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BBK Nr. 11 vom Seite 514

Implementierung einer einstufigen Deckungsbeitragsrechnung

Schlussfolgerungen für die operative Unternehmensplanung

Prof. Dr. Mathias Graumann

Die Steuerungs- und Kontrollfunktion der Kostenrechnung wird durch eine Vollkostenrechnung auf Basis der Betriebsabrechnung beeinträchtigt. Insbesondere wird die Veränderung der Kostensituation bei variierender Auslastung verzerrt dargestellt. Dies kann gravierende Fehlentscheidungen induzieren, die das gesamte operative Marketing betreffen (sogenannte 4 P´s). Der Beitrag zeigt auf, wie eine Teilkostenrechnung („Deckungsbeitragsrechnung“) praxistauglich implementiert werden kann und mithilfe welcher Parameter valide Schlussfolgerungen für die operative Unternehmensplanung abgeleitet werden können.

I. Einführung

[i]Defizite der VollkostenrechnungDie Vollkostenrechnung traditioneller Prägung weist insbesondere folgende Defizite auf:

  • Die Summe der fixen Gemeinkosten wird auf die Anzahl der Leistungseinheiten proportional verteilt.

  • Es wird nicht berücksichtigt, dass die Fixkosten bei sinkender Auslastung nicht abbaubar sind und daher für kurzfristige Entscheidungsprobleme irrelevant sind.

  • Zudem verhindert die irrige Unterstellung einer Verursachungsbeziehung zwischen Einzel- und Gemeinkosten eine sinnvolle Kostenplanung und -kontrolle.

[i]Beispiele für FehldispositionenDies führt schon bei einfachen Beispielen zu gravierenden Fehldispositionen.

  • Preisplanung („price“): Eine durch Vollkostenrechnungssysteme unterstützte Preispolitik ist bei schwankender Beschäftigung fehlerhaft. Eine steigende Kapazitätsauslastung führt zu einer Fixkostendegression, eine sinkende Kapazitätsauslastung hingegen zu Fixkostenremanenz. Demnach müssten in der Rezession Preiserhöhungen durchgesetzt werden, während in der Hochkonjunktur Preissenkungen erfolgen. S. 515

Beispiel 1 (Preisplanung)

[i]Beispiel zur PreisplanungIn einer Kostenstelle werden üblicherweise pro Periode 10.000 Erzeugnisse hergestellt und abgesetzt. Es fallen Kosten von 200.000 € an. Von diesen Kosten entfallen 90.000 € auf die Kapazitätsbereitstellung (Abschreibung, Zinsen, sonstige Fixkosten). Pro Stück fallen in der Ausgangssituation 20 € Selbstkosten an.

In der nachfolgenden Periode wurden nur 5.000 Erzeugnisse abgesetzt. Die Fortschreibung der zuvor ermittelten Stückselbstkosten würde Gesamtkosten von 100.000 € erwarten lassen; tatsächlich entstehen jedoch Kosten i. H. von 145.000 € (90.000 + 11 • 5.000) und mithin Stückkosten von 29 €.

Wird die Kostenkalkulation zur Preisfestsetzung verwendet (sogenannte Kosten-Plus-Preise), führt das zu Preiserhöhungen und somit zu einer weiteren Reduktion der Auslastung, da die Kunden zu Konkurrenzanbietern wechseln. Die Vollkostenkalkulation suggeriert irrigerweise, dass die Kosten leerstehender Kapazitäten (Leerkosten) durch gesteigerte Absatzpreise überwälzt werden können.

Die Leerkosten stellen den Anteil an den Fixkosten dar, der auf die nicht ausgenutzte Kapazität entfällt; im Beispiel sind dies 0,5 • 90.000 = 45.000 €. Proportionalisiert auf die erzeugten 5.000 Stück folgt somit eine Erhöhung der Stückselbstkosten von 9 €.

Nimmt man für die ursprüngliche Ausbringungsmenge von 10.000 Stück einen Verkaufspreis von 24,90 €/Stück an, so wird ein Gewinn von 4,90 €/Stück und 4,90 • 10.000 = 49.000 € gesamt erzielt.

Bei einer verminderten Ausbringungsmenge von 5.000 Stück wäre der ursprüngliche Verkaufspreis nicht mehr kostendeckend. Das Management wäre versucht, den Preis auf ein kostendeckendes Niveau anzuheben, z. B. auf 29,90 €/Stück.

Eine isolierte Preisanhebung würde im Wettbewerb aber nur ein weiteres Absinken der Nachfrage induzieren mit der Folge, dass die Stückkosten aufgrund der Fixkostenremanenz noch weiter ansteigen. Bei einer angenommenen neuen Ausbringungsmenge von 4.000 Stück lägen die Kosten bei 134.000 € (90.000 + 11 • 4.000) und die Stückkosten bei 33,50 €.

Somit ist die Höhe der Stückkosten kein angemessener Parameter für die (operative) Preisplanung.

  • Produktplanung („product“): Alle Produkte, deren volle Selbstkosten über dem erzielbaren Marktpreis liegen, müssten eliminiert werden. Dies führt aber so lange zu einer Minderung des Gesamtergebnisses, wie der Stückpreis noch über den variablen Kosten liegt, d. h. der Produkterlös zur Deckung der fixen Kosten beiträgt.

Beispiel 2 (Produktplanung)

[i]Beispiel zur ProduktplanungEin Unternehmen produziert auf einer Maschine die Produkte A, B und C. Von jedem Produkt werden 100 Einheiten gefertigt. Die Absatzmengen sowie Absatzpreise können laut Angaben der Vertriebsleitung nicht erhöht werden (Angaben in €).


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Produkt
A
B
C
Gesamt
Fixkosten je Periode
4.000
4.000
4.000
12.000
+
variable Kosten (100 Stück)
6.000
8.000
10.000
24.000
=
Gesamtkosten
10.000
12.000
14.000
36.000
=
volle Selbstkosten pro Stück
100
120
140
Verkaufspreis pro Stück
80
130
160
=
Umsatzerlöse (100 Stück)
8.000
13.000
16.000
37.000
Stückgewinn/-verlust
./. 20
10
20
=
Gesamtgewinn/-verlust
./. 2.000
1.000
2.000
1.000S. 516

Kann das Unternehmen seinen Gesamtgewinn durch Verzicht auf die Produktion des Produkts A erhöhen, etwa auf 3.000 €, wie das Beispiel suggeriert?

Die Erlöse betragen nur noch 29.000 €, die variablen Kosten 18.000 € bei gleichbleibenden fixen Kosten von 12.000 €. Zuvor trug noch das Produkt A mit 2.000 € zur Deckung der fixen Kosten bei. Der Gesamtgewinn sinkt daher um 2.000 € von + 1.000 € auf ./. 1.000 €.

Mit anderen Worten, der Deckungsbeitrag des Produkts A beläuft sich auf 2.000 €. In dieser Höhe trägt Produkt A zur Deckung der gesamtfixen Kosten bei.

Somit ist der Gewinn pro Produkt bzw. Teilsortiment kein angemessener Parameter für die (operative) Produktprogrammplanung. Vielmehr kann der Gesamtgewinn gesteigert werden, wenn Produkte bzw. Teilsortimente im Leistungsprogramm verbleiben, deren Umsatzerlöse höher sind als die variablen Kosten. Diese Differenz stellt den Deckungsbeitrag dar. Dieser beziffert die Gewinndifferenz bei variierenden Leistungsprogrammen („erste Ableitung der Gewinnfunktion“).

II. Teilkostenrechnung vs. Vollkostenrechnung

1. Grundbegriffe

[i]Prämissen der DeckungsbeitragsrechnungDie Deckungsbeitragsrechnung geht von folgenden Prämissen aus:

  • Einzig relevante Kosteneinflussgröße ist die Ausbringungsmenge.

  • Die Erlöse sind mengenproportional und den Kostenträgern eindeutig zurechenbar.

  • Alle Kosten lassen sich eindeutig in fixe bzw. variable Kosten trennen.

  • Variable Kosten sind den Kostenträgern eindeutig zurechenbar.

  • Die Fixkosten sind konstant und den Perioden eindeutig zurechenbar.

Die Annahme konstanter variabler Stückkosten wird nur für Zwecke einer leichteren Rechenbarkeit getroffen. In der Praxis findet man häufig einen degressiven Verlauf der variablen Kosten in Abhängigkeit von der Ausbringungsmenge vor aufgrund von Konditionenvorteilen beim Fremdbezug von Gütern oder Dienstleistungen sowie Erfahrungsvorteilen in der internen Leistungserstellung.

Praxishinweis:

Für eine entsprechende Abbildung des Verlaufs der variablen Kosten wären staffelweise konstante variable Kosten zu definieren (analog zu Rabattstaffeln). Dies kann theoretisch ohne Weiteres durchgeführt werden, ist praktisch jedoch nur unter Zuhilfenahme von IT-Unterstützung rechenbar und erfolgt daher an dieser Stelle nicht.