Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 4 L 25/22 Urteilvorgehend VG Magdeburg Az: 9 A 37/15 MD
Gründe
I
1Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Beiträgen für die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten.
2Die Klägerin, deren Grundstück seit den 1990er Jahren an eine ursprünglich von der Gemeinde betriebene Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung angeschlossen ist, wurde nach Übernahme der Einrichtung durch den beklagten Zweckverband mit Bescheid vom erstmals zu Schmutzwasserbeiträgen herangezogen. Das Verwaltungsgericht gab ihrer dagegen erhobenen Klage mit der Begründung statt, die sachliche Beitragspflicht sei nach der Abwasserabgabensatzung der Gemeinde aus dem Jahr 2003 (AS 2003) entstanden, durch Eintritt der Festsetzungsverjährung aber erloschen und durch die Aufgabenübertragung auf den Beklagten nicht neu begründet worden. Mit Urteil vom änderte das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Klage ab. Es ließ die Frage der Wirksamkeit der AS 2003 im Ergebnis offen, weil die etwaige Verjährung eines danach begründeten Beitragsanspruchs dem Entstehen eines weiteren Herstellungsbeitragsanspruchs nicht entgegenstehe. Mit dem Beitritt der Gemeinde zum Beklagten sei rechtlich eine neue öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung entstanden, für die (nochmals) Herstellungsbeiträge erhoben werden könnten. Deren Rechtsgrundlage ergebe sich aus der im Jahr 2012 erlassenen Satzung des Beklagten (AS 2012).
3Im Revisionsverfahren hob das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom auf ( 9 C 10.20 - BVerwGE 173, 340): Die Auffassung, dass eine etwaige Festsetzungsverjährung des Beitragsanspruchs der Gemeinde keine schutzwürdige Rechtsposition der Klägerin gegenüber der Heranziehung zu Beiträgen für die öffentliche Einrichtung des Beklagten begründe, verstoße in dieser Pauschalität gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip sowie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. In die durch eine Festsetzungsverjährung vermittelte, verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensposition werde eingegriffen, wenn und soweit der neue Einrichtungsträger bei der Bemessung seiner Beiträge Herstellungsaufwand berücksichtige, der bereits Gegenstand des früheren Beitragsschuldverhältnisses gewesen sei und für den der vormalige Einrichtungsträger nach Ablauf der Festsetzungsfrist keine Beiträge mehr habe erheben dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht verwies die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurück, dem die Prüfung weiterer kommunalabgabenrechtlicher Umstände vorbehalten blieb. Dies betraf insbesondere die Frage, ob hinsichtlich des Beitragsanspruchs der Gemeinde auf der Grundlage der AS 2003 tatsächlich Festsetzungsverjährung eingetreten ist, sowie Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang mit dem angefochtenen Bescheid auch der Herstellungsaufwand für die vom Beklagten übernommene öffentliche Einrichtung der Gemeinde geltend gemacht wird.
4Mit Urteil vom wies das Oberverwaltungsgericht die Klage wiederum ab: Die Klägerin könne sich nicht auf eine geschützte Vertrauensposition aufgrund einer Festsetzungsverjährung berufen, weil der Beitragsteil der AS 2003 wegen Nichtigkeit der Regelung in § 4 Abs. 4 Nr. 2 insgesamt nichtig sei und deshalb auf dieser Grundlage keine sachliche Beitragspflicht entstanden und keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Der gleiche Fehler habe auch die AS 2012 betroffen. Die sachliche Beitragspflicht sei erst durch den - rückwirkend zum in Kraft getretenen - Beitragsteil der Abwasserabgabensatzung vom (AS 2018) begründet worden. Die Ausschlussfrist des § 13 Satz 1 KAG-LSA sei gewahrt.
5Gegen die Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
6Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die auf alle Zulassungsgründe gestützt ist, hat keinen Erfolg.
71. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
8Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, legt die Beschwerde nicht dar.
9a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
"Ist im Abgabenrecht eine in der Beitragssatzung vorgesehene generelle Aufrundungsregelung, wonach als Zahl der Vollgeschosse bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan statt der Zahl der Vollgeschosse die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt ist, in Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO die durch 3,5 und in allen anderen Baugebieten die durch 2,3 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe gilt, und zwar auf ganze Zahlen aufgerundet, ist - jedenfalls für Grundstücke in anderen als Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten gelegenen Gebieten - mit dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitsgebot vereinbar?",
könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Denn sie betrifft der Sache nach die Auslegung von irrevisiblem Landesrecht.
10Hintergrund der Frage ist der Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmung in § 4 Abs. 4 Nr. 2 AS 2003, die eine Aufrundungsregelung mit dem in der Grundsatzfrage näher beschriebenen Inhalt enthielt, als mit dem Vorteilsprinzip des Kommunalabgabengesetzes und mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar und die Satzung deshalb insgesamt für nichtig angesehen hat. Mit ihrer Grundsatzrüge zielt die Klägerin auf eine Überprüfung dieser Auffassung durch das Revisionsgericht. Die Beurteilung einer einzelnen abgabenrechtlichen Satzungsbestimmung ist aber ebenso wie die Auslegung und Anwendung des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (KAG-LSA) und die nähere Bestimmung des in § 6 KAG-LSA geregelten Vorteilsbegriffs eine Frage des Landesrechts, die dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten ist; dessen Vorteilsverständnis und Interpretation der abgabenrechtlichen Vorschriften sind grundsätzlich auch in einem Revisionsverfahren zugrunde zu legen (vgl. schon 9 C 10.20 - BVerwGE 173, 340 Rn. 14).
11Der Hinweis der Klägerin auf das (bundesrechtliche) Erschließungsbeitragsrecht und dazu ergangene Entscheidungen führt zu keiner anderen Beurteilung, weil es sich dabei um einen anderen Regelungskontext handelt. Im Übrigen ändert selbst eine (teilweise) inhaltliche Übereinstimmung mit bundesrechtlichen Bestimmungen nichts an dem landesrechtlichen Charakter einer Norm und macht diese nicht revisibel (stRspr, vgl. etwa 7 C 20.67 - BVerwGE 32, 252 <254 f.> und Beschluss vom - 9 B 10.20 - juris Rn. 4).
12Soweit die Beschwerde das Prinzip der Abgabengleichheit und der Vorhersehbarkeit von Abgabenpflichten anspricht und sich auf das Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Bestimmtheitsgebot beruft, vermittelt auch dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Dass die Auslegung und Anwendung des Landesrechts mit Bundes- oder Verfassungsrecht in Übereinstimmung stehen muss, macht das Landesrecht selbst noch nicht revisibel. Mit der Rüge einer fehlenden oder unzureichenden Beachtung von Bundes(verfassungs)recht lässt sich die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann begründen, wenn gerade die Auslegung der bundesrechtlichen Norm ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr, vgl. etwa 9 B 30.20 - juris Rn. 10 m. w. N.). Dazu trägt die Beschwerde nichts vor.
13b) Die weiteren Grundsatzfragen,
"Kann die aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit vom Gesetzgeber festgesetzte Höchstfrist für die Beitragserhebung nach Entstehen der Vorteilslage dadurch gewahrt werden, dass nach dem Ablauf dieser Frist durch eine rückwirkend in Kraft gesetzte Satzung im Verwaltungsprozess eine fehlerhafte Satzung nachträglich 'geheilt' wird, wenn diese heilende Satzung nicht lediglich die fehlerhafte Bestimmung korrigiert, sondern darüber hinaus weitere inhaltliche Veränderungen vornimmt, Tatbestände hinzufügt oder sonst vorhandene Regelungen (Tiefenbegrenzung) abschafft?"
und
"Ist es unter bundesrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich, dass die sachliche Beitragspflicht zwingend vor Ablauf dieser bundesrechtlich geforderten Höchstfrist entstanden sein muss?",
führen ebenfalls nicht zur Revisionszulassung.
14Die Fragen beziehen sich auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 16) zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 13 Satz 1 (gemeint ist offensichtlich § 13b Satz 1) KAG-LSA. Nach § 13b Satz 1 KAG-LSA ist eine Abgabenfestsetzung unabhängig vom Entstehen einer Abgabenpflicht zum Vorteilsausgleich mit Ablauf des zehnten Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen, wobei die Ausschlussfrist gemäß § 18 Abs. 2 KAG-LSA nicht vor Ablauf des Jahres 2015 endet. Das Oberverwaltungsgericht sah diese Frist als gewahrt an, weil der angefochtene Beitragsbescheid am und damit vor Ablauf des Jahres 2015 ergangen sei. Dass die als Rechtsgrundlage herangezogene Satzung vom erst danach erlassen worden sei, sei unschädlich. Es könne offenbleiben, ob die sachliche Beitragspflicht zwingend vor Ablauf dieser Frist entstanden sein müsse. Denn der Beitragsteil der Satzung sei rückwirkend zum in Kraft getreten und die sachliche Beitragspflicht zu diesem Zeitpunkt entstanden.
