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NWB-BB Nr. 8 vom Seite 247

Die negative Perspektive in der betriebswirtschaftlichen Beratung

Warum die Frage nach dem Unterlassen häufiger gestellt werden sollte

Dipl.-Kfm. Christoph Schneider

„Was soll ich tun?“ ist die Quintessenz jedes Beratungsauftrages – und nicht die Frage „Was soll ich lassen?“. Dabei ist letztere Frage wichtiger, wenn nicht der kurzfristige Erfolg, sondern das langfristige Überleben eines Geschäftsmodells im Mittelpunkt steht. Die erste Frage sollten Sie als Berater allenfalls indirekt beantworten, die zweite dagegen klar und eindeutig. Warum diese Unterscheidung wichtig ist und wie Sie dem Mandanten erläutern, warum diese Perspektive für ihn sinnvoll ist, erläutert der Beitrag.

Kernaussagen
  • Mandanten erwarten, dass Sie ihnen sagen, was sie tun sollen – dabei ist es oft hilfreicher, ihnen mitzuteilen, was sie lassen sollen.

  • Unternehmen überleben nicht, weil sie alles richtig machen, sondern weil sie den einen entscheidenden Fehler unterlassen.

  • Strukturierte Entscheidungen ermöglichen dem Mandanten eine realistische Einschätzung seines Geschäftsmodells.

I. Unterschiedliche Situation – unterschiedliche Beratung

Bei Mandanten und Beratern sind Anforderung und Anspruch relativ gleich. Beauftragungen lassen sich auf die Frage reduzieren „Was soll ich tun?“ bzw. die Weiterführung zu „Machen Sie dies für mich!“ Selbstverständlich gibt es vielfältige Beratungssituationen, in denen diese Situation vorliegt, wenn es bspw. um steuerliche Sachverhalte geht. Hier reflektiert der Berater die Situation des Mandanten und setzt diese mit dem Ziel der rechtlich zulässigen, gleichzeitig möglichst geringen Steuerbelastung um.

Oft findet die Geschäftsbeziehung zwischen Mandant und Berater ihren Anfang in der steuerlichen Beratung und entwickelt sich weiter zu Fragen der Unternehmensführung. Beide Parteien verfolgen die bisherige Vorgehensweise weiter: Der Berater empfiehlt dem Mandanten konkrete Schritte und begleitet die Umsetzung. Dabei wird das Kriterium, das darüber entscheidet, ob

  • eine positive Beratung möglich und sinnvoll ist oder

  • eine negative Perspektive der Beratung geboten erscheint,

selten herangezogen. Weil die negative Beratung erklärungsbedürftig ist, gilt es, etwas auszuholen.

Das entscheidende Kriterium ist, ob es sich um eine komplizierte oder komplexe Frage handelt:

  • In einem komplizierten System gibt es eindeutig Verbindungen der einzelnen Elemente. Dabei mag das System Können und Kenntnisse des Einzelnen übersteigen, wie bei einem großen Verkehrsflugzeug; dennoch sind die Zusammenhänge kausal. Ursache und Wirkung können prognostiziert und gestaltet werden, wie bspw. in der steuerlichen Gestaltungsberatung.

  • Ein komplexes System ist grundlegend anders. Es ist lebendig und Ursache-Wirkungszusammenhänge sind unüberschaubar. Dies hängt weniger von der Anzahl der Einflussfaktoren ab als vielmehr davon, dass verschiedene Einflüsse bestehen und mehrere Akteure mit- oder gegeneinander Ziele verfolgen.

    Da Ursache und Wirkung eben nicht in dem Maße prognostiziert und gestaltet werden können wie in einem komplizierten System, sind konkrete positive Empfehlungen (Was soll ich tun?) nicht seriös; es bieten sich hier eher negative Empfehlungen (Was soll ich unterlassen?) an.