BGH Urteil v. - 1 StR 308/23

Leitsatz

Wegen jeder rechtlich selbständigen Anknüpfungstat ist eine gesonderte Geldbuße nach § 30 Abs. 1 OWiG zu verhängen.

Gesetze: § 30 Abs 1 OWiG

Instanzenzug: Az: 1 StR 308/23 Beschlussvorgehend Az: 8 KLs 33/22

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen (Angeklagter R.              ) bzw. der Beihilfe hierzu in 16 Fällen (Angeklagte G.                    ) zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und vier Monaten bzw. einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der zuletzt genannten Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat die Strafkammer das Verfahren betreffend eine Tat (Angeklagter R.               ) bzw. zwei weitere Taten (Angeklagte G.                      ) wegen des dauerhaften Verfahrenshindernisses der Verjährung eingestellt und gegen die Nebenbeteiligte für jeden der 17 festgestellten Fälle der Steuerhinterziehung eine Geldbuße in Höhe von 2.000 € (insgesamt 34.000 €) festgesetzt. Mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen wenden sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten und durch den Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmitteln die Verurteilung beider Angeklagten auch wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB) sowie eine täterschaftliche Verurteilung der Angeklagten G.                       wegen der Steuerdelikte. Die Anklagebehörde wendet sich überdies gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer betreffend den Schuldumfang und rügt mehrere Fehler bei der Strafzumessung, unter anderem die Nichtanwendung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO. Die Rechtsmittel sind weitgehend begründet.

I.

2Das Landgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren relevant – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Der Angeklagte R.                 ist der Geschäftsführer der Nebenbeteiligten, die an zwei Standorten (S.            und A.       ) Spielhallen mit Geldspielautomaten betreibt. Die Angeklagte G.                 , seine Ehefrau, führte im Tatzeitraum für die Nebenbeteiligte auf Anweisung des Angeklagten verschiedene Bürotätigkeiten aus. Sie bereitete unter anderem die Steuererklärungen der Gesellschaft vor, indem sie nach Rücksprache mit dem Angeklagten dem Steuerberater die für die Erstellung der Steuererklärungen erforderlichen Unterlagen übermittelte, insbesondere auch sogenannte Auslesestreifen, die die aufgezeichneten Einspielergebnisse (Umsätze) aus den Geldspielautomaten wiedergaben.

4Die Umsätze sämtlicher Geldspielgeräte der Nebenbeteiligten wurden monatlich fortlaufend durch Auslesestreifen festgestellt. Hierfür wurden spezielle Auslesegeräte eingesetzt, welche jeweils über eine Schnittstelle im Inneren der Automaten mit diesen verbunden waren. Die von den Spielautomaten generierten Daten wurden von einem internen Speichermedium der Automaten auf die Speicher der Auslesegeräte übertragen und von dort ausgedruckt. Der Angeklagte erhielt die Auslesestreifen nebst den Speicherkarten der Auslesegeräte, auf denen die ausgeführten Umsätze aufgezeichnet waren, monatlich von Mitarbeitern des jeweiligen Standorts.

5Im Jahr 2014 entschloss er sich dazu, die Auslesestreifen zu manipulieren, um für sich Bargeld zu generieren und in den Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen der Nebenbeteiligten niedrigere Umsätze als tatsächlich ausgeführt erklären zu können. Hierzu erwarb er ein Manipulationsgerät, das er mit einem „externen“, d.h. nicht mit den Geldspielautomaten verbundenen, Auslesegerät verband. In dieses legte er die ihm von seinen Mitarbeitern übergebenen Speicherkarten ein, setzte die auf den Speicherkarten erfassten tatsächlichen Umsätze unter Verwendung des Manipulationsgerätes herab und erstellte neue Auslesestreifen, die sodann Eingang in die Buchhaltung der Nebenbeteiligten fanden. Sie wurden ferner deren Steuerberater zur Erstellung der Steuererklärungen übermittelt.

6Auf die vorbeschriebene Weise manipulierte der Angeklagte für den Standort S.            im Zeitraum von bis die ausgeführten Umsätze in jedem Monat, für den Standort A.       in den Monaten Januar 2015, Oktober bis Dezember 2016, Oktober bis Dezember 2017, Oktober und November 2018 sowie Januar 2019. Basierend darauf erklärte der Steuerberater, der die Unregelmäßigkeiten nicht erkannte, für die Besteuerungszeiträume 2015 bis 2020 jeweils zu niedrige Umsätze und daraus folgend ein nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes zu versteuerndes Einkommen. Hierdurch verkürzte der Angeklagte im Tatzeitraum Körperschaftsteuer in Höhe von insgesamt 236.966 Euro, Solidaritätszuschläge in Höhe von 13.033,12 Euro, Umsatzsteuer in Höhe von 253.947,99 Euro und Gewerbesteuer in Höhe von 228.867,57 Euro, mithin insgesamt Steuern in Höhe von 732.814,68 Euro.