15Diese Auslegung der kommunalabgabenrechtlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen betrifft wiederum irrevisibles Landesrecht und ist daher einer Überprüfung durch das Revisionsgericht grundsätzlich entzogen. Die Klägerin wirft zwar die Frage der Vereinbarkeit mit dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit auf, legt jedoch nicht dar, welche entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sich gerade in Bezug auf die Auslegung dieses im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebots ergeben, die in einem Revisionsverfahren zu klären wären.
16Seit der grundlegenden Entscheidung des - (BVerfGE 133, 143) ist höchstrichterlich geklärt, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge zeitlich unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können, weshalb Regelungen über eine zeitliche Begrenzung für die Erhebung vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben verfassungsrechtlich geboten sind (vgl. auch 9 C 15.14 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 8). Diesem Erfordernis hat der Landesgesetzgeber durch die Bestimmungen in §§ 13b, 18 KAG-LSA Rechnung getragen. Die Verfassungsgemäßheit dieser Rechtslage im Land Sachsen-Anhalt ist vom Bundesverwaltungsgericht ( 9 B 19.16 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 227) und nachfolgend vom Bundesverfassungsgericht ( - LKV 2020, 457) bestätigt worden.
17In Anwendung dieser landesrechtlichen Vorschriften hat das Oberverwaltungsgericht den streitgegenständlichen Abgabenbescheid jedenfalls deshalb als mit dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit vereinbar angesehen, weil vor Ablauf der vom Landesgesetzgeber bestimmten Ausschlussfrist (hier bis zum Ablauf des Jahres 2015) der streitgegenständliche Bescheid erlassen und auch die Beitragspflicht durch das rückwirkende Inkrafttreten der maßgeblichen Satzung begründet worden sei.
18Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwieweit diese Argumentation ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Auslegung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit aufwirft. Die im zweiten Teil der Grundsatzrüge formulierte Frage zur Erforderlichkeit des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht vor Ablauf der bundesrechtlich geforderten Höchstfrist stellt sich in dieser Allgemeinheit vorliegend schon deshalb nicht, weil das Oberverwaltungsgericht sie als nicht entscheidungserheblich offengelassen hat und von einer Begründung der Beitragspflicht vor Fristablauf ausgegangen ist. Soweit die Klägerin in Frage stellt, ob dafür auch ein rückwirkendes Inkraftsetzen einer nach Fristablauf erlassenen Satzung ausreicht, betrifft dies in erster Linie die kommunalabgabenrechtliche Beurteilung der fraglichen Satzung und die Auslegung der landesrechtlichen Regelung zur Ausschlussfrist. Die von der Klägerin vor dem Hintergrund des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit thematisierte Problematik einer Überschreitung des ursprünglich geltend gemachten Beitragsanspruchs und etwaiger negativer Auswirkungen für bestimmte Gruppen von Beitragszahlern wegen neuer Tatbestandsmerkmale in der rückwirkenden Satzung ist vorliegend nicht einschlägig, weil nur der ursprüngliche Abgabenbescheid in unveränderter Höhe Streitgegenstand ist.
192. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
20Eine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Bezugsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Diese Voraussetzungen erfüllt das Beschwerdevorbringen nicht.
21Die Klägerin beruft sich auf drei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, denen sie allgemeine Rechtssätze zum Amtsermittlungsgrundsatz, zur gerichtlichen Aufklärungspflicht sowie zur materiellen Beweislast im Verwaltungsprozess und zu Obliegenheiten der Beteiligten bei der Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der Vollständigkeit einer Beitragssatzung entnimmt. Soweit sie dem die Rechtssätze gegenüberstellt,
"Es ist Sache des Beteiligten, der aus der Bestandskraft einer Satzung Rechtsvorteile reklamiert, die Nichtexistenz solcher Sachumstände darzutun, die zu einer Verletzung des Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit führen könnten. Es ist dabei nicht ausreichend, die faktische Relevanz der Bestimmung zu bestreiten. Der Amtsermittlungsgrundsatz endet dort, wo der Beteiligte versäumt, das Nichtvorhandensein von normerhaltenden Sachverhalten im konkreten Geltungsbereich der rechtsproblematischen Bestimmung dem Gericht konkret aufzuzeigen und die fehlende Anwendungsrelevanz konkret zu belegen. Dies gilt auch dann, wenn der Normverfasser den ausdrücklich vorgetragenen Zweifeln an einer faktischen Relevanz nicht entgegentritt und selbst dann, wenn die Klärungskompetenz dieser Sachverhalte sich in der Sphäre des beklagten Normgebers befindet.",
handelt es sich dabei weder um Zitate aus dem angefochtenen Urteil noch um die sinngemäße Wiedergabe oder Zusammenfassung dort formulierter Obersätze oder allgemeingültiger Aussagen. Entsprechende abstrakte Rechtssätze lassen sich der Berufungsentscheidung nicht entnehmen.
