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BBK Nr. 9 vom Seite 397

Neue Schwellenwerte für Kapitalgesellschaften (& Co.)

Zeitlicher Anwendungsbereich und Konsequenzen

Prof. Dr. Carsten Theile

Die hohe Inflation in der EU und im Euro-Währungsgebiet haben die EU-Kommission veranlasst, die finanziellen Schwellenwerte „Bilanzsumme“ und „Umsatzerlöse“ für die Größeneinstufung von Kapitalgesellschaften (& Co.) nach oben anzupassen. Die zutreffende Größenklassifizierung einer Kapitalgesellschaft (& Co.) ist einschlägig für den Umfang der Aufstellung des Jahresabschlusses, seine Prüfung und Offenlegung. Der Gesetzgeber hat die EU-Vorgaben am im HGB umgesetzt. Welche neuen Schwellenwerte müssen oder dürfen wann angewendet werden, welche Möglichkeiten für bilanzpolitisches Feintuning bieten sich und was sind die Konsequenzen? Der Beitrag liefert die Antworten und verdeutlicht diese anhand von Beispielen.

I. EU-rechtlicher Hintergrund

[i]Inflationsbedingte AnpassungBekanntlich basiert das Bilanzrecht für Kapitalgesellschaften (& Co.) auf EU-Recht, konkret: Auf der Bilanzrichtlinie 2013/34/EU. Dort sind sowohl die größenabhängigen Rechtspflichten als auch die Größenmerkmale und zugehörigen Schwellenwerte zur Größeneinstufung der Kapitalgesellschaften (& Co.) festgelegt. Über Art. 3 Abs. 13 der Bilanzrichtlinie ist die EU-Kommission aufgefordert, mindestens alle fünf Jahre die Schwellenwerte zu überprüfen, ob eine inflationsbedingte Bereinigung vorgenommen werden muss. Die letzte Anpassung der Schwellenwerte wurde im Jahr 2013 mit ebendieser Bilanzrichtlinie vollzogen. Die geringen Inflationsraten in den Jahren danach machten eine Anpassung obsolet. Die hohen Inflationsraten in den Jahren 2021 und 2022 führten aber doch dazu, dass die kumulierte Inflationsrate im Euro-Währungsgebiet im Zeitraum vom bis bei 24,3 % lag, während sie in der gesamten EU im selben Zeitraum 27,2 % betrug. Also war aus Sicht der EU-Kommission nun eine Anhebung der S. 398finanziellen Schwellenwerte um rund 25 % erforderlich, die mit delegierter Richtlinie vom  vollzogen worden ist. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis umsetzen. Die neuen Schwellenwerte sind für Geschäftsjahre anzuwenden, die am oder nach dem beginnen, wobei den Mitgliedstaaten erlaubt ist, den Unternehmen auch die Anwendung auf Geschäftsjahre, die am oder nach dem beginnen, zu gestatten.

II. Gesetzgebungsverfahren

[i]Inkrafttreten am 17.4.2024Das BMJ hat recht zügig reagiert und am einen Änderungsvorschlag („Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag“) zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof eingebracht. Mit anderen Worten: Die HGB-Anpassung sollte an den vorgenannten fachfremden Gesetzentwurf, der seit dem vorlag, angedockt werden. Weil aber die parlamentarische Beratung dieses Entwurfs noch andauert, ist die HGB-Anpassung dort wieder herausgenommen und stattdessen – ebenso fachfremd – sozusagen in letzter Minute in den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des DWD-Gesetzes aufgenommen worden. Am ist das Gesetzgebungsverfahren parlamentarisch abgeschlossen worden. Das Gesetz wurde am ausgefertigt, am verkündet und am ist es in Kraft getreten.

III. Die neuen Schwellenwerte

1. Jahresabschluss

[i]Schwellenwerte §§ 267, 267a HGB Für den Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaften i. S. des § 264a HGB sind in der folgenden Tabelle die alten und neuen Schwellenwerte aus den §§ 267, 267a HGB gegenübergestellt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kleinst
Klein
Mittel
Groß
Bilanzsumme in T€
Alt:
≤ 350
Alt:
≤ 6.000
Alt:
≤ 20.000
Alt:
> 20.000
Neu:
≤ 450
Neu:
≤ 7.500
Neu:
≤ 25.000
Neu:
> 25.000
Umsatzerlöse in T€
Alt:
≤ 700
Alt:
≤ 12.000
Alt:
≤ 40.000
Alt:
> 40.000
Neu:
≤ 900
Neu:
≤ 15.000
Neu:
≤ 50.000
Neu:
> 50.000
Arbeitnehmer (Durchschnitt)
Unverändert
Unverändert
Unverändert
Unverändert
≤ 10
≤ 50
≤ 250
> 250
Abb. 1: Schwellenwerte §§ 267, 267a HGB

Der Gesetzgeber hat damit – wie üblich – das Mitgliedstaatenwahlrecht des Art. 3 Abs. 2 der Bilanzrichtlinie ausgeschöpft und die Schwellenwerte für das Kleinformat bis zum maximal möglichen ausgereizt.S. 399