Die Wunschvorleser
Bei Weitem nicht alles, was an Wissenswertem publiziert wird, wird gelesen, leider. ... so wenig Zeit! Dieser Missstand wird nicht besser durch den Trend, sich Dinge lieber vorlesen zu lassen als sie selbst im Leseakt zu rezipieren. Zwar stellt das Gehirn beim lauten Lesen neue Verbindungen her – wir lernen „mehr“ und entwickeln oft ein größeres Verständnis vom Inhalt. Doch lesen wir schneller im Stillen, als es einem Sprecher möglich ist, sinnvoll vorzulesen.
[i]Übung ist zentral für das LesenDurchschnittliche Leser schaffen 200–250 Worte in der Minute, gute Leser etwa 400 Worte. Ohne besondere Mnemotechniken sind etwa 800 Worte möglich, wobei 70–80 % verstanden und memoriert werden. Keine 2 % der Leser verarbeiten höhere Informationsmengen. Allgemein sind die individuelle Varianz und der Einfluss von Umweltfaktoren hierbei enorm. Nachgewiesen ist, dass die Lesegeschwindigkeit bei gedruckten Inhalten höher ist als bei elektronischen Medien. Ferner gilt bis zu einem gewissen Grad: Üben hilft bei Tempo und Verständnis.
[i]Der Vorleser nach Wunsch – Paradies oder akustische GrundrechtsverletzungDarum ist das passive Rezipieren von Inhalten (als Hauptbeschäftigung) im Grunde eher ein Rückschritt. Fortschrittlich ist hingegen der Clou, dass KI uns fabelhafte Stimmen generieren kann. Es gibt Text-to-Speech-Anwendungen, die mit hunderten Computerstimmen ein lebensnahes Hörerlebnis generieren. Angeblich können Stimmen schon bald fast beliebig geklont werden, wenn die Maschine nur einige Sekunden dem Original gelauscht hat. Es wäre also möglich, sich einen Fachaufsatz, den Lieblingsroman oder das Kochrezept von einem Filmstar, von dessen Synchronsprecher oder von seiner Lieblingstante vorlesen zu lassen. Mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das ein Problem – auch postmortal, denn vielleicht fällt die Wahl auf markante Stimmen wie jene von Thomas Fritsch, Klaus Kindler oder Tilly Lauenstein.
[i]Themen dieser IWB zum SelbstlesenDie Beiträge dieser IWB sind Originale und Sie müssen sie noch selbst lesen: Aktuelle Entwicklungen zur Betriebsstätte durch Homeoffice, Workation und Entsendung schildern Hörnicke/Rötting ab und dies auch mit einem näheren Blick auf die Behandlung in der Schweiz. Büker/Ridzewski/Wies blicken ab auf die Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitender Steuergestaltung infolge von DAC6 und den neueren EU-Änderungsrichtlinien. Zugleich zeigen sie auf, dass infolge der Auswertung der Anzeigen durch das BZSt jetzt erste Änderungen im Investmentsteuergesetz durch das Wachstumschancengesetz vorgenommen worden sind. Die österreichischen Abzugssteuern bei Zahlungen an deutsche Unternehmen sind Gegenstand des Aufsatzes von Endfellner ab . Last but not least besprechen Eiling/Keßeler ab den EuGH-Vorlagebeschluss des wegen Zweifeln an der Begrenzung der Steuerklassenprivilegierung in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auf inländische Stiftungen.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe
Nils Henrik Feddersen
Fundstelle(n):
IWB 7 / 2024 Seite 1
PAAAJ-64426