, dass sich ein besonderes berechtigtes Interesse auch aus der Präjudizierung eines entsprechenden, wenn auch derzeit noch nicht absehbaren Zusammenschlussvorhabens ergeben kann (BGHZ 174, 179 Rn. 20 - Springer/ProSieben I). Erforderlich ist aber, dass ein gleichartiges Zusammenschlussvorhaben wie das untersagte möglich erscheint (BGH, WuW/E DE-R 3097 Rn. 22 f. - EDEKA/Plus).

13(3)    Allerdings kann eine Präjudizwirkung nicht angenommen werden, wenn sich die aus der rechtlichen Sicht der Kartellbehörde für die Untersagung maßgeblichen Gesamtumstände, insbesondere die Marktverhältnisse, so wesentlich geändert haben, dass die frühere Beurteilung keine prägende Bedeutung für die spätere Prüfung eines erneuten Zusammenschlussvorhabens haben kann (vgl. BGH, WuW/E DE-R 3097 Rn. 23 - EDEKA/Plus; vom - KVR 95/10, BGHZ 192, 18 Rn. 15 mwN - Total/OMV). Für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses genügt dann auch nicht das Interesse an einer präjudiziellen Klärung tatsächlicher oder rechtlicher Vorfragen, die sich dem Amt bei der Untersagung des Zusammenschlusses gestellt haben (, WuW/E BGH 2077 [juris Rn. 20] - Coop/Supermagazin). Die Möglichkeit, dass sich die Kartellbehörde in zukünftigen Entscheidungen auf einzelne Begründungselemente erneut stützt, reicht nicht aus, um von einer Präjudizierung der kartellbehördlichen Entscheidung selbst ausgehen zu können (, WuW/E DE-R 2905 Rn. 16 - ; WuW/E DE-R 3097 Rn. 22 f. - EDEKA/Plus). Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, Gutachten zu abstrakten Rechtsfragen zu erstatten, auch wenn diese für künftige Entscheidungen Bedeutung haben mögen.

14bb)    Von diesen Maßstäben ist das Beschwerdegericht ausgegangen. Es hat unter Würdigung der konkreten Umstände des Falls sowohl eine Wiederholungsgefahr als auch eine Präjudizwirkung für künftige Zusammenschlussvorhaben verneint, da ein erneuter Verkauf der Anteile durch das Drittunternehmen innerhalb des für die Fusionskontrolle maßgeblichen mittelfristigen Prognosezeitraums von drei bis fünf Jahren (vgl. dazu , WuW/E DE-R 3695 Rn. 38 - Haller Tagblatt) nicht zu erwarten sei. Diese Feststellungen greift die Beschwerde nicht an. Sie geht selbst davon aus, dass nach den bisher entwickelten Fallgruppen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht bejaht werden kann. Das Beschwerdegericht hat unter Anwendung der genannten Grundsätze auch zutreffend angenommen, dass ein Feststellungsinteresse nicht aus dem Umstand abgeleitet werden kann, dass das Bundeskartellamt die praktizierten redaktionellen Kooperationen zwischen den Zeitungen der Zielgesellschaften und anderen zur Mediengruppe der Betroffenen zu 1 gehörenden Unternehmen als Verstoß gegen § 1 GWB bewertet hat. Das Bundeskartellamt hat insoweit angenommen, einer durch den Zusammenschluss bedingten Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen stehe nicht entgegen, dass die betroffenen Zeitungen schon bisher durch eine Vielzahl von Kooperationen wirtschaftlich eng miteinander verbunden seien; da die Kooperationen - redaktioneller Art (vgl. § 30 Abs. 2b Satz 2 GWB) - ihrerseits gegen § 1 GWB verstießen, seien sie für das fusionskontrollrechtliche Alternativszenario "hinwegzudenken". Dabei handelt es sich um ein Begründungselement innerhalb der fusionskontrollrechtlichen Bewertung. Einzelne Begründungselemente der Untersagung können grundsätzlich nicht getrennt zur Überprüfung gestellt werden, auch wenn sie für künftige Entscheidungen Bedeutung haben können (BGH, WuW/E DE-R 3097 Rn. 22 - EDEKA/Plus). Dies gilt nicht nur im Hinblick auf ihre Bedeutung für künftige fusionskontrollrechtliche Entscheidungen, sondern erst recht, soweit sie unabhängig von einem Zusammenschluss für andere Verfahrensarten, etwa kartellrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 32 GWB, Bedeutung haben können.

