BGH Urteil v. - VIa ZR 1689/22

Instanzenzug: Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 9 U 128/21vorgehend LG Magdeburg Az: 10 O 931/21

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger kaufte im Oktober 2017 von einem Händler einen Gebrauchtwagen Seat Alhambra 2.0 TDI eines anderen Fahrzeugherstellers, der mit einem von der Beklagten hergestellten Motor der Baureihe EA 288 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Die Abgasreinigung des Fahrzeugs, das nicht von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen betroffen ist, erfolgt über eine Abgasrückführung mit Thermofenster sowie einen SCR-Katalysator mit AdBlue-Technik.

3Das Landgericht hat die im Wesentlichen auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Berufungsanträge weiter.

Gründe

4Die unbeschränkt zugelassene (vgl. VIa ZR 1031/22, juris Rn. 10) und auch im Übrigen zulässige Revision ist nicht begründet.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Dem Kläger stehe ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB wegen der beanstandeten Abschalteinrichtungen schon deshalb nicht zu, weil greifbare Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht ersichtlich seien. Es fehle an einer Täuschung des KBA durch die Beklagte und an einem Schädigungsvorsatz der Beklagten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger einen Schaden erlitten habe. Denn es habe zu keinem Zeitpunkt die konkrete Gefahr einer Entziehung der Zulassung oder einer Betriebsuntersagung bestanden.

7Die Beklagte hafte auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Normen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit verpflichtet zu sein, liege nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen. Ohnehin habe der Kläger keinen Schaden erlitten.

II.

8Zwar kann ein Schaden des Klägers nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden ( VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 42, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ). Auch hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. aaO, Rn. 29 bis 32; ebenso , ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 17). Dennoch hält das angefochtene Urteil im Ergebnis der Überprüfung im Revisionsverfahren stand.

9Soweit der Kläger Ansprüche auf §§ 826, 31 BGB stützt, hat das Berufungsgericht eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der vom Kläger vorgetragenen Umstände und in Übereinstimmung mit den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. nur , NJW 2021, 921 Rn. 13 ff.; Beschluss vom - VII ZR 767/21, juris Rn. 10) rechtsfehlerfrei verneint. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

10Die Revision dringt aber auch nicht mit ihrem Einwand durch, die Beklagte hafte dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Die Haftung nach diesen Vorschriften knüpft an die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung durch den Fahrzeughersteller an. Der Motorhersteller kann deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihm nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht obliegt ( VIa ZR 1119/22, WM 2023, 1530 Rn. 20 mwN).

11Eine bei Sonderdelikten mögliche Beteiligung der Beklagten als Motorherstellerin im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision insoweit fristgerecht nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen hat, ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann Beihilfe auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung ist allerdings nicht nur, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat. Bedingung einer Beteiligung ist vielmehr weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers ( VIa ZR 1119/22, WM 2023, 1530 Rn. 21 mwN).

Dass der Fahrzeughersteller im konkreten Fall vorsätzlich eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung durch eine vorsätzliche Hilfeleistung der Beklagten als Motorenherstellerin ausgegeben habe, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine darauf bezogene Verfahrensrüge erhebt die Revision nicht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:110923UVIAZR1689.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-50057