BGH Beschluss v. - 1 StR 49/23

Gewerbsmäßige Steuerhehlerei: Abgrenzung zur Steuerhinterziehung bei Übernahme unversteuerter Zigaretten zum Zwecke des inländischen Weiterverkaufs

Gesetze: § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 370 Abs 1 Nr 3 AO, § 374 Abs 1 Alt 1 AO, § 374 Abs 2 Alt 1 AO, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 71 KLs 4/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in vier Fällen und wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 754.250 € sowie bezüglich des Falles II. 5. der Urteilsgründe in Höhe von weiteren 1.308.800 € gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S.      angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Der Schuldspruch im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, 3 AO) hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand; er ist dahin abzuändern, dass sich der Angeklagte auch insoweit der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1, Abs. 2 Alternative 1 AO) schuldig gemacht hat.

3a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Mitangeklagte S.        am Morgen des mit einem Sattelzug aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union 40.000 Stangen mit acht Millionen unversteuerter Zigaretten nach Deutschland verbracht. Diese Zigaretten, auf denen verkürzte Tabaksteuer in Höhe von 1.308.800 € lastete, übernahm der Angeklagte zu einem Preis von 18 € je Stange als Erstempfänger im Inland zum Zweck ihres gewinnbringenden Weiterverkaufs. Unmittelbar nach dem Abladen veräußerte der Angeklagte aus dieser Lieferung 2.970.000 Zigaretten an verschiedene Abnehmer zu einem Verkaufspreis von 18,50 € pro Stange. Die Polizei stellte die noch nicht weiterveräußerten Zigaretten in der Lagerhalle sicher; diese Zigaretten hat das Landgericht nach § 74 Abs. 2 StGB, § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO eingezogen.

4b) Damit ist hier – entgegen der rechtlichen Bewertung des Landgerichts – durch das Erlangen der Verfügungsmacht über die Zigaretten der Tatbestand der Steuerhehlerei in der Tatvariante des Sichverschaffens (§ 374 Abs. 1 Alternative 1 AO) erfüllt; auch der „Erstempfänger“ begeht eine Steuerhehlerei, macht sich aber nicht (nachfolgend) wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, 3 AO) strafbar (st. Rspr.; siehe nur , BGHSt 64, 152 Rn. 22-24; Beschluss vom – 1 StR 127/19, BGHR AO § 374 Konkurrenzen 6 Rn. 9-17).

5c) § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte hiergegen nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

6d) Die Änderung des Schuldspruchs lässt die für die Tat verhängte Einzelstrafe unberührt: Der Strafrahmen des Qualifikationstatbestandes des § 374 Abs. 2 AO stimmt mit demjenigen des besonders schweren Falles des § 370 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 AO überein, den das Landgericht zugrunde gelegt hat. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei genannten maßgeblichen Strafzumessungskriterien (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), namentlich die Höhe des Tabaksteuerverkürzungsbetrags von über 1,3 Mio. €, sind auch bei der – der Vortat nachfolgenden und den Steuerausfall perpetuierenden – Steuerhehlerei maßgeblich.

72. Die Einziehungsentscheidung begegnet hingegen teilweise durchgreifenden Bedenken.

8a) Die Abänderung des Schuldspruchs von Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, 3 AO) zu gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1, 2 AO) hat zur Folge, dass im Fall II. 5. der Urteilsgründe lediglich ein Betrag von 274.725 €, den der Angeklagte aus der Veräußerung von 14.850 Stangen Zigaretten zum Verkaufspreis von 18,50 € erzielte, der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB unterliegt. Denn der Steuerhehler erlangt nicht die Steuerersparnis, sondern, indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 502/20 Rn. 8 und vom – 1 StR 481/21 Rn. 7; je mwN). Die vom Landgericht, das rechtsfehlerhaft auf die Tabaksteuerersparnis abgestellt hat, insoweit angeordnete Einziehung als Gesamtschuldner mit dem Mitangeklagten S.        geht mithin ins Leere.

9b) Hinsichtlich eines Teilbetrages von 25.900 € aus Fall II. 3. der Urteilsgründe hat der Senat nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von einer Einziehung abgesehen. Insoweit sind die Feststellungen widersprüchlich: Zum einen sollen – beweiswürdigend unterlegt (UA S. 45) – 28 Kartons mit unversteuerten Zigaretten durch unbekannte Dritte aus dem Lager entwendet worden sein (UA S. 26); zum anderen soll der Angeklagte hingegen sämtliche in diesem Fall erlangten Zigaretten veräußert haben (UA S. 76). Mit der Beschränkung kann offenbleiben, wie sich ein etwaiger Diebstahl auf die Bestimmung des Einziehungsumfangs ausgewirkt hätte (vgl. insbesondere , BGHSt 64, 152 Rn. 29 einerseits und Beschluss vom – 1 StR 438/19 Rn. 5, 7 andererseits).

103. Die Kostenentscheidung bezüglich der Einziehung beruht, soweit der Senat in der Sache entschieden hat, auf § 473 Abs. 4, § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 423/20, BGHR StPO § 473 Abs. 4 Quotelung 8 Rn. 6 ff. und vom – 1 StR 311/20 Rn. 9 ff.; bezüglich des nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO beschränkten und ohnehin geringen Teils siehe Rn. 4 f.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:050423B1STR49.23.0

Fundstelle(n):
wistra 2023 S. 300 Nr. 7
GAAAJ-44412