NWB Nr. 24 vom Seite 1617

Bekanntgabe von Steuerbescheiden bald auch an Samstagen?

Henry Scheel | Referatsleiter Steuerrecht beim Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV)

Anpassung der gesetzlichen Vermutungsregelungen bei Zustellung von Verwaltungsakten

Grundsätzlich gilt der Samstag als Werktag, so etwa nach den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes. Auch sollte an Samstagen ein Parkticket gelöst werden, wenn die Gebührenpflicht an Werktagen besteht. Jedoch finden sich in unterschiedlichen Rechtsgebieten auch unterschiedliche Regelungen zur Bedeutung des Samstags. Die Abgabenordnung wiederum lässt eine Frist grundsätzlich nicht an einem Samstag enden und verschiebt das Fristende in ihrem § 108 Abs. 3 AO auf den Ablauf des nächsten Werktags. Spätestens seit dem (BStBl 2003 II S. 875) ist zudem rechtssicher geklärt: Auch eine Bekanntgabe von Steuerbescheiden ist nicht an einem Samstag anzunehmen, wenn die Dreitagesfrist nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO greift.

Wird sich der Gesetzgeber von dieser rechtssicheren Lösung nun verabschieden? Im sog. Postrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drucks. 20/10283) ist vorgesehen, einen neuen § 122 Abs. 2b AO einzufügen. Dieser schließt die Regelung des § 108 Abs. 3 AO für die Anwendung der Zugangsvermutungen explizit aus. Damit wird – so auch die Gesetzesbegründung – die nach der BFH-Rechtsprechung einschlägige Fristenregelung des § 108 Abs. 3 AO künftig nicht mehr anwendbar sein. Die Bundesregierung geht davon aus, dass hierdurch grundsätzlich keine Verschlechterung für die Steuerpflichtigen eintritt. Denn neben der Umstellung der Vermutungsregelung von drei Kalendertagen auf vier Werktage bestünde auch weiterhin die Möglichkeit, einen späteren Zugang des Verwaltungsakts geltend zu machen.

Der Knackpunkt: In seiner Begründung führt der Gesetzgeber klar aus: Ein Werktag ist jeder Kalendertag, der nicht ein Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist. Damit würde die Bekanntgabe von Steuerbescheiden künftig an Samstagen anzunehmen sein. In Folge würde auch die Einspruchsfrist zu laufen beginnen. Dies ist jedoch als Verschlechterung gegenüber der bestehenden Rechtslage zu werten und steht der in Wirtschaft, Verwaltung und den Kanzleien üblichen Fünftagewoche entgegen. Aber: In dem Thema ist Bewegung. Der Bundesrat kritisierte die Umstellung von Kalendertagen auf Werktage (BR-Drucks. 677/23, Tz. 29). Offensichtlich will die Bundesregierung der Empfehlung des Bundesrats folgen und die Frist nur noch von drei auf vier Kalendertage ausweiten. In diesem Zuge scheinen die Ampel-Fraktionen nach den Anregungen des DStV auch bereit, die Anwendung des § 108 Abs. 3 AO beibehalten zu wollen.

Fazit: Eine Verlängerung der Vermutungsregelungen ist auf jeden Fall ein richtiger Schritt. Dies gilt bereits mit Blick auf die ohnehin teilweise deutlich längeren Zustellungszeiten. Dies gilt einmal mehr, wenn die Laufzeitvorgaben tatsächlich verlängert werden. Daher dürfte der Gesetzgeber durchaus noch großzügiger sein: Eine Ausweitung auf fünf Kalendertage wäre – wie auch ein Ausradieren der Samstags-Krux – praxisnah. Zumindest die Bekanntgabe an Samstagen sollte auf den letzten Metern des Bundestagsverfahrens abgewendet werden!

Update: Keine Bekanntgabe von Steuerbescheiden an Samstagen! Gesetzgeber lenkt ein.

Am Tag nach der Druckfreigabe dieses Aufsatzes, dem , wurde das Gesetz zur Modernisierung des Postrechts in 2./3. Lesung im Bundestag beschlossen. Der Gesetzgeber hat darin die Dreitagesfrist für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2a sowie § 122a Abs. 4 Satz 1 AO auf eine Viertagesfrist geändert. Damit gilt ein Steuerbescheid künftig am vierten Kalendertag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben; bei elektronisch abrufbaren Bescheiden nach Bereitstellung zum Datenabruf. Dies trägt den mit dem Gesetz verlängerten Laufzeitvorgaben Rechnung.

Erfreulicherweise wurde die noch im Regierungsentwurf vorgesehene Einführung eines neuen § 122 Abs. 2b AO im Wirtschaftsausschuss des Bundestags wieder gestrichen (BT Drucks. 20/11817). Dieser sollte dafür sorgen, dass ein Steuerbescheid auch am Samstag als bekannt gegeben gilt. Hier haben sich die Ampel-Fraktionen im Bundestag erfreulicherweise kurz vor Abschluss des Gesetzesverfahrens nach den Anregungen des DStV für eine praxisnahe Ausgestaltung entschieden. Somit gilt auch zukünftig: Fällt das Ende der neuen Viertagesfrist auf einen Samstag, verschiebt sich der Fristablauf nach § 108 Abs. 3 AO auf den Ablauf des nächsten Werktags.

Henry Scheel

Fundstelle(n):
NWB 2024 Seite 1617
AAAAJ-68650