22Ein Rechtssatz beschreibt den Inhalt einer Norm, indem er diese als abstrakten richterrechtlichen Obersatz näher konkretisiert (vgl. 8 B 1.22 - juris Rn. 8 m. w. N.). Derartiges enthält die Passage, um die es der Klägerin hier offensichtlich geht, nicht. Auf Seite 12 des Urteils führt das Berufungsgericht aus, dass weder ersichtlich noch von der Klägerin substantiiert geltend gemacht worden sei, dass es von vornherein keinen Anwendungsbereich für § 4 Abs. 4 Nr. 2 AS 2003 gebe und die aufgezeigte Maßstabslücke unbeachtlich sei. Der pauschale Vortrag der Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, eine faktische Relevanz des § 4 Abs. 4 Nr. 2 AS 2003 werde bestritten, sei dazu nicht ausreichend. Aus diesen kurzen einzelfallbezogenen Ausführungen des Urteils und der darin vorgenommenen konkreten rechtlichen Bewertung leitet die Beschwerde hypothetische verallgemeinernde Obersätze ab, die das Berufungsgericht nicht aufgestellt hat, und rügt der Sache nach eine falsche Verteilung der materiellen Beweislast im Einzelfall sowie die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (vgl. zur Aufklärungsrüge als Verfahrensmangel unten 3. b). Damit lässt sich eine Revisionszulassung wegen Divergenz nicht begründen.
233. Auch die Verfahrensrügen der Klägerin führen nicht zur Zulassung der Revision.
24a) Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Klägerin, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verletzt und gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, das Neutralitätsgebot sowie die gerichtliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) verstoßen habe. Sie macht insoweit geltend, das Gericht habe sie erst in der mündlichen Verhandlung am mit der Auffassung konfrontiert, dass die AS 2003 wegen der Aufrundungsregel in § 4 Abs. 4 Nr. 2 nichtig sei, derselbe Fehler auch der im Urteil vom noch als Rechtsgrundlage herangezogenen AS 2012 anhafte und die bislang im Verfahren nicht thematisierte Satzung aus dem Jahr 2018 gültige Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid aus dem Jahr 2014 sei.
25Die Hinweispflicht des Gerichts konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt insbesondere auf die Vermeidung einer Überraschungsentscheidung, durch die dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben wird, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen war. Die Verpflichtung des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Mit diesem Äußerungsrecht korrespondiert allerdings keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts, weil erwartet werden kann, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen (vgl. 9 BN 9.18 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 64 Rn. 34 m. w. N.). Das Gericht verstößt jedoch gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen Verfahrens, wenn es ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. nur - juris Rn. 20; 2 B 19.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 31 Rn. 15 m. w. N.).
26Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war das Berufungsgericht im vorliegenden Fall gehalten, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung zur Nichtigkeit der beiden Satzungen aus den Jahren 2003 und 2012 und zur Maßgeblichkeit der Satzung aus 2018 hinzuweisen (aa); dieser Verpflichtung ist es (noch) hinreichend nachgekommen (bb).
27aa) Die mögliche Nichtigkeit der AS 2003 wegen der Aufrundungsregelung in § 4 Abs. 4 Nr. 2 ist ein Aspekt, der bereits im ersten Berufungsurteil vom thematisiert worden ist, und stellt deshalb als solches keinen überraschend neuen rechtlichen Gesichtspunkt dar. Im damaligen Urteil hatte das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich offengelassen, ob diese Vorschrift rechtlich wirksam ist, und unter Hinweis auf entsprechende Rechtsprechung zumindest rechtliche Bedenken formuliert (UA vom S. 7 f.). Vor diesem Hintergrund bestand für die Beteiligten durchaus Veranlassung, sich mit diesem Punkt zu befassen, zumal sie sich dazu noch nicht schriftlich geäußert hatten. Es handelt sich allerdings - anders als die Klägerin geltend macht - bei diesen Bedenken nicht um das Ergebnis einer "ungefragten Fehlersuche" des Gerichts, dem kein entsprechender Vortrag des Beklagten zugrunde lag. Vielmehr hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom seinen schriftsätzlichen Vortrag zur Nichtigkeit der AS 2003 um den Hinweis auf den seiner Auffassung nach unwirksamen Vollgeschossmaßstab in § 4 Abs. 4 Nr. 2 AS 2003 ergänzt. Dies wird im Tatbestand des Urteils vom erwähnt (UA vom S. 5) und ist auch im damaligen Sitzungsprotokoll festgehalten worden.
