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NWB Nr. 13 vom Seite 850

Wohnungswirtschaftliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

Aktuell beim BFH anhängige sowie bereits entschiedene Verfahren

Markus Morawitz

[i]Karboul/Nestler in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner/Geserich, Einkommensteuergesetz Kommentar, 9. Aufl. 2024, NWB AAAAJ-52313 Gerade in Zeiten von fehlendem Neubau und stetig ansteigenden Mieten ist das Eigenheim ein sehnlichster Wunsch vieler Steuerpflichtiger. Die umgangssprachlich als „Wohn-Riester“ bezeichnete Förderung des Aufbaus von Altersvorsorgevermögen und die Verwendung desselbigen für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilie kann zwar nicht alle Probleme lösen, aber unter Umständen doch einen entscheidenden Beitrag zur Finanzierung leisten. In einem vom FG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall ging es um die Frage, inwieweit ein Ehegatte als Alleinerbe sein Altersvorsorgevermögen unschädlich zur Tilgung des Darlehens seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau für die gemeinsam genutzte Wohnung verwenden kann (, NWB WAAAJ-59604). Dieses Urteil, dessen wesentliche Punkte nachfolgend komprimiert dargestellt werden, ist für alle Steuerpflichtigen sowie deren Berater interessant, auch wenn derzeit noch die Revision beim BFH anhängig ist (Az. des BFH: X R 2/24). Ferner wird ein weiteres beim BFH anhängiges Verfahren vorgestellt; der Sachverhalt ist ähnlich, mit einem wesentlichen Unterschied – beide Ehegatten leben noch. Zwei in Kurzform besprochene einschlägige BFH-Urteile runden den Themenkomplex ab. Abschließend wird der Gesetzgeber, auch vor dem Hintergrund des Rentenpakets II und dem sog. Generationenkapital, zu Adjustierungen beim „Wohn-Riester“ aufgefordert.

I. Hintergrund

[i]„Wohn-Riester“ zur Förderung der privaten AltersvorsorgeUm die private Altersvorsorge nicht nur durch die klassische Riester-Rente zu fördern, hatte der Gesetzgeber im Jahr 2008 auch die selbstgenutzte Immobilie als begünstigte Verwendungsmöglichkeit in das Gesetz aufgenommen. Dieser sog. Wohn-Riester beinhaltet verschiedene Anreize sowohl in der Anspar- als auch späteren Verwendungsphase: Während der Ansparphase erhalten Steuerpflichtige die sog. Grundzulage nach § 84 EStG von aktuell 175 € jährlich; sind beide Ehegatten zulagenberechtigt, hätten sie damit also p. a. einen Anspruch von insgesamt 350 €. Hat man Kinder und für diese einen S. 851Anspruch auf Kindergeld, erhöhen sich die Zulagen gem. § 85 EStG. Allerdings muss der Steuerpflichtige auch den sog. Mindesteigenbeitrag nach § 86 EStG leisten; dieser beträgt jährlich 4 % seiner „erzielten beitragspflichtigen Einnahmen“ etc. im vorherigen Kalenderjahr, jedoch maximal 2.100 € abzüglich der gerade genannten Zulagen. Dementsprechend mindert sich die tatsächliche finanzielle Belastung für die Steuerpflichtigen.

[i]Günstigerprüfung zwischen Sonderausgabenabzug und ZulagenDaneben können die Steuerpflichtigen ihre Aufwendungen samt der besagten Zulagen nach § 10a EStG bis maximal 2.100 € jährlich als Sonderausgaben geltend machen. Nach Durchführung einer Günstigerprüfung seitens des Finanzamts nach § 10a Abs. 2 EStG (analog zur Prüfung Kindergeld vs. Kinderfreibetrag nach § 31 Satz 4 EStG) wird der die Zulagen übersteigende Steuervorteil im Rahmen der Steuerfestsetzung für den Steuerpflichtigen berücksichtigt. Fällt die Günstigerprüfung hingegen negativ aus, scheidet nach § 10a Abs. 2 Satz 2 EStG ein Sonderausgabenabzug aus.

Analog zur ab 2005 erfolgten schrittweisen Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung bei der gesetzlichen Rentenversicherung werden in der Verwendungs-/Rentenphase die Leistungen aus dem Altersvorsorgevermögen als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG entsprechend besteuert. Da in der Regel der Steuersatz während der aktiven Erwerbsphase höher ist als in der Rentenphase, ergeben sich durch die nachgelagerte Besteuerung Vorteile.

[i]Nachgelagerte Besteuerung des sog. WohnförderkontosBei der im Rahmen dieses Beitrags thematisierten wohnungswirtschaftlichen Verwendung des Altersvorsorgevermögens ist nach § 92a Abs. 2 Satz 1 EStG ein sog. Wohnförderkonto zu führen. Dieses kann auf Antrag des Zulageberechtigten nach § 92a Abs. 2 Satz 6 EStG „jederzeit in der Auszahlungsphase“ aufgelöst werden, der entsprechende Auflösungsbetrag unterliegt dann gem. § 22 Nr. 5 Satz 5 EStG „nur“ zu 70 % der Besteuerung; hierdurch erhöht sich die eben dargestellte Vorteilhaftigkeit der nachgelagerten Besteuerung noch weiter. Zu den Details der nachgelagerten Besteuerung s. bspw. KKB/Eckardt, § 22 EStG Rz. 221 ff., 9. Aufl., Stand: , NWB XAAAJ-52165; ferner sind die entsprechenden Verwaltungsanweisungen wie zuletzt das (BStBl 2023 I S. 1726) beachtenswert.

Das aufgebaute Altersvorsorgevermögen kann im Rahmen des „Wohn-Riesters“ nach § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG „bis zum Beginn der Auszahlungsphase unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens [...]“ verwendet werden. Satz 5 regelt, welche Wohnungen darunter zu subsumieren sind. Kurz gesagt, handelt es sich um die selbst genutzte Wohnung, wie sie sich auch in der Überschrift des § 92a EStG findet; für die genauen Tatbestandsvoraussetzungen wird auf die Sätze 5 und 6 des § 92a Abs. 1 EStG verwiesen. Dass es immer wieder zu Auslegungsdifferenzen zwischen den Steuerpflichtigen sowie deren Beratern auf der einen und der Finanzverwaltung etc. auf der anderen Seite bzgl. der Tatbestandsvoraussetzungen des § 92a EStG kommen kann, zeigt das aktuelle ( NWB WAAAJ-59604).

II. Sachverhalt

[i]FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 18.12.2023 - 15 K 15045/23, NWB WAAAJ-59604 Der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Nachdem die Ehefrau des Klägers durch Auflassung und Teilungserklärung im Jahr 1998 Eigentümerin des betreffenden Grundstücks geworden war, errichtete diese darauf eine Wohnung; zur Finanzierung der Herstellungskosten nahm die Eigentümerin verschiedene Darlehen bei Banken auf, welche durch Eintragung von Grundschulden entsprechend abgesichert wurden. Mindestens eines dieser Darlehen schuldete die Klägerin im Jahr 2015 um.S. 852

[i]Tilgung eines geerbten Darlehens als begünstigte Verwendung?Nachdem der Kläger seit 2017 gemeinsam mit seiner Ehefrau in dieser Wohnung lebte (s. hierzu auch die Pressemitteilung des FG Berlin-Brandenburg, abrufbar unter https://go.nwb.de/q71xp; zuletzt abgerufen am , 17:15 Uhr) und seine Ehefrau im Jahr 2021 verstarb, beantragte er am als Alleinerbe die Entnahme seines gesamten Altersvorsorgevermögens zur Tilgung des nach der oben dargestellten Umschuldung vorhandenen Darlehens bei der F... Bank. In seiner Begründung des Antrags führte der Kläger aus, dass zwar in Unterlagen teilweise die Schwiegereltern erwähnt seien, aber in letzter Konsequenz das Darlehen für die Herstellung der Wohnung aufgenommen wurde, deren Eigentümerin seine verstorbene Ehefrau war. Das ursprünglich kausal mit der Herstellung verknüpfte Darlehen sei im Rahmen der Umschuldung durch das in Rede stehende Darlehen bei der F... Bank ersetzt worden.

Aus Sicht der Beklagten lag allerdings in der Erbfolge kein begünstigter Erwerb vor, weshalb diese den Antrag mit Bescheid vom ablehnte. Der hiergegen gerichtete Einspruch vom , der in seiner Begründung auf die bereits dargestellte Kausalität des Darlehens usw. verwies, wurde mit Einspruchsentscheidung vom abgewiesen. Nach Rechtsauffassung der Beklagten handle es sich bei einem Erbfall um einen nicht begünstigten unentgeltlichen Erwerb, an dem sich auch durch die Übernahme der Darlehen nichts ändere. Das Fristversäumnis des Einspruchs wurde seitens des Klägers mit einem sechswöchigen stationären Krankenhausaufenthalt begründet; der von diesem gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wurde seitens der Beklagten gewährt.

Mit seiner Klage vor dem zuständigen FG Berlin-Brandenburg verfolgte der Kläger sein Begehren weiter, mit seinem geförderten Altersvorsorgevermögen von 31.096,93 € das besagte Darlehen bei der F... Bank in Höhe von 29.584,18 € abzulösen und dass darin eine sog. wohnungswirtschaftliche Verwendung i. S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liege; insofern sollte die Beklagte zur entsprechenden Mitteilung nach § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG verpflichtet werden. Die Gegenseite beantragte die Abweisung der Klage und hilfsweise die Zulassung der Revision. Hierzu führte sie in Ergänzung zu ihrer Einspruchsentscheidung aus, dass zwar auch in Erbfällen eine Anschaffung möglich sein könnte, wenn Miterben abgefunden werden müssen und dies durch die Übernahme von Darlehensverbindlichkeiten erfolge; da es sich beim Kläger jedoch um den Alleinerben handle, sei dies hier aber nicht gegeben, Anschaffungskosten lägen also insoweit nicht vor.

III. Wohnungswirtschaftliche Verwendung auch für Alleinerben

1. Urteil des FG Berlin-Brandenburg

[i]FG: Es liegt eine begünstigte wohnungswirtschaftliche Verwendung vorDas FG Berlin-Brandenburg gab der Klage vollumfänglich statt und verpflichtete die Beklagte, die begehrte wohnungswirtschaftliche Verwendung i. S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von 29.584,18 € mitzuteilen. Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Finanzgericht im Wesentlichen aus: