BGH Beschluss v. - AnwZ (Brfg) 39/23

Instanzenzug: Anwaltsgerichtshof Celle Az: AGH 13/21 (II 11/41) Urteil

Gründe

I.

1Der Kläger ist seit 1997 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

31. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4a) Soweit der Anwaltsgerichtshof von einem Vermögensverfall des Klägers im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ausgegangen ist, wird dies vom Kläger nicht angegriffen.

5b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit der Anwaltsgerichtshof ausgeführt hat, die Voraussetzungen, unter denen im Ausnahmefall trotz eines Vermögensverfalls des Rechtsanwalts nicht von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszugehen sei, lägen nicht vor.

6Nach der Rechtsprechung des Senats ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Von einem solchen Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Beschlüsse vom - AnwZ (Brfg) 21/23, ZInsO 2023, 2388 Rn. 6 und vom - AnwZ (Brfg) 33/22, BRAK-Mitt. 2023, 328 Rn. 11; jew. m.zahlr.w.N.).

7Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorbringt, Mandate mit Fremdgeldbezug würden in seiner Kanzlei "so gut wie gar nicht" bearbeitet und die seltenen Fremdgeldmandate würden von ihm nur unter Ablehnung der Annahme von Fremdgeldern geführt, begründet dies keinen Ausnahmefall im vorstehenden Sinne. Entscheidend ist, dass es dem Kläger möglich ist, jederzeit seine Tätigkeit zu ändern und künftig - unüberwacht - wieder mit Mandantengeldern in Berührung zu kommen (vgl. Senat, Beschluss vom - AnwZ (Brfg) 82/18, ZInsO 2019, 1063 Rn. 8).

82. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Ein Verfahrensfehler liegt insbesondere nicht darin, dass der Anwaltsgerichtshof nicht dem Beweisantritt des Klägers in dessen Schriftsatz vom zu dem Inhalt des mit der Geschäftsführerin der Beklagten am geführten Telefonats gefolgt ist.

9a) Nach der Behauptung des Klägers hat die Geschäftsführerin der Beklagten ihm in diesem Telefonat mitgeteilt, dass man in einer Sitzung zu der Ansicht gekommen sei, dass ein Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in seinem Falle nicht angebracht sei und man die weitere Entwicklung bis Ende November 2021 abwarten wolle. Er ist der Auffassung, dass er auf die erteilte fernmündliche Aussage habe vertrauen dürfen. Ihm sei mit dem bereits am erfolgten Widerruf fristgerechter weiterer Vortrag verbaut worden, der Widerrufsbescheid sei in diesem Zeitpunkt rechtswidrig ergangen.

10b) Es begründet keinen Verfahrensfehler, dass der Anwaltsgerichtshof zu der vorstehenden Behauptung des Klägers keinen Beweis erhoben hat. Aus ihr ergibt sich keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Widerrufsbescheids.

11aa) Die Beklagte war an die vom Kläger geschilderte Mitteilung, seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht vor Ende November 2021 zu widerrufen, nicht gebunden. Dabei kann dahinstehen, ob sich dem vom Kläger geschilderten Telefonat überhaupt ein hinreichender Rechtsbindungswillen der Geschäftsführerin der Beklagten im Hinblick auf den Zeitpunkt einer Widerrufsentscheidung zu entnehmen ist (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl., § 38 Rn. 9, 11 zum erforderlichen Rechtsbindungswillen der Behörde bei Zusicherungen i.S.v. § 38 Abs. 1 VwVfG). Denn selbst, wenn dies zu bejahen sein sollte, wäre die Beklagte an ihre entsprechende Zusicherung gemäß § 32 Abs. 1 BRAO, § 38 Abs. 3 VwVfG nicht mehr gebunden.

12Nach dem Telefonat vom , in dem die Zusicherung erteilt worden sein soll, hat sich die Sachlage maßgeblich verändert. Bis zu diesem Telefonat konnte die Beklagte aufgrund des an sie gerichteten Schreibens des Klägers vom davon ausgehen, dass er Verbindlichkeiten "ab 7.214,37 € aufwärts" beim Rechtsanwaltsversorgungswerk N.         hatte. Letzteres hat indes mit Schreiben vom - nach dem zwischen dem Kläger und der Geschäftsführerin der Beklagten geführten Telefonat vom - mitgeteilt, am hätten sich offene Forderungen gegen den Kläger in Höhe von 8.331,05 € in der Zwangsvollstreckung befunden, auf welche lediglich geringe Teilzahlungen geleistet worden seien. Seit dem seien weitere Beitragsforderungen entstanden, die vom Kläger nicht bedient würden, so dass sich die offenen Forderungen erheblich erhöht hätten und aktuell auf circa 30.000 € beliefen. Eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Kläger bestehe nicht.

13Die mit Schreiben vom mitgeteilte Forderungshöhe des Rechtsanwaltsversorgungswerks von circa 30.000 € stellt im Verhältnis zu der vom Kläger angegebenen Forderungshöhe von "ab 7.214,37 € aufwärts" eine im Hinblick auf den Widerrufsgrund des Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) maßgebliche Änderung der Sachlage im Sinne von § 32 Abs. 1 BRAO, § 38 Abs. 3 VwVfG dar, die eine etwaige Bindung der Beklagten an eine - unterstellt - im Hinblick auf den Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung zuvor erteilte Zusicherung entfallen lässt. Denn auf der Grundlage der Mitteilung des Rechtsanwaltsversorgungswerks hatte sich der Vermögensverfall des Klägers erheblich vertieft und bestand im Hinblick auf den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unmittelbarer Handlungsbedarf.

14bb) Soweit der Kläger mit seiner Auffassung, dass er im Vertrauen auf das Telefonat vom von einem bis Ende November 2021 bestehenden Zeitfenster für weiteren Vortrag gegenüber der Beklagten habe ausgehen dürfen, eine fehlerhafte Anhörung durch die Beklagte gemäß § 32 Abs. 1 BRAO, § 28 Abs. 1 VwVfG geltend macht, begründet auch dies nicht die Entscheidungserheblichkeit und damit die Beweisbedürftigkeit seines Vorbringens. Denn der Kläger legt insofern schon nicht dar, welchen Vortrag er gegenüber der Beklagten bis Ende November 2021 gehalten hätte, der zu einer anderen Entscheidung im Hinblick auf den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft geführt hätte.

III.

15Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:070324BANWZ.BRFG.39.23.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-66346