BGH Urteil v. - VIa ZR 68/22

Instanzenzug: Brandenburgisches Az: 7 U 101/21vorgehend Az: 2 O 122/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte im Revisionsverfahren allein wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung in Anspruch.

2Der Kläger kaufte im Mai 2016 von einem Händler ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug vom Typ Opel Insignia 2.0 TDI, das mit einem Dieselmotor der Baureihe B20DTH (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung unter Einsatz eines sogenannten Thermofensters abhängig von der Außentemperatur gesteuert.

3Der Kläger hat zunächst den Ersatz des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klage um Aufwendungen für einen Mietwagen in Höhe von 263,90 € nebst Zinsen erweitert worden war, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat hinsichtlich der ursprünglichen Klageforderung zugelassenen Revision verfolgt der Kläger insoweit seinen Berufungsantrag weiter.

Gründe

4Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht, das einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht geprüft hat, hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - wie folgt begründet:

6Dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 826 BGB nicht zu. Aus dem klägerischen Vortrag ergebe sich nicht, dass die Steuerungssoftware so programmiert sei, dass sie den Prüfstandsbetrieb als solchen erkennen könne. Es fehlten weitere Umstände, welche die Einrichtungen als besonders verwerflich erscheinen ließen.

II.

7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

81. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen hat, auf mögliche Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen eines fahrlässigen Verhaltens der Beklagten einzugehen. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32). Danach kann dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen (vgl. VIa ZR 335/21, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demgegenüber hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Der angefochtene Beschluss ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:040624UVIAZR68.22.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-68758