BGH Beschluss v. - 1 StR 195/24

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 4 KLs 811 Js 19508/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln, wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in „jeweils nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung seines „Handys“ sowie der sichergestellten „Betäubungsmittel und -utensilien (Ass. Nr. 0.1, 0.2, 0.3, 0.6 bis 0.14 gemäß Asservatenliste vom )“, des sichergestellten Bargelds in Höhe von 115 Euro sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.500 Euro angeordnet.

2Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

31. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt zu einer durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I 2024, Nr. 109) erforderlich gewordenen (§ 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO) Änderung des Schuldspruchs. Das insoweit festgestellte Tatgeschehen ist bei dem Angeklagten nunmehr wie folgt zu beurteilen:

4a) Bei der Tat gemäß Ziffer I. der Urteilsgründe (Überlassung eines Joints mit Tabak-Marihuana-Gemisch zum gemeinsamen sofortigen Konsum an seinen 15-jährigen Neffen, dessen Zimmer er knapp vier Wochen bis zum Umzug in eine neue eigene Wohnung mitbewohnte; dort bewahrte er etwa 20 Gramm Marihuana für seinen Eigenkonsum auf) hat das Landgericht den Angeklagten wegen Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) verurteilt. Die Überlassung des Joints ist nunmehr als unmittelbare Verbrauchsüberlassung von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 Satz 2 Nr. 3a KCanG strafbar, der Besitz von 20 Gramm Cannabis straflos. Zwar übte der Angeklagte diesen Besitz nicht an seinem Wohnsitz (§ 1 Nr. 16 KCanG) oder einem Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts (§ 1 Nr. 17 KCanG) aus, da er nur vorübergehend für eine kurze Zeit in der Wohnung seines Bruders Unterkunft gefunden hatte. Gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1a KCanG darf er jedoch eine solche Menge an einem Ort besitzen, der nicht sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthalt ist. Die tateinheitliche Verurteilung hat daher zu entfallen. Die gesetzliche Neuregelung ist deshalb – auch wenn die Strafkammer bei der Verbrauchsüberlassung einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen und dieser den gleichen Strafrahmen wie § 34 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 Satz 2 Nr. 3a KCanG hat – im konkreten Fall das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.

5b) Die Tat gemäß Ziffer II. der Urteilsgründe – von der Strafkammer abgeurteilt als gewerbsmäßige Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG (unter Beachtung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Bezug auf § 30 Abs. 2 BtMG) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) – ist nun strafbar als gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis an Minderjährige (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG).

6§ 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG hat einen Strafrahmen von zwei Jahren bis zu 15 Jahren und im minder schweren Fall einen solchen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, § 30 Abs. 1 BtMG von zwei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe, § 30 Abs. 2 BtMG im minder schweren Fall von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, wobei eine Sperrwirkung hinsichtlich der Strafrahmenuntergrenze des § 29a Abs. 1 BtMG von einem Jahr zu beachten ist. Der Strafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG ist im Vergleich zu dem des BtMG deutlich abgesenkt; § 34 Abs. 3 Nr. 3a KCanG hätte, eine Sperrwirkung unterstellt, nur eine solche von drei Monaten Freiheitsstrafe. § 34 Abs. 4 KCanG ist im konkreten Fall daher das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.

7c) Die Tat gemäß Ziffer III. der Urteilsgründe (Besitz von 200 Gramm Marihuana, davon etwa hälftig für den Eigenkonsum und zum Handeltreiben), abgeurteilt als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), erfüllt nun den Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG) in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 3 Nr. 4 KCanG).

8d) Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

92. Die gesetzliche Neuregelung führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.

10a) Hinsichtlich der Tat gemäß Ziffer I. der Urteilsgründe kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer eine Entkräftung der Indizwirkung des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 3a KCanG mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe aus den Gründen angenommen hätte, die sie bereits zur Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bewegt hat. Zudem hat die Strafkammer strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Tatbestände tateinheitlich verwirklicht hatte; der bloße Besitz von 20 Gramm Cannabis ist jetzt jedoch nicht mehr strafbar.

11b) Hinsichtlich der Tat gemäß Ziffer II. der Urteilsgründe hat die Strafkammer zwar einen minder schweren Fall nach § 30 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG bejaht, der wie der minder schwere Fall des § 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht. Da die Strafkammer bei der Mindeststrafe aber von einer Sperrwirkung der Strafuntergrenze des tateinheitlich verwirklichten § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG von einem Jahr Freiheitsstrafe ausgegangen ist und sich mit der verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten an dem unteren Bereich des Strafrahmens orientiert hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass sie bei einer Strafzumessung nach dem minder schweren Fall des § 34 Abs. 4 Nr. 1 KCanG eine niedrigere Strafe verhängt hätte.

