BGH Beschluss v. - XII ZR 56/23

Instanzenzug: Az: 32 U 3382/22vorgehend LG München I Az: 3 O 17636/20

Gründe

I.

1Der Kläger macht gegen die Beklagte Zahlungsansprüche aus einem Kantinen-Pachtvertrag geltend.

2Der Kläger schloss als Verpächter mit der Beklagten einen Pachtvertrag zum Zwecke der Bewirtschaftung der auf Selbstbedienung ausgerichteten Kantine des M.                           in G.      . Der Beklagten als Pächterin wurde sämtliches Inventar für die Dauer des Pachtvertrags zur Verfügung gestellt. Als Vertragsbeginn war der festgelegt. Inzwischen ist das Pachtverhältnis beendet.

3Der Pachtvertrag (im Folgenden: PV) enthält in § 3 Ziffer 1 Regelungen zum Benutzerkreis der Kantine. Diese steht einerseits den Beschäftigten, Gästen und Besuchern des Verpächters („M.  -Personal“) und darüber hinaus auch sonstigem Publikum („Drittnutzer“) zur Verfügung. In den Sätzen 4 bis 6 heißt es:

4§ 9 Ziffer 2 PV hat folgenden Wortlaut:

5Der Kläger hat die Beklagte unter anderem auf Zahlung eines Drittnutzer-Aufschlags in Höhe von 343.871,45 € für den Zeitraum von August 2017 bis März 2020 in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht deren Zahlungsverpflichtung auf 125.445,55 € herabgesetzt und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

II.

6Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat teilweise Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO insoweit zur Zulassung der Revision und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, als das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von mehr als 71.078,70 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem zurückgewiesen hat. In diesem Umfang ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

71. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

8Die Beklagte sei nach den Regelungen des Pachtvertrags verpflichtet, bei der Ausgabe von warmen Hauptgerichten an Drittnutzer einen Aufschlag von 0,70 € zur Abdeckung des auf die Drittnutzer entfallenden Betriebskostenanteils zu erheben. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei diese Pflicht vertraglich nicht an die Einführung eines elektronischen Kassensystems geknüpft worden. Die Beklagte schulde jedoch nur für den Zeitraum vom bis zum die Zahlung des Drittnutzer-Aufschlags, weil dem entsprechenden Verlangen des Klägers für den Zeitraum vom bis zum der Einwand der Treuwidrigkeit aus § 242 BGB entgegenstehe. Von Januar 2019 bis März 2020 habe die Beklagte schätzungsweise insgesamt 203.082 warme Hauptgerichte an Drittnutzer verkauft, so dass sich bei einem Aufschlag von 0,70 € pro Essen ein Betrag von 142.157,40 € ergebe.

9Bei dem Drittnutzer-Aufschlag handele es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um eine Pauschale, die unabhängig von der Höhe des auf die Kantine entfallenden Betriebskostenanteils zu entrichten sei. Denn die Parteien hätten im Pachtvertrag geregelt, dass die Beklagte eine Nachschusspflicht treffe, sofern der Betriebskostenanteil der Kantine den abgeführten Betrag übersteige, und dass die Beklagte andernfalls, also wenn der abgeführte Betrag höher sei als Betriebskostenanteil, die Hälfte des Überschusses erhalte. Der Kläger sei zwar nicht zur Erstellung einer Betriebskostenabrechnung im Sinne des § 556 BGB verpflichtet, aber die von ihm vorzunehmende Abrechnung müsse den Erfordernissen des § 259 BGB entsprechen. Dem werde die Darstellung der Betriebskosten in der Klageschrift gerecht. Unter Vorlage von Belegen habe der Kläger die einzelnen Kostenpositionen dargelegt. Es bestünden keine Zweifel, dass die durch Rechnungen belegten Kosten in der behaupteten Höhe entstanden und vom Kläger bezahlt worden seien. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten, die allein Kenntnis über den Verbrauch in der Kantine habe, sei unbeachtlich. Von Januar 2019 bis März 2020 seien für die Kantine Betreiber- und Betriebskosten in Höhe von insgesamt 155.333,84 € angefallen. Bei einer Drittnutzer-Quote von 70 % entfalle ein Betrag von 108.733,69 € auf die durch Drittnutzer verursachten Betriebskosten. Der für den genannten Zeitraum geschuldete Drittnutzeraufschlag von 142.157,40 € übersteige diesen Betrag um 33.423,71 €, so dass der Beklagten die Hälfte hiervon, also ein Betrag von 16.711,86 €, zustehe. Der Zahlungsanspruch des Klägers belaufe sich daher auf (142.157,40 € - 16.711,86 € =) 125.445,55 €.

102. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, soweit das Berufungsgericht eine über 71.078,70 € (nebst Zinsen) hinausgehende Zahlungsverpflichtung der Beklagten bejaht hat. Mit der Annahme, das Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Betriebskosten der Kantine sei unbeachtlich, hat das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

11a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (Senatsbeschluss vom - XII ZR 152/19 - NJW-RR 2021, 861 Rn. 10 mwN). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn das Gericht Substantiierungsanforderungen an das Bestreiten einer Partei überspannt ( - VersR 2023, 1462 Rn. 16 mwN).

12Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast des Gegners. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt also vom Vortrag der Gegenseite ab ( - VersR 2023, 1462 Rn. 17 mwN).

13b) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte die Behauptungen des Klägers zur Höhe der Betriebskosten der Kantine ausreichend bestritten.

14aa) Die Beklagte hat in beiden Vorinstanzen vorgetragen, dass die geltend gemachten Betriebskosten der Kantine mangels ordnungsgemäßer Abrechnung nicht nachvollzogen werden könnten. Für das Pachtobjekt habe es keine separaten Erfassungsgeräte für Strom, Wasser und Heizkosten gegeben. Zwar habe der Kläger in den Anlagen K 2 ff. Unterlagen und Berechnungen vorgelegt. Diese beträfen aber die Gesamtkosten des riesigen Areals mit unzähligen Gebäuden, Etagen und Räumen, ohne dass der Kläger die auf das Pachtobjekt entfallenden Kosten nachvollziehbar herausgerechnet hätte. Daher sei nicht erkennbar, welcher Verbrauch in der Kantine angefallen sein soll. Zudem seien der Stromversorger, der Stromtarif, die Stromzählernummer, die Gebäudenummern und die Raumbezeichnungen nicht angegeben worden. Die Wäschereikosten hat die Beklagte mit der Begründung bestritten, dass eine eigene Rechnung des Klägers nicht ausreiche und eine Rechnung der Reinigungsfirma gerade nicht vorgelegt worden sei. Zur behaupteten Reparatur von Küchenmaschinen hat die Beklagte ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, was sie mit dieser Reparatur zu tun haben soll. Ferner hat die Beklagte die Kosten der Abfallentsorgung bestritten, da eine Rechnung des Entsorgungsunternehmens nicht vorgelegt worden sei. Zudem hat sie die Begleichung der Rechnung durch den Kläger in Abrede gestellt.

15Der Kläger hat hierzu im Wesentlichen erklärt, dass nach seiner Lesart des Vertrags hinsichtlich des Drittnutzer-Aufschlags eine feste Pauschale von 0,70 € pro verkauftem Fremdessen vereinbart gewesen sei und er von der Beklagten nicht die auf die Kantine entfallenden Betriebskosten, sondern nur den vereinbarten Drittnutzer-Aufschlag für jedes im Pachtobjekt zubereitete und an einen Fremdesser verkaufte Essen begehre. Es bestehe keine vertragliche Verpflichtung des Klägers, der Beklagten eine Betriebskostenabrechnung zukommen zu lassen. Die in der Klageschrift vorgetragenen Betriebskosten seien für die Größe des Pachtobjekts erforderlich und angemessen.

16bb) An die Abrechnung von Nebenkosten sind bei gewerblichen Miet- bzw. Pachtverhältnissen in formeller Hinsicht zwar keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Allerdings muss die Abrechnung den Anforderungen des § 259 BGB entsprechen, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten. Soweit keine besonderen Abreden getroffen worden sind, sind als Mindestangaben eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters bzw. Pächters sowie etwaige Vorauszahlungen aufzunehmen (Senatsurteil vom - XII ZR 40/20 - NJW-RR 2021, 394 Rn. 16 ff. mwN).

17Unabhängig davon, ob die Darstellung der Betriebskosten der Kantine in der Klageschrift (und ihren Anlagen) den an eine Abrechnung in formeller Hinsicht zu stellenden Anforderungen genügt, hat die Beklagte jedenfalls konkret beanstandet, dass der Kläger die auf das Pachtobjekt entfallenden Kosten nicht nachvollziehbar aus den Gesamtkosten des riesigen Areals herausgerechnet habe. Tatsächlich lässt sich aus den vom Kläger vorgelegten Anlagen zur Klageschrift nicht ersehen, wie er ausgehend von den Gesamtkosten des Areals die jeweiligen Verbräuche der Kantine errechnet hat. Hinsichtlich der Kosten der Textilreinigung und Abfallentsorgung hat die Beklagte mit Recht geltend gemacht, dass Rechnungen der Wäscherei und des Entsorgungsunternehmens nicht vorgelegt worden seien. Sind die Behauptungen des Klägers zur Höhe der auf die Kantine entfallenden Betriebskosten im Einzelnen nicht nachvollziehbar, genügt insoweit das einfache Bestreiten der Beklagten den Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO. Vor diesem Hintergrund hätte das Berufungsgericht das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten nicht als unbeachtlich ansehen dürfen.

18Insbesondere musste die Beklagte nicht ihrerseits in Erwiderung zu den Behauptungen des Klägers konkret zu den Verbräuchen der Kantine vortragen, sofern die Bemerkung des Berufungsgerichts, allein die Beklagte habe Kenntnis über den Umfang des Verbrauchs der Kantine, dahingehend zu verstehen sein sollte. Denn ohne separate Erfassungsgeräte ist auch die Beklagte nicht in der Lage, den konkreten Strom-, Wasser und Wärmeverbrauch der Kantine zu benennen. Hinsichtlich der Textilreinigung und Abfallentsorgung erschließt sich von selbst, dass die Beklagte keine Kenntnis über die Höhe der dem Kläger von der Wäscherei und dem Entsorgungsunternehmen in Rechnung gestellten Kosten haben kann.

19c) Daher moniert die Beklagte zu Recht, dass das Berufungsgericht die Substantiierungsanforderungen an ihr Bestreiten überspannt hat. Das angefochtene Urteil beruht auch auf dieser Gehörsverletzung, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass der Kläger die Betriebskosten der Kantine nicht hinreichend dargelegt hat. Insbesondere kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten zur Höhe der Betriebskosten der Kantine wegen des Fehlens geeigneter Vergleichsmaßstäbe als nicht hinreichend erachtet hätte.

20d) Wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, dass die Betriebskosten der Kantine im Zeitraum von Januar 2019 bis März 2020 mit 0 € anzusetzen wären, hätte dies nach § 9 Ziffer 2 PV zur Folge, dass die Hälfte der Differenz zwischen dem Drittnutzer-Aufschlag und den Betriebskosten, also ein Betrag von ([142.157,40 € - 0 €] : 2 =) 71.078,70 €, an die Beklagte auszukehren wäre. Die Beklagte könnte mit ihrer Berufung also maximal eine Herabsetzung der Zahlungsverpflichtung auf diesen Betrag erreichen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht eine über 71.078,70 € (nebst Zinsen) hinausgehende Zahlungsverpflichtung der Beklagten bejaht hat. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

213. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, weil ein Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegt. Der Rechtsstreit hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:170424BXIIZR56.23.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-69646