28Der Klägerin ist allerdings zuzugestehen, dass der Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht in seinen Aufklärungsverfügungen gegenüber dem Beklagten lediglich Auskünfte zur Aufwandsverteilung erbeten hat - auf die es nur bei Annahme einer Festsetzungsverjährung ankam - und ausdrücklich von einem umfassenden Vortrag zur Satzungsnichtigkeit ausgegangen ist, möglicherweise den Eindruck erwecken konnte, dass es auf eine weitere Erörterung der bislang nicht im Einzelnen thematisierten Frage des Vollgeschossmaßstabes nicht ankommen werde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieselbe Vollgeschossregelung auch in der Satzung des Beklagten aus dem Jahr 2012 enthalten war, von deren Gültigkeit das Gericht im Urteil vom ausgegangen war. Auch der Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht unter dem bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin angefragt hat, ob auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werde, war geeignet, die Erwartung zu stützen, dass über die bisherige Diskussion hinausgehende rechtliche Erwägungen keine Rolle spielen würden. Ob deshalb ein erneuter Hinweis des Gerichts auf eine mögliche Unwirksamkeit der Satzung AS 2003 geboten war, mag hier dahinstehen. Denn jedenfalls war das Oberverwaltungsgericht gehalten, zur Gewährung rechtlichen Gehörs und Vermeidung einer Überraschungsentscheidung seine geänderte Rechtsauffassung zur Gültigkeit der AS 2012 anzusprechen und darauf hinzuweisen, dass es die zuvor im Verfahren nicht thematisierte AS 2018 nunmehr als taugliche Rechtsgrundlage für den streitigen Abgabenbescheid ansah.
29bb) Seiner Hinweispflicht ist das Oberverwaltungsgericht dadurch noch hinreichend nachgekommen, dass es seine Auffassung zur (Un-)Wirksamkeit bzw. Entscheidungserheblichkeit der drei Satzungen in der mündlichen Verhandlung vom angesprochen und zum Gegenstand des Rechtsgesprächs gemacht hat. Dieser Vorgang ergibt sich zwar nicht aus dem damaligen Sitzungsprotokoll, in dem nur allgemein die Erörterung der Sach- und Rechtslage festgehalten worden ist (vgl. zur Beweiskraft des Protokolls in diesem Zusammenhang 9 BN 9.18 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 64 Rn. 41 m. w. N.), wird aber durch den Vortrag der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerde belegt und ist insofern aktenkundig (vgl. auch dazu 9 BN 9.18 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 64 Rn. 42 f. m. w. N.).
30Die Erörterung im Rechtsgespräch genügt grundsätzlich, um das Recht der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu Rechtsfragen zu wahren und die richterliche Hinweispflicht zu erfüllen (vgl. 5 B 33.21 - juris Rn. 31 m. w. N.). Ist es einem Beteiligten nicht möglich, noch während der Verhandlung in angemessener Weise darauf zu reagieren, kann - und muss - er die ihm zu Gebote stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen. Unterlässt er dies, kann er sich nicht mit Erfolg auf eine Gehörsverletzung berufen (stRspr, vgl. etwa 9 B 26.19 - Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 22 Rn. 26 m. w. N.).
31Als Reaktion auf einen überraschenden rechtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung kommen insbesondere die Beantragung einer Vertagung oder einer Schriftsatzfrist in Betracht. Einen solchen Antrag hat die Klägerin nicht gestellt. Soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht habe in der Verhandlung eine gefestigte Meinung in der Art einer vorweggenommenen Urteilsbegründung auch unter Verweis auf eine vorangegangene Beratung verkündet, entbindet sie das nicht von der Obliegenheit, jedenfalls zu versuchen, sich prozessual Gehör zu verschaffen. Insoweit muss sie zunächst auf eine verfahrensordnungsgemäße Handhabung durch das Gericht vertrauen. Lehnt ein Gericht gleichwohl einen Antrag auf Vertagung oder Gewährung einer Schriftsatzfrist ab, obwohl eine Stattgabe zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs geboten gewesen wäre, liegt darin ein rügefähiger Verfahrensfehler. Eine solche Fallkonstellation ist hier aber gerade nicht gegeben.