12c) Bei der Tat gemäß Ziffer III. der Urteilsgründe hat die Strafkammer einen minder schweren Fall des Handeltreibens gemäß § 29a Abs. 2 BtMG angenommen, für den das Gesetz eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, ebenso wie der nun maßgebliche § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG. Um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat auch die für diesen Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe auf. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob in Fällen, in denen die Besitzmenge teilweise zum Eigenkonsum und teilweise zum Handeltreiben dienen soll, im Rahmen der Strafzumessung bei der Bestimmung der nicht geringen Menge beim Eigenkonsumanteil die erlaubte Besitzmenge im Sinne von § 3 KCanG heraus zu rechnen ist (vgl. Rn. 29 f.). Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 20/8704, S. 96 zu § 3 Erlaubter Besitz von Cannabis) legt das nicht nahe. Dort heißt es: „§ 3 regelt den erlaubten Besitz von Cannabis … Die Besitzmenge muss ausschließlich für den persönlichen Eigenkonsum von Cannabis … bestimmt sein.“.

133. Die den Angeklagten betreffende Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.500 Euro hält rechtlicher Überprüfung nur in Höhe von 1.460 Euro stand.

14Der Generalbundesanwalt hat insoweit das Folgende ausgeführt:

„Zutreffend geht die Kammer hinsichtlich der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.500 Euro gemäß §§ 73, 73c StGB zunächst davon aus, dass es sich hierbei um die Erlöse handelt, die der Angeklagte aus den Betäubungsmittelgeschäften mit dem Zeugen B.            erzielt hat. Da die erzielten Erlöse in Form von Bargeld nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden sind, hat das Landgericht dem Grunde nach rechtsfehlerfrei die Wertersatzeinziehung angeordnet (UA S. 28).

Allerdings ist die Einziehungsentscheidung in der Höhe geringfügig zu korrigieren. Zwar hat das Landgericht erkannt, dass der Zeuge B.            dem Angeklagten aus den Betäubungsmittelgeschäften noch einen Betrag in Höhe von 40 Euro schuldet (UA S. 28), so dass dieser Betrag gerade nicht in das Vermögen des Angeklagten geflossen ist. Es hat die Einziehung in dieser Höhe jedoch rechtsfehlerhaft damit begründet, der Angeklagte habe zuvor Marihuana mit einem entsprechenden Gegenwert erworben. Dabei verkennt das Landgericht, dass erworbene Betäubungsmittel als Tatobjekte gemäß § 37 KCanG in Verbindung mit § 74 Abs. 2 StGB der Einziehung unterliegen. Das an den Zeugen B.            weiter verkaufte Marihuana ist nicht mehr in dem Vermögen des Angeklagten vorhanden. Die Einziehung des Wertes von Tatobjekten nach 74c StGB greift vorliegend nicht, weil der Angeklagte zu keiner Zeit Eigentümer des ursprünglichen einzuziehenden Cannabis war (, NStZ-RR 2019, 382; Beschluss vom – 5 StR 269/19, NStZ 2020, 24; Beschluss vom – 5 StR 529/22, BeckRS 2023, 5157). Die Einziehungsanordnung hat daher in Höhe von 40 Euro zu entfallen.“.

15Dem schließt sich der Senat an.

164. Soweit das Landgericht im Urteilstenor die Einziehung des „Handys“ des Angeklagten sowie der sichergestellten Betäubungsmittel und -utensilien angeordnet und dabei auf die Asservatenliste vom Bezug genommen hat, genügt das nicht den Anforderungen an einen hinreichend konkreten Urteilstenor.

17Grundsätzlich sind die einzuziehenden Gegenstände in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; eine Bezugnahme auf die Anklageschrift oder ein Asservatenverzeichnis ist nicht ausreichend (vgl. Rn. 3 mwN). Da die Urteilsgründe nicht alle Angaben über die sichergestellten Betäubungsmittel und -utensilien und keine Spezifizierung des Mobiltelefons enthalten, kann der Senat nicht in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO eine eigene Entscheidung treffen, die die erforderlichen Angaben enthält. Auch der Generalbundesanwalt hat darauf hingewiesen, dass die einzuziehenden Gegenstände durch die Urteilsgründe nur teilweise konkretisiert werden.

Jäger                       Fischer                       Bär

              Leplow             Welnhofer-Zeitler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:100724B1STR195.24.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-75936