15cc)    Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist auch nicht klärungsbedürftig, ob vor diesem Hintergrund eine neue Fallgruppe für das Fortsetzungsfeststellungsinteresse gebildet werden muss, wenn die Untersagungsverfügung einen Kartellvorwurf beinhaltet, der unmittelbaren Einfluss auf das aktuelle und künftige Verhalten des Betroffenen hat und Gegenstand eines neuen kartellbehördlichen Verfahrens werden könnte. Einen entsprechenden Meinungsstreit vermag die Nichtzulassungsbeschwerde nicht aufzuzeigen. Vielmehr entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Vorfragen kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht aus ihrem besonderen Gewicht für die beteiligten Verkehrskreise (vgl. dazu , WuW 2019, 262 Rn. 10 mwN - EDEKA/Tengelmann). Denn ihre Beantwortung unterliegt keinen Zweifeln.

16(1)    Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann von vornherein nur an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung bestehen. Die Beantwortung tatsächlicher oder rechtlicher Vorfragen vermag ein Feststellungsinteresse regelmäßig schon deshalb nicht zu begründen, weil solche Begründungselemente nicht von der Rechtskraft der Entscheidung umfasst wären, mit der die (BGH, WuW/E BGH 2077 [juris Rn. 21] - Coop/Supermagazin)Ein rechtlich schutzwürdiges Interesse kann grundsätzlich nur an einer Feststellung bestehen, die geeignet ist, dem Beschwerdeführer eine verlässliche Beurteilungsgrundlage für künftige Entscheidungen zu verschaffen (BGHZ 174, 179 Rn. 14 - Springer/ProSieben I). Daran fehlt es hier. In dem fortgesetzten Verfahren wäre die Rechtmäßigkeit der Untersagung des Zusammenschlusses zu prüfen. Die in Rechtskraft erwachsende Entscheidungsformel würde sich nicht auf die Frage der Rechtswidrigkeit der bestehenden Kooperationen im Hinblick auf § 1 GWB beziehen. Eine Bindungswirkung für ein auf eine Abstellungsverfügung nach § 32 Abs. 1 GWB gerichtetes Verfahren wäre nicht gegeben.

17(2)    Diese Beurteilung entspricht auch der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung. Die für das Fortsetzungsfeststellungsinteresse anerkannten Fallgruppen sind danach zwar nicht abschließend; es ist daher nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein berechtigtes Interesse auch dann besteht, wenn die Feststellung für ein anderes Rechtsverhältnis, insbesondere ein anderes Verfahren vorgreiflich sein kann. Es muss sich jedoch um eine Vorfrage handeln, die in dem fortgesetzten Verfahren rechtskräftig geklärt werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom - 6 B 56/18, NVwZ-RR 2019, 443 Rn. 14; vom - 6 B 133/18, NVwZ 2019, 649 Rn. ). Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse erfüllt eine Filterfunktion. Es kann nur bejaht werden, wenn die Fortsetzung des eigentlich erledigten Verfahrens die Gerichte von zukünftigen Verfahren zu denselben Rechtsfragen entlastet und wenn dem Betroffenen die "Früchte" der bisherigen Prozessführung erhalten bleiben (, NVwZ-RR 2020, 331 Rn. 15). Dafür kann die bloße Behauptung einer Schnittmenge zwischen den Fragen, die in dem Verfahren aufgeworfen wurden und die sich in einem anderen Verfahren stellen könnten, nicht ausreichen (, VBlBW 2020, 381 Rn. 88). Der Umstand, dass bei der vorliegenden fusionskontrollrechtlichen Prüfung bereits bestehende Kooperationen zwischen den Zusammenschlussbeteiligten als gegen § 1 GWB verstoßend beurteilt wurden, und dass in einem möglichen Verfahren nach § 32 GWB - unter Berücksichtigung der Verhältnisse zu dem dann maßgeblichen Zeitpunkt - vom Bundeskartellamt ähnliche Erwägungen angestellt werden könnten, genügt daher nicht.

18(3)    Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint, entstehen dadurch keine unzumutbaren Rechtsschutzlücken. Die Beschwerdeführer sind der Unsicherheit eines jederzeit möglichen kartellbehördlichen Einschreitens nicht schutzlos ausgeliefert. Der Gesetzgeber hat mit § 32c Abs. 4 GWB für horizontale Kooperationen die Möglichkeit geschaffen, auf Antrag des Betroffenen eine Entscheidung des Bundeskartellamts darüber herbeizuführen, dass kein Anlass zum Tätigwerden besteht, wenn die Verbotsvoraussetzungen nicht vorliegen und ein erhebliches rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung besteht. Lehnt das Amt eine Entscheidung ab, kann diese Ablehnung nach allgemeinen Grundsätzen angefochten werden (Bach in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., § 32c GWB Rn. 56; Bornkamm/Tolkmitt in Bunte, Kartellrecht, 14. Aufl., § 32c GWB Rn. 17). Die Voraussetzungen, die der Gesetzgeber für diesen Anspruch aufgestellt hat, dürfen nicht durch eine Ausweitung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses bei einer erledigten fusionskontrollrechtlichen Untersagungsverfügung unterlaufen werden. Der Umstand, dass über § 32c Abs. 4 GWB nur eine Entscheidung darüber begehrt werden kann, dass das Bundeskartellamt zum Zeitpunkt der Entscheidung keinen Anlass zum Tätigwerden sieht, entwertet den Anspruch entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Die Entscheidung zum Nichttätigwerden nach § 32c Abs. 1 GWB begründet - vorbehaltlich neuer Erkenntnisse (§ 32c Abs. 1 GWB) - dauerhaft den Anspruch des betroffenen Unternehmens auf Unterlassung von Verfügungen gemäß §§ 32, 32a GWB (Haas in BeckOK KartellR, 14. Ed. , § 32c GWB Rn. 8, 18; Bach in Immenga/Mestmäcker, aaO, § 32c GWB Rn. 19).

19dd)    Die aufgeworfene Rechtsfrage ist im Übrigen auch nicht entscheidungserheblich. Das Bundeskartellamt hat eine Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen durch den Zusammenschluss schon unabhängig von der kartellrechtlichen Zulässigkeit der Kooperationen bejaht. Es hat angenommen, dadurch würden wahrscheinlich die eigenständigen Chefredaktionen der beteiligten Lokalzeitungen wegfallen, die einen verbleibenden Rest redaktioneller Eigenständigkeit gewährleisteten; zudem sei ohne den Zusammenschluss mit einer Veräußerung der Anteile der weiteren Beteiligten an einen Dritten und damit einer Stärkung des Wettbewerbs zu rechnen. Insoweit zeigt die Beschwerde keine durchgreifenden Zulassungsgründe auf.

20b)    Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht klärungsbedürftig, ob bei einem Kartellvorwurf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf ein Rehabilitationsinteresse der Betroffenen besteht, wenn kein Schuldvorwurf erhoben wurde.

21aa)    Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Beschwerdevorbringen genüge nicht, um eine Rufschädigung oder Herabsetzung des Ansehens der Betroffenen zu begründen. Soweit eine Veröffentlichung des Deutschen Journalistenverbandes Thüringen die Beurteilung der Zusammenlegung der Mantelredaktionen dreier Zeitungen als "Paukenschlag" bezeichnet und auf den Verlust redaktioneller Vielfalt hingewiesen habe, begründe dies kein Interesse an einer gesonderten Überprüfung der kartellrechtlichen Bewertung der Kooperation. Der Persönlichkeitsschutz juristischer Personen umfasse zwar das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung; eine Rufschädigung sei jedoch nicht dargetan. Das Bundeskartellamt habe allein die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Kooperationen festgestellt, ohne den Beteiligten gegenüber einen Vorwurf des Verschuldens oder der Sittenwidrigkeit zu erheben.

22bb)    Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass ein Rehabilitierungsinteresse genügen kann, um die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage oder -beschwerde zu begründen. Ein solches liegt vor, wenn die begehrte Feststellung als Genugtuung oder zur Rehabilitierung des Betroffenen erforderlich ist, was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn ein hoheitliches Handeln diskriminierenden Charakter hatte (vgl. , BVerfGE 110, 77 [juris Rn. 47] - Fortsetzungsfeststellungsinteresse). Diese Grundsätze gelten auch für das kartellverwaltungsgerichtliche Verfahren (, WuW/E DE-R 3971 Rn. 17 mwN - Hörgeräteakustiker). Von einem zur Rehabilitierung erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann allerdings nicht ausgegangen werden, wenn das Bundeskartellamt nur objektiv die Wettbewerbswidrigkeit eines Verhaltens, nicht aber ein Verschulden des Betroffenen oder gar die Sittenwidrigkeit festgestellt hat (, WuW/E BGH 852 [juris Rn. 30] - Großgebinde IV). Das Beschwerdegericht hat diese Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Nichtzulassungsbeschwerde erhebt insoweit lediglich Beanstandungen gegen die Anwendung dieser Grundsätze im konkreten Fall. Damit ist kein Zulassungsgrund dargetan. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits hinreichend geklärt. Einen Meinungsstreit zeigt sie nicht auf.

23c)    Keine grundsätzliche Bedeutung kommt schließlich der weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage zur Reichweite des Konzernprivilegs zu. Die Betroffenen halten für klärungsbedürftig, ob § 1 GWB auch im Verhältnis eines Gemeinschaftsunternehmens zu seinen (mit-)kontrollierenden Muttergesellschaften gilt. Hintergrund ist, dass die Mehrheitsbeteiligung der Betroffenen zu 1 an den Zielgesellschaften dieser nach den Feststellungen des Bundeskartellamts keine alleinige Kontrolle verschaffte, weil satzungsmäßige Mitwirkungsrechte der weiteren Beteiligten bestanden. Nach Ansicht des Bundeskartellamts ist bei einem Gemeinschaftsunternehmen, auf das mehrere Muttergesellschaften Einfluss haben, die Anwendung des § 1 GWB im Verhältnis des Unternehmens zu den Müttern nicht generell ausgeschlossen. Dieser Rechtsauffassung tritt die Nichtzulassungsbeschwerde entgegen. Die Frage ist im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Sie ist materiell-rechtlicher Natur und stellt sich nur, wenn die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde zulässig ist, sofern also nach der Erledigung der Untersagungsverfügung an der Feststellung ihrer Unzulässigkeit oder Unbegründetheit ein berechtigtes Interesse besteht. Das ist aus den genannten Gründen nicht der Fall. Insbesondere begründet der Vorwurf eines Kartellverstoßes im Zusammenhang mit der fortdauernden Kooperationspraxis der betroffenen Zeitungsverlage kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf die Untersagung des Zusammenschlusses.

243.    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 GWB erforderlich. Es bedarf entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht der Herausbildung von Leitsätzen für den Fall, dass ein Begründungselement der erledigten Untersagung eines Zusammenschlusses (hier: Verstoß der bestehenden redaktionellen Kooperationen gegen § 1 GWB) die Rechtmäßigkeit des aktuellen und des zukünftigen Verhaltens der Betroffenen beurteilt. Wie ausgeführt besteht eine gesicherte Rechtsprechung, welche Voraussetzungen insoweit an ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu stellen sind. Es fehlt nicht an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe. Im Hinblick auf die materiell-rechtlichen Fragen ist keine Entscheidungserheblichkeit gegeben. Soweit sich die Betroffenen darauf berufen, sie seien dem Vorwurf ausgesetzt, fortlaufend gegen das Kartellverbot zu verstoßen, verbleibt ihnen die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 32c Abs. 1, 4 GWB eine Entscheidung der Kartellbehörde herbeizuführen.

254.    Die Kostenentscheidung folgt aus § 71 Satz 1 und 2 GWB. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Nichtzulassungsbeschwerde hat ihre Rechtsgrundlage in § 50 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO.

Kirchhoff                         Roloff                         Tolkmitt

                       Picker                    Kochendörfer    

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:181224BKVZ5.23.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-85702