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NaRp Nr. 5 vom Seite 22

Überblick zur neuen (Normen-)Welt der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung

Europäische Berichtspflichten zur Erhöhung der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen

Dr. Josef Baumüller und Prof. Dr. Karina Sopp

Die Regulierung der Transparenzpflichten zur Nachhaltigkeitsleistung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance hat sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt. Dies betrifft insbesondere in der EU ansässige Unternehmen; allerdings gehen die EU-Regularien sogar über diesen Anwendungsbereich hinaus (geographisch und mit Blick auf die Organisationsform). Mit dem Geschäftsjahr 2024 sind nunmehr neue Berichtspflichten gemäß Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu beachten, die mit einem bisher noch nicht da gewesenen Anspruchsniveau einhergehen. Diese Vorgaben sind eingebettet in eine Vielzahl an weiteren Regularien, die z. T. weitere Berichtspflichten beinhalten oder den Rahmen für die erweiterte Unternehmensberichterstattung schaffen. Diese Berichterstattung intensiviert die Bedeutung von ökologischen und sozialen Informationen und bringt diese zunehmend „auf Augenhöhe“ mit finanziellen Informationen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über wichtige Eckpunkte dieser Entwicklung sowie über die Zusammenhänge zwischen wesentlichen Regularien in diesem Kontext.

Baumüller/Sopp: Schaubild zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und ihrer Verzahnung mit ausgewählten Regularien, Arbeitshilfe ZAAAJ-65237

Kernaussagen
  • Die gegenwärtigen Regulierungen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind maßgeblich von politischen Zielsetzungen in Folge der europäischen Sustainable-Finance-Initiative und des Green Deal geprägt.

  • Erweiterte Transparenzvorschriften sollen über (Kapitalmarkt-)Mechanismen nachhaltiges Handeln von Unternehmen zur Folge haben. Auf Ebene der Unternehmensberichterstattung schaffen Normen wie die CSRD, die ESRS oder die Taxonomie-VO fundamentale Grundlagen hierfür. Auf Ebene der Produkte und Dienstleistungen ist die Green Claims Directive hervorzuheben.

  • Neben der Unternehmenstransparenz hat die EU-Kommission mit der CSDDD nunmehr eine direkte Regulierung von Unternehmenshandeln vorgenommen. Diese neue Richtlinie kann hinsichtlich ihrer Bedeutung allerdings nur im Zusammenhang mit den bereits etablierten Berichtspflichten erschlossen werden.

  • Für Unternehmen wie für ihre Stakeholder ist die europäische Nachhaltigkeitsregulatorik von enormer Komplexität geprägt. Damit diese nicht wiederum dem grundliegenden Regulierungsanliegen entgegenläuft, scheint eine intensive Befassung mit der neuen (Normen-)Welt der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung durch alle direkt oder indirekt betroffenen Gruppen geboten.

I. Hintergründe

Ansätze zu einer Erweiterung der traditionell finanziell ausgerichteten Unternehmensberichterstattung um ökologische und soziale Informationen reichen bereits lange zurück. Nichtsdestotrotz gelang im europäischen Rechtsrahmen erst zur Jahrtausendwende ein Durchbruch. Dieser stellte die Grundlage für eine Entwicklung dar, die v. a. aufgrund der Finanzkrise 2008/2009 an Dynamik gewann und zu dem komplexen Normengefüge führte, das sich europäischen Unternehmen heute offenbart.

Zentraler Ausgangspunkt der politischen Bestrebungen, Nachhaltigkeit in die Fundamente der europäischen Wirtschaftspolitik zu integrieren, stellen die grundlegenden Bemühungen auf globaler Ebene dar. Zuvorderst sind hier die Bestrebungen der Vereinten Nationen zu nennen, auf die auch das heute vorherrschende Verständnis von „Nachhaltigkeit“ zurückzuführen ist. Im Bericht „Our Common Future“ der Brundtland-Kommission aus dem Jahr 1987 findet sich folgende Definition: „Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ Zu Deutsch: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Steigerung der Nachhaltigkeit gemäß dieser Definition zu leisten und hat dieses Ziel mit Ende der 1990er-Jahre in ihre grundlegenden Vertragsdokumente übernommen. Dass die Unternehmen entscheidend in die Erreichung dieser Zielsetzung der nachhaltigen Entwicklung eingebunden werden, wurde an zahlreichen Stellen bereits zuvor zum Ausdruck gebracht – u. a. in der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio 1992.

Eine anspruchsvolle Regulierung von Unternehmen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgte allerdings lange Zeit nicht. Versuche hierzu mündeten in der EU in die Vorgabe, dass große Kapitalgesellschaften nichtfinanzielle Leistungsindikatoren zu berichten haben. Dies wurde als Teil der Modernisierungs-Richtlinie im Jahr 2003 in das europäische Bilanzrecht eingefügt. Weitergehende Versuche einer Regulierung nachhaltigkeitsbezogener Transparenzpflichten scheiterten in der Regel am Widerstand der Unternehmensvertreter.

Ein Umdenken setzte im Zuge der Ereignisse der Jahre 2008/2009 ein. Als Schlussfolgerung aus der Finanzkrise und um eine Wiederholung der damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft zu vermeiden, wurde das Erfordernis einer stärkeren Regulierung von Unternehmen diskutiert. Im Fokus stand die Erwägung, dass eine forcierte Verankerung von nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungen eine langfristig orientierte Unternehmensführung begünstige – und damit dem zu dieser Zeit viel kritisierten „Short-Termism“ entgegenwirke.

Zu derselben Zeit gewann auf den Kapitalmärkten das Thema der Nachhaltigkeit an Bedeutung. Vor allem stieg die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen – und es wurde zugleich erkannt, welches transformative Potential die systematische Umleitung von Kapitalflüssen in sich tragen kann. Dies verlieh der Idee von „Sustainable Finance“ Auftrieb; damit wurde aber erneut vor Augen geführt, dass eine erweiterte Nachhaltigkeitstransparenz von Unternehmen eine unabdingbare Voraussetzung ist, um Kapitalflüssen eine entsprechende Orientierung zu bieten.