NWB Nr. 45 vom Seite 3041

Die Macht des Wortlauts

Dr. Lukas Hilbert | Diplom-Kaufmann, M.I.Tax, Bonn | Herausgeber des Steuer-Stichwort-Kommentars Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer | www.lhilbert.de

BFH-Urteil zu grenzüberschreitend tätigem Linienbusfahrer

An dem vergangenes Jahr veröffentlichten zum Fall eines Berufskraftfahrers, der mit Transportfahrzeugen in gleich fünf Ländern unterwegs war, lässt sich anschaulich die Arithmetik der erforderlichen Zuordnung des Arbeitslohns zu den einzelnen Staaten darstellen (zur Entscheidung Hilbert, NWB 45/2022 S. 3170). Mit nunmehr veröffentlichtem Urteil v.  - I R 43/20 zu einem grenzüberschreitend in Luxemburg und Deutschland tätigen Linienbusfahrer fügt das Gericht diesem Bereich einen weiteren Baustein hinzu. Im Kern ging es dabei um die Frage, ob § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der vom BMF erlassenen Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen Deutschland und Luxemburg vom KonsVerLUXV – (BGBl 2012 I S. 1484) zur Anwendung kommt. Diese Regelung sieht bei Berufskraftfahrern, Lokomotivführern und Begleitpersonal für Arbeitstage mit Tätigkeit in beiden Vertragsstaaten pauschal eine hälftige Aufteilung vor. So hatte es denn auch das Finanzamt bestimmt. Nach vom Steuerpflichtigen vorgelegten Berechnungen indes entfiel an diesen Tagen ein weitaus größerer Anteil auf Tätigkeitszeiten in Luxemburg. Anders als die Vorinstanz verwarf der BFH selbst die hilfsweise Anwendung der Verordnungsregelung als Schätzgrundlage.

Zunächst lässt sich auf die Verordnung selbst schauen. Diese bezieht sich in ihrem § 1 noch auf die letzte Fassung des alten DBA mit Luxemburg aus dem Jahr 1958. Wenn jedoch eine Erstreckung auch auf das neue Abkommen aus 2012 in Betracht käme, würde die konkrete Regelung mit ihrer pauschalen hälftigen Zuteilung gegen den Wortlaut des dortigen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 verstoßen. Die an der Vorlage des OECD-MA orientierte DBA-Norm stellt auf die Ausübung der Tätigkeit ab. Der maßgebliche Ort befindet sich dabei dort, wo sich der Arbeitnehmer zu ebenjener Ausübung tatsächlich aufhält. Ausschlaggebend ist die physische Anwesenheit im Tätigkeitsstaat. Selbst wenn dies zu hohem Erfassungsaufwand führt, bedarf es einer entsprechend zeitanteiligen Zuordnung. Eine schlicht hälftige Teilung unabhängig von der jeweiligen Verweildauer wird dem nicht gerecht. Sie ist mit dem Wortlaut der DBA-Regelung unvereinbar.

So zutreffend dieses Ergebnis des BFH ist, so deutlich zeigt sich aber auch die Herausforderung gerade solcher Fälle. Der Dokumentationsaufwand scheint enorm. Abhilfe könnte eine heutzutage sicherlich oftmals mögliche automatische Erfassung bieten. Schon jedes Smartphone bringt die dazu erforderlichen technischen Funktionen mit. Allerdings dürfte eine solche Lösung unter anderem Fragen des Datenschutzes sowie des Arbeits- und Mitbestimmungsrechts berühren. Deshalb ist das Anlegen einer typisierenden Betrachtungsweise vielleicht gar die vorzugswürdige Variante, bei der aber eben oftmals Einzelfallgerechtigkeit und einfache Handhabung im Widerstreit stehen. Das Zuordnungsraster nicht zu grob zu wählen, scheint aus diesem Grunde ratsam. Zudem sollte die Regelung – so zeigt es der Urteilsfall – am besten im Abkommen selbst vereinbart oder zumindest in einer Protokollerklärung dazu festgehalten werden.

Lukas Hilbert

Fundstelle(n):
NWB 2023 Seite 3041
NWB PAAAJ-51712