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NWB-EV Nr. 5 vom Seite 136

Erbschaftsteuerliche Auswirkungen der Jastrowschen Klausel

Anmerkungen zum

Dr. Rüdiger Werner

Das Berliner Testament, bei dem Ehegatten gemeinsam testieren, sich gegenseitig zu Erben bzw. die gemeinsamen Kinder als Schlusserben einsetzen, ist nach wie vor trotz der damit verbundenen erbschaftsteuerlichen Nachteile sehr verbreitet. Um eine Umgehung der Konstruktion durch die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden auszuschließen, enthalten Berliner Testamente häufig eine Regelung, die zugunsten der von der Geltendmachung des Pflichtteils absehenden Kinder durch das Versterben des zweiten Ehegatten bedingte Vermächtnisse aussetzt. Die erbschaftsteuerlichen Folgen einer solchen Konstruktion sind umstritten. Der BFH hat nunmehr festgestellt, dass der überlebende Ehegatte als Erbe des Erstversterbenden die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen kann.

Kernaussagen
  • Das Berliner Testament führt dazu, dass der Nachlass jeweils beim Tod des erstversterbenden und des zweitversterbenden Ehegatten zweimal der Erbschaftsteuer unterfällt. Weiterhin steht nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten nur dem überlebenden Ehegatten ein Freibetrag zu.

  • Durch eine Jastrowsche Klausel auf den Tod des Erstversterbenden ausgesetzte Vermächtnisse erfolgen aufschiebend bedingt auf den Tod des Zweitversterbenden und sind daher gem. § 6 Abs. 4 ErbStG als Erwerb vom Zweitversterbenden zu versteuern. Dies hat zur Folge, dass nach dem Tod des erstversterbenden nur dem überlebenden Ehegatten ein Freibetrag zusteht, nicht aber den Kindern. Die Erblasserschuld kann nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden.

  • Eine Jastrowsche Klausel sollte festlegen, dass die Sanktion der Enterbung nur dann eintritt, wenn der Pflichtteil gegen den Willen des überlebenden Elternteils geltend gemacht wird, da im Einzelfall eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch die Kinder nach dem Erstversterbenden sinnvoll sein kann, um die Freibeträge der Kinder ausnutzen zu können.

I. Einleitung

Der Gesetzgeber hat in den §§ 2265 ff. BGB Eheleuten die Möglichkeit eröffnet, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten. Die verbreitetste Variante des gemeinschaftlichen Testaments ist das sog. Berliner Testament. Beim Berliner Testament setzen sich die Ehegatten wechselseitig zu Erben ein und legen darüber hinaus fest, dass ein Dritter – regelmäßig die gemeinsamen Kinder – Erbe des länger lebenden Ehegatten sein soll. Der überlebende Ehegatte kann nach dem Tod des Erstversterbenden entweder Vollerbe oder Vorerbe sein. In letzterem Fall fungieren die Kinder als Nacherben. Insoweit enthält § 2269 Abs. 1 BGB die Auslegungsregel, dass der Dritte im Zweifel für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt wird, der überlebende Ehegatte also Vollerbe des erstversterbenden Ehegatten sein soll.

Die Kinder können diese Konstruktion jedoch torpedieren, indem sie nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils Pflichtteilsansprüche geltend machen. Um dies zu verhindern, wird in das Berliner Testament häufig eine Strafklausel aufgenommen, um damit die Kinder von der Geltendmachung ihrer Pflichtteilsansprüche abzuschrecken. So kann etwa vorgesehen werden, dass Kinder, die nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten den Pflichtteil einfordern, auch als Schlusserben ausgeschlossen werden. Eine solche Regelung kann jedoch nicht verhindern, dass der enterbte Abkömmling nicht nur nach dem Tod des erstversterbenden sondern auch nach dem Tod des zweitversterbenden Elternteils Pflichtteilsansprüche geltend macht. Nach dem Tod des ersten Ehegatten geht das Vermögen geschmälert um den Pflichtteil auf den anderen Ehegatten über und vereinigt sich mit diesem Vermögen. Wird nach seinem Tod der Pflichtteil geltend gemacht, bemisst dieser sich nach dem nunmehr vorhandenen Gesamtvermögen. Die Abschreckungswirkung einer solchen Klausel dürfte daher gering sein.

Angesichts dessen wird angestrebt, Kinder, die nach dem ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche geltend machen, mit den Kindern, die nach dem ersten Erbfall keine Pflichtteilsansprüche erheben, S. 137gleichzustellen. Dazu muss versucht werden, das Vermögen, das beim ersten Erbgang auf den überlebenden Ehegatten übergeht, beim zweiten Erbfall zu minimieren. Die sog. Jastrowsche Klausel erreicht dies dadurch, dass aus dem Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten Geldvermächtnisse zugunsten der Abkömmlinge ausgesetzt werden, die beim ersten Erbfall keine Pflichtteilsansprüche geltend machen. Diese Vermächtnisse aus dem Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten sind aufschiebend bedingt durch den Tod des überlebenden Ehegatten. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der ungehorsame Abkömmling bei der Berechnung des Pflichtteils auf den Tod des überlebenden Ehegatten nicht nochmals an dem Nachlass des zuerst verstorbenen Elternteils partizipiert, weil hier vorab als Nachlassverbindlichkeit die Vermächtnisansprüche der anderen Abkömmlinge in Höhe des gesetzlichen Erbteils zu erfüllen und in Abzug zu bringen sind.

Die steuerlichen Auswirkungen der zusätzlich auf den Tod des überlebenden Ehegatten fälligen Vermächtnisse sind seit der Entscheidung des geklärt. Der BFH ging in diesem Urteil davon aus, dass auf Vermächtnisse, die zwar auf den Tod des zuerst verstorbenen Elternteils angeordnet sind, aber deren Fälligkeit auf den Tod des überlebenden Elternteils hinausgeschoben wird, § 6 Abs. 4 ErbStG anzuwenden ist. Dies hat zur Folge, dass auf den Tod des zuerst verstorbenen Elternteils keine Freibeträge der Abkömmlinge wegen dieser Vermächtnisse geltend gemacht werden können und die Steuerpflicht und die Freibeträge ausschließlich dem überlebenden Ehegatten zugeordnet werden. § 6 Abs. 4 ErbStG normiert dies zwischenzeitlich ausdrücklich. Die Finanzverwaltung lässt allerdings einen Abzug der Vermächtnisse beim überlebenden Ehegatten als Erblasserschuld zu. Der BFH hat diese Position in einem jüngst ergangenen Urteil ausdrücklich abgelehnt.