BGH Beschluss v. - 1 StR 66/24

Instanzenzug: Az: 64 KLs 2/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen, davon in einem Fall im Versuch, wegen Insolvenzverschleppung, wegen unrichtiger Darstellung in drei Fällen, wegen Bankrotts und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen unter Einbeziehung von zwei Einzelstrafen aus dem Berufungsurteil des i.V.m. dem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt; zudem hat es unter Beachtung der Zäsurwirkung der anderen Entscheidung eine weitere Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen Steuerhinterziehung verhängt. Schließlich hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 138.949,73 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, lassen die insoweit lückenhaften Ausführungen zur Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 Nr. 1 Alternative 1, Abs. 1 InsO) die Überprüfung nicht zu, ob die für diese Unterlassungstat verhängte Einzelstrafe nicht mit derjenigen für die dritte Steuerhinterziehung (Umsatzsteuerverkürzung zugunsten der      H.                     GmbH im Besteuerungszeitraum 2021) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe zusammenzuziehen ist (§§ 55, 54, 53 StGB). Denn ein Beendigungszeitpunkt für dieses Dauerdelikt vor dem ist nicht festgestellt. Der Angeklagte, der unter der Firma      H.                   GmbH noch im Jahr 2021 Scheinrechnungen in den Umlauf brachte, blieb als faktischer Geschäftsführer auch nach dem , dem Zeitpunkt der Eintragung des Zeugen S.    als neuen (Schein-)Geschäftsführer in das Handelsregister, zur Antragstellung verpflichtet (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 67/21 unter 2.; vom – 1 StR 456/18 Rn. 13 und vom – 4 StR 323/14 u.a., BGHR InsO § 15a Abs. 4 Täter 1 mwN). Dazu, ob vor dem diese Pflicht erloschen war – naheliegender Weise etwa durch Abweisung eines Fremdantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 227/17 Rn. 3 und vom – 5 StR 166/08, BGHSt 53, 24 Rn. 22), verhält sich das Urteil nicht.

3Den Beendigungszeitpunkt wird das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht aufzuklären haben. Der Aufhebung der bisherigen Feststellungen bedarf es hierfür nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) wird bei Bildung der beiden (Gesamt-)Strafen aus den nunmehr insgesamt rechtskräftigen Einzelstrafen zu beachten sein: Die neue Summe darf die bisherige von drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe nicht überschreiten (vgl. insbesondere Rn. 9 aE).

42. Zudem hat es das Landgericht, worauf der Generalbundesanwalt ebenfalls hingewiesen hat, rechtsfehlerhaft entgegen § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2, § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StGB versäumt, die vom Angeklagten im anderen Verfahren erfüllte Bewährungsauflage (120 Stunden gemeinnützige Arbeit) anzurechnen. Da ohnehin zur Gesamtstrafe neu zu verhandeln ist, sieht der Senat davon ab, selbst den Anrechnungsmaßstab zu bestimmen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 470/22 Rn. 2 und vom – 1 StR 192/19; jeweils mwN).

53. Der Einziehungsanordnung (§ 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB) steht hinsichtlich der drei Steuerstraftaten bereits das Verfahrenshindernis der Einziehungsbeschränkung (§ 421 Abs. 3 StPO) entgegen, sodass ein Betrag von 73.872,40 € zu entfallen hat (§ 354 Abs. 1 StPO analog).

6a) Die Staatsanwaltschaft hatte insoweit mit ihrer Abschlussverfügung vom von der Einziehung abgesehen. Das Landgericht hat die Verfolgung der Vermögensabschöpfung nicht wirksam wiedereinbezogen. Der Hinweis des Vorsitzenden vom auf die in Betracht kommenden sechs Einzelbeträge genügt hierfür nicht; es hätte eines Gerichtsbeschlusses bedurft (§ 421 Abs. 2 StPO).

7b) Da der Generalbundesanwalt seinen entsprechenden Antrag auf Wiedereinbeziehung auf Anregung des Senats mit Blick auf die aus den drei Betrugstaten erlangten beachtlichen Vermögensvorteile zurückgenommen hat (vgl. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO), hat das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht weder aufzuklären noch gar tragfähig festzustellen, ob der Angeklagte – was indes freilich der Sache nach naheliegt – für das Ausstellen von Scheinrechnungen (§ 14c Abs. 2 UStG) in den beiden Fällen unter II. 2. g) der Urteilsgründe Provisionen vereinnahmte. Die in den Scheinrechnungen ausgewiesenen, aber nicht abgeführten Umsatzsteuerbeträge unterliegen ohnehin nicht der Vermögensabschöpfung in der Form von Steuerersparnissen (st. Rspr.; Rn. 12 mwN).

8Ebenso wenig bedarf es der Entscheidung, ob die Steuerersparnis in Höhe von 15.289,34 € im Fall II. 2. h) der Urteilsgründe tatsächlich im Vermögen des Angeklagten angefallen war. Dies würde voraussetzen, dass er als Unternehmer Umsatzsteuerschuldner war und nicht die E.                    GmbH (§ 2 Abs. 1 UStG). Nach den bisherigen Feststellungen dürfte insbesondere die D.       GmbH davon ausgegangen sein, mit der E.                    GmbH zu kontrahieren (vgl. zum Ganzen , BGHR StGB § 73 Erlangtes 33 Rn. 10, 13, 16; zur möglichen Einziehung gegen eine als „Mantel“ genutzte juristische Person vgl. auch Rn. 39). Eine Haftung nach § 69 AO oder § 71 AO ist für die Frage, gegen wen die Einziehung zu richten ist, nicht relevant ( Rn. 31). Ein Betrug zu Lasten der D.       GmbH (§ 263 Abs. 1 StGB) ist nicht verfahrensgegenständlich.

94. Bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels wird das Tatgericht die Grundsätze aus den Senatsbeschlüssen vom – 1 StR 311/20 Rn. 9 ff. und vom – 1 StR 423/20, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 8 Rn. 6 ff. zu beachten haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:080724B1STR66.24.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-72322