BGH Beschluss v. - XII ZB 496/23

Instanzenzug: LG Zwickau Az: 9 T 114/23vorgehend AG Zwickau Az: 14 XVII 1365/20

Gründe

I.

1Der im Jahr 1988 geborene Betroffene leidet an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Für ihn ist eine Betreuung eingerichtet, die zuletzt den Aufgabenkreis „Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entscheidung über Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post“ umfasste. Das Amtsgericht hat nach Bestellung eines Verfahrenspflegers und Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe die Erweiterung der Betreuung (unter anderem) um den Aufgabenbereich „Entscheidung über die Unterbringung“ angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

2Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

31. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die angefochtene Beschwerdeentscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist, weil das Beschwerdegericht nicht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren absehen durfte.

4a) Nach dem gemäß § 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG im Verfahren über die Erweiterung der Betreuung grundsätzlich entsprechend anzuwendenden § 278 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats zum einen voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist. Zum anderen dürfen von einer erneuten Anhörung im Beschwerdeverfahren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sein, was jedoch dann der Fall ist, wenn das Beschwerdegericht für seine Entscheidung eine neue Tatsachengrundlage heranzieht, die nach der amtsgerichtlichen Entscheidung datiert (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 451/21 - FamRZ 2022, 1130 Rn. 16 mwN).

5b) Gemessen hieran hätte das Beschwerdegericht den Betroffene persönlich anhören müssen, da es seine Entscheidung ausdrücklich auf das erst im Beschwerdeverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen M. vom gestützt hat. Die persönliche Anhörung dient nicht nur der Gewährung rechtlichen Gehörs. Durch sie soll auch sichergestellt werden, dass sich das Gericht vor der Entscheidung einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, durch den es in die Lage versetzt wird, das eingeholte Sachverständigengutachten kritisch zu würdigen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 515/22 - FamRZ 2023, 1150 Rn. 12).

62. Die angegriffene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, das weitere Feststellungen zu treffen haben wird. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass mit der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts in der Sache auch eine Erweiterung des Aufgabenkreises der Betreuung um den Aufgabenbereich „Aufenthaltsbestimmung“ angeordnet worden ist.

73. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:280224BXIIZB496.23.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-65988