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NWB-EV Nr. 1 vom Seite 10

Die lebzeitige Vor- und Nachschenkung

Weiterleitungsklauseln nach der BGH-Entscheidung v. 28.11.2023 - X ZR 11/21

Dr. Eckhard Wälzholz

Immer wieder verfolgen Mandanten das Ziel, Vermögen nicht nur in die Folgegeneration zu übertragen, sondern auch Einfluss darauf zu nehmen, wie dieses Vermögen weiterübertragen wird und insbesondere zu regeln, was beim Tode des Zwischenbeschenkten erfolgen soll. Erbrechtlich sind derartige Gestaltungen als Vor- und Nacherbschaft in §§ 2100 ff. BGB ausführlich geregelt. Auch erbschaftsteuerrechtlich sind derartige Gestaltungen in § 6 ErbStG normiert. Wenn solche Gestaltungen hingegen im Rahmen der lebzeitigen vorweggenommenen Erbfolge geregelt werden sollen, so fehlen hier weitgehend gesetzliche Grundlagen, sowohl im Zivilrecht als auch im Steuerrecht. Mit Urteil vom (X ZR 11/21, NWB NAAAJ-59714) hat der BGH eine grundlegende Entscheidung zu den Möglichkeiten und Grenzen der Anerkennung entsprechender Vor- und Nachschenkungen bzw. entsprechender Weiterleitungsklauseln gefällt. Der nachfolgende Beitrag schildert sowohl die BGH-Rechtsprechung, die daraus folgenden Konsequenzen für die Gestaltungspraxis, als auch die sich dadurch ergebenden veränderten steuerrechtlichen Folgen.

Kernaussagen
  • Weiterleitungsklauseln sind grundsätzlich zulässig.

  • Sie fallen nach Überzeugung des BGH jedoch unter die Rechtsgeschäfte von Todes wegen, wenn die Weiterleitungsklausel unter einer Überlebensbedingung steht.

  • Dann bedürfen derartige Klauseln der notariellen Beurkundung.

  • Steuerrechtlich unterscheiden sich die Wirkungen entscheidend danach, ob eine Überlebensbedingung vereinbart wurde oder nicht.

I. Einführung

Während die Vor- und Nacherbschaft nach §§ 2100 ff. BGB ausführlich im Gesetz geregelt ist, kennt das Zivilrecht den Begriff der Vor- und Nachschenkung oder der vorweggenommenen Nacherbfolge nicht, außer als kreative Wortschöpfung der Rechtslehre. Um zu verdeutlichen, worum es dabei geht, sei folgender grundlegender Beispielsfall geschildert:

Beispiel

Schenker S ist Inhaber einer werthaltigen Immobilie in München. Er möchte diese Immobilie auf seine drei Kinder zu unter sich gleichen Teilen zum Miteigentum zu je 1/3 übertragen. Solange S lebt, behält er sich die üblichen bedingten Rückforderungsrechte vor. Die Rückforderungsrechte erlöschen mit dem Ableben des Veräußerers. Gleichwohl möchte der Veräußerer für die Zeit nach seinem Ableben noch sicherstellen, dass das Vermögen eines jeden beschenkten Kindes bei dessen Tod auf dessen Abkömmlinge nach den Regeln und dem Verhältnis der gesetzlichen Erbfolge übergeht. Daher beinhaltet der Schenkungsvertrag folgende vereinfachte Weiterleitungsklausel:

„Für den Fall des Todes eines jeden Beschenkten ist dieser verpflichtet, den mit dieser Urkunde erworbenen Grundstücksanteil auf seine eigenen Abkömmlinge nach den Regeln und dem Verhältnis der gesetzlichen Erbfolge zu übereignen, wie diese im Todeszeitpunkt des Beschenkten leben. Dabei handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter. Eine Absicherung dieses Anspruchs durch Vormerkung erfolgt nicht. Der Anspruch zugunsten der Abkömmlinge des Beschenkten entsteht mit dem Tode des Beschenkten und wird damit sofort fällig.“

Aufgrund der Weiterleitungsklausel ist jeder Erwerber/Beschenkte in seinem eigenen Todesfall verpflichtet, den erworbenen Grundstücksanteil auf seine eigenen Abkömmlinge nach den Regeln und dem Verhältnis der gesetzlichen Erbfolge zu übertragen. Diese Verpflichtung hat der jeweilige Erbe des Beschenkten nach dem Tode des Beschenkten zu erfüllen. Eine derartige Klausel ist ähnlich starr wie eine Vor- und Nacherbschaft und hat vergleichbare Nachteile. Sollte eines der Enkelkinder des Schenkers im Zeitpunkt des Todes des Beschenkten insolvent oder drogenabhängig sein, so würde es gleichwohl den Anspruch erwerben. Der Insolvenzverwalter könnte darauf zugreifen. Eine Abänderungsbefugnis ist in der formulierten vereinfachten Weiterleitungsklausel nicht enthalten. Es ist nunmehr fraglich, nach welchen gesetzlichen S. 11Regelungen sich derartige Weiterleitungsklauseln richten, ob diese wirksam sind und welche steuerlichen Konsequenzen sie auslösen.

Hierzu gibt die BGH-Entscheidung vom - X ZR 11/21 wichtige Erkenntnisse.