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StuB Nr. 8 vom Seite 307

Die europarechtskonforme Wegzugsbesteuerung

Folgerungen nach dem („Wächtler-Verfahren“)

Prof. Dr. Markus Frischmuth

Der BFH hat im sog. Wächtler-Verfahren mit seinem Urteil vom entschieden, dass die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG – hier in Zusammenhang mit § 17 EStG – bei einem Wegzug in die Schweiz dauerhaft und zinslos zu stunden ist. Diese Konsequenz gilt unabhängig von der konkreten Gesetzeslage des AStG i. d. F. vor dem , die eine solche Stundung nicht vorsieht. Daraus lassen sich weitreichende Auswirkungen für die Rechtslage ab dem ableiten, die sogar für Wegzüge in EU-EWR-Staaten (im Folgenden: „EU-/EWR-Fälle“) eine dauerhafte und zinslose Stundung ausschließt. Der Beitrag befasst sich mit den Konsequenzen des vorgenannten BFH-Urteils, indem er diese Auswirkungen bezogen auf den konkreten Fall (Kapitel II) und bezogen auf eine europarechtskonforme Wegzugsbesteuerung unterteilt (Kapitel III). Eine Zusammenfassung in Kapitel IV schließt den Beitrag ab. Zunächst werden die Rechtsgrundlagen, die Entscheidungshistorie und der Sachverhalt zum kurz vorgestellt.

Kernaussagen
  • Im Ergebnis ist im konkreten Fall „Wächtler“ die Steuer aufgrund des Wegzugs in die Schweiz festzusetzen (Steuerfestsetzung), jedoch dauerhaft und zinslos zu stunden, wobei die Stundung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann (Stundungsvorgabe).

  • Das BFH-Urteil hat über den konkreten Sachverhalt hinaus weitreichende Wirkung, denn es formuliert eindeutig, dass ein europarechtskonformes System der Wegzugsbesteuerung eine zinslose und dauerhafte Stundung vorsehen muss.

  • Bis zu einer entsprechenden Gesetzesänderung oder zeitlich früheren Regelung im Erlasswege sind die betroffenen Stpfl. angehalten, die europarechtlichen Vorgaben zur Stundung im Verwaltungs- oder Klagewege geltend zu machen und einzufordern.

I. Rechtsgrundlagen, Entscheidungshistorie und Sachverhalt

[i]Bolik/Ergenzinger, Neue Entwicklungen zur Wegzugsbesteuerung bei Wegzug in die Schweiz, StuB 6/2024 S. 231, NWB AAAAJ-61382 Demuth, Wegzugsbesteuerung bei einem Wegzug in die Schweiz nach § 6 AStG a. F., NWB 3/2024 S. 155, NWB VAAAJ-57053 Die sog. Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG setzt u. a. ein, wenn eine natürliche Person, die mind. 1 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft innehat (sog. wesentliche Beteiligung, § 17 EStG), von Deutschland in einen ausländischen Staat „wegzieht“ und dadurch die unbeschränkte Steuerpflicht beendet wird. Für diesen Fall wird unterstellt bzw. fingiert, dass der betreffende Stpfl. die Beteiligung zum gemeinen Wert (Verkehrswert) veräußert habe. Auf der Grundlage dieses fiktiven Veräußerungsgewinns wird im Wegzugsjahr die wegzugsbedingte Einkommensteuer (Wegzugsteuer) festgesetzt, obwohl keine Realisierung erfolgt und dem Stpfl. keine Liquidität zufließt.