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FG des Saarlandes  v. - 3 K 1072/20

Gesetze: EStG 2018 § 2 Abs. 1 S. 2, EStG 2018 § 2 Abs. 2, EStG 2018 § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa und, EStG 2018 § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb, EStG 2018 § 22 Nr. 5 S. 2 Buchst. a, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 3, BGB § 242, SGB VI § 63 Abs. 2

Rentenbesteuerung: Verfassungsmäßigkeit

Voraussetzungen und Berechnung einer unzulässigen Doppelbesteuerung

kein Verstoß von § 22 EStG gegen den Grundsatz der Normenklarheit

Leitsatz

1. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine verfassungsrechtlich unzulässige doppelte Besteuerung von Renten dann nicht vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen, wobei die erforderliche Vergleichs- und Prognoserechnung auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen ist. Die Feststellungslast für das Vorliegen einer etwaigen verfassungswidrigen doppelten Besteuerung im Einzelfall liegt beim Steuerpflichtigen, wobei allerdings gewisse Darlegungserleichterungen gelten können und auch ergänzende Schätzungen nicht ausgeschlossen sind.

2. Ein Vergleich des relativen Anteils von aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkten gem. § 63 Abs. 2 SGB VI und dem gesetzlich angeordneten Steuerfreistellungsanteil der Rente kann keine geeignete Methode zur Berechnung einer eventuellen doppelten Besteuerung darstellen (vgl. (AdV), BFH/NV 2021, 1571; , EFG 2021, 1107).

3. Weder werden durch § 22 EStG Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich besteuert (horizontale Steuergerechtigkeit), noch ist (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen unangemessen.

4. Auch wenn der der Besteuerung zugrunde gelegte Ertragsanteil nach § 22 EStG höher sein sollte als ein nach mathematischen Formeln unter Berücksichtigung eines Zinseszinseffekts berechneter individueller „Zinsanteil”, liegt darin kein Verstoß gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit oder der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit.

5. Es steht dem Gesetzgeber frei, den Ertragsanteil typisierend pauschal zu berechnen. Welchen Zinsfuß er dabei zugrunde legt, fällt dabei in seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, zumal zu berücksichtigen ist, dass es sich angesichts der über Jahrzehnte andauernden Ansparphase regelmäßig um einen pauschalen Zinsfuß handeln muss, der nicht dem ständigen Kapitalmarktzins entsprechen kann. Selbst wenn sich bei einer Vielzahl von Steuerpflichtigen der Ertragsanteil nach § 22 EStG im Vergleich zu ihrem individuellen, am Kapitalmarkt orientierten Zinsertrag als zu hoch erweisen sollte, verstößt dies nicht gegen den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum und führt insbesondere nicht zu einer doppelten Besteuerung der Renten anhand der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

6. Den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung fehlt nicht die Einkunftserzielungsabsicht. Ihre Besteuerung verstößt auch nicht gegen das objektive oder subjektive Nettoprinzip. Die erhöhte Besteuerung von Renten, die aufgrund der zum vorgenommenen Rechtsänderungen eingetreten ist, verstößt auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

7. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb EStG verstoßen nicht insoweit gegen den Grundsatz der Normenklarheit, als die dort genannten Ertragsanteile nicht mittels mathematischer Berechnung nachvollziehbar sind, weil Rechtsbegriffe wie „voraussichtliche Lebenszeit” zu unbestimmt seien, der Norm der Kalkulationszinssatz nicht zu entnehmen sei sowie unterschiedliche Definitionen des Kapitalwerts möglich seien, welche dann unterschiedliche Ertragsanteile zur Folge hätten.

Fundstelle(n):
VAAAJ-67632

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