Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 10 KLs 4/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie der Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen gewann der Angeklagte, der selbst Rauschgift konsumierte, auf Bitte seines Drogenlieferanten zwei Personen aus seinem Bekanntenkreis dafür, jeweils gegen Zahlung von 300 € für seinen Dealer eine Paketsendung aus Spanien mit einer größeren Menge für den Weiterverkauf bestimmten Marihuanas entgegenzunehmen. Seinem Lieferanten teilte der Angeklagte daraufhin die Anschriften der beiden Personen mit, wodurch er diesem ermöglichte, die Versendung der Drogen aus Spanien nach Deutschland mittels eines Paketdienstes zu veranlassen. Der Angeklagte versprach seinem Rauschgiftlieferanten zudem, seine Bekannten kurz vor der erwarteten Paketzustellung über diese zu informieren, einem der Sendungsempfänger die Belohnung zu überbringen und von diesem die Drogen abzuholen. Beide Pakete konnten vom Zoll, nachdem sie in die Bundesrepublik gelangt waren, angehalten werden. In dem einen befanden sich 5.979,5 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 902,9 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC), in dem anderen 6.954,2 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 1.099 Gramm THC (Fall 1 der Urteilsgründe).
32. Bei einer anschließenden Durchsuchung der Wohnräume des Angeklagten wurden 1.037,91 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 161,94 Gramm THC sowie ein Gramm Kokain aufgefunden. Das Kokain war vollständig und das Marihuana ganz überwiegend zum Eigenkonsum durch den Angeklagten bestimmt; einen geringen Anteil des Marihuanas wollte der Angeklagte gewinnbringend an Freunde und Bekannte verkaufen (Fall 2 der Urteilsgründe).
II.
4Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuld- und Aufhebung des Strafausspruchs.
51. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage und gemessen an dieser rechtsfehlerfrei - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Taten, soweit es um Marihuana geht, nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom - 6 StR 24/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).
6a) Unter dessen Geltung ist Fall 1 der Urteilsgründe als Beihilfe zur Einfuhr von und zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 und 5, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB) zu werten. Fall 2 stellt sich rechtlich als Besitz von Betäubungsmitteln (in Bezug auf das Kokain) in Tateinheit mit Besitz von Cannabis (hinsichtlich der die Freimenge des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG übersteigenden Eigenverbrauchsmenge des sichergestellten Marihuanas) und mit Handeltreiben mit Cannabis (in Bezug auf die Handelsmenge des Marihuanas) dar (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 4 KCanG). Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG). Die Begehungsvarianten des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 324 f.). Dass sich ein Teil der Tathandlungen auf Cannabis in nicht geringer Menge bezog - diese ist auch unter dem Konsumcannabisgesetz bei einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) erreicht (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 8; vom - 2 StR 480/23, juris Rn. 27 ff.; vom - 4 StR 5/24, juris Rn. 10 ff.; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 7; vom - 4 StR 50/24, juris Rn. 6 ff.; vom - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216 f.; vom - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.) -, erfüllt lediglich die Voraussetzungen eines Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 481/23, juris Rn. 7; vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 5; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Es bedarf keiner näheren Kennzeichnung der Besitzstrafbarkeit im Schuldspruch dahin, dass diese sich auf eine die Freimenge des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG übersteigende Cannabismenge bezog. Zudem ist auch bei Straftaten nach dem Konsumcannabisgesetz eine Bezeichnung als „unerlaubt“ (oder „verboten“) nicht veranlasst. Denn die Strafvorschriften des § 34 KCanG betreffen allein den untersagten Umgang mit Cannabis beziehungsweise hinsichtlich der Besitzstrafbarkeit den Umgang mit einer oberhalb der Freimenge des § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG liegenden Cannabismenge (vgl. , NStZ-RR 2024, 216; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 328).
7b) Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75) für den Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht; sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.
8c) Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
92. Der Strafausspruch bedarf der Aufhebung, weil § 34 Abs. 1 und 3 KCanG erheblich mildere Strafrahmen vorgeben als § 29 Abs. 1, § 29a Abs. 1 BtMG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer, die minder schwere Fälle nach § 29a Abs. 2 BtMG beziehungsweise § 30 Abs. 2 BtMG verneint hat, bei Anwendung der einschlägigen Strafrahmen des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Einzelstrafen gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Einzelstrafen sind daher ausgerichtet an den Strafrahmen des § 34 KCanG neu zu bemessen. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
10Einer Aufhebung der (zugehörigen) Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten gewürdigt hat, dass es sich bei Marihuana um eine „weiche Droge“ handele, und damit einen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrund herangezogen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 10; vom - 6 StR 116/24, NStZ RR 2024, 215 f.; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 5), liegt darin eine bloße Wertung und keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.
Schäfer Berg Hohoff
Erbguth Kreicker
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230724B3STR271.24.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-74491