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BBK Nr. 16 vom Seite 752

Nachhaltigkeitsberichterstattung im Mittelstand

Einblicke aus der Praxis

Dr. Moritz von Oppenkowski, Nicolette Behncke und Nico Irrgang

Die Corporate Social Responsibility Directive (CSRD) mit den verpflichtend anzuwendenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ist das umfassendste ESG-Reporting-Framework weltweit. Seine Anwendung stellt betroffene Unternehmen vor eine Reihe von Herausforderungen, die besonders im Mittelstand aufgrund begrenzter Ressourcen und großer Komplexität anspruchsvoll zu bewältigen und gleichzeitig akut anzugehen sind.

Denn bereits für das Finanzjahr 2024 sind zahlreiche kapitalmarktorientierte mittelständische Unternehmen direkt von der CSRD betroffen. Nicht an der Börse gelistete Unternehmen fallen in den kommenden Jahren gestaffelt bis 2027 nach Erfüllung der Größenkriterien (Mitarbeiter, Bilanzsumme, Nettoumsatzerlöse) unter die Berichtspflicht. Nicht betroffen bleiben einzig Kleinstunternehmen unabhängig von ihrer Kapitalmarktorientierung und KMU ohne Kapitalmarktorientierung.

Doch die verpflichtende Betrachtung der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette führt dazu, dass KMU schon jetzt im Rahmen von Lieferantenfragebögen Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen über das eigene Unternehmen an ihre Kunden übermitteln müssen. So führt die Einführung der CSRD dazu, dass der Druck hinsichtlich Transparenz von den Leadfirmen am Ende der Wertschöpfungskette bis in mittelständische und kleine Unternehmen weitergegeben wird. Die vom Standardgeber angedachte Staffelung der Erstanwendung wird so zum Teil umgekehrt und führt zu einer sofortigen Wirkung der Berichtspflichten großer kapitalmarktorientierter Unternehmen auf KMU in deren Lieferketten.

S. 753

I. Anwendungsbereich der CSRD – ein neues Thema für die deutsche Wirtschaft

[i]Begrenzte personelle und finanzielle MittelMittelständische Unternehmen im Anwendungsbereich verfügen über begrenzte personelle und finanzielle Mittel, um den neuen Anforderungen der CSRD gerecht zu werden. Gleichzeitig sind viele nicht ausreichend mit den Berichtspflichten und damit verbundenen Nachhaltigkeitsthemen vertraut, da sie vorher nicht regulatorisch gezwungen waren, sich damit in der Tiefe auseinanderzusetzen. Nur die wenigsten haben dies freiwillig und formalisiert im Rahmen von geprüfter Nachhaltigkeitsberichterstattung vor der CSRD gemacht. Somit sind Wissen, Daten sowie die notwendigen Verantwortlichkeiten und Prozessinfrastrukturen nicht oder nur teilweise vorhanden.

[i]Komplexität der CSRD ist eine HerausforderungEin weiteres Hindernis für den Mittelstand ist die Komplexität der CSRD. Die Richtlinie umfasst eine Vielzahl von Themen, darunter Klima, Wasser, Biodiversität, Abfall und Umweltverschmutzung, Arbeitnehmerrechte von Gleichberechtigung bis Gehaltsstrukturen, Menschenrechte, Anti-Korruption und Zahlungspraktiken. Die Berichterstattung zu den für ein Unternehmen wesentlichen Aspekten erfordert eine umfassende Überprüfung der Geschäftspraktiken, häufig die Einführung neuer Ziele, Strategien, Maßnahmen und Richtlinien und damit einhergehend entsprechende Ressourcen.

Um ihren Beitrag zum Themenkomplex Nachhaltigkeit zu leisten, benötigen sie häufig Unterstützung, um die Anforderungen der Richtlinie zu verstehen und umzusetzen, ohne dabei ihre Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen.

Die entsprechenden Herausforderungen reichen von der Komplexität in der technischen Umsetzung über Ressourcenengpässe, um diese zu bewältigen bis hin zum Zeitdruck und fehlender Unterstützung durch das Management, wie eine Befragung unter rund 300 betroffenen Unternehmen zeigt. Dieser Beitrag soll anhand des Erstellungsprozesses darlegen, wie die Herausforderungen besonders im Mittelstand gelagert sind und aufzeigen, wie diesen begegnet werden kann.

II. Die doppelte Materialitätsanalyse – der herausfordernde Weg zur Bestimmung des Berichtsumfangs

[i]Erste Schritte auf dem Weg zur CSRD-konformen BerichterstattungIn der Regel beginnt der Prozess der Erstellung einer CSRD-konformen Berichterstattung mit einer gründlichen Analyse der Geschäftstätigkeiten und ihrer potenziellen Auswirkungen (Impacts) auf die Gesellschaft und die Umwelt. Da die CSRD eine sogenannte doppelte Materialitätsanalyse (DMA) erfordert, werden gleichzeitig auch potenzielle Risiken (Risks) und Chancen (Opportunities) von Nachhaltigkeitsthemen auf das UnterS. 754nehmen analysiert (IROs). Dabei werden sowohl interne als auch externe Stakeholder einbezogen, um eine umfassende Perspektive zu gewährleisten. Hierbei ist besonders das Bestimmen der Berichtsgrenzen herausfordernd, da diese die Berichtsgrenzen der Finanzberichterstattung erweitern. So müssen auch diejenigen Auswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) berücksichtigt werden, die Unternehmen in Minderheitsbeteiligungen und darüber hinaus in der gesamten Wertschöpfungskette haben. Dies ist eine Betrachtungsweise, die den eigenen Geschäftsbereich aus Reportingsicht zum Teil neu definiert und in diesem Maße bisher nur in wenigen Unternehmen vorhanden ist.

[i]PflichtthemenDie Pflichtthemen, mit denen sich ein Unternehmen auseinandersetzen muss, umfassen Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Governance, welche in den verpflichtenden EU-Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) beschrieben sind. Diese bestehen aus zwölf sektoragnostischen Standards, die in zwei Querschnittsstandards, fünf Umweltstandards, vier Standards zu Sozialen und Menschenrechtsthemen sowie einen Governance Standard unterteilt sind.