32b) Auch die Aufklärungsrüge der Klägerin greift im Ergebnis nicht durch.
33Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO erforscht das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen, wobei die Beteiligten gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO heranzuziehen sind und an der Erforschung des Sachverhalts mitwirken müssen. Diese Mitwirkungspflichten entbinden das Gericht allerdings grundsätzlich nicht von seiner eigenen Aufklärungspflicht, ihre Verletzung kann aber die Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Gerichts herabsetzen. Die gerichtliche Aufklärungspflicht findet dort ihre Grenze, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Aufklärung bietet (vgl. 9 BN 4.21 - NVwZ-RR 2022, 408 Rn. 8 m. w. N.).
34Die Beschwerde bezieht ihre Rüge auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Nichtigkeit der Regelung in § 4 Abs. 4 Nr. 2 AS 2003 und die daraus abgeleitete Gesamtnichtigkeit der Satzung. Das Gericht hat die in der Satzung festgelegte Maßstabsregelung für Grundstücke, für die im Bebauungsplan nicht die Zahl der Vollgeschosse, sondern die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt ist und deren maßgebliche Vollgeschossanzahl sich aus der Teilung dieser Höhe durch einen Umrechnungsfaktor ergibt, wegen der hierzu angeordneten generellen Aufrundung als mit dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar angesehen. Die Klägerin wendet sich hier nicht gegen diese kommunalabgabenrechtliche Bewertung als solche, die im Übrigen - wie die Zitate im angefochtenen Urteil zur Rechtsprechung in Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen belegen (UA S. 10) - von anderen Gerichten geteilt wird, sondern beanstandet, dass das Oberverwaltungsgericht die Satzung aufgrund dieses Mangels insgesamt als nichtig angesehen hat. Konkret bezieht sie sich wiederum auf die Passage im Urteil (UA S. 12 oben): "Dass es von vornherein keinen Anwendungsbereich für § 4 Abs. 4 Nr. 2 AS 03 gab und die aufgezeigte Maßstabslücke ausnahmsweise unbeachtlich war, weil es im ehemaligen Beitragsgebiet der Stadt [...] weder einen betreffenden Anwendungsfall gab noch dessen Entstehen auf Grund konkreter Anhaltspunkte zu erwarten war [...], ist weder ersichtlich noch von der Klägerin substantiiert geltend gemacht worden. Der pauschale Vortrag ihrer Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, eine faktische Relevanz des § 4 Abs. 4 Nr. 2 AS 03 werde bestritten, ist dazu nicht ausreichend."
35aa) Die Klägerin macht hierzu geltend, Voraussetzung für die Nichtigkeit der Satzung sei die Feststellung, dass der streitbefangenen Bestimmung überhaupt faktische Bedeutung zukomme. Das Vorliegen dieser Voraussetzung müsse der beklagte Verband darlegen. Es gehe nicht an, dass dem normunterworfenen Bürger auferlegt werde, die Gültigkeit des vom Beklagten gesetzten Rechts darzulegen und hierfür das Nichtvorliegen eines Umstandes nachzuweisen. Damit ist ein Aufklärungsmangel nicht dargelegt.
36Bereits der Ansatz der Beschwerde, aus dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit ergebe sich, dass die Nichtigkeit der Satzung die - positive - Feststellung der faktischen Bedeutung der streitigen Bestimmung voraussetze, wird nicht näher begründet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung einen solchen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hätte.
37Nach den in der zitierten Urteilspassage ausdrücklich in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des (erkennenden) Oberverwaltungsgerichts verlangt der Grundsatz der konkreten Vollständigkeit eine Vollständigkeit der satzungsmäßigen Verteilungsregelung dergestalt, dass sie eine annähernd vorteilsgerechte Verteilung des umlagefähigen Aufwands für alle Verteilungskonstellationen ermöglicht, die in der Gemeinde oder im Verbandsgebiet im Zeitpunkt des Erlasses der Satzung vorhanden sind oder deren Entstehen aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu erwarten ist ( 9 C 2.18 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 230 Rn. 16 m. w. N.); grundsätzlich muss der Verteilungsmaßstab im Anschlussbeitragsrecht alle im Versorgungsgebiet in Betracht kommenden Anwendungsfälle regeln (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom - 4 L 155/09 - juris Rn. 75). Dieser Kontrollmaßstab ist zugrunde zu legen, wenn in der Verteilungsregelung der Satzung eine bestimmte Fallkonstellation fehlt und zu entscheiden ist, ob diese Lücke zur Nichtigkeit der gesamten Satzung führt. Für einen solchen Sachverhalt hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg in einer früheren im Berufungsurteil zitierten Entscheidung offengelassen, inwieweit auf eine Maßstabsregelung ausnahmsweise verzichtet werden kann, wenn Anwendungsfälle tatsächlich nicht entstehen und auch nicht entstehen werden oder die Unvollständigkeit ohne Auswirkung auf die im Beitragssatz zum Ausdruck kommende vorteilsgerechte Verteilung des Aufwands bleibe bzw. nur wenige atypische Fälle nicht geregelt werden (OVG Magdeburg, Urteil vom - 4 L 155/09 - juris Rn. 75). Derartige Fallkonstellationen stehen hier aber nicht in Rede.
38Vorliegend geht es nicht um das Unterlassen einer Regelung und die dadurch bewirkte Lücke im Verteilungsmaßstab, sondern - umgekehrt - darum, dass der Satzungsgeber eine konkrete Fallkonstellation regeln wollte und geregelt hat, diese Regelung aber "misslungen" und nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts nichtig ist. Das Oberverwaltungsgericht hat den Satzungsmangel nicht in einem Verstoß gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit gesehen, sondern darin, dass eine konkrete Verteilungsregelung nicht mit dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitsgebot vereinbar sei.
39Die Auswirkungen der Nichtigkeit der Einzelbestimmung auf die Wirksamkeit der gesamten Satzung hat das Oberverwaltungsgericht gesondert geprüft und eine Gesamtnichtigkeit bejaht (UA S. 13). Eine Teilnichtigkeit sei nicht anzunehmen, weil nicht angenommen werden könne, dass die verbleibenden Satzungsregelungen dem mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers entsprächen. Mit dieser Argumentation setzt sich die Beschwerde nicht auseinander, sondern unterstellt, dass die Nichtigkeit der einzelnen Satzungsbestimmung auch dann keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Satzung habe, wenn sie faktisch ohne jede Relevanz sei.
40bb) Aber selbst wenn man der Beschwerde darin folgt, dass sich der zitierten Urteilspassage die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts entnehmen lassen könnte, dass die Nichtigkeit der Regelung in § 4 Abs. 4 Nr. 2 AS 2003 auch dann unbeachtlich wäre, wenn es für sie von vornherein keinen Anwendungsbereich gab, sie also von vornherein überflüssig war, lassen sich daraus nicht die von der Klägerin unterstellten Aufklärungspflichten des Gerichts und Darlegungsobliegenheiten des Beklagten ableiten.
41Das Gebot der Vollständigkeit verlangt keinen - positiven - Nachweis, dass alle in der Maßstabsregelung vorgesehenen Fälle konkret relevant sind, und erfordert vom Satzungsgeber keine entsprechenden Darlegungen. Die vorliegend streitgegenständliche Verteilungsregelung betrifft Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen, der für sie nicht die Zahl der Vollgeschosse, sondern die höchstzulässige Gebäudehöhe festsetzt. Dass Bebauungspläne derartige Festsetzungen enthalten können, ergibt sich aus § 16 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Vergleichbare Verteilungsregelungen finden sich in vielen anderen Abgabensatzungen, wie die vom Oberverwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung belegt. Derartige Bestimmungen werden also von den jeweiligen Satzungsgebern - gerade im Hinblick auf das Gebot der konkreten Vollständigkeit der Verteilungsregelung, bei dem nicht nur die gegenwärtige Situation, sondern auch mögliche zukünftige Entwicklungen in den Blick genommen werden müssen - verbreitet für erforderlich und sinnvoll gehalten. Auch der Beklagte hat in seinen Beitragssatzungen, die der von der früheren Einrichtungsträgerin erlassenen AS 2003 nachgefolgt sind, entsprechende Verteilungsregelungen vorgesehen, in der Satzung aus dem Jahr 2018 lediglich mit einer anderen Rundungsvorgabe. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass und warum das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund allein wegen eines "Bestreitens" durch die Klägerin der Frage nachgehen musste, ob der streitigen Verteilungsregelung ausnahmsweise von vornherein jeglicher Anwendungsbereich gefehlt haben könnte, und sich ihm weitere Aufklärungsmaßnahmen dazu hätten aufdrängen müssen. Einen Beweisantrag hat die Klägerin nicht gestellt.
42c) Die Revision ist nicht wegen einer Verletzung der Begründungspflicht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO zuzulassen; denn das Urteil ist entsprechend den Anforderungen des § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO mit Gründen versehen.
43Nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind. Dies bedeutet, dass die für das Gericht maßgebenden tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden müssen. Diese Pflicht ist verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonstwie unbrauchbar sind (stRspr, vgl. 2 C 25.01 - BVerwGE 117, 228 <230 f.>; Beschluss vom - 9 B 15.16 - juris Rn. 5 m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.
44Die Klägerin beanstandet nicht das Fehlen hinreichender Entscheidungsgründe als solches, sondern wendet sich gegen den Inhalt der Begründung, die sie für widersprüchlich und nicht überzeugend hält. Der Sache nach kritisiert sie insbesondere die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zum sogenannten "Herstellungsbeitrag II" und zum Vorteilsbegriff des § 6 KAG-LSA. Ihre Rüge zielt damit nicht auf einen Verfahrensfehler, sondern auf die materielle Rechtsanwendung und die Auslegung und Anwendung von irrevisiblem Landesrecht.
45d) Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe die Bindungswirkung des vorangegangenen Revisionsurteils des Senats missachtet. Die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO, deren Verletzung als Verfahrensmangel gerügt werden kann, erstreckt sich auf die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts und umfasst die für die Aufhebungsentscheidung kausal ausschlaggebenden Gründe ( 8 C 21.11 - BVerwGE 145, 122 Rn. 22; Beschluss vom - 9 B 26.21 - juris Rn. 6 m. w. N.). Dass sich das Oberverwaltungsgericht in Widerspruch zu derartigen bindenden Vorgaben aus dem Revisionsurteil des Senats gesetzt hätte, legt die Beschwerde nicht dar.
46aa) Die Klägerin rügt zum einen, das Berufungsgericht habe die notwendige Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und Nichtbeitragspflichtigen nicht nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden solle, und sich nicht an die insoweit bindenden Vorgaben des Revisionsurteils gehalten. Hierzu verweist sie auf die im Revisionsurteil wiedergegebene Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts zu den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG im Beitragsrecht. Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang gerügte "Differenzierung zwischen Beitragsschuldnern, die nach der Wiedervereinigung an die Schmutzwasseranlage eines öffentlich-rechtlichen Einrichtungsträgers angeschlossen waren und einem neuen Einrichtungsträger 'beigetreten' sind, und jenen Beitragsschuldnern, die als Altanschlussnehmer vor der Wiedervereinigung nur über einen technischen Anschluss verfügten, der nach der Wende erstmals durch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung betrieben wurde", war jedoch nicht Gegenstand des Revisionsurteils. Dieses hat im Rahmen der Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf den abgegoltenen Vorteil abgestellt, sondern - auf der Grundlage der Auslegung des zwischen der Gemeinde und dem Beklagten geschlossenen Beitrittsvertrages durch das Oberverwaltungsgericht - auf die Differenzierung zwischen Zahlern und Nichtzahlern für den Fall des Eintritts der Festsetzungsverjährung. Diese Sachverhaltskonstellation liegt der streitgegenständlichen Berufungsentscheidung gerade nicht zugrunde, so dass das Revisionsurteil insoweit auch keine Bindungswirkung entfalten kann. Der Sache nach rügt die Klägerin keinen Verfahrensfehler, sondern eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch die von ihr kritisierte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zum Herstellungsbeitrag II.
47bb) Auch soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe die Vorgaben des Revisionsgerichts zur Einbeziehung von altem Herstellungsaufwand in die Kalkulation des Beklagten und den entsprechenden Prüfungsauftrag nicht beachtet, beziehen sich die insoweit maßgeblichen Ausführungen des Revisionsurteils nur auf den Fall, dass eine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, was vom Oberverwaltungsgericht gerade verneint wird. Der von der Klägerin kritisierte zusätzliche Hinweis des Oberverwaltungsgerichts auf die ergebnisneutrale Auswirkung der Hereinnahme des Alt-Aufwands war nicht entscheidungserheblich für den Ausgang des Berufungsverfahrens; das Oberverwaltungsgericht hat diese Frage vielmehr ausdrücklich "nicht abschließend entschieden" (UA S. 14).
48Anders als die Klägerin meint, gebietet der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes nicht die Überprüfung von "Vorratsbegründungen". Die von ihr zitierte Entscheidung des 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26) bezieht sich auf den hier nicht vorliegenden Fall von mehreren, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Begründungen, die alle mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden müssen. Geht es dagegen um zusätzliche, nicht entscheidungstragende Überlegungen des Berufungsgerichts, kann das Urteil auf diesen nicht beruhen, so dass etwaige Mängel die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen können.
494. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:170523B9B33.22.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-45702