BVerwG Beschluss v. - 8 B 63/23

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: 70 A 2/22 Urteil

Gründe

1Der Kläger ist seit dem ... Eigentümer mehrerer Grundstücke im Gebiet des Bodenordnungsverfahrens "R. See - N. Niederung", die ihm von seiner Mutter übertragen wurden. Diese hatte im Jahr 2012 - vertreten durch den heutigen Prozessbevollmächtigten des Klägers - Einwände gegen den Planentwurf geltend gemacht. Mit Schreiben vom wurde dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde ein Auszug aus dem Bodenordnungsplan zugestellt, er zum Anhörungstermin geladen und auf die Frist für den Widerspruch gegen den Bodenordnungsplan hingewiesen. Die öffentliche Bekanntmachung des Bodenordnungsplans und die Ladung zur Anhörung erfolgte am . Mit Schreiben vom zeigte der Bevollmächtigte des Klägers dessen Vertretung an und beanstandete, er sei, obwohl er schon die Mutter des Klägers als dessen Rechtsvorgängerin vertreten habe, nicht über den Fortgang des Verfahrens informiert worden. Mit Schreiben vom legte er Widerspruch gegen den Bodenordnungsplan ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Spruchstelle für Flurbereinigung wies den Widerspruch zurück.

2Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Der Kläger habe es versäumt, in dem Termin zur Anhörung der Beteiligten und zur Bekanntgabe des Bodenordnungsplans oder innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach diesem Termin Widerspruch einzulegen. Er sei persönlich gegen Postzustellungsurkunde zum Anhörungstermin geladen worden. Da sich der Prozessbevollmächtigte erst danach für ihn bestellt habe, sei dies auch zutreffend gewesen. Im Übrigen sei auch die öffentliche Bekanntmachung ordnungsgemäß erfolgt. Dass daneben eine individuelle Bekanntmachung erfolgt sei, mache die öffentliche Bekanntmachung nicht wirkungslos. Ein Anspruch des Klägers auf Nachsichtgewährung bestehe nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

3Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

41. Die vom Kläger geltend gemachte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betrifft schon nicht dieselbe Rechtsnorm und wäre in einem Revisionsverfahren zudem nicht entscheidungserheblich. Ob sich der angeführten Entscheidung vom - 4 C 16.81 - (BVerwGE 70, 77 <82>) der vom Kläger behauptete Rechtssatz entnehmen lässt,

dass für die Ermittlung des Zeitpunkts der Wirksamkeit der Bekanntgabe eines sowohl öffentlich bekanntgegebenen als auch durch Individualzustellung bekanntgegebenen Verwaltungsakts auf die Individualzustellung abzustellen ist, wenn die Behörde diesen Weg gewählt hat, um einem durch den fraglichen Verwaltungsakt sehr stark in seiner Rechtsstellung Betroffenen die Rechtsverfolgung zu erleichtern,

oder ob es sich hierbei nur um eine - eine Divergenz nicht begründende - Schlussfolgerung aus dieser Entscheidung in der Literatur handelt, bedarf insoweit keiner Entscheidung. Jedenfalls wird hiermit die selbstständig tragende, ihrerseits auch mit der Grundsatzrüge nicht durchgreifend in Zweifel gezogene Annahme des Oberverwaltungsgerichts (vgl. unten Rn. 5), die Zustellung sei gegenüber dem Kläger selbst wirksam erfolgt, nicht erschüttert.

52. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) aufgeworfene Frage,

ob der Einzelrechtsnachfolger verfahrensrechtlich gemäß § 14 Abs. 2 Halbs. 1 VwVfG weiter von dem nach Einleitung des Verwaltungsverfahrens von seinem Rechtsvorgänger bevollmächtigten Vertreter wirksam vertreten wird, so dass Zustellungen zunächst gemäß § 14 Abs. 3 Satz 4 VwVfG an diesen Vertreter zu erfolgen haben,

bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie sich anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt (vgl. Beschluss vom - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>). Der Bevollmächtigte ist Vertreter des Beteiligten, der die Vollmacht erteilt hat. Die Vollmacht wird gemäß § 14 Abs. 2 Halbs. 1 VwVfG weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Handlungsfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben. Im Fall des Todes des Vollmachtgebers wirkt die Vollmacht daher für dessen Erben fort. Eine vergleichbare Fortgeltungsanordnung ist für den Fall der Einzelrechtsnachfolge in ein dingliches Recht hingegen nicht vorhanden. Anderes ergibt sich weder aus § 86 ZPO noch aus den vom Kläger sinngemäß angeführten Vorschriften der §§ 265, 266 ZPO. Diese Vorschriften sind auf das Verwaltungsverfahren mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung nicht anwendbar.

63. Schließlich liegt auch der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vor. Der fachkundige Beisitzer, dessen Ehefrau bei dem gesetzlichen Vertreter der beklagten Teilnehmergemeinschaft beschäftigt ist, war nicht gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 41 Nr. 2 ZPO kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen. Der Ausschlussgrund des § 41 Nr. 2 ZPO greift nicht ein, wenn der Ehegatte nicht selbst Beteiligter ist und lediglich einer am Prozess beteiligten juristischen Person angehört (vgl. Meissner/​Schenk, in: Schoch/​Schneider, VwGO, Stand März 2023, § 54 Rn. 18 und 20). Ein entsprechender Sachverhalt kann allenfalls einen Befangenheitsgrund begründen. Einen Befangenheitsantrag hat der Kläger, obwohl er durch das Oberverwaltungsgericht auf den Sachverhalt hingewiesen worden ist, nicht gestellt.

7Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:020524B8B63.23.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-70110