7Die Angeklagte G.                   erfuhr im Herbst 2015 von den Manipulationen. Sie setzte in Kenntnis dessen ihre vorbeschriebenen Tätigkeiten für die Nebenbeteiligte fort.

82. Das Landgericht hat den Angeklagten R.                wegen Steuerhinterziehung in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, die Angeklagte G.                       wegen 16 Fällen der Beihilfe hierzu zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Soweit den Angeklagten in der Anklageschrift auch die Verkürzung von Umsatzsteuer in dem Besteuerungszeitraum 2015 zur Last gelegt worden war, ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass die Tat jeweils verjährt sei und hat das Verfahren betreffend beide Angeklagte eingestellt. Gleiches gilt in Bezug auf die Angeklagte G.                    hinsichtlich des Tatvorwurfs der Hinterziehung von Gewerbesteuer im Besteuerungszeitraum 2015. Abweichend von der Anklageschrift hat sich das Landgericht keine Überzeugung davon bilden können, dass der Angeklagte R.               auch für den Standort A.       im gesamten Tatzeitraum in jedem Monat die Auslesestreifen manipulierte. Entgegen der Würdigung der Staatsanwaltschaft ist es auch nicht von täterschaftlichem Handeln der Angeklagten G.                    ausgegangen und hat das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO nicht angewendet.

II. Revisionen der Staatsanwaltschaft

9Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind überwiegend begründet. Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts erweist sich – insoweit auch zu Gunsten der Angeklagten (§ 301 StPO) – als rechtsfehlerhaft (II. 1.), was neben der Aufhebung der Strafaussprüche (II. 4.) auch die der (teilweisen) Verfahrenseinstellungen zur Folge hat (II. 2.). Überdies hat die Strafkammer gegen ihre Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen (II. 3.), sodass eine abschließende Schuldspruchberichtigung durch den Senat nicht in Betracht kam. Der Verstoß gegen die Kognitionspflicht bedingt im Wesentlichen die Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Bestehen bleiben können jedoch die Feststellungen betreffend die Schuldsprüche wegen der Steuerdelikte sowie die Hinterziehungsbeträge und die subjektive Tatseite hierzu (§ 353 Abs. 2 StPO, II. 5.). Die Aufhebung ist – soweit sie zu Gunsten des Angeklagten R.                wirkt – entsprechend § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierende Nebenbeteiligte zu erstrecken (II. 6.). Im Einzelnen:

101. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Steuerdelikte hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11a) Hinsichtlich der Taten des Haupttäters, des Angeklagten R.              , hat die Strafkammer nicht beachtet, dass die Steuererklärungen nicht von ihm selbst, sondern dem – undolosen – Steuerberater eingereicht wurden. Der Angeklagte wies lediglich seine mitangeklagte Ehefrau an, die manipulierten Buchhaltungsunterlagen zur Vorbereitung der Steuererklärungen an den Steuerberater weiterzuleiten. Er war daher mittelbarer Täter (§ 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB). Bei diesem richtet sich die Beurteilung der Konkurrenzen nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der Anzahl der Handlungen, die ihm zuzurechnen sind. Hat ein mittelbarer Täter, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt ist, seinen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die Handlungen des Tatmittlers als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob beim Tatmittler Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen wäre, ist demgegenüber ohne Belang (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 7 mwN).

12Diese Maßstäbe zugrunde gelegt ist der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den Angeklagten R.                 nicht als 17, sondern sechs selbständige Taten der Steuerhinterziehung zu würdigen.

13b) Auch die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten der Angeklagten G.                    hat keinen Bestand.

14Zwar hält die Würdigung des Landgerichts, die Angeklagte habe nicht täterschaftlich gehandelt, revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

15Jedoch hängt die Frage, ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, neben der Anzahl der Beihilfehandlungen auch von der der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Von Tatmehrheit nach § 53 StGB ist auszugehen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dagegen ist Beihilfe im Sinne des § 52 StGB anzunehmen, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet. Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (st. Rspr.; vgl. nur unter 2. a) mwN). Dies zugrunde gelegt liegen auch hinsichtlich der Angeklagten G.                    nur sechs eigenständige Taten vor.

162. Die abweichend von der Würdigung des Landgerichts vorzunehmende konkurrenzrechtliche Bewertung bedingt zugleich die Aufhebung der (teilweisen) Verfahrenseinstellungen.

17Die Strafkammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass betreffend den Besteuerungszeitraum 2015 in Bezug auf beide Angeklagte jedenfalls die Hinterziehung von Körperschaftsteuer bzw. die Beihilfe hierzu nicht verjährt sind. Da die Verkürzung von Umsatz- bzw. Umsatz- und Gewerbesteuer hiermit, wie ausgeführt, in Tateinheit steht, scheidet eine Verfahrensteileinstellung (§ 260 Abs. 3 StPO) wegen Verjährung aus; denn eine Verfahrenseinstellung wegen eines Verfahrenshindernisses kann sich nur auf eine gesonderte Tat (vgl. § 53 StGB), nicht aber auf eine tateinheitlich begangene Gesetzesverletzung beziehen (vgl. § 52 Abs. 1 Alternative 1 und 2 StGB; Rn. 8; vgl. auch Rn. 9 und vom – 1 StR 29/21 Rn. 13 mwN; Beschlüsse vom – 3 StR 268/23 Rn. 4 und vom – 1 StR 481/19 Rn. 9 f.).

183. Von einer Schuldspruchänderung sieht der Senat ab, da das Landgericht überdies den Sachverhalt nicht unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihm obliegende Kognitionspflicht nach § 264 StPO verstoßen hat.

19a) Diese gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung erfasst werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Fehlt es daran, stellt dies einen sachlich-rechtlichen Mangel dar. Bezugspunkt dieser Prüfung ist die Tat im Sinne von § 264 StPO, also ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (st. Rspr.; s. etwa Rn. 13 mwN).

20b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Das Landgericht hat es versäumt, den angeklagten Sachverhalt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB) zu prüfen.

21aa) Zwar werden die Angeklagten in der Anklageschrift dieses Deliktes nicht explizit beschuldigt; jedoch hat die Staatsanwaltschaft im angeklagten Sachverhalt die Generierung der Auslesestreifen bei dem Betrieb der Spielautomaten und den Umstand ausführlich dargestellt, dass der Angeklagte mittels eines Manipulationsgerätes nachträglich weitere Auslesestreifen erstellte, auf denen Umsätze ausgewiesen wurden, die von den tatsächlich ausgeführten abwichen. Die Anklagebehörde hatte insoweit auch Verfolgungswillen; denn sie hat unter Bezugnahme auf § 268 StGB ausdrücklich die Verurteilung der Angeklagten wegen des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO begehrt, weil diese Steuern unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege verkürzt haben sollen. Auch die Strafkammer ist bei der Strafzumessung davon ausgegangen, dass es sich bei den Auslesestreifen um technische Aufzeichnungen im Sinne des § 268 StGB handelt (vgl. UA S. 50).

22bb) Eine Strafbarkeit der Angeklagten nach § 268 StGB ist nach den getroffenen Feststellungen auch nicht rechtlich ausgeschlossen. Ungeachtet des Umstandes, dass der Angeklagte R.             , anders als in dem durch den Senat bereits entschiedenen Fall (Beschluss vom – 1 StR 490/14, BGHR StGB § 268 Aufzeichnung 4 und Abs. 3 Störende Einwirkung 1), erst die schon aus den Automaten auf den Speicher des Auslesegerätes übertragenen, dort unverfälscht gespeicherten Daten manipulierte, kommt eine Strafbarkeit nach § 268 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative StGB bzw. § 268 Abs. 1 Nr. 2 erste Alternative StGB in Betracht. Denn eine unechte technische Aufzeichnung stellt her, wer eine Aufzeichnung anfertigt, die ihre Herkunft aus dem ordnungsgemäßen Arbeitsgang eines für solche Aufzeichnungen bestimmten Gerätes vortäuscht, sei es, indem der Täter eine Aufzeichnung manuell nachmacht, sei es, dass er das technische Gerät selbst missbräuchlich einsetzt (Fischer, StGB, 71. Aufl., § 268 Rn. 17; vgl. auch , BGHSt 28, 300, 303/304). So liegt es hier. Die durch den Angeklagten R.               generierten Auslesestreifen erweckten den falschen Eindruck, das Ergebnis eines von Manipulationshandlungen unbeeinflussten Aufzeichnungsvorgangs zu sein und stellen damit eine unechte technische Aufzeichnung im Sinne des § 268 Abs. 1 und 2 StGB dar (vgl. LK-StGB/Zieschang, 13. Aufl., § 268 Rn. 40).

234. Die Aufhebung der Schuldsprüche entzieht den Strafaussprüchen die Grundlage.

245. Die Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und können bestehen bleiben, soweit sie die Schuldsprüche wegen der Steuerdelikte sowie die Hinterziehungsbeträge und die subjektive Tatseite hierzu betreffen (§ 353 Abs. 2 StPO). Hingegen bedarf der übrige Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des § 268 StGB der umfassenden neuen Aufklärung und Bewertung (zu den Konkurrenzverhältnissen vgl. Rn. 8 f.).

25Unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Umfangs der Überprüfung der Beweiswürdigung (s. etwa Rn. 10 mwN) begegnet es insbesondere keinen rechtlichen Bedenken, dass sich das Tatgericht keine Überzeugung davon hat bilden können, dass der Angeklagte R.          auch für den Standort A.        im gesamten Tatzeitraum monatlich die Auslesestreifen manipulierte. Die Strafkammer hat dabei weder die Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung überspannt, noch ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Insbesondere durfte sich das Landgericht mit Blick darauf, dass der Angeklagte R.                zwar eingeräumt hat, auch für den Standort A.       Manipulationen vorgenommen zu haben, diese aber nicht lückenlos durchgeführt haben will, mangels anderer „griffiger“ Unterscheidungskriterien auf die Monate beschränken, für die Aufzeichnungen über die tatsächlich ausgeführten Umsätze vorlagen. Soweit die Anklagebehörde vom Angeklagten vermerkte „X“ auf den Umsatzlisten anders als das Landgericht gewürdigt haben will, nimmt sie eine revisionsrechtlich unerhebliche eigene Beweiswürdigung vor, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Sofern die Staatsanwaltschaft ergänzende Feststellungen vermisst, kann dies der Revision mit der ausschließlich erhobenen Sachrüge nicht zum Erfolg verhelfen; eine Aufklärungsrüge ist nicht erhoben.

266. Die Aufhebung ist – soweit sie zu Gunsten des Angeklagten R.              wirkt (§ 301 StPO) – entsprechend § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierende Nebenbeteiligte zu erstrecken (vgl. Rn. 62 und vom – 3 StR 83/09 Rn. 21).

27a) § 357 Satz 1 StPO ist auf die Nebenbeteiligte anwendbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt § 357 Satz 1 StPO für die nicht revidierende Einziehungsbeteiligte entsprechend (vgl. nur Rn. 21 mwN). Mit Blick auf die Wertung des § 444 StPO, wonach die Nebenbeteiligte im Strafverfahren der Einziehungsbeteiligten gleichgestellt wird, ist § 357 Satz 1 StPO auch zugunsten der Nebenbeteiligten anzuwenden (vgl. zur Stellung der Nebenbeteiligten im Strafprozess Rn. 24).

28b) Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Straftaten des Angeklagten als Organ der Nebenbeteiligten kann sich auf die Anzahl der gegen die Nebenbeteiligte zu verhängenden Geldbußen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative OWiG – und damit zu deren Gunsten – auswirken. Wegen jeder rechtlich selbständigen Anknüpfungstat ist eine gesonderte Geldbuße nach § 30 Abs. 1 OWiG zu verhängen (vgl. BeckOK-OWiG/Meyberg, Stand: , § 30 Rn. 109; vgl. zur Akzessorietät der Verjährung , BGHSt 46, 207, 211; BGH [Kartellsenat], Beschluss vom – KRB 25/20 Rn. 7). Soweit die Gegenmeinung bei tatmehrheitlichem Handeln einer Leitungsperson mit Blick auf die gegen sie zu verhängende Gesamtstrafe davon ausgeht, dass auch gegen den Verband nur eine Geldbuße verhängt werden kann (vgl. KK-OWiG/Rogall, 5. Aufl., § 30 Rn. 152; Cordes/Reichling, NJW 2015, 1335, 1336), verkennt diese, dass die Geldbuße nach dem Wortlaut des § 30 OWiG nicht an die gegen die Leitungsperson zu verhängende Strafe, sondern deren Tat(en) anknüpft.

III. Revisionen der Angeklagten

29Mit Blick darauf, dass die unzutreffende konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts zugleich einen Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten darstellt, führen auch deren Rechtsmittel zur Aufhebung des Urteils einschließlich der Feststellungen. Hiervon nicht betroffen sind die Feststellungen betreffend die Schuldsprüche wegen der Steuerdelikte sowie die Hinterziehungsbeträge und die subjektive Tatseite hierzu (§ 353 Abs. 2 StPO). Insoweit dringt die Revision aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch.

IV.

30Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

311. Die Strafkammer hat aufgrund der bisherigen Feststellungen das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO zutreffend nicht angewendet. Denn die Angeklagten verkürzten nicht fortgesetzt unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege Steuern.

32a) Offenbleiben kann dabei – obgleich hierfür viel spricht (vgl. Rn. 6, BGHR AO § 370 Abs. 3 Nr. 4 Belege 1) –, ob unter „Beleg“ im Sinne des § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO auch technische Aufzeichnungen fallen, deren Fälschung § 268 StGB unter Strafe stellt. Denn das Landgericht hat bislang weder ein Verwenden bei den verfahrensgegenständlichen Steuerhinterziehungen noch eine fortgesetzte Begehungsweise im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO festgestellt.

33b) Die Angeklagten verwendeten auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen die Auslesestreifen nicht bei den verfahrensgegenständlichen Taten.

34Aus dem Wortlaut des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO („unter“) folgt, dass die Belege bei der verfahrensgegenständlichen Steuererklärung verwendet, mithin den Finanzbehörden zur Kenntnis gebracht werden müssen. Der Bundesgerichtshof geht deshalb in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Heranziehung der Belege für die Erstellung unwahrer Bilanzen oder Steuererklärungen nicht ausreicht, weil der Täter in diesem Stadium noch nicht unmittelbar zur Tat angesetzt hat (s. etwa , BGHSt 31, 225, 226; Urteil vom – 1 StR 360/21 Rn. 8 mwN). Dem folgend müssen die Unterlagen aber auch vor Beendigung der Tat vorgelegt werden. Nicht ausreichend ist es deshalb, wenn sie im Rahmen einer nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens durchgeführten Betriebsprüfung den Finanzbehörden zur Kenntnis gebracht werden. Wann die durch das Landgericht festgestellte Betriebsprüfung, bei der die manipulierten Auslesestreifen dem Prüfer übergeben wurden, stattfand, ergibt sich aus den Urteilsgründen bislang nicht eindeutig, obgleich viel dafür spricht, dass das Besteuerungsverfahren zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen war. Zwar können unrichtige Erklärungen im Rahmen einer Betriebsprüfung zur Verhinderung der Neufestsetzung der Steuer eine erneute Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO darstellen (vgl. Rn. 6, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Mittäter 6); jedoch handelte es sich dabei um eine andere, nicht verfahrensgegenständliche Tat. Mit dem Zugang des letzten Ertragsteuerbescheids waren die sechs Steuerverkürzungen, auf das jeweilige Jahr bezogen, beendet.

35c) Die Angeklagten verwendeten die Belege auch nicht „fortgesetzt“ im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO.

36Das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO ist nur dann erfüllt, wenn der Täter fortgesetzt handelt, mithin vor der gegenständlichen Tat mindestens zwei Steuerhinterziehungen nach § 370 AO unter Vorlage nachgemachter oder verfälschter Belege begangen hat. Dabei reicht es nicht aus, dass die Belege zur Verkürzung von Abgaben vorgelegt wurden, die – wie hier etwa von Vergnügungssteuern – nicht nach § 370 AO strafbar sind, sondern Straftatbeständen aus anderen Gesetzen wie zum Beispiel den kommunalen Abgabengesetzen der Länder unterfallen. Denn durch § 370 Abs. 3 AO werden Straftaten des Grundtatbestands des § 370 Abs. 1 AO im Regelfall dann einem höheren Strafmaß unterstellt, wenn sie auf eine bestimmte, vom Normgeber für besonders strafwürdig erachtete Art und Weise – wie etwa „unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt“ – begangen werden. Das Tatbestandsmerkmal „fortgesetzt“ kann sich daher nach der Systematik des Gesetzes lediglich auf vorangegangene Taten nach dem Grundtatbestand beziehen. Ob insoweit etwas Anderes gilt, wenn in dem betreffenden Gesetz ein § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO entsprechender besonders schwerer Fall unmittelbar oder durch – eine nicht statuierte – Verweisung auch auf § 370 Abs. 3 AO geregelt wird (vgl. Rn. 5), kann vorliegend dahinstehen. Denn das Kommunalabgabengesetz des Saarlandes sieht dies nicht vor.

372. Hinsichtlich einer etwaigen Verurteilung der Angeklagten wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 Abs. 1 StGB) wird das neue Tatgericht zu prüfen haben, ob die Angeklagten insoweit bereits in einem anderen Verfahren rechtskräftig verurteilt worden sind (Art. 103 Abs. 3 GG).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:060324U1STR308